Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 24.05.2000, Az.: 6 A 53/00
Anwaltsverschulden; Einreiseweg; Kurdische Volksunion; Mala Canda Kurdi; PHGK; Syrien; verspätetes Vorbringen; Yeketi
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 24.05.2000
- Aktenzeichen
- 6 A 53/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 41208
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 26a AsylVfG
- § 51 Abs 1 AuslG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Verspätetes Vorbringen und Zurechnung eines Anwaltsverschuldens. Gefälligkeitsbescheinigungen der "Mala Canda Kurdi" u. der PHGK.
Gründe
Es besteht auch kein Abschiebungshindernis gemäß § 51 Abs. 1 AuslG.
Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sind denen des Art. 16a Abs. 1 GG gleich, soweit es die Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale betrifft; insoweit kann auf die entsprechende Rechtsprechung Bezug genommen werden. Das Individualgrundrecht des Art. 16a Abs. 1 GG begründet einen Anspruch auf Anerkennung als politisch Verfolgter für den, der selbst politische Verfolgung erlitten oder zu befürchten hat. Voraussetzung ist, dass dem Asylbewerber in seinem Heimatland gezielt Rechtsverletzungen von beachtlicher Intensität in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale zugefügt wurden oder solche ihm drohten, d.h. aus Gründen, die in seiner politischen oder religiösen Grundüberzeugung, seiner Volkszugehörigkeit oder in anderen Merkmalen liegen, welche sein Anderssein prägen (BVerfG, Beschl. vom 10.07.89, BVerfGE 80, 315, 335). Ergibt sich die Gefahr eigener politischer Verfolgung des Asylbewerbers nicht aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen des Verfolgerstaates, so kann sie sich auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, oder wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet. Die Gefahr einer Gruppenverfolgung setzt eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus. Hierfür muss eine so große Vielzahl von Eingriffshandlungen in asylrechtlich geschützte Rechtsgüter festgestellt sein, dass sich daraus für jeden Gruppenangehörigen ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit ableiten lässt (vgl. hierzu BVerwG, Beschl. vom 24.09.92 - NVwZ 1993, 192; Urt. vom 05.07.94 -BVerwGE 96, 200; Urt. vom 30.04.96 - 9 C 171.95 -, BVerwGE 101, 134; vom 09.09.97 - 9 C 43.96 -, DVBl. 1998, 274; Nds. OVG, Urt. vom 29.06.98 - 11 L 5510/97 -; Urt. vom 18.01.2000 - 11 L 3404/99 -). Asyl steht darüber hinaus grundsätzlich auch demjenigen zu, der sein Heimatland unverfolgt verlassen hat, wenn er sich auf einen Nachfluchtgrund berufen kann. Ein Anspruch auf Asyl scheidet allerdings aus, soweit dem Betreffenden in seinem Heimatland eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung steht (vgl. BVerfG, Beschl. vom 10.07.89, aaO, 343 u. vom 10.11.89, BVerfGE 81, 58; BVerwG, Urt. vom 10.05.94, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr.170).
Das Gericht hat nicht die Überzeugung gewinnen können, dass der Kläger in Syrien einer individuellen Verfolgung ausgesetzt war oder ihm eine solche droht.
Es ist Sache des Asylbewerbers, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich, bei Wahrunterstellung, ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (st. Rspr. des BVerwG, vgl. etwa Beschl. vom 18.09.89,- InfAusIR 1988, 350). Hierzu gehört, dass der Asylbewerber zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Asylanspruch lückenlos zu tragen. Ein im Laufe des Asylverfahrens sich widersprechendes oder sich steigerndes Vorbringen kann die Glaubwürdigkeit des Asylsuchenden in Frage stellen. Ändert der Asylsuchende in seinem späteren Vortrag sein früheres Vorbringen, so muss er überzeugende Gründe darlegen, weshalb sein früheres Vorbringen falsch gewesen ist, will er nicht den Eindruck der Unglaubwürdigkeit erwecken (vgl. BVerwG, Beschl. vom 26.10.98 - 9 B 405.89 - InfAusIR 1990, 38; Beschl. vom 21.07.89 - 9 B 239/89 -, Buchholz 402.24 § 1 AsylVfG Nr. 113). Zwar spricht nicht jede Widersprüchlichkeit im Vortrag eines Asylbewerbers zugleich auch gegen seine Glaubwürdigkeit. Vielmehr ist bei der Wertung seiner Aussage zu berücksichtigen, dass sich Missverständnisse aus Verständigungsproblemen ergeben haben können und dass zwischen Asylantragstellung, der Anhörung im Verwaltungsverfahren, der schriftlichen Klagebegründung sowie ggf. der persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor Gericht jeweils größere Zeiträume liegen können. Auch dürfen die besonderen Schwierigkeiten, denen Asylbewerber aus anderen Kulturkreisen bei der Darstellung ihrer Verfolgungsgründe besonders dann ausgesetzt sind, wenn sie über einen geringen Bildungsstand verfügen, nicht außer Acht gelassen werden. Grundlegende, für das Verlassen des Heimatlandes und den Asylantrag maßgebende Umstände im individuellen Lebensweg des Asylbewerbers bleiben jedoch im Normalfall zumindest in ihren wesentlichen Einzelheiten in Erinnerung. Widersprüche und Ungereimtheiten, die sich hierauf beziehen, machen das Vorbringen des Asylbewerbers zu seinem persönlichen Verfolgungsschicksal in der Regel insgesamt unglaubwürdig. Vor allem für diejenigen Umstände, die den eigenen Lebensbereich des Asylbewerbers betreffen, ist ein substantiierter, im Wesentlichen widerspruchsfreier Tatsachenvortrag zu fordern. Dabei ist die wahrheitsgemäße Schilderung einer realen Verfolgung erfahrungsgemäß gekennzeichnet durch Konkretheit, Anschaulichkeit und Detailreichtum.
Nach diesen Kriterien hat der Kläger eine individuelle Vorverfolgung nicht glaubhaft gemacht.
Die Ausführungen des Klägers zu seinen Aktivitäten konnten insgesamt nicht den Eindruck vermitteln, dass er sich tatsächlich in der behaupteten Weise politisch betätigt hat. Seine Schilderungen sind auch in der mündlichen Verhandlung farblos und detailarm geblieben. Er vermochte zur Geschichte der Partei, der er nach einem Aufnahmeantrag aus dem Jahre 1994 immerhin seit Januar 1995 als Sympathisant und seit Mai 1996 als (vollwertiges) Mitglied und dabei sogar als Leiter einer Ortsgruppe angehört haben will, nur sehr wenig mitzuteilen und hat dabei insbesondere (zunächst) auch nichts von der Spaltung dieser Partei erwähnt, von der sich ein Flügel spätestens im Jahre 1993 gemeinsam mit anderen Gruppierungen zur Kurdische Demokratische Partei der Einheit (Yekiti) zusammengeschlossen hat. Selbst auf Nachfragen zur Partei Yekiti wusste der Kläger zu dieser Spaltung der Kurdischen Volksunion, die Zweifel auch am Fortbestand ihres Parteirestes aufkommen lies, nichts zu berichten. Die von ihm insoweit lediglich erwähnte Tatsache, dass der von ihm genannte Parteiführer Badradin sich im Ausland aufhalten müsse, erklärt in diesem Zusammenhang allenfalls, dass der Kläger gegenüber dem Gericht Wert darauf gelegt hat, dass die Mitgliedschaft in der kurdischen Volksunion als gefährlich eingestuft wird.
Die Angaben des Klägers enthalten darüber hinaus steigernde Elemente: Zusätzlich zu der beim Bundesamt erwähnten Kopiermaschine soll sich nach seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung in dem unbewohnten (Zweit-)Haus der Familien auch noch eine Schreibmaschine befunden haben; während er zunächst nur von einer Festnahme seines Vaters und nur ganz allgemein davon gesprochen hat, bei der Festnahme würden die Leute geschlagen, hat er in der mündlichen Verhandlung behauptet, sein Vater sei während der (erst jetzt zeitlich auf drei Tage fixierten) Haft "massiv geschlagen und gefoltert worden". Ferner sind die Zeitangaben des Klägers zum (angeblichen) Geschehen nicht frei von Widersprüchen. Bei der Anhörung vor dem Bundesamt hat der Kläger zunächst angegeben, er habe die Frau seines Gastgebers in G. "drei bis vier Tage" (S. 4 der Niederschrift) nach seiner Ankunft dort in sein Elternhaus gesandt. Bei der Nachfrage zu diesem Aspekt seines Vortrags gab er indessen an, er habe sie (bereits) "zwei, drei Tage" (und auf weitere Nachfrage erneut: "nach zwei bis drei Tagen", vgl. S. 11 der Niederschrift) nach der erwähnten Ankunft zu seinem Elternhaus gesandt und sein Vater sei wieder zu Hause gewesen. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger sich, ohne die vorherige zeitliche Ungenauigkeit und Widersprüchlichkeit aufzuklären, diesbezüglich dahingehend eingelassen, es habe sich jeweils um "drei Tage" (Zeitpunkt der Information durch die Ehefrau des Gastgebers und die Dauer der Inhaftierung des Vaters, zu der der Kläger gegenüber dem Bundesamt genauere Angaben nicht gemacht hatte) gehandelt. Wenn dem aber so gewesen sein sollte, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, hätte es mehr als nahegelegen, dass ihm von der Entlassung des Vaters am selben Tag (gewissermaßen "eben erst" oder ,"heute") berichtet worden wäre, da die Angaben nur so nicht (offen) widersprüchlich sein können. Unschlüssig ist auch, dass der Vater des Klägers diesem zwar die Mitteilung über seine Verhaftung und darüber gemacht haben soll, dass er, der Kläger gesucht werden, damit nicht aber den nach dem Vortrag des Klägers erst mit der zweiten Botschaft der Gastgeberfrau überbrachten Rat verbunden haben soll, sich weiterhin versteckt zu halten. Ohnehin erscheint die Behauptung des Klägers, sein Vater habe ihm abgeraten, da er sonst auch die anderen Gruppenmitglieder gefährden würde, so nicht nachvollziehbar, da bereits ein Gruppenmitglied, nämlich der in der mündlichen Verhandlung namentlich Genannte, der nach den allerdings erst in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben des Klägers zu eben dieser Gruppe gehört haben soll, bereits verhaftet gewesen ist. Bemerkenswert ist schließlich, dass der Kläger bei seiner Anhörung durch das Bundesamt es nicht erwähnt hat, dass eine ihn betreffende schriftliche Vorladung der Abteilung Ermittlungsdienst in Kamishli der Generaldirektion des Heeres und der Armee vom 13.01.1998 ergangen sein soll. Wäre sie den Eltern des Klägers bereits am 12.01.1998 ausgehändigt worden, wie der Kläger sinngemäß behauptet, hätte es sich aufgedrängt, dass sein Vater ihm davon berichtet und der Kläger dies auch gegenüber dem Bundesamt gewissermaßen zum Beleg seiner Gefährdung erwähnt hätte. Dass der Kläger dies nicht getan hat - seine Erklärung in der mündlichen Verhandlung, seine Angabe, er sei gesucht worden, umfasse diesen Hinweis, kann nicht überzeugen - lässt eher den Schluss zu, dass er selbst den mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 09.05.2000 vorgelegten in arabischer Sprache abgefassten Papieren Überzeugungskraft nicht beigemessen hat. Denn nur so wird auch nachvollziehbar, warum er diese Schriftstücke, die er (nach seinem Bekunden in der mündlichen Verhandlung) im August 1998 erhalten haben will, erst im Februar 1999 hat übersetzen lassen. Auch das Gericht misst ihnen Überzeugungskraft nicht bei: Die Vorladung zum Ermittlungsdienst erscheint schon deshalb nicht echt, weil die beiden Linien im äußeren Rand des im übrigen verwaschen wirkenden Stempelaufdrucks weder durchgängig genau parallel verlaufen noch geschlossen sind. Selbst wenn es sich um ein echtes Schriftstück handelte, kann nicht ausgeschlossen und muss mit Blick auf die genannten (auch durch eine "echte" Bescheinigung der genannten Art nicht ausgeräumten) Glaubwürdigkeitszweifel angenommen werden, dass es sich um ein gefälligkeitshalber ausgestelltes Schreiben handelt, zumal die Tatsache einer schriftlichen Vorladung zum 13.01.1998 nicht recht zur vom Kläger behaupteten Intensität der Suche nach ihm passt, nachdem sein Vater bereits in der ersten Januarwoche festgenommen und gefoltert worden sein soll, um seiner habhaft zu werden. Demgemäß könnte auch das vorgelegte (angebliche) Anwaltschreiben nach der Überzeugung des Gerichts nicht belegen, dass die dort genannten Tatsachen stimmen. Sollte es demgegenüber auf die Echtheit der beiden Schriftstücke und auf ihren Beweiswert ankommen, wäre der diesbezügliche Vortrag des Klägers als verspätet im Sinne des § 87 b Abs. 3 VwGO zurückzuweisen. Denn der Kläger hat nicht zu entschuldigen vermocht, dass die Originale dieser Schriftstücke nicht binnen der abschließend gesetzten Frist bis zum 09.05.2000 bei Gericht eingegangen, sondern erst am 11.05.2000 eingereicht worden sind. Wenn diese Schriftstücke, wie der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, in einer anderen Akte im Anwaltsbüro abgeheftet worden sind, kann das damit verbundene Anwaltsverschulden den Kläger nicht entlasten, da dieser sich das Tun seiner Prozessbevollmächtigten grundsätzlich - wie auch hier - zurechnen lassen muss. Außerdem hat der Kläger, der seit August 1998 im Besitz der Unterlagen gewesen sein will, erst so spät "nachgehakt", dass - so dürfte der diesbezügliche Vortrag seines Prozessbevollmächtigten zu verstehen sein, eine fristgerechte Vorlage der Originaldokumente, auf die es im Falle einer Echtheitsüberprüfung angekommen wäre, nicht möglich gewesen ist.
Auch im Übrigen ist nicht erkennbar, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit politischer Verfolgung zu rechnen hätte. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des erkennenden Gerichts, dass weder allein der Auslandsaufenthalt noch die Asylantragstellung zu einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit für eine politische Verfolgung bei einer Rückkehr nach Syrien führen, sofern die Betroffenen - wie hier - sich nicht exponiert politisch betätigt haben. Aus den Lageberichten des Auswärtigen Amtes (z. B. vom 24.01.2000) ergibt sich, dass die Einreise abgeschobener Antragsteller ohne Anhaltspunkte für eine beachtliche politische Betätigung weitgehend unbehelligt verläuft und die Asylantragstellung als solche oder längerer Auslandsaufenthalt für sich in der Regel keine Anknüpfungspunkte für ein erhöhtes Interesse der Geheimdienste sind. Aus den der Kammer vorliegenden Auskünften von amnesty international (z.B. vom 20.06.1996 an das VG Koblenz und vom 09.12.1998 an das VG Sigmaringen) ergibt sich im Ergebnis nichts anderes. Darin wird nämlich insoweit übereinstimmend mit den Angaben des Auswärtigen Amtes ausgeführt, dass mit zielgerichteter politischer Verfolgung in der Regel dann gerechnet werden muss, wenn jemand aktiv politisch oppositionell oder anderweitig regimekritisch aufgefallen oder zumindest in diesen Verdacht geraten ist. Darüber hinaus wird zwar auch angeführt, dass syrische Asylantragsteller bei der Abschiebung gefährdet seien, von staatlichen Stellen verfolgt zu werden, da sie einem eingehenden Verhör durch die Einwanderungs- und Sicherheitsbehörden unterzogen werden. Andererseits wird dargelegt, dass die abgeschobenen Asylantragsteller dann in ein Haft- und Verhörzentrum in Damaskus gebracht werden, wo sie spätestens gefährdet sind, gefoltert zu werden, wenn sich bei der Überprüfung der Verdacht auf eine regimekritische Haltung oder frühere oppositionelle Betätigung ergibt. Bei der Befragung am Flughafen sei es hingegen lediglich nicht ausgeschlossen, dass es zu Misshandlungen durch Schläge oder zu anderen Maßnahmen komme. Aus dieser Stellungnahme kann daher nicht die erforderliche beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine politisch motivierte Verfolgung bei einer Rückkehr nach Syrien für diejenigen Personen entnommen werden, die nicht in dem Verdacht einer regimekritischen Haltung stehen. Übereinstimmend hiermit gibt das Deutsche Orient Institut (z. B. Auskunft an das Verwaltungsgerichts Ansbach vom 08.05.1995; ) an, dass selbst staatenlose Kurden aus Syrien allein wegen ihrer Asylantragstellung keine Bestrafung zu erwarten hätten, da die staatlichen Organe Syriens die Bedeutung eines Asylverfahrens durchaus realistisch einschätzen könnten und das Asylverfahren in den Augen der syrischen Staatsorgane für nicht bereits in ihrem Heimatland politisch Verfolgte eben dieselbe Bedeutung habe wie in den Augen der Asylbewerber, nämlich die einer Formalie. Der Vortrag des Klägers, er sei Mitglied der PHGK (Bescheinigung vom 29.11.1998) sowie der "Mala Canda Kurdi" (Bescheinigung vom 10.02.1999), rechtfertigt eine andere Beurteilung nicht. Die genannten Schriftstücke lassen nicht erkennen, dass sie mehr sind, als gefälligkeitshalber ausgestellte Bescheinigungen. Ihnen kann nach der in einer Vielzahl vergleichbarer Verfahren gewonnenen Überzeugung des Gerichts insbesondere kein Beweiswert dafür beigemessen werden, dass die bescheinigten Mitgliedschaften tatsächlich mit nennenswerten politischen Aktivitäten des Klägers verbunden sind, die zudem das konkrete Interesse des syrischen Geheimdienstes erweckt haben könnten. Die von dem Verein Kurdisches Kulturhaus e.V. genannte (schlichte) Teilnahme an drei Veranstaltungen vermag eine Gefährdung des Klägers nicht zu begründen.
Schließlich liegen auch Abschiebungshindernisse im Sinne des § 53 AuslG nicht vor. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dem Kläger drohten die in § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK genannten Gefahren. Nach diesen Vorschriften darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter (§ 53 Abs. 1 AuslG) oder einer unmenschlichen bzw. erniedrigenden Strafe oder Behandlung (§ 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK) unterworfen zu werden. Voraussetzung für die Annahme eines Abschiebungshindernisses ist, dass konkrete und ernsthafte Gründe bzw. begründete Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, der konkrete Betroffene werde mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit im Zielstaat der Abschiebung unmenschlich behandelt werden. Die theoretische Möglichkeit genügt hierfür allein nicht (EGMR, Urt. vom 30.10.1991, NVwZ 1992, 869; BVerwG, Urt. vom 05.07.1994, 9 C 1.94; Urt. vom 05.11.1991, BVerwGE 89, 162). Hinreichende Anhaltspunkte für eine solchermaßen beachtliche Gefährdung sind nicht ersichtlich.
Die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG setzt das Bestehen individueller Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit voraus. Beruft sich ein Ausländer lediglich auf allgemeine Gefahren i.S.d. § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG, die nicht nur ihm persönlich, sondern zugleich der ganzen Bevölkerung oder einer Bevölkerungsgruppe drohen, wird Abschiebungsschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 54 AuslG gewährt. Einen Anspruch auf eine Ermessensbetätigung der obersten Landesbehörde hat der Ausländer allerdings nicht.
§ 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erfasst allgemeine Gefahren i.S.d. § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG auch dann nicht, wenn sie den einzelnen Ausländer konkret und in individualisierbarer Weise betreffen. Lediglich dann, wenn dem einzelnen Ausländer kein Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 1 bis 4 und Abs. 6 Satz 1 AuslG zusteht, er aber gleichwohl nicht abgeschoben werden darf, weil die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 Satz 1 GG wegen einer extremen Gefahrenlage die Gewährung von Abschiebungsschutz unabhängig von einer Ermessensentscheidung nach den §§ 53 Abs. 6 Satz 2, 54 AuslG gebieten, ist § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG verfassungskonform einschränkend dahin auszulegen, dass eine Entscheidung nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nicht ausgeschlossen ist (BVerwG, Urt. vom 17.10.1995, NVwZ 1996, 199 [BVerwG 17.10.1995 - BVerwG 9 C 9/95]). Es ist jedoch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger sich bei einer Rückkehr nach Syrien in einer solchen extremen Gefahrenlage befinden würde.
Da das Bundesamt den Kläger zu Recht nicht als Asylberechtigten anerkannt hat und er keine Aufenthaltsgenehmigung besitzt, musste die Behörde ihn gemäß §§ 34 f. AsylVfG zur Ausreise auffordern und die Abschiebung androhen.
Die Klage ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83 b Abs. 1
AsylVfG abzuweisen. Die Nebenentscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.