Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 08.12.2004, Az.: 6 A 487/03

Voraussetzungen der Gewähr einer Prämie zur Erhaltung eines Mutterkuhbestandes (Mutterkuhprämie); Begriff der Mutterkuh; Berechnung des Beihilfebetrages bei eingreifen einer Kürzungsregelung; Prämienfähigkeit von Tieren, die zunächst in einem falschen Rasseschlüssel eingetragen waren

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
08.12.2004
Aktenzeichen
6 A 487/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 22959
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2004:1208.6A487.03.0A

Verfahrensgang

vorgehend
NULL

Verfahrensgegenstand

Mutterkuhprämie

Prozessführer

A.
B.

Prozessgegner

Amt für Agrarstruktur Bremerhaven, Borriesstraße 46, 27570 Bremerhaven, - D. -

Redaktioneller Leitsatz

Fehlerhafte Eintragungen in einer Rinderdatenbank können bei offensichtlichen Irrtümern jederzeit berichtigt werden.

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Stade - 6. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 8. Dezember 2004
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Gärtner,
den Richter am Verwaltungsgericht Wermes,
die Richterin Reccius sowie
die ehrenamtlichen Richter E. und F.
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Beklagte wird verpflichtet, den Klägern eine weitere Mutterkuhprämie für das Jahr 2000 in Höhe von 7.532,93 EUR zu bewilligen. Der Bescheid des Beklagten vom 31. Mai 2001 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 24. Februar 2003 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen die teilweise Versagung und Kürzung der Mutterkuhprämie für das Jahr 2000.

2

Der Kläger zu 1) meldete unter dem 28. September 1999 seine Mutterkühe mit dem Rasseschlüssel "02" an den "VIT" (Informationssysteme Tierhaltung) in G.

3

Am 11. April 2000 übernahmen die Kläger als GbR den landwirtschaftlichen Betrieb vom Kläger zu 1). Am nächsten Tag schickten die Kläger die Unterlagen für die Ummeldungen ihrer Mutterkühe an den "VIT" in G. ab.

4

Mit einem am 8. Mai 2000 unterschriebenen Formularantrag beantragten die Kläger bei der zuständigen Kreisstelle der Landwirtschaftskammer Hannover in H. die Gewährung einer Mutterkuhprämie für das Jahr 2000. Die Kläger beantragten die Mutterkuhprämie für 104 Tiere, die im Einzelnen fortlaufend nummeriert unter Nennung der Ohrmarkennummer in einer dem Antrag beigefügten Tierliste aufgeführt waren.

5

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 16. Mai 2000 setzte der Beklagte die für die Beantragung der Mutterkuhprämie erforderlichen Prämienansprüche der Kläger auf 101,2 Prämienansprüche fest.

6

Am 2. August 2000 zeigten die Kläger dem Beklagten an, dass sie sieben Mutterkühe durch andere Tiere ersetzt hätten. Auf drei weiteren Meldebögen teilten die Kläger dem Beklagten unter dem 3. Oktober 2000 und 14. Juli 2000 mit, dass 12 der ursprünglich beantragten Mutterkühe durch andere Mutterkühe ersetzt worden seien.

7

Mit Schreiben vom 9. Februar 2001 teilte der Beklagte den Klägern mit, dass im Rahmen der Überprüfung der Prämienfähigkeit der Antragstiere mit den in der HI - Tier - Datenbank in München vorliegenden Daten Fehler festgestellt worden seien, die zu einer Ablehnung der Mutterkuhprämie führen würden, sofern diese Fehler nicht ausgeräumt werden könnten. Von Seiten des Beklagten könnten keine Änderungen am Datenbestand in der HI - Tier - Datenbank vorgenommen werden. Es sei notwendig die möglichen Korrekturen bei dem "VIT" in G. unverzüglich vornehmen zu lassen bzw. zu veranlassen. Diesem Schreiben war als Anlage eine Tierliste des klägerischen Betriebs beigefügt, in der für die Antragstiere der Fehlercode "6708" für keine prämienfähige Rasse vermerkt war.

8

Am 9. April 2001 teilte die Kreisstelle der Landwirtschaftskammer Hannover in H. dem Beklagten mit, dass die Ummeldung der Tiere auf die Kläger bei dem "VIT" nicht für alle Tiere funktioniert habe. Mit den anliegenden Unterlagen werde dies wiederholt. Alle Rinder der Kläger seien Doppelnutzung Rotbunt = 09; dieses werde dem "VIT" ebenfalls mitgeteilt. Diesem Schreiben waren in Kopie fünf Korrekturmeldebögen an den "VIT" unter dem 5. April 2001 beigefügt.

9

Mit Bescheid vom 31. Mai 2001 bewilligte der Beklagte den Klägern eine Mutterkuhprämie für 85 Tiere in Höhe von 16.768,87 DM unter Zugrundelegung eines gekürzten Betrages in Höhe von 197,28 DM statt 318,80 DM je Tier und lehnte die Extensivierungsprämie unter Hinweis darauf ab, dass die Kläger mit einer Besatzdichte von 1,47 GVE/ha den zulässigen Besatzdichtefaktor von 1,4 GVE/ha überschritten. Zugleich versagte der Beklagte die Gewährung einer Mutterkuhprämie für 15 Antragstiere unter Hinweis auf den Fehlercode "6708" für "keine prämienfähige Rasse".

10

Dagegen legten die Kläger am 14. Juni 2001 Widerspruch ein, den sie im Wesentlichen damit begründeten, dass sie ausschließlich Rinder der Rasse Doppelnutzung Rotbunt hielten. Für die mit dem Fehlercode "6708" versehenen Antragstiere habe man die Änderung der Rasse bereits am 5. April 2001 beim "VIT" beantragt. Für das Tier mit der Ohrmarkennummer DE 03 423 74380 (laufende Nr. 76 des Antrages) werde eine tierärztliche Bescheinigung nachgereicht.

11

Mit Schreiben an den Beklagten vom 8. Oktober 2001 wies die Landwirtschaftskammer Hannover - Kreisstelle H. - darauf hin, dass mit Datum vom 4. April 2001 Korrekturen zur Erfassung des Rinderbestandes mit der Bitte gemeldet worden seien, die Rasse von "02" in "09" zu ändern. Von den Meldungen seien dem Beklagten Kopien zur Kenntnis gegeben worden. Leider sei die Änderung des Rasseschlüssels nicht für alle Tiere angenommen worden. Weitere schriftliche Änderungen seien am 29. April 2001, 12. Mai 2001, 17. Mai 2001, 19. Juni 2001, 19. Juli 2001 und zuletzt am 10. September 2001 zum "VIT" gemeldet worden. Im vorliegenden Fall lägen die Probleme hinsichtlich der Zuordnung der Rasse ausschließlich beim "VIT". Eine entsprechende Korrektur sei leider sehr schwierig gewesen und habe trotz vieler Meldungen sehr lange gedauert.

12

Im Januar 2002 legten die Kläger für das Tier mit der Ohrmarke DE 03 423 74380 eine tierärztliche Bescheinigung vom 17. Dezember 2000 vor, in der bescheinigt wird, dass dieses Tier, geboren am 18. Juni 1998, im Alter von ca. 21 Monaten am 2. April 2000 abgekalbt habe.

13

Im Rahmen der Abhilfeprüfung des Widerspruchs teilte der Beklagte den Klägern unter dem 26. August 2002 mit, dass die Angaben in der ärztlichen Bescheinigung den Angaben in der Hi - Tier - Datenbank (HiT) widersprechen. Danach sei das Tier mit der Ohrmarkennummer DE 03 423 74380 am 5. Mai 1997 geboren werden, in der Bescheinigung sei jedoch das Geburtsdatum 18. Juni 1998 vermerkt. Weiterhin habe das Tier laut HiT am 06. Juni 2000 gekalbt, was der bestätigten Kalbung am 2. April 2000 widerspreche. Dazu erklärten die Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 11. Oktober 2002, dass die tierärztliche Bescheinigung insofern einen Fehler enthalte als dort eine Abkalbung vom 2. April 2000 bestätigt worden sei. Richtigerweise hätte der 2. April 1999 bescheinigt werden müssen.

14

Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2003 wies die Bezirksregierung Lüneburg den Widerspruch der Kläger unter Hinweis darauf zurück, dass für insgesamt 15 Tiere keine Mutterkuhprämie habe bewilligt werden können, da in der Datenbank eine falsche, nicht prämienfähige Rasse eingetragen gewesen sei. Auch wenn im Widerspruchsverfahren angegeben worden sei, dass die Tiere tatsächlich prämienfähig seien, da es sich um Tiere der Rasse "Doppelnutzung Rotbunt" handele und eine Änderung der Datenbank veranlasst worden sei, sei jedoch in diesem Zusammenhang entscheidend, dass die Kläger die Tiere der "Doppelnutzung Rotbunt" nicht ordnungsgemäß an die Datenbank gemeldet hätten. Sowohl im Antragsvordruck als auch im dazugehörigen Merkblatt sei für die Gewährung der Mutterkuhprämie 2000 ausdrücklich auf die Bedeutung der korrekten Meldungen an die HI -Tier Datenbank hingewiesen worden. Es sei besonders sorgfältig darauf zu achten, dass die darin enthaltenen Angaben korrekt seien, da sie als Grundlage für die Prämiengewährung dienten. Mit der Unterschrift des Antrages hätten die Kläger erklärt, dass alle Tiere ordnungsgemäß in der HI -Tier Datenbank gemeldet seien. Die Rassemeldungen hätten also schon bei Antragstellung korrekt sein müssen. Die Kläger hätten vor Antragstellung die Datenbankeintragungen überprüfen und ggf. korrigieren müssen. Die fehlerhaften Angaben in der Datenbank könnten auch nicht als offensichtlicher Fehler anerkannt werden, da die Kläger erst durch den angefochtenen Bescheid auf die fehlerhaften Angaben aufmerksam geworden seien. Zudem seien die entscheidenden Datenbankkorrekturen erst am 27. Juli 2001 durchgeführt worden. Es sei von den Klägern nicht nachgewiesen worden, dass sie die Änderungen bereits vorher veranlasst hätten, da die an die VIT übermittelten Korrekturbögen, die die Kläger im April 2001 ausgefüllt hätten, keine Korrekturen der Rasse für die betroffenen Tiere enthalten hätten.

15

Außerdem sei bei der Verwaltungskontrolle festgestellt wurden, dass das Tier mit der Ohrmarkennummer DE 03 420 75627 den klägerischen Betrieb vor Ablauf des sechsmonatigen Haltungszeitraumes verlassen habe, ohne ersetzt zu werden.

16

Darüber hinaus sei für das Tier mit der Ohrmarkennummer DE 03 423 74380 der Kuhstatus nicht nachgewiesen worden. Bei dem Tier handele es sich laut Datenbank nicht um eine Mutterkuh. Am 5. September 2002 sei das Geburtsdatum dieses Tieres in der Datenbank auf den 18. Juni 1998 korrigiert worden. Es sei jedoch unrealistisch, dass ein Tier, welches am 18. Juni 1998 geboren sei, bereits am 2. April 1999 - mit einem Alter von nicht einmal 10 Monaten - abgekalbt habe. Der vorgelegte Nachweis über die Abkalbung könne somit nicht anerkannt werden bzw. lasse an der korrekten Meldung für dieses Tier zweifeln, so dass das Tier nicht als prämienfähig festgestellt werden könne. Insgesamt hätten 19 der beantragten Tiere als nicht prämienfähig gestrichen werden müssen. Bei danach 85 prämienfähigen Tieren errechne sich bezogen auf die erzeugerspezifische Höchstgrenze eine Differenz von 19,0588 %, die nach Art. 10 b Abs. 2 der VO (EWG) Nr. 3887/92 zu verdoppeln sei, womit sich ein Kürzungssatz in Höhe von 38,1176 % ergebe.

17

Dagegen haben die Kläger mit einem am 26. März 2003 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben, mit der sie geltend machen, dass sie keine Möglichkeit gehabt hätten, die Datenbankeintragungen zu überprüfen und ggf. für eine Korrektur zu sorgen. Sie hätten sich darauf verlassen, dass die Behörden, mit denen sie zu tun hätten, ordnungsgemäß arbeiten. Fehler dieser Behörden und Ämter könnten sie mit zumutbarem Aufwand nicht entdecken bzw. korrigieren. Das gelte jedenfalls dann, wenn die Fehler nicht auf unrichtigen Angaben ihrerseits beruhten.

18

Sämtliche handschriftlichen Eintragungen auf der Tierliste, die am 28. September 1999 von dem Kläger zu 2) unterzeichnet worden seien, stammten von einem Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer Hannover. In dieser Liste sei der falsche Rasseschlüssel "02" angegeben worden und zwar für 172 Tiere. Sie müssten sich den Vorwurf gefallen lassen, diese Tierliste unterzeichnet zu haben. Dieser Irrtum sei jedoch durch einen Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer Hannover - Kreisstelle H. - veranlasst gewesen, der den Klägern bei der Erstellung der Listen vom 28. September 1999 behilflich gewesen sei und der jeweils den handschriftlich eingetragenen Rasseschlüssel "02" hinzugesetzt habe. Offenbar sei es auch in anderen Fällen zu Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Aufnahme der Daten in die Rinderdatenbank gekommen. Mit Schreiben vom 9. Februar 2001 seien sie auf eine Reihe von Fehlern und Unstimmigkeiten hingewiesen worden, insbesondere darauf, dass die Mehrzahl der von ihnen angegebenen Rinder keiner prämienfähige Rasse angehörten. Daraufhin hätten sie sich erneut zur Kreisstelle H. der Landwirtschaftskammer mit der Bitte begeben, ihnen bei der Behebung der Fehler zu helfen. Mit Hilfe der von der VIT herausgegebenen Formulare für Datenbank-Korrekturen sei dies auch geschehen. In den Korrekturmeldungen sei jeweils auch der zutreffende Rasseschlüssel "09" eingetragen worden.

19

Warum ausgerechnet 15 der 172 Tiere, die genau derselben Rasse angehören wie die übrigen Tiere, als nicht prämienfähig eingeordnet worden seien, bleibe unerfindlich, obwohl sich inzwischen herausgestellt habe, dass sie einer prämienfähigen Rasse angehören. Die Nichtanerkennung für das Jahr 2000 sei umso weniger verständlich, als eine bestimmte Frist, innerhalb derer Richtigstellung und Korrekturen anzumelden gewesen wären, nicht ersichtlich ist. Es erscheine höchst bedenklich, bereits am 31. Mai 2001 einen Bescheid mit der Folge zu erlassen, dass nach diesem Bescheid keinerlei berichtigende Angaben mehr zugelassen werden.

20

Die Kläger beantragen,

den Bescheid des Beklagten vom 31. Mai 2001, soweit er entgegensteht, und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 24. Februar 2003 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Klägern für das Jahr 2001 eine weitere Mutterkuhprämie in Höhe von 7.880,40 Euro (15.412,73 DM) zu bewilligen.

21

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

22

Er ist der Auffassung, dass die Korrekturen des Rasseschlüssels in Ziffer "09", die erst nach Zugang des Bewilligungsbescheides und der damit einhergehenden Mitteilung von prämienrelevanten Beanstandungen erfolgt seien, nicht mehr anerkannt werden könnten. Hier sei der in Art. 11 Abs. 1 a der VO (EWG) 3887/92 enthaltene Grundsatz "Korrektur nur bis Mitteilung von Fehlern durch Behörde möglich" sinngemäß angewandt worden. Die nach diesem Zeitpunkt für weitere 15 Tiere gemeldeten Korrekturen seien demnach nicht mehr anerkannt worden.

23

Es bleibe festzuhalten, dass die betreffenden Tiere nach den für die Bescheidung aus der zentralen Datenbank herangezogenen und für die Ermittlung der Prämienfähigkeit der Antragstiere relevanten Daten als nicht prämienfähig abzulehnen gewesen seien. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass die nachträgliche Anerkennung der Korrektur der Rasseangaben zudem ausgeschlossen sei, da die betreffenden Tiere - bis auf zwei Ausnahmen - geschlachtet worden seien. Eine Feststellung der tatsächlichen Rasse der Tiere sei damit nicht durchführbar.

24

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

25

Die Klage hat zum überwiegenden Teil Erfolg.

26

Der Bescheid des Beklagten vom 31. Mai 2001 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 24 . Februar 2003 sind teilweise rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten, soweit den Klägern die Mutterkuhprämie für weitere 15 Rinder versagt wird und die Kürzung über einen Betrag in Höhe von 347,47 EUR hinausgeht.

27

Nach Art. 6 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1254/99 des Rates vom 17. Mai 1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch können Erzeuger, die in ihrem Betrieb Mutterkühe halten, auf Antrag eine Prämie zur Erhaltung des Mutterkuhbestandes (Mutterkuhprämie) erhalten. Diese Prämie wird auf Jahresbasis je Kalenderjahr und Betrieb im Rahmen der individuellen Höchstgrenzen gewährt. Gem. Art. 6 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1254/99 wird die Mutterkuhprämie Erzeugern gewährt, die während mindestens sechs aufeinander folgenden Monaten ab dem Tag der Beantragung der Prämie eine Zahl Mutterkühe von mindestens 80% und eine Zahl Färsen von höchstens 20% der Anzahl Tiere halten, für die die Prämie beantragt wurde.

28

Mit der VO (EG) Nr. 2342/99 hat die Kommission u.a. gemäß Art. 6 Abs. 7 der VO (EG) Nr. 1254/99 die Durchführungsvorschriften zu diesem Artikel erlassen (Artikel 14 ff.).

29

Nach Art. 3 f der VO (EG) Nr. 1254/99 ist eine "Mutterkuh" definiert als eine Kuh einer Fleischrasse oder einer aus der Kreuzung mit einer Fleischrasse hervorgegangene Kuh, die einem Aufzuchtbetrieb angehört, in dem Kälber für die Fleischerzeugung gehalten werden. Gemäß Artikel 14 der VO (EG) Nr. 2342/99 gelten Kühe, die den in Anhang I dieser Verordnung genannten Rinderrassen angehören, nicht als Kühe einer Fleischrasse im Sinne des Artikels 3 f der VO (EG) Nr. 1254/99.

30

Für den Fall, dass im Rahmen der Verwaltungskontrolle festgestellt wird, dass einige Antragstiere nicht prämienfähig sind, sind die Berechnungsgrundlagen, Kürzungen und Sanktionen im Rahmen der Vorschriften für das integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem geregelt.

31

Die Ausgangsvorschriften für das integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem finden sich in der VO (EWG) Nr. 3508/92 des Rates vom 27. November 1992, geändert durch die VO (EG) Nr. 1036/99 des Rates vom 17. Mai 1999. Die Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem sind in der VO (EG) Nr. 3887/92 in der für Prämienzeiträume ab 1. Januar 2000 maßgeblichen Fassung der VO (EG) Nr. 2801/99 der Kommission vom 21. Dezember 1999 geregelt. Die VO (EWG) Nr. 3887/92 - mit späteren Änderungen - ist durch die VO (EG) Nr. 2419/01 aufgehoben worden. Sie gilt jedoch weiter für Beihilfeanträge, die sich - wie hier - auf vor dem 1. Januar 2002 beginnende Wirtschaftsjahre oder Prämienzeiträume beziehen (Artikel 53 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 2419/01).

32

Der Europäische Gerichtshof wendet die Verordnung (EG) Nr. 2988/95 aber dahingehend an, dass trotz eines festgelegten zeitlichen Anwendungsbereichs die weniger strenge Sanktionsregelung auch für zurückliegende Prämienzeiträume infolge der Rückwirkung zur Anwendung kommt (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Juli 1997 - C 354/95 -, Nr. 41, EuGHE 1997, I-4559). Diese Rechtsprechung hat der Europäische Gerichtshof bezogen auf die Verordnung VO (EG) Nr. 2419/01 mit seinem Urteil vom 1. Juli 2004 - C - 295/02 - bestätigt, indem er ausdrücklich ausgeführt hat, es weise nichts in der VO (EG) Nr. 2419/01 darauf hin, dass mit dieser Verordnung der in Art. 2 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 2988/95 aufgestellte Grundsatz der rückwirkenden Anwendung weniger schwerer Sanktionen ausgeschlossen werden sollte.

33

Gem. Art. 36 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 2419/01 wird der Beihilfebetrag unbeschadet einer Kürzungsregelung anhand der Zahl der ermittelten Tiere berechnet, wenn die Zahl der in einem Beihilfeantrag angegebenen Tiere über der Zahl der bei einer Verwaltungskontrolle festgestellten Tiere liegt. Wenn wie im vorliegenden Fall eine erzeugerspezifische Obergrenze gegeben ist, wird nach Art. 36 der VO (EG) Nr. 2419/01 die Zahl der in den Beihilfeanträgen angegebenen Tiere auf die Obergrenze verringert, die für den betreffenden Betriebsinhaber festgesetzt wurde. Damit ist bei den Klägern von 101,2 beantragten Tieren auszugehen.

34

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist im vorliegenden Fall nicht festzustellen, dass 15 der beantragten Tiere, die zunächst mit dem falschen Rasseschlüssel "02" gemeldet waren, nicht prämienfähig sind.

35

Das Tier mit der Ohrmarkennummer DE 03 400 44106 ist ausweislich der Verwaltungsvorgänge der Landwirtschaftskammer Hannover, Kreisstelle H., bereits am 4. April 2001 dem "VIT" mit der Bitte um Änderung des Rasseschlüssels in 09 gemeldet worden.

36

Die übrigen der in dem angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 31 Mai 2001 mit dem Fehlercode "6708" versehenen 14 Rinder sind trotz des erst nach Ergehen des angefochtenen Bescheides korrigierten Rasseschlüssels prämienberechtigt.

37

Im vorliegenden Fall greift Art. 36 Abs. 4 Satz 2 der VO (EG) Nr. 2419/01 zu Gunsten der Kläger ein. Danach gilt Art. 12 der VO (EG) Nr. 2419/01 für Meldungen und Eintragungen im System zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern. Art. 12 der VO (EG) Nr. 2419/01 bestimmt, dass ein Beihilfeantrag nach seiner Einreichung jederzeit berichtigt werden kann, wenn die zuständige Behörde offensichtliche Irrtümer anerkennt. Die Geltung dieses Artikels für Meldungen und Eintragungen im System zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern hat zur Folge, dass diese Eintragungen jederzeit berichtigt werden können, wenn die zuständige Behörde offensichtliche Irrtümer anerkennt. Dies ist im vorliegenden Fall geschehen.

38

Der Beklagte hat nach Abgabe des Antrags auf Gewährung von Mutterkuhprämie die Kläger mit Schreiben vom 9. Februar 2001 angehört und mit der Anlage 1 darauf hingewiesen, dass für die Antragstiere fehlerhafte Eintragungen in der Rinderdatenbank für den klägerischen Betrieb vorliegen. Der Beklagte hat damit offensichtliche Irrtümer in der Rinderdatenbank selbst bestätigt. Die Fehler in den Eintragungen in der Rinderdatenbank lagen auf der Hand und mussten sich dem Beklagten geradezu aufdrängen, denn nach der Anlage 1 des Schreibens vom 9. Februar 2001 war nach den seinerzeit vorliegenden Eintragungen in der Rinderdatenbank kein Antragstier prämienfähig.

39

Mithin konnten die Kläger ihre fehlerhaften Eintragungen in der Rinderdatenbank jederzeit berichtigen. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist es damit nicht prämienschädlich, wenn die Kläger den Rasseschlüssel der mit dem Fehlercode "6708" versehenen 14 Rinder erst nach Ergehen des angefochtenen Bescheides vom 31 . Mai 2001 korrigiert haben.

40

Träfe die vom Beklagten geäußerte Rechtsauffassung, dass mit der Mitteilung von prämienrelevanten Beanstandungen an die Kläger eine Korrektur der fehlerhaften Eintragungen nicht möglich sei, zu, hätte der Beklagte konsequenterweise überhaupt keine Mutterkuhprämie bewilligen dürfen, denn er hatte den Klägern bereits mit Schreiben vom 9. Februar 2001 die prämienrelevanten Beanstandungen im Einzelnen mitgeteilt.

41

Damit bleibt festzuhalten, dass 15 weitere Tiere prämienfähig sind.

42

Dagegen haben die Kläger im Klageverfahren die Ausführungen der Bezirksregierung Lüneburg im Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2003 zum fehlenden Kuhstatus bei dem Tier mit der Ohrmarkennummer DE 03 423 74380 nicht entkräften können. Es bleibt daher dabei, dass dieses Tier nicht prämienfähig ist.

43

Das Tier mit der Ohrmarkennummer DE 03 420 75627 ist ebenfalls nicht prämienfähig, denn es hat den klägerischen Betrieb vor Ablauf des erforderlichen sechsmonatigen Haltungszeitraumes verlassen.

44

Bei danach 100 prämienfähigen Tieren und Prämienansprüchen in einer Größenordnung von 101,2 besteht eine Differenz von 1,2 zwischen den beantragten und den festgestellten Rindern in Höhe von die. Dies führt zu einer Kürzung nach Art. 38 Abs. 1,3 der VO (EG) Nr. 2419/01 in Höhe von 1,18577 % (1,2 x 100 : 101, 2 = 1,18577 %). Damit ergibt sich folgende Berechnung der den Klägern zustehenden Mutterkuhprämie:

45

ungekürzter Satz je Tier: 318,80 DM

46

gekürzter Satz je Tier: 1,18577 % von 318,80 DM = 3,78 DM; 318,80 DM - 3,78 DM = 315,02 DM; 100 Tiere x 315,02 DM = 31.502 DM = 16. 106,72 EURDavon sind in dem angefochtenen Bescheid 8573,79 EUR bewilligt worden, so dass die Kläger einen weiteren Anspruch auf Gewährung von Mutterkuhprämie in Höhe von 7.532,93 EUR haben.

47

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 S. 3 VwGO.

48

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

49

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird gem. § 72 GKG n.F. i.V.m. § 13 Abs. 2 GKG a.F. auf 7.880,40 Euro festgesetzt.

Gärtner
Wermes
Reccius