Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 27.12.2004, Az.: 1 A 1710/02

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
27.12.2004
Aktenzeichen
1 A 1710/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 43514
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2004:1227.1A1710.02.0A

Amtlicher Leitsatz

In einem Bereich, in dem ein kirchlicher Träger einer Einrichtung über den Kreis seiner Mitglieder hinaus in sog. mittelbarer staatlicher Verwaltung tätig wird, ist eine Bekanntmachung von Satzungsrecht mit Publizitätswirkung geboten. Der Hinweis, die Satzung könne im Kirchenbüro eingesehen werden, ist nicht ausreichend. Die Befristung ursprünglich auf Lebenszeit verbliebener Nutzungsrechte ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

In der Verwaltungsrechtssache

des Herrn A.,

gegen

die Kirchengemeinde Lühekirchen vertreten durch den Kirchenvorstand,

Bürgerei 1, 21720 Steinkirchen

Streitgegenstand: Nutzungsrecht an einer Grabstätte

hat das Verwaltungsgericht Stade - 1. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 17. Dezember 2004 durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Schmidt, den Richter am Verwaltungsgericht Steffen, den Richter Clausen sowie die ehrenamtlichen Richter E. und F. für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Der Bescheid des Beklagten vom 30. März 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2002 wird aufgehoben.

    Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

    Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die zeitliche Befristung des Nutzungsrechtes an einer Grabstelle.

2

Der Kläger erwarb am 16. September 1961 von der Beklagten das Nutzungsrecht an einer Familiengrabstätte auf dem Friedhof der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Steinkirchen. Ausweislich des dem Kläger hierüber ausgestellten Grabscheines mit der Nummer C 15 handelt es sich hierbei um einen Platz mit vier Grabbetten, dessen Nutzungsrecht der Kläger auf Lebenszeit mit dem Recht der Umschreibung auf einen Erben ersten Grades, der seinen Wohnsitz der Kirchengemeinde Steinkirchen hat, erworben hat. Die Gebühren für den Erwerb des Nutzungsrechtes in Höhe von 15,00 DM hat der Kläger bezahlt.

3

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 16. Januar 1995 mit, die Grabstelle sei 1991 abgelaufen und der Kläger werde gebeten, mitzuteilen, ob er das Grab verlängern oder an die Kirchengemeinde zurückgeben wolle. Im Falle einer Verlängerung sei je Grabbett für jedes Jahr der Verlängerung ein Betrag von 6,00 DM zu berechnen. Auf den hiergegen durch den Kläger erhobenen Widerspruch teilte die Beklagte mit Schreiben vom 15. Mai 1995 mit, aufgrund des vom Kläger vorgelegten Grabscheines bestehe für ihn keine Verpflichtung, das Nutzungsrecht verlängern zu lassen.

4

Mit Schreiben vom 30. März 1998 wandte sich die Beklagte erneut an den Kläger. Das Landeskirchenamt habe den Kirchenvorstand der Beklagten dazu geraten, die zeitlich unbefristeten und auf Friedhofsdauer verliehenen Nutzungsrechte an Grabstätten zeitlich zu befristen. Aufgrund dieser Empfehlung habe der Kirchenvorstand in seine Friedhofsordnung vom 16. Dezember 1996 folgende Bestimmung aufgenommen:

5

Nutzungsrechte, die unbefristet, auf Lebenszeit oder auf Friedhofsdauer eingeräumt sind, enden am 31.12.1997, frühestens jedoch nach Ablauf der Ruhezeit der letzten vor Inkrafttreten dieser Friedhofsordnung erfolgten Bestattung. Nach Ablauf dieser Frist können die Nutzungsrechte nach Maßgabe dieser Friedhofsrechte verlängert werden. Geschieht dies nicht, kann die Kirchengemeinde über die Grabstätte verfügen.

6

Die Friedhofsordnung sei seit dem 25. Februar 1997 rechtskräftig. Der Kläger werde gebeten mitzuteilen, ob er das Nutzungsrecht an der Grabstätte verlängern oder ob er die Grabstätte an die Kirchengemeinde zurückgeben wolle.

7

Gegen dieses Schreiben erhob der Kläger unter dem 23. Juni 1998 Widerspruch. Das Verlangen der Beklagten das Nutzungsrecht zu verlängern, stehe im Widerspruch zu dem Schreiben vom 15. Mai 1995. Es handele sich um ein Familiengrab mit einer Nutzungsberechtigung auf Lebenszeit. Hierfür sei eine Verlängerung nicht zu veranlassen. Die auf Lebenszeit ausgestellten Grabscheine könnten nicht durch Beschluss des Kirchenvorstandes befristet werden. Das sei juristisch nicht denkbar.

8

Hierauf teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 17. Dezember 1998 mit, die Umwandlung des bestehenden Nutzungsrechts in ein zeitlich befristetes sei nach der Rechtsprechung zulässig. Um dem Kläger entgegenzukommen, sei die Beklagte jedoch bereit, das Nutzungsrecht erst mit Wirkung ab dem 1. Januar 2000 in ein zeitlich befristetes umzuwandeln. Dies geschehe im Rahmen einer Einzelfallentscheidung und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. Der Kläger teilte hierzu mit, er halte das von der Beklagten herangezogene Urteil des OVG Lüneburg vom 18. Juli 1994 - 8 L 4760/92 - nicht für einschlägig. Die Beklagte wandte sich daraufhin an die evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers. Das Landeskirchenamt teilte der Beklagten daraufhin unter dem 10. Februar 2000 mit, die Befristung der Nutzungsrechte sei zur Verwirklichung des Friedhofsrechtes erforderlich gewesen. Nutzungsrechte unterlägen generell den Beschränkungen, die sich aus der Zweckbestimmung des Friedhofes ergäben. Durch die Verkürzung der alten Nutzungsrechte werde eine gleichmäßige Heranziehung aller Friedhofsbenutzer zu den Kosten der Friedhofsunterhaltung erreicht. Durch die eingeräumte Möglichkeit der Verlängerung und die Übergangsfrist seien auch die Anforderungen der Rechtsprechung an eine sog. weiche Auslauffrist gewahrt.

9

Mit Widerspruchsbescheid vom 3. September 2002 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers vom 23. Juni 1998 als unbegründet zurück. Gemäß § 25 Absatz 2 der Friedhofsordnung vom 16. Dezember 1996 sei das Nutzungsrecht des Klägers am 31. Dezember 1991 abgelaufen. Da man dem Kläger mit Schreiben vom 17. Dezember 1998 angeboten habe, das alte Nutzungsrecht bis zum 1 . Januar 2000 laufen zu lassen, sei das Ende des Nutzungsrechtes somit am 1. Januar 2000 eingetreten. Die vorgenommene Befristung sei zulässig und entspreche den von der Rechtsprechung gemachten Anforderungen.

10

Der Kläger hat am 30. September 2003 Klage erhoben, mit der er geltend macht:

11

Die Aufforderung, das Nutzungsrecht für die Grabstelle des Klägers zu verlängern, sei rechtswidrig. Der Kläger habe dieses Nutzungsrecht auf Lebenszeit erworben und weiter sei vereinbart, dass das Nutzungsrecht vererbbar sei. Somit sei der Kläger berechtigt, die Grabstätte weiter unentgeltlich zu nutzen. Die rückwirkende Außerkraftsetzung dieser Rechtsposition komme einer Enteignung gleich.

12

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 30. März 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2002 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger berechtigt ist, weiterhin das Nutzungsrecht an der Familiengrabstätte gemäß Grabschein C 15 auf dem Friedhof der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Steinkirchen unentgeltlich zu nutzen.

13

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

14

Bei dem Schreiben der Beklagten vom 30. März 1998 handele es sich um einen Verwaltungsakt, weil darin verbindlich festgestellt sei, dass § 25 Absatz 2 der Friedhofsordnung der Beklagten auf das Nutzungsrecht aus dem Grabschein des Klägers Anwendung finde. In der Rechtsprechung sei aber geklärt, dass bislang unbefristete Nutzungsrechte an Grabstellen zeitlich befristet werden könnten. Ein Friedhofsträger habe das Recht, Benutzungsbedingungen zu ändern, wenn der Anstaltszweck dies erforderlich mache. Nutzungsrechte seien nicht unabänderlich, so dass der Kläger keinen Rechtsanspruch auf einen unverminderten Fortbestand dieses Rechtes besitze. Die erhöhte Inanspruchnahme der Friedhöfe und gestiegene Kosten rechtfertigten die getroffene Befristung, zumal die gewählte Übergangsregelung verhältnismäßig sei. Die Friedhofsordnung der Beklagten sei im Übrigen wirksam bekannt gemacht worden.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16

Die Klage hat Erfolg.

17

Sie ist begründet, weil die in der Friedhofsordnung der Beklagten vom 16. Dezember 1996 in § 25 Absatz 2 ausgesprochene Befristung über Nutzungsrechte unwirksam ist und damit dem geltend gemachten Anspruch des Klägers gegenwärtig nicht entgegen gehalten werden kann. Demzufolge waren die angefochtenen Bescheide aufzuheben. Dazu im Einzelnen:

18

Die Friedhofsordnung der Beklagten vom 16. Dezember 1996 hat mangels genügender Bekanntmachung keine Allgemeinverbindlichkeit und damit keine normative Wirkung erlangt. Eine Bekanntmachung ist nämlich lediglich in der Weise erfolgt, dass im Amtsblatt für den Landkreis Stade vom 24. Februar 1997 ein Hinweis über die Beschlussfassung der neuen Friedhofsordnung veröffentlicht ist. Gleichzeitig ist im Amtsblatt bekannt gemacht, dass der Kirchenkreisvorstand diese Friedhofsordnung kirchenaufsichtlich genehmigt hat. Im Weiteren heißt es:

19

"Der volle Wortlaut der Friedhofsordnung und Friedhofsgebührenordnung liegt während der Öffnungszeiten im Kirchenbüro, Bürgerei 1, 21720 Steinkirchen aus. Die Friedhofsordnung und Friedhofsgebührenordnung tritt am Tage nach der öffentlichen Bekanntmachung in Kraft."

20

Entsprechende Hinweise sind darüber hinaus in der Altländer Zeitung und der Buxtehuder Zeitung erfolgt. Ein Abdruck des Wortlauts der Friedhofsordnung ist jedoch weder im Amtsblatt noch als öffentliche Bekanntmachung in einer Tageszeitung veranlasst worden. Diese Vorgehensweise entspricht nicht den Anforderungen an die Veröffentlichung von materiellen Recht. Hierzu hat das OVG Münster mit Urteil vom 28. September 1989 - 9 A 2511/86 (KirchE 27, 267 f.) Folgendes ausgeführt:

21

Sofern der kirchliche Friedhofsträger eine Friedhofsordnung mit Normcharakter erlassen will, muss die Bekanntmachung rechtsstaatlichen Mindestanforderungen genügen. Diese Anforderungen müssen hier ungeachtet der Frage der Rechtsnachfolge allein schon deshalb erfüllt sein, weil das Handeln der Klägerin durch Erlass von Verwaltungsakten bei der Begründung von Grabnutzungsrechten und im Benutzungsverhältnis eine Friedhofsordnung mit Normcharakter voraussetzt. Auch im öffentlich-rechtlichen Anstaltsverhältnis bedarf es einer (möglichst) konkreten normativen Legitimation für den Erlass von Verwaltungsakten...

22

Die vorliegende Bekanntmachung der FO genügt rechtsstaatlichen Anforderungen nicht, weil sie nicht im vollen Wortlauf in den von dem Beklagten für die Bekanntmachung der FO gewählten Publikationsmedien bekannt gemacht worden ist. Die mit der Verkündung bzw. Bekanntmachung von (materiellen) Gesetzen bezweckte, dem Rechtsstaatsgebot genügende Wirkung, die Öffentlichkeit so umfassend wie möglich zu unterrichten, wird nur erreicht, wenn der volle Wortlaut bekannt gemacht wird. Es genügt daher nicht einmal, wenn der sogenannte wesentliche Inhalt des Gesetzes verkündet wird; darin kann bereits eine unzulässige Vorauswahl liegen...

23

Erst recht erfolgt keine wirksame Bekanntmachung durch einen Hinweis, die Norm könne ganz oder teilweise, am Sitz der Behörde eingesehen werden; damit würde das der Verkündung bzw. Bekanntmachung eigentliche Merkmal der Publizität nicht erreicht, weil dafür ein Heraustreten des Gesetzes in die Öffentlichkeit erforderlich ist.

24

Die Kammer folgt dieser Auffassung. Gerade in einem Bereich, in dem ein kirchlicher Träger einer Einrichtung über den Kreis seiner Mitglieder hinaus in sogenannter mittelbarer staatlicher Verwaltung tätig wird, gebieten die vorstehenden Grundsätze eine Bekanntmachung von Normen mit Publizitätswirkung. Dies mag anders zu beurteilen sein, wenn Normen lediglich im innerkirchlichen Bereich Geltung beanspruchen. Im vorliegenden Fall ist die Inanspruchnahme der Friedhöfe der Beklagten jedoch einem darüber hinaus gehenden Personenkreis möglich und im Einzelfall sogar ordnungsrechtlich geboten. Über hierfür geschaffenes Satzungsrecht ist die Öffentlichkeit dem gemäß umfassend zu unterrichten.

25

Dabei ist es nicht ausgeschlossen, einzelne Teile von Satzungen - etwa umfangreiche Anlagen - mit dem Hinweis der Auslegung und der Einsichtnahmemöglichkeit bekannt zu machen, wie dies die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 15. Dezember 2005 ausführt. Insoweit mag beispielhaft auf die BekanntmachungsVO des Nds. Innenministeriums hingewiesen werden.

26

Im vorliegenden Fall fehlt es damit an einer wirksamen Bekanntmachung der Friedhofsordnung der Beklagten, so dass die hier heranzuziehende Bestimmung des § 25 Absatz 2 betreffend die nachträgliche Befristung von Nutzungsrechten unwirksam ist. Die Beklagte kann damit das geltend gemachte Begehren, der Kläger habe ggf. Nutzungsrechte entgeltlich zu verlängern, auf diese Vorschriften nicht stützen. Die angefochtenen - feststellenden - Bescheide waren somit antragsgemäß aufzuheben.

27

Dies bedeutet, dass gegenwärtig mangels satzungsrechtlicher Grundlage nicht von einer Befristung des vom Kläger erworbenen Nutzungsrechts auszugehen ist. Die Beklagte ist allerdings nicht gehindert, ihre Friedhofsordnung und die darin enthaltene Befristungsregelung durch eine ordnungsgemäße Bekanntmachung in Kraft zu setzen. In diesem Falle könnte sich der Kläger nicht mit Erfolg auf das im Jahre 1961 unbefristet erworbene Nutzungsrecht berufen. Denn die Befristung der ursprünglich auf Lebenszeit verliehenen Nutzungsrechte ist mit höherrangigem Recht vereinbar und verstößt insbesondere nicht gegen den durch Artikel 14 Grundgesetz gewährleisteten Eigentumsschutz. Das Nds. Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 18. Juli 1994 - 8 L 4760/92 - hierzu Folgendes ausgeführt:

28

Ob Nutzungsrechte an Grabstätten den Schutz des Artikel 14 Absatz 1 Satz 1 GG genießen, ist zweifelhaft (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.Juli 1960, BVerwGE 11, 68, 74; OVG Koblenz, Urteil vom 19. April 1989, NVwZ 1990, 96, 97). Der erkennende Senat hat im Urteil vom 10. Juni 1988 (ZevKR 34, 207, 210) die Auffassung vertreten, dass die Nutzungsrechte an sog. Erbgräbern keine vermögenswerten Rechte des Privatrechts darstellen. Sie sind - selbst dann wenn sie ursprünglich privatrechtlichen Charakter aufweisen - aufgrund eines historisch bedingten Wandels der Rechtsauffassung subjektiv-öffentliche Sondernutzungsrechte. (ebenso BVerwG, Urteil vom 8. Juli 1960, a.a.O., 71; BVerwG, Urteil vom 8. März 1974, DÖV 1974, 390, 391).

29

Aber selbst wenn die Eigentumsqualität derartiger Sondernutzungsrechte aufgrund ihrer Vererblichkeit anzuerkennen wäre, handelt es sich bei der vorgenommene nachträglichen Befristung ursprünglich unbefristeter Rechtspositionen um keine unzulässige (entschädigungslose) Enteignung. Diese Befristung, die mit einer - wenn gleich gebührenpflichtigen - Verlängerungsmöglichkeit gekoppelt ist, greift nicht nachhaltig oder unzumutbar in bestehende Rechtspositionen der Inhaber alter Grabnutzungsrechte ein. An einem unzumutbaren Eingriff fehlt es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung einerseits dann, wenn die unter Geltung einer Friedhofsordnung erworbenen Sondernutzungsrechte von vornherein unter dem Vorbehalt einer späteren Änderung der Friedhofsordnung im Rahmen des Anstaltszweckes und der besonderen Zweckbestimmung der Sondergrabstellen stehen (BVerwG, Urteil vom 8. Juli 1960, a.a.O.). ...

30

Im Übrigen kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass das durch eigenen Vermögenseinsatz erworbene Sondernutzungsrecht an einer Grabstätte keinen Ewigkeitscharakter hat; zeitliche Begrenzungen sind ihm immanent. Je länger es besteht, desto mehr entfernt es sich von der Leistung, durch die es einmal geschaffen worden ist und durch es legitimiert wird. Diese "Verflüchtigung" bzw. Aufzehrung seines eigentumsähnlichen Gehalts erleichtert gesetzliche Neuregelungen, soweit sie vom Anstaltszweck, z.B. durch den Mangel an Begräbnisplätzen oder durch gestiegene Unterhaltskosten gedeckt sind (OVG Lüneburg, Urteil vom 10. Juni 1988, a.a.O., 211; VGH Kassel, Urteil vom 26. November 1992, NVwZ-RR 1993, 664, 665). Die Erforderlichkeit der Neuregelung kann in Anbetracht der gestiegenen Bevölkerungszahl und der allgemein bekannten Steigerung der Unterhaltskosten als gegeben angesehen werden. Eine unzulässige entschädigungslose Enteignung liegt damit nicht vor.

31

Auch ein Verstoß gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot ist nicht erkennbar, denn die überkommenen Grabnutzungsrechte werden lediglich für die Zukunft einer neuen Regelung unterworfen. ...

32

Die Bestimmung der Friedhofsordnung in § 32 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FO ist schließlich mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar. Die Beklagte hat die überkommenen Grabnutzungsrechte nicht abrupt enden lassen, sondern für sie eine "weiche" Übergangsbestimmung getroffen. Damit entspricht sie der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 8. Februar 1977, BVerfGE 43, 242, 288), der zufolge bei der Aufhebung oder Modifizierung geschützter Rechtspositionen aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes angemessene Übergangsregelungen notwendig sein können, für deren weitere Ausgestaltung dem jeweiligen Gesetz- oder Verordnungsgeber ein weites Ermessen zusteht.

33

Diesen Maßstäben würde die Friedhofsordnung der Beklagten voraussichtlich gerecht. Einer abschließenden Entscheidung bedarf es insoweit in diesem Verfahren jedoch nicht.

34

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 154 Abs. 1, 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.