Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 03.05.2000, Az.: 6 B 260/00

Bindungswirkung; Fahrerlaubnisentziehung; med.-psychologisches Gutachten; Weigerung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
03.05.2000
Aktenzeichen
6 B 260/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 41238
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.000,-- DM festgesetzt.

Gründe

I.

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Die Antragstellerin erhielt im Juni 1996 eine Fahrerlaubnis der Klassen 1b, 4 und 5, die ihr im Hinblick auf einen mit Insulingaben behandlungsbedürftigen Diabetes Mellitus mit Auflagen zur Einhaltung von Selbstkontrollen (auf Probe) erteilt wurde.

2

Unter dem 21. April 1998 beantragte die Antragstellerin eine Erweiterung ihrer Fahrerlaubnis auf die Klassen 1a und 3. Ein von ihr gefordertes Gutachten des Facharztes für innere Krankheiten zu der Bedeutung der Stoffwechselerkrankung für die Fahreignung konnte von der Antragstellerin zunächst nicht beigebracht werden, weil sie am 29. April 1998 infolge eines Verkehrsunfalls schwere Verletzungen erlitten hatte (Bruch beider Oberschenkel und Zertrümmerung der Kniescheiben). Im Hinblick auf diese Verletzungen wurde mit einer weiteren Verfügung des Antragsgegners vom 23. Juni 1998 der Antragstellerin aufgegeben, außerdem das Gutachten eines Facharztes für Orthopädie oder Chirurgie zu den Auswirkungen der Verletzungen auf die Fahreignung beizubringen.

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Im Verlauf des Verwaltungsverfahrens wurde bekannt, dass die Antragstellerin durch Urteil des Amtsgerichts Goslar vom 05. August 1998 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis mit einer Verwarnung und einer Geldauflage belegt worden war. Außerdem war der Antragstellerin ein einmonatiges Fahrverbot erteilt worden. Nach den Feststellungen des Strafgerichts hatte die Antragstellerin am 25. März 1998 in Begleitung einer Freundin unerlaubt den Pkw ihres Vaters gefahren und war mit einer innerörtlichen Geschwindigkeitsüberschreitung von 36 km/h aufgefallen. Mit einer Täuschung über ihr Alter und über den Besitz einer Fahrerlaubnis der Klasse 3 hatte die Antragstellerin zunächst die Polizeikontrolle überwunden und war mit dem Pkw wieder nach Hause zurückgefahren. Im Hinblick auf die Folgen des inzwischen erlittenen Verkehrsunfalls erschien dem Gericht eine Verwarnung und ein einmonatiges Fahrverbot ausreichend und eine Entziehung der Fahrerlaubnis nicht mehr erforderlich.

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Wegen dieses Verkehrsverstoßes gab der Antragsgegner der Antragstellerin mit Verfügung vom 09. September 1998 auf, sich einem Nachschulungskurs für auffällig gewordene Fahranfänger zu unterziehen. Wegen einer anschließend erfolgten vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Amtsgericht Goslar nahm der Antragsgegner die Nachschulungsanordnung vom 09. September 1998 zunächst wieder zurück. Auf der Grundlage eines technischen Gutachtens vom 02. September 1998 des Ingenieurbüros Ripken zum Unfallhergang hatte das Amtsgericht Braunschweig mit Beschluss vom 24. September 1998 wegen des Verdachts der Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis verfügt. Das Gericht ging hierbei davon aus, dass die Antragstellerin grob verkehrswidrig mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 25 km/h in einem Bereich, in dem nur 30 km/h zulässig waren, rücksichtslos in einen Kreuzungsbereich mit der Regelung "Rechts-vor-Links" hineingesteuert sei und den Unfall verursacht habe.

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Eine gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde der Antragstellerin wurde vom Landgericht Braunschweig als unbegründet verworfen (Beschl. vom 23. November 1998).

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Nach einer Ortsbesichtigung mit Unfallrekonstruktion berichtigte der Sachverständige sein Gutachten vom 02. September 1998 am 15. Juni 1999 dahin, dass der Unfall hätte vermieden werden können. Der Pkw-Fahrer hätte für eine bessere Einsehbarkeit von mehr als 25 m in die Seitenstraße sein Fahrzeug weiter abbremsen können. Die Antragstellerin hätte durch Einhalten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30/km/h ebenfalls den Unfall vermeiden können. Im Zeitpunkt der Kollision habe die Geschwindigkeit mindestens 50 km/h betragen.

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Ein zwischenzeitlich gestellter Antrag der Antragstellerin auf Aufhebung der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung war vom Amtsgericht Goslar mit Beschluss vom 19. Mai 1999 abgelehnt worden. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Landgericht Braunschweig als unbegründet verworfen. In dem Beschluss vom 28. Juni 1999 hatte das Landgericht u.a. ausgeführt: Die als sehr wahrscheinlich anzusehende Geschwindigkeit von mindestens 50 km/h vor dem Unfall sei von dem Sachverständigen in seinem ergänzenden Gutachten schlüssig dargelegt worden. Anhaltspunkte für eine fehlende Objektivität des Sachverständigen seien nicht erkennbar. Indem die Antragstellerin mit weit

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überhöhter Geschwindigkeit bei unübersichtlicher Verkehrslage ungebremst in die Kreuzung eingefahren sei, habe sie den Tatbestand des § 315c Abs. 1 Nr. 2d StGB (Straßenverkehrsgefährdung) verwirklicht. Dabei habe sie nach aller Wahrscheinlichkeit auch grob verkehrswidrig und rücksichtslos gehandelt. Diese Einschätzung werde nicht dadurch beeinträchtigt, dass der unfallbeteiligte Pkw-Fahrer im Vertrauen auf seine Vorfahrtberechtigung nicht angehalten, sondern langsam in die Kreuzung hineingefahren sei. Eine Verurteilung der Antragstellerin wegen einer Tat, die die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen indiziere, sei deshalb sehr wahrscheinlich. Das Amtsgericht werde auch nach dem seither verstrichenen Zeitraum kaum noch Möglichkeiten haben, von der nach dem Gesetz für einen solchen Fall angeordneten Entziehung der Fahrerlaubnis in der Hauptverhandlung absehen zu können.

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Mit Beschluss vom 18. November 1999 hob das Amtsgericht Goslar seinen Beschluss vom 24. September 1998 über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis auf und führte zur Begründung aus, dass unabhängig von der nach wie vor wahrscheinlichen Schuldfeststellung die Antragstellerin allein schon wegen des inzwischen eingetretenen Zeitablaufs nicht mehr als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erscheine. Mit einem weiteren Beschluss vom 12. Januar 2000 stellte das Amtsgericht Goslar schließlich das Strafverfahren nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 JGG i.V.m. § 153 StPO und § 60 StGB mit der Begründung ein, dass trotz fortbestehenden dringenden Tatverdachts im Hinblick auf die durch den Unfall erlittenen Folgen und auf den seitdem abgelaufenen Zeitraum davon auszugehen sei, dass die Antragstellerin für die zukünftige Teilnahme am Straßenverkehr nachhaltig beeindruckt worden sei, so dass es einer gerichtlichen Schuldfeststellung nicht mehr bedürfe.

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Nach der Aufhebung des Beschlusses über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gab der Antragsgegner der Antragstellerin in Bezug auf diese Fahrerlaubnis unter dem 24. November 1999 erneut auf, an einem Nachschulungskurs für verkehrsauffällig gewordene Fahranfänger teilzunehmen. Im Hinblick darauf, dass mit Verfügungen vom 14. Dezember 1999 weitere Eignungsnachweise gefordert worden waren, setzte die Antragsgegnerin die Forderung nach der Teilnahme an einem Nachschulungskurs vorläufig aus. Mit Verfügungen vom 14. Dezember 1999 hatte die Behörde der Antragstellerin aufgegeben, mit dem Gutachten eines Facharztes für Orthopädie oder Chirurgie und dem Gutachten eines Facharztes für innere Krankheiten mit verkehrsmedizinischer Qualifikation die Bedeutung der Gesundheitsstörungen für die Fahreignung klären zu lassen, sowie mit dem Gutachten einer Begutachtungsstelle für Fahreignung überprüfen zu lassen, ob auch in Zukunft mit weiteren Verstößen der Antragstellerin gegen die verkehrsrechtlichen Bestimmungen gerechnet werden müsse.

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Als die Antragstellerin innerhalb der ihr gesetzten Frist ihr Einverständnis zur Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung nicht erteilt hatte, lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen 1a und 3 (jetzt: A und C1 E) ab und entzog der Antragstellerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung dieser Maßnahme außerdem die Fahrerlaubnis der Klassen 1b, 4 und 5. Hiergegen erhob die Antragstellerin Widerspruch, über den - soweit ersichtlich ist - noch nicht entschieden worden ist.

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Am 14. April 2000 hat die Antragstellerin außerdem beim Verwaltungsgericht um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Zur Begründung trägt sie vor:

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Sie empfinde die Aufforderung des Antragsgegners zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Eignungsgutachtens als willkürlich und schikanös. Die Behörde habe bisher weder dargetan noch bewiesen, dass es nach dem Verkehrsverstoß vom 25. März 1998, bei dem sie ohne die erforderliche Fahrerlaubnis ein Fahrzeug der Klasse 3 geführt habe, zu weiteren Verkehrsverstößen gekommen sei, die Eignungsmängel indizierten. Allein auf den Verkehrsverstoß vom 25. März 1998 könne eine solche Maßnahme nicht gestützt werden. In dem Strafurteil vom 05. August 1998 sei mit Bindungswirkung für die Verwaltung von einer Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen worden. In Bezug auf den Verkehrsvorfall vom 29. April 1998 sei das Verfahren ohne eine tragfähige Schuldfeststellung eingestellt worden. Die Annahme des Antragsgegners, dass sie möglicherweise ein Verkehrsdelikt begangen habe, entbehre jeder rechtlichen Grundlage und rechtfertige nicht die geforderte Eignungsuntersuchung. Sofern das Amtsgericht das Strafverfahren nicht eingesellt hätte, hätte sie einen Freispruch erzielt, weil das der Anklage zugrunde liegende Gutachten haltlos gewesen sei.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

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Der nach § 80 Abs. 5 VwGO statthafte Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.

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Die Antragsgegnerin hat die sofortige Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung in formell ordnungsgemäßer Weise angeordnet (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) und in ausreichender Weise schriftlich begründet, warum das besondere Interesse an dem Sofortvollzug als gegeben erachtet wird (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO).

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Auch aus materiell-rechtlichen Gründen besteht keine Veranlassung, die aufschiebende Wirkung des gegen den Bescheid erhobenen Rechtsbehelfs wiederherzustellen. Nach § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung, sofern nicht die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde besonders angeordnet wird. Eine derartige Vollziehungsanordnung setzt zu ihrer Rechtswirksamkeit voraus, dass ohne sie das öffentliche Interesse in schwerwiegender Weise beeinträchtigt würde, so dass demgegenüber die privaten Interessen des von der Vollziehungsanordnung Betroffenen zurücktreten.

18

Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung, mit der die Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 StVG entzogen worden ist, ist regelmäßig anzunehmen, wenn sich die an der Fahreignung des Betroffenen bestehenden Zweifel so weit verdichtet haben, dass die ernste Besorgnis gerechtfertigt erscheint, er werde andere Verkehrsteilnehmer in ihrer körperlichen Unversehrtheit oder in ihrem Vermögen ernstlich gefährden, wenn er bis zur endgültigen gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung weiterhin am motorisierten Straßenverkehr teilnimmt (Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl., Rn 1273 m.w.N.). Eine solche Gefahr für die Allgemeinheit ist insbesondere dann anzunehmen, wenn besondere Umstände eine Gefährlichkeit gegenwärtig begründen, die im Wege der Abwägung zu Lasten der Allgemeinheit und damit im öffentlichen Interesse nicht hingenommen werden kann.

19

Nach der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sachlage hat der Rechtsbehelf der Antragstellerin keine Aussicht auf Erfolg. Es überwiegen außerdem die Gesichtspunkte, die dafür sprechen, die Antragstellerin mit sofortiger Wirkung von der Teilnahme am motorisierten Kraftverkehr auszuschließen.

20

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde einem Kraftfahrzeugführer die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn er sich als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Ungeeignet ist nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wer gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze erheblich oder wiederholt verstoßen hat. Als ungeeignet in diesem Sinne darf von der Fahrerlaubnisbehörde auch ein Kraftfahrer, der eine ihm abverlangte Untersuchung nicht durchführen lässt oder das von ihm geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt, angesehen werden (§ 11 Abs. 8 FeV). Nach der für diese Regelung vom Verordnungsgeber (vgl. BR-Drs. 443/98 S. 254) in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verdichten sich die Zweifel an der Fahreignung zu der Gewissheit, dass der Kraftfahrer nicht geeignet ist, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr sicher zu lenken, weil aus dem Verhalten des Kraftfahrers zu schließen ist, er wolle Mängel, die seine Fahreignung ausschließen könnten, verbergen (BVerwG, Urt. vom 27.09.1995, BVerwGE 99, 249 = NZV 1996, 84 m.w.N.). Da die Antragstellerin der an sie gerichteten Aufforderung vom 14. Dezember 1999 zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens weder innerhalb der ihr gesetzten Frist noch bis zur Entscheidung des Gerichts nachgekommen ist, obgleich sie auf die in einem solchen Fall mögliche Entziehung der Fahrerlaubnis hingewiesen wurde, hat der Antragsgegner zu Recht angenommen, dass die Antragstellerin nicht in der Lage ist, den von ihr geforderten Eignungsnachweis zu erbringen.

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Die gegen die angefochtene Verfügung erhobenen rechtlichen Bedenken der Antragstellerin erweisen sich als nicht begründet.

22

Soweit die Antragstellerin im Hinblick auf die Ausführungen des Amtsgerichts Goslar im Urteil vom 05. August 1998 zur Fahreignung die Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens für rechtswidrig hält, verkennt sie, dass die Verwaltungsbehörde wegen ihrer umfassenden Prüfungsbefugnis an eine strafrichterliche Eignungsbeurteilung nur dann und insoweit gebunden ist, als diese auf ausdrücklich in den schriftlichen Urteilsgründen getroffenen Feststellung beruht und die Behörde von demselben und nicht von einem anderen, umfassenderen Sachverhalt als das Strafgericht auszugehen hat (BVerwG, Beschl. vom 17.02.1994, Buchholz 442.10 § 4 StVG Nr. 92 m.w.N.). Um einen solchen in Bezug auf das Urteil des Amtsgerichts Goslar vom 05. August 1998 umfassenderen Sachverhalt handelt es sich bei dem von der Straßenverkehrsbehörde zu Recht in die Eignungsbeurteilung einbezogenen weiteren Verkehrsvorfall vom 29. April 1998. An einer Berücksichtigung des verkehrsrechtlichen Verhaltens der Antragstellerin ist der Antragsgegner insbesondere nicht dadurch gehindert, dass das Amtsgericht Goslar mit Beschluss vom 18. November 1999 zunächst seine Entscheidung über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis wieder aufgehoben und mit einem weiteren Beschluss vom 12. Januar 2000 das Strafverfahren eingestellt hat. Ein strafgerichtlicher Einstellungsbeschluss entfaltet keine Bindungswirkung im Sinne des § 3 Abs. 4 StVG (zu § 4 Abs. 3 StVG a.F.: BVerwG, Urt. vom 17.02.1994, aaO.; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35., Aufl., § 3 StVG Rn 24 m.w.N.). Darüber hinaus wäre auch eine Begründung, wie sie vom Amtsgericht Goslar in dem Beschluss vom 18. November 1999 mit einem ausschließlichen Hinweis auf den zwischenzeitlich erfolgten Zeitablauf zur Grundlage einer Aufhebung der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung gemacht worden ist, keine tragfähige Beurteilung der Kraftfahreignung mit Bindungswirkung für die Verwaltungsbehörde, selbst wenn eine solche Begründung in einem Strafurteil enthalten wäre (BVerwG, Beschl. vom 20.12.1988, Buchholz 442.10 § 4 StVG Nr. 84 = NZV 1989, 125 m.w.N.). Da im vorliegenden Fall das den Verkehrsunfall vom 29. April 1998 betreffende Strafverfahren durch Beschluss des Amtsgerichts Goslar vom 12. Januar 2000 eingestellt worden ist, ist der Würdigung durch den Antragsgegner beizutreten, dass in Anbetracht des bei den Vorfällen vom 25. März und 29. April 1998 von der Antragstellerin gezeigten Verhaltens berechtigte Zweifel an ihrer Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs angezeigt sind, die gemäß § 11 Abs. 3 FeV zur Anforderung des Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung berechtigen.

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Die Antragstellerin hatte schon mit dem Fahren ohne Fahrerlaubnis einen erheblichen Verkehrsverstoß begangen, dessen Begleitumstände (unerlaubte Benutzung eines Kraftfahrzeugs; hohe Geschwindigkeit innerhalb der geschlossenen Ortslage; Täuschung eines Polizeibeamten zur Verdeckung der Straftat) die erforderliche Einstellung der Antragstellerin gegenüber den Belangen des Straßenverkehrs in charakterlicher Hinsicht in Frage stellen. Hinzu kommt, dass die Antragstellerin nur kurze Zeit nach diesem Vorfall einen erheblichen Verkehrsunfall verursacht hat. Mit dem Landgericht Braunschweig geht die Kammer davon aus, dass der Verkehrsunfall auf einem grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen Verhalten der Antragstellerin beruht, indem sie wiederum mit erheblich überhöhter Geschwindigkeit innerhalb der geschlossenen Ortslage an eine Kreuzung herangefahren und mit einem vorfahrtberechtigten Verkehrsteilnehmer zusammengestoßen ist. Insoweit wird auf die überzeugenden Ausführungen in dem Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 28. Juni 1999 verwiesen. Die (strafrechtliche) Verantwortlichkeit der Antragstellerin für den Verkehrsunfall ist offenkundig auch vom Amtsgericht Goslar nicht in Frage gestellt worden, wie den Ausführungen im Einstellungsbeschluss vom 12. Januar 2000 zu entnehmen ist. Lediglich im Hinblick auf die bei dem Unfall erlittenen Folgen und dem seither abgelaufenen Zeitraum erschien es dem Strafgericht als angemessen, von der Verhängung einer Strafe abzusehen (§ 60 StGB).

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Um den aus diesen wiederholten und erheblichen Verkehrsverfehlungen zu entnehmenden Anzeichen für eine charakterliche Fehlhaltung der Antragstellerin sachgerecht nachzugehen, bedurfte es einer Überprüfung der Gesamtpersönlichkeit der Antragstellerin im Wege einer medizinisch-psychologischen Untersuchung zu der Frage, ob auch zukünftig mit Verstößen gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen gerechnet werden müsse. Nachdem die Antragstellerin an der geforderten Aufklärung der Eignungszweifel - soweit es um die charakterlichen Eignungsanforderungen geht - nicht mitgewirkt hat, hat der Antragsgegner ihr zu Recht die Fahrerlaubnis entzogen (§ 11 Abs. 8 FeV). Wegen der von einem ungeeigneten Fahrerlaubnisinhaber ausgehenden und für andere Verkehrsteilnehmer entstehenden Gefahr für ihre körperliche Unversehrtheit und die Sachwerte hat der Antragsgegner schließlich ebenfalls zu Recht die sofortige Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung angeordnet.

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Der Antrag ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG und beläuft sich auf die Hälfte des Wertes, der bei einer Fahrerlaubnisentziehung der Klassen 1b, 4 und 5 anzunehmen wäre (vgl. hierzu: Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit Nr. 45.1, abgedr. bei Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl., § 189).