Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 29.06.2004, Az.: 2 A 167/03

Ersetzung Einvernehmen; Flächennutzungsplanentwurf; Raumbedeutsamkeit; Windenergieanlage

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
29.06.2004
Aktenzeichen
2 A 167/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50450
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Raumbedeutsamkeit von Windkraftanlagen

Windkraftanlagen ab 100 m Gesamthöhe sind regelmäßig raumbedeutsam. Der Entwurf einer Flächennutzungsplanänderung, der erstmals Vorrangflächen für Windenergie vorsieht, ist kein entgegenstehender öffentlicher Belang bei der Anfechtung eines Bauvorbescheides für eine Windkraftanlage durch die Gemeinde. Ersetzung des verweigerten Einvernehmens bei eindeutig rechtswidriger Verweigerung ist regelmäßig gerechtfertigt.

Tatbestand:

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Erteilung eines Bauvorbescheides für eine Windkraftanlage und die Ersetzung ihres baurechtlichen Einvernehmens.

2

Der Beigeladene ist Eigentümer der Flurstücke F. und G. der Flur H. in der Gemarkung I.. Am 24. Juni 2002 beantragte er einen Bauvorbescheid für die Errichtung jeweils einer Windkraftanlage auf den genannten Flurstücken. Die Gesamthöhe war zunächst mit ca. 125 m bis 150 m beantragt, sie wurde im Laufe des Genehmigungsverfahrens auf 99 m je Anlage reduziert. Der Abstand zwischen den beiden geplanten Anlagen beträgt ca. 380 m. Der Abstand zu der im Verfahren 2 A 6/04 im Streit befindlichen Anlage beträgt ca. 900 m, zu der im Verfahren 2 A 273/03 im Streit befindlichen Anlage ca. 1050 m. Beide Standorte sind weder im Flächennutzungsplan der Klägerin noch im Regionalen Raumordnungsprogramm 2000 des Beklagten als Vorranggebiete für Windkraftanlagen dargestellt bzw. ausgewiesen.

3

Das dieses Verfahren betreffende Flurstück F. (das Flurstück G. ist Gegenstand des Verfahrens 2 A 168/03 ) liegt im Außenbereich der Stadt Soltau zwischen den Siedlungen I. und J.. In der Ortslage I. befinden sich alte Hofanlagen, die als Ensemble denkmalgeschützt sind. In ca. 1.000 m Entfernung verläuft westlich in Nord-Süd-Richtung das K. tal. Es ist im Regionalen Raumordnungsprogramm 2000 des Beklagten als Vorranggebiet für Natur und Landschaft dargestellt. Der Vorhabensstandorte liegt in einem Vorsorgegebiet für Erholung sowie Landwirtschaft. Die Entfernung zu einer östlich vom vorgesehenen Standort gelegenen Vorsorgefläche Wald beträgt 120 m, zu einer südlichen Fläche 75 m. Östlich schließt sich ein Gebiet mit archäologischen Bodenfunden an.

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Mit Bescheid vom 2. Dezember 2002 lehnte der Beklagte die Erteilung eines Bauvorbescheides für beide Standorte ab. Windenergieanlagen seien auch bei einer Gesamthöhe von 99 m als raumbedeutsame Vorhaben einzustufen. Die Standorte liegen auf freien, landwirtschaftlich genutzten Geestkuppen , das umliegende Gelände falle nach allen Seiten ab, der Bereich des K. tales sei deutlich als Tal herausgebildet. Die außerordentlich hochdimensionierten Anlagen würden die sie umgebenden Waldgebiete um ein Vielfaches überragen und würden zu einer erstmaligen schweren Beeinträchtigung des Landschaftsbildes führen. Weitreichende ungestörte Blickbeziehungen würden zerstört. Die Anlagen würden dazu beitragen, dass der weithin ungestörte Charakter des Gebietes stark überformt und verändert werden würde. Im Übrigen habe die Klägerin das erforderliche Einvernehmen versagt.

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Gegen diesen Bescheid legte der Beigeladene Widerspruch ein. Auf Anweisung der Bezirksregierung Lüneburg gab der Beklagte diesem Widerspruch statt. Mit hier angefochtenen Bescheiden vom 14. Mai 2003 ersetzte der Beklagte das fehlende Einvernehmen der Klägerin und erteilte dem Beigeladenen den beantragten Bauvorbescheid für die Errichtung einer Windkraftanlage auf dem Flurstück F..

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Gegen diese beiden Bescheide legte nunmehr die Klägerin Widerspruch ein. Zur Begründung bezog sie sich auf eine Stellungnahme vom 6. Mai 2003, in der sie die Versagung des Einvernehmens gegenüber der Bezirksregierung Lüneburg verteidigte. Der notwendige Abstand von 200 m zwischen Wald und Windenergieanlage werde nicht eingehalten. Ihr Stadtgebiet liege in der Region L., die zu den drei landesweit herausragenden touristisch entsprechend beworbenen ländlichen Regionen gehöre. Damit komme der „allgemeinen Erholungsfunktion“ ein besonderer Belang zu. Im Soltauer Stadtgebiet seien nur I. und einem weiteren landwirtschaftlich geprägten Siedlungsbereich ein Standort mit der besonderen Entwicklungsaufgabe Erholung zugewiesen worden. Auf der Ostseite von I. befänden sich wenig bis kaum gestörte Hofstellen mit dem vorgelagerten offenen Talraum. Diese Situation sei im Soltauer Stadtgebiet einmalig und habe dazu geführt, dass sie als Ziel der Raumordnung „kulturelles Sachgut“ festgelegt worden sei. Zwar sei es zutreffend, dass Windkraftanlagen baurechtlich privilegiert seien, doch könnten auch ihnen öffentliche Belange entgegenstehen und sich damit gegenüber einer Privilegierung durchsetzen. Das Bundesverwaltungsgericht habe beispielhaft darauf hingewiesen, dass die natürliche Eigenart der Landschaft und der Natur- und Landschaftsschutz öffentliche Belange sein könnten, die auch einem privilegierten Vorhaben entgegenstehen könnten. Ihr Flächennutzungsplan werde zur Zeit geändert mit dem Ziel, Vorrangstandorte für Windenergie darzustellen. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes könne ein planreifer Entwurf für die Änderung des Flächennutzungsplanes als öffentlicher Belang einem privilegierten Windenergievorhaben entgegenstehen.

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Mit Bescheid vom 9. Juli 2003 wies die Bezirksregierung Lüneburg die Widersprüche gegen die Bescheide vom 14. Mai 2003 hinsichtlich des Flurstückes F. zurück. Den im Außenbereich privilegierten Windkraftanlagen könnten vorliegend öffentliche Belange des § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB nicht entgegengehalten werden. Beeinträchtigungen ästhetischer Art führten erst dann zur planungsrechtlichen Unzulässigkeit, wenn durch diese eine Verunstaltung des Landschaftsbildes bewirkt würde. Das sei nach Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten nicht der Fall. Auch die Beeinträchtigung des Erholungswertes der Landschaft stehe dem Vorhaben nicht entgegen. Das betroffene Gebiet besitze allenfalls einen geringen Erholungswert. Die umliegenden Flächen würden fast überwiegend landwirtschaftlich genutzt, so dass für eine Erholungsfunktion wenig Raum bleibe. Auch die beabsichtigte Änderung des Flächennutzungsplanes könne zu keiner anderen Entscheidung führen, da ein Aufstellungsverfahren sich nur dann als öffentlicher Belang auswirken könne, wenn ein Stadium erreicht sei, das hinreichend verlässliche Schlüsse auf ihre Verwirklichung gestatte. Das sei derzeit nicht der Fall.

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In der gegen diese Bescheide erhobenen Klage vertieft die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen. Der geplante Standort auf dem Flurstück F. befinde sich außerhalb der Standorte, die der Regionale Raumordnungsplan für Windenergieanlagen festsetze. Die geplante Anlage sei aber raumbedeutsam, weil sie eine maximale Gesamthöhe von 100 m über Geländeoberfläche haben könne. Mangels zwingender und konkreter Vorgaben für die Ausfüllung des in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB und § 3 Nr. 6 ROG verwendeten Begriffes „raumbedeutsam“ seien die Fragen einzelfallbezogen zu beantworten. Dies führe im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass von einer Raumbedeutsamkeit auszugehen sei. Zusätzlich zu der raumordnungsrechtlichen Unzulässigkeit des Vorhabens stünden dem streitigen Objekt folgende öffentliche Belange und Aspekte entgegen: Die Verwirklichung des Vorhabens würde unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen und andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung und Entsorgung im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BauGB verursachen. Diese Vorschrift korrespondiere mit dem Grundsatz, dass die Gemeinden für alle Bauvorhaben in ihrem Gebiet, die nach Baurecht genehmigungsfähig seien und genehmigt würden, erschließungspflichtig seien. Dieser öffentliche Belang gewinne auch gegenüber privilegierten Bauvorhaben gerade in Zeiten knapper öffentlicher Kassen besondere Bedeutung. Die Erschließung müsse vorliegend über einen dem öffentlichen Verkehr nicht uneingeschränkt gewidmeten Feldweg erfolgen. Er sei so gut wie nicht befestigt und habe nur eine Breite von 3 m. Daher sei er für alle Verkehre, die der Bau der Anlage, ihre Versorgung und auch ihren späteren Abriss verursache, in keiner Weise geeignet. Das gleiche gelte für die zu dem Feldweg führende öffentliche Straße („Schulstraße“). Ungeklärt sei weiterhin, wie der Strom, den die geplante Windenergieanlage produzieren wolle, in das öffentliche Stromnetz eingespeist werden solle. Solange nicht geklärt sei, dass die Anlage auch bestimmungsgemäß betrieben werden könne, würde sie dem Grundsatz zuwiderlaufen, dass der Außenbereich nach Möglichkeit von Baulichkeiten verschont werden solle. Weiterhin stehe als öffentlicher Belang der Natur- und Landschaftsschutz entgegen. Hierzu sei ergänzend zu dem bisher Vorgetragenen auszuführen, dass in dem nahe gelegenen K. tal wertvolle Biotope seien. Unter anderem nisteten dort die höchst seltenen und deshalb auf die Rote Liste gesetzten Schwarzstörche, die besonders empfindlich auf moderne technische Anlagen reagieren würden. Über die denkmalschutzrechtlichen Belange - mehrere Jahrhunderte alte Bauernhöfe, die als Ensemble unter Denkmalschutz stünden - könne man sich nicht einfach mit einem „Ballonversuch“ hinwegsetzen. Dabei werde übersehen, dass Laubbäume im Winter entblättert seien, so dass dann die Blickverbindung zwischen denkmalgeschützten Bauernhöfen und der Windkraftanlage wiederhergestellt werden würde. Schließlich sei zu bedenken, dass Windkraftanlagen bei Wegfall der Subventionierung verlustbringend seien. Bei der derzeitigen Finanzmisere sei eine Streichung der Subventionen absehbar. Daher sei es erforderlich, dass bei einer Einstellung des Betriebes die Anlage einschließlich ihres Fundamentes folgenlos entfernt werde. Eine solche Garantie gebe es aber bisher nicht.

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Die Klägerin beantragt,

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die Bescheide des Beklagten vom 14. Mai 2003 über die Erteilung eines Bauvorbescheides für eine Windkraftanlage auf dem Flurstück F. und die Ersetzung ihres verweigerten Einvernehmens sowie den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 9. Juli 2003 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen und andere Verkehrseinrichtungen seien nicht zu befürchten. Der Bauvorbescheid sei unter der Auflage erteilt worden, dass die gesicherte Zuwegung nach § 5 NBauO im Baugenehmigungsverfahren nachzuweisen sei. Dieses sei dort auch geschehen. Seines Wissens habe der Beigeladene mit der Klägerin einen Erschließungsvertrag abgeschlossen. Die Schulstraße in I. sei uneingeschränkt dem öffentlichen Verkehr zugänglich, insbesondere gebe es keine Beschränkung des Gewichtes der Fahrzeuge. Die Beeinträchtigungen der Vorranggebiete für Natur und Landschaft im K. tal stelle keinen entgegenstehenden öffentlichen Belang dar. Insbesondere erscheine eine Betroffenheit des 4 km entfernten Brutplatzes eines Schwarzstorchpaares bei M. nicht nachvollziehbar.

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Der Beigeladene beantragt ebenfalls,

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die Klage abzuweisen.

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Zwar sei es zutreffend, dass die Klägerin gegen die Teilversagung der Genehmigung ihrer 28. Flächennutzungsplanänderung Klage erhoben habe und den genehmigten Teil mit Anordnung vom 22. Dezember 2003 bekannt gemacht habe, doch komme es für den vorliegenden Fall darauf nicht an. Maßgeblicher Zeitpunkt bei Nachbarrechtsverfahren sei grundsätzlich der der Bekanntmachung der Baugenehmigung. Diese Grundsätze gelten auch im Falle eines Drittwiderspruchs der Gemeinde. Im übrigen enthalte die Bekanntmachung von der 4 der 11 beantragten Sonderbauflächen keinerlei Hinweis darauf, dass mit der bekannt gemachten Planung ein Ausschluss von Windenergieanlagen an anderer Stelle im Plangebiet und eine Konzentrationswirkung verbunden sein solle. Unabhängig davon würde sie auch daran scheitern, weil mit der Versagung eines wesentlichen Teils der Genehmigung die Planung eine wesentliche Änderung erfahren habe und der Planentwurf hätte erneut ausgelegt werden müssen. Auch liege dem - reduzierten - Plan kein schlüssiges gesamträumiges Planungskonzept zu Grunde. Hinzu komme, dass der Beklagte am 2. Dezember 2003 - unter erneuter Ersetzung des Einvernehmens der Klägerin - antragsgemäß die Baugenehmigung für die streitige Windenergieanlage erteilt habe. Dieser Ersetzung habe es allerdings nicht bedurft, da die Fiktionswirkung der Genehmigung wegen Fristablaufs bereits eingetreten gewesen sei. Die vorliegende gegen den Bauvorbescheid und die Ersetzung des Einvernehmens gerichtete Klage sei damit unzulässig geworden.

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In Anwendung der Rechtsprechung der erkennenden Kammer sei nicht von einer Raumbedeutsamkeit des Vorhabens auszugehen, da es eine Gesamthöhe von unter 100m habe und irgendwelche Besonderheiten nicht vorliegen würden. Selbst wenn es auf das Raumordnungsprogramm des Beklagten ankommen sollte, würde dieses nicht entgegenstehen, da es zumindest erheblich abwägungsfehlerhaft und damit unwirksam sei. Bei einer Größe des Landkreises von 1.1873.36 km² seien gerade mal zwei Vorrangstandorte ausgewiesen worden. Auch im übrigen sei die Planung widersprüchlich und verkenne das Gewicht der durch § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB geschützten Interessen. Schließlich sei es unzutreffend, dass sonstige öffentliche Belange dem Vorhaben entgegenstehen würden, das gelte bei einer Entfernung von 800 m und mehr insbesondere für den Umgebungsschutz von Baudenkmalen.

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Die Kammer hat am 29. Juni 2004 einen Orts- und Verhandlungstermin durchgeführt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht in ihren Rechten verletzt. Der Beigeladene hat einen Anspruch auf den beantragten Bauvorbescheid für die Errichtung einer Windkraftanlage auf dem Flurstück. F. in der Gemarkung I. (1.). Die Verweigerung des Einvernehmens zu diesem Bauvorhaben seitens der Klägerin ist rechtswidrig gewesen und daher zu Recht von dem Beklagten ersetzt worden (2.).

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1. Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 NBauO ist für eine Baumaßnahme auf Antrag über einzelne Fragen, die im Baugenehmigungsverfahren zu entscheiden wären und die selbständig beurteilt werden können, durch Bauvorbescheid zu entscheiden. Dies gilt auch für die Frage, ob eine Baumaßnahme nach städtebaulichem Planungsrecht zulässig ist.

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Das Vorhaben des Beigeladenen, das unstrittig im Außenbereich errichtet werden soll, ist privilegiert, da es der Nutzung der Windenergie dient (§ 35 Abs. 1 Ziffer 6 BauGB). Das Vorhaben ist daher nicht schon dann unzulässig, wenn es öffentliche Belange beeinträchtigt, sondern erst dann, wenn ihm öffentliche Belange entgegenstehen. Gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummern 2 bis 6 öffentliche Belange in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellung im Flächennutzungsplan oder als Ziel der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Das ist vorliegend nicht der Fall. Das Vorhaben ist nicht raumbedeutsam (a.). Auch standen ihm im maßgeblichen Zeitpunkt der baurechtlichen Genehmigung keine Vorrangdarstellungen an anderer Stelle im Flächennutzungsplan der Klägerin entgegen (b.) Schließlich stehen dem Vorhaben auch keine anderen der in § 35 Abs. 3 Ziffer 1 - 7 aufgeführten öffentlichen Belange entgegen, insbes. nicht - Ziffer 5 - Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Denkmalschutzes oder der Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft und ihres Erholungswertes oder der Verunstaltung des Orts- und Landschaftsbildes, sowie - Ziffer 4 - der unwirtschaftlichen Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen (c.).

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a. Dem Vorhaben des Beigeladenen steht nicht nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entgegen, dass der Beklagte in seinem Regionalen Raumordnungsprogramm 2000 Vorrangstandorte für raumbedeutsame Windenergieanlagen ausgewiesen hat, die die Errichtung von raumbedeutsamen Windenergieanlagen an anderer Stelle ausschließen. Denn die von dem Beigeladenen geplante Windenergieanlage mit einer Höhe von unter 100 m ist - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht raumbedeutsam. Ob Windenergieanlagen raumbedeutsam sind, beurteilt sich nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls. Die Raumbedeutsamkeit kann sich insbesondere aus ihren Dimensionen (Höhe, Rotordurchmesser), aus ihrem Standort oder aus ihren Auswirkungen auf bestimmte Ziele der Raumordnung (Schutz von Natur und Landschaft, Erholung und Fremdenverkehr) ergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.3.2003 - 4 C 4.02 -, UPR 2003, 309).

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Zur Frage der Raumbedeutsamkeit von Windenergieanlagen aufgrund ihrer Höhe hat die Kammer in ihren Entscheidungen vom 8. Juli 2003 (2 A 62/02 und 2 A 122/02) ausgeführt:

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a. Wann Windenergieanlagen die Schwelle zur Raumbedeutsamkeit überschreiten, ist bisher nicht abschließend geklärt. Eine gesetzgeberische Regelung fehlt. Das Niedersächsische Innenministerium hat in seinem Erlassentwurf vom Juli 1997 an die Träger der Regionalplanung die Auffassung vertreten, im Interesse einer einheitlichen Anwendung des Raumordnungsrechts sei in der Regel von einer Raumbedeutsamkeit von Einzelanlagen auszugehen, wenn diese eine Nabenhöhe von mehr als 50 m erreichten. Die Fachabteilungen des Beklagten sind im Baugenehmigungsverfahren davon ausgegangen, dass Raumbedeutsamkeit ab einer Gesamthöhe der Anlage von 100 m zu bejahen sei. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 2. August 2002 (Az. 4 B 36/02; juris) die Auffassung vertreten, die Frage, bei welcher Größenordnung die Raumbedeutsamkeit einer Windenergieanlage beginne, lasse sich nicht mit einer bestimmten Meterangabe beantworten. Als „raumbedeutsam“ qualifiziere der Gesetzgeber nicht bloß Planungen und Maßnahmen, durch die Grund und Boden in Anspruch genommen werde, sondern - wie § 3 Nr. 6 ROG zeige - auch solche, durch die die räumliche Entwicklung eines Gebiets beeinflusst werde. Wann das Merkmal der Raumbeeinflussung erfüllt sei, sei eine Frage der Würdigung des Einzelfalls (BVerwG, aaO). Es billigte die Auffassung der Vorinstanz (VGH München, Urt. v. 22.5.2002 - 26 B 01.2234 -, DÖV 2002, 744 [VGH Bayern 22.05.2002 - 26 B 01.2234]), die eine Windenergieanlage wegen ihrer Gesamthöhe von knapp 100 m, ihrer vertikalen Ausdehnung und ihren Wirkungen auf die weitere Umgebung als raumbedeutsam eingestuft hatte. In seiner Entscheidung vom 13. März 2003 (Urt. v. 13.3.2003 - 4 C 4/02 -, NVwZ 2003, 738) hat das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Koblenz in dessen Urteil vom 28. Februar 2002 (Az. 1 A 11625/01, BauR 2002, 1053) bestätigt, das eine Windenergieanlage mit einer Nabenhöhe von 70,5 m und einem Rotordurchmesser von 54 m (was eine Gesamthöhe von knapp unter 100 m ergeben dürfte) aufgrund ihrer Sichtbarkeit als raumbedeutsam bewertet hatte, da sie erheblich auf den Raum und seine Landschaft einwirke. Das Verwaltungsgericht Gera hat mit seinen Urteilen vom 4. August 2002 (Az. 4 K 1744/00 GE u. 4 K 808/01 GE, Vnb) einzelne Windkraftanlagen bei einer Höhe von 85 m und einem Standort auf einer Hochfläche sowie mit einer Gesamthöhe von 131 m (98 m Nabenhöhe + 33 m Rotorradius) als raumbedeutsam bewertet. In seiner Entscheidung vom 9. November 2000 hat das Verwaltungsgericht Weimar eine einzelne Windkraftanlage als in der Regel raumbedeutsam eingestuft, wenn sie höher als 100 m sei und im Flachland oder im übrigen auf einem ansteigenden Hang oder auf einer Bergkuppe errichtet werden solle (VG Weimar, Urt. v. 9.11.2000 - 1 K 654/00 -, NuR 2001, 536). Nach Angaben des Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen hat das Oberverwaltungsgericht Magdeburg in seinem Urteil vom 12. Dezember 2002 (Az. 2 L 456/00) - unter Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung (Beschl. v. 29.8.2001 - 2 M 130/01 -) zwei 100 m hohe Windenergieanlagen für raumbedeutsam gehalten, wohingegen das VG Magdeburg dies in seinem Urteil vom 16. Januar 2002 (Az. 4 A 320/00 MD) für zwei 133 m hohe Anlagen verneint habe. Das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 2. April 2003 (Az. 7 B 235/03, BauR 2003, S. 1019) die Zielsetzung einer Gemeinde, Windenergieanlagen mit einer Höhe von mehr als 100 m in einer flächennutzungsplanmäßig ausgewiesenen Konzentrationszone auszuschließen, als legitime planerische Zielsetzung bezeichnet.

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b. Die Kammer ist der Auffassung, dass die Schwelle der Raumbedeutsamkeit für einzelne Windenergieanlagen im Flachland in der Regel bei einer Gesamthöhe von 100 m erreicht wird und Anlagen mit einer derartigen Höhe daher grundsätzlich nur in raumplanungsrechtlich ausgewiesenen Vorranggebieten errichtet werden können. Windenergieanlagen sind aufgrund ihrer geringen Grundfläche zwar nicht als „raumbeanspruchend“ einzustufen, sie sind aufgrund der von ihnen ausgehenden optischen Wirkungen ab dieser Höhe jedoch als raumbeeinflussend und wegen der um ihre Standorte herum einzuhaltenden Abstände auch als raumwirksam anzusehen (ebenso: VGH München, aaO). Bei einer Höhe von 100 m liegt der Schwellenwert für die luftfahrtrechtliche Relevanz, aus Gründen der Flugsicherung ist ab dieser Höhe eine Tageskennung der Rotorspitzen in Leuchtfarben und eine Nachtkennung durch Blinkfeuer erforderlich (vgl. OVG Münster, aaO), was die optische „Präsenz“ der Anlagen in der Landschaft (nochmals) - regelmäßig bis hin zur Dominanz - steigert. Im Hinblick darauf, dass die Genehmigung von Windenergieanlagen für die Bauaufsichtsbehörden derzeit ein „Massenphänomen“ ist und sich die örtlichen Verhältnisse im norddeutschen Flachland in der Regel nicht derartig stark voneinander unterscheiden, dass eine nach Standorten differenzierte Betrachtung zwingend geboten ist, hält die Kammer eine klare Grenzziehung für die Frage der Raumbedeutsamkeit von Einzelanlagen aufgrund ihrer Gesamthöhe für den „Regelstandort“ für geboten und auch für möglich, was eine abweichende Beurteilung im Einzelfall aufgrund atypischer Besonderheiten nicht ausschließt.

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An diesem Maßstab hält die Kammer auch nach erneuter Überprüfung und vor dem Hintergrund fest, dass über die Berufung gegen die Urteile vom 8. Juli 2003 noch nicht entschieden worden ist. Bislang hat sich das niedersächsische Oberverwaltungsgericht auch in anderen Entscheidungen - soweit bekannt - zu dieser Frage nicht grundlegend geäußert. Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt eine Raumbedeutsamkeit der geplanten Anlage nicht vor, da diese unter 100 m hoch werden soll. Dass die 100 m Höhe nur knapp unterschritten wird, stellt im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin keine unzulässige Umgehung dar. Vielmehr ist es dem Beigeladenen unbenommen, sich auf die Rechtsprechung der erkennenden Kammer einzustellen und die dort zur Bestimmung der Raumbedeutsamkeit festgesetzte Höhe voll auszuschöpfen. Der vorliegende Fall gibt auch keinen Anlass von diesen allgemeinen Grundsätzen abzuweichen. Wie die Ortsbesichtigung der Kammer ergeben hat, weist die nähere Umgebung des in Aussicht genommenen Standortes der Windkraftanlage keine Besonderheiten auf, die ausnahmsweise schon eine Windkraftanlage mit einer Gesamthöhe von weniger als 100 m raumbedeutsam erscheinen lassen könnte. Auch die Tatsache, dass insgesamt 4 Windkraftanlagen östlich von I. genehmigt worden sind, führt nicht zu einer Raumbedeutsamkeit. Zum einen ist ein - regelmäßig raumbedeutsamer - „Windpark“ erst ab 5 Anlagen anzunehmen und zum anderen - unabhängig davon - ist die Entfernung zwischen den beiden südlichen und nördlichen Anlagestandpunkten mit mindestens 750 m zu groß, um noch von einer näheren Verbindung zwischen den beiden Standorten ausgehen zu können.

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b. Dem Vorhaben des Beigeladenen steht auch nicht nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entgegen, dass die Klägerin mittlerweile über einen Flächennutzungsplan verfügt, der Vorrangstandorte für raumbedeutsame Windenergieanlagen an anderen Stellen darstellt. Diese Darstellung kann für das vorliegende Verfahren keine Ausschlusswirkung mehr entfalten. In diesem Zusammenhang beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. März 2003 (- 4 C 3/02 - BauR 2003, 1172). Danach sei fraglich, ob nach der Wertung des Gesetzgebers nicht nur die Darstellungen eines wirksamen Flächennutzungsplans, sondern bereits die eines Planentwurfs für die Zulassung von Vorhaben im Außenbereich beachtlich sein sollen. Dieser könne jedoch nur dann ein öffentlicher Belang im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB sein, wenn er im Sinne von § 33 BauGB "planreif" sei. Im hier zu entscheidenden Fall kommt dieser Frage aber keine rechtliche Bedeutung zu. Denn sie stellt sich nur in den Verfahren, die auf Erteilung einer (zunächst abgelehnten) baurechtlichen Genehmigung gerichtet sind. Um eine solche Fallkonstellation hat es sich auch bei dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall gehandelt. Ist aber - wie vorliegend - bereits ein Bauvorbescheid erteilt worden, der von einem Dritten angefochten wird, handelt es sich um eine Anfechtungsklage, für die die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderteilung maßgeblich ist. Eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage ist in dem von einem Dritten eingeleiteten Rechtsmittelverfahren regelmäßig nicht zu berücksichtigen, weil dem Bauherrn sonst eine Rechtsposition entzogen würde, auf die er bislang einen Anspruch hatte. Entscheidend ist das im Zeitpunkt der Genehmigung maßgebliche Recht, weil die baurechtliche Genehmigung die verbindliche Feststellung enthält, dass das Vorhaben im Zeitpunkt seiner Genehmigung im Einklang mit dem derzeit geltenden öffentlichen Baurecht steht (Schmaltz in Schrödter, BauGB, Komm. 6. Aufl. 1998, § 31 Rdnr. 86, m. w. Rspr.-Nachweisen). Unabhängig davon war im Zeitpunkt der Bescheiderteilung (14. Mai 2003) die 28. Änderung des Flächennutzungsplans der Klägerin aber auch noch nicht „planreif“. In seiner Sitzung vom 3. Juli 2003 hat der Rat der Klägerin den Feststellungsbeschluss gefasst und den Erläuterungsbericht beschlossen. Am 9. Juli 2003 hat sie die 28. Flächennutzungsplanänderung der Bezirksregierung zur Genehmigung eingereicht. Im Genehmigungsverfahren wurden wegen der berührten avifaunistischen Belange noch weitere Unterlagen vorgelegt. Mit Bescheid vom 7. Oktober 2003 wurde die Änderungsplanung - mit Ausnahme der Sonderbauflächen für Windenergie 1, 2 und 8, 5, 7, 9 und 4 - genehmigt (vgl. das Verfahren 2 A 221/03). Die Bekanntmachung des genehmigten Teils erfolgte erst am 3. Januar 2004. Zu Recht heißt es daher im Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg, dass die Klägerin jahrelang versäumt habe, durch rechtzeitige Planung von Vorrangflächen eine für sie akzeptable Steuerung vorzunehmen.

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c. Hinsichtlich der weiterhin von der Klägerin aufgeführten öffentlichen Belange - insbes. der in § 35 Abs. 3 Ziffern 5 und 4 BauGB aufgeführten - ist zunächst noch einmal darauf hinzuweisen, dass sie nicht nur „beeinträchtigt“ werden dürfen, sondern „entgegenstehen“ müssen. Die Privilegierung wirkt sich in einem stärkeren Durchsetzungsvermögen gegenüber den berührten öffentlichen Belangen aus (OVG Lüneburg, Beschluss v. 20. 12. 2001 - 1 MA 3579/01 -, BauR 2002, S. 592). Die unter § 35 Abs. 1 BauGB fallenden Vorhaben sind im Außenbereich bevorzugt zulässig. Diese Bevorzugung ist allerdings nicht von quantitativer Art in dem Sinne, dass in einem Verstoß gegen entgegenstehende öffentliche Belange (Abs. 1) ein im Vergleich zur Beeinträchtigung öffentlicher Belange (Abs. 2) höherer Grad der Verletzung zu sehen wäre. Kennzeichnend sind vielmehr Unterschiede im erforderlichen Abwägungsvorgang. Für die Anwendung des ersten und zweiten Absatzes von § 35 BauGB gilt übereinstimmend, dass es jeweils einer Abwägung zwischen dem beabsichtigten Vorhaben und den von ihm etwa berührten öffentlichen Belangen bedarf. Bei dieser Abwägung muss jedoch - darin unterscheiden sich die beiden Absätze - zugunsten der von § 35 Abs. 1 BauGB erfassten Vorhaben die ihnen vom Gesetz zuerkannte Privilegierung gebührend in Rechnung gestellt werden. Das hat zwar nicht immer, aber doch im Regelfall zur Folge, dass sich ein privilegiertes Vorhaben zu Lasten von öffentlichen Belangen und insofern zu Lasten der Allgemeinheit auch dann noch durchsetzen kann, wenn unter gleichen Voraussetzungen ein sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB wegen dieser von ihm beeinträchtigten öffentlichen Belange (schon) unzulässig ist (BverwG, Urteil vom 14. März 1975 - 4 C 41.73 -, BauR 1975, 261; seitdem st. Rspr. )

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Hiervon ausgehend kann vorliegend offen bleiben, ob durch die Windkraftanlage die in § 35 Abs. 3 Ziffer 5 BauGB aufgeführten öffentlichen Belange beeinträchtigt werden, soweit sie den Schutz von Natur und Landschaft auch für ihren Erholungswert und ihr Erscheinungsbild bezwecken, weil diese öffentlichen Belange dem Vorhaben jedenfalls nicht entgegenstehen. Dabei soll nicht in Abrede gestellt werden, dass Windkraftanlagen durch ihre Höhe und die Bewegung der Rotoren das Landschaftsbild deutlich verändern. Diese Beeinträchtigungen können auch durch Ausgleichsmaßnahmen nicht ungeschehen gemacht werden, weil die Dimensionen der Anlagen es ausschließen, sie beispielsweise so einzugrünen, dass sie nicht mehr zu sehen sind. Die Privilegierung von Windkraftanlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB schließt aber ein, dass Windkraftanlagen nicht nur an Standorten zugelassen werden müssen, an denen die Landschaft "unwiederbringlich verschandelt" ist. Das Gewicht der Privilegierung äußert sich vielmehr darin, dass Windkraftanlagen wegen ihrer Auswirkungen auf das Landschaftsbild nur dort unzulässig sind, wo dem Landschaftsbild ein besonderer Wert zukommt. Von einer Verunstaltung des Landschaftsbildes kann in diesem Zusammenhang nur dann die Rede sein, wenn es sich um eine wegen ihrer Schönheit oder Funktion besonders schutzwürdige Umgebung oder um einen besonders groben Eingriff in das Landschaftsbild handelt. Bloße nachteilige Veränderungen oder Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes können ein solches Vorhaben nicht unzulässig machen (OVG Lüneburg: Urteil vom 30. 10. 1997 - 6 L 6400/95 -, zitiert nach juris; Beschluss vom 20. Dezember 2001, a.a.O.; )

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Die insgesamt 4 Anlagen stellen sicherlich einen Blickfang dar, weil sie den Landschaftsraum an dieser Stelle wegen ihrer Höhe beeinflussen, mit den Drehbewegungen der Rotoren optische Unruhe erzeugen und auf das Erscheinungsbild einer ruhigen, weithin unberührten Landschaft einwirken. Das allein macht jedoch nicht die Verunstaltung aus. Ein „grober Eingriff“ kann nicht allein daraus abgeleitet werden, dass Windkraftanlagen angesichts ihrer Größe markant in Erscheinung treten. Wenn der Gesetzgeber die Windenergieanlagen dem Außenbereich als privilegierte Anlagen zugewiesen hat, hat er auch ihr typisches Erscheinungsbild mit den hohen Masten und den sich drehenden Rotoren mitbedacht. Dasselbe gilt für die Tatsache, dass die 4 Windkraftanlagen an vergleichsweise exponierten Stellen und nicht etwa in einem Tal oder an sonst verdeckten Orten errichtet werden sollen. Auf einen solchen Standort sind sie im Hinblick auf eine wirtschaftlich sinnvolle Windausbeute angewiesen. Damit setzt sich die im Streit befindliche Anlage vorliegend auch gegenüber einem Vorranggebiet für Erholung sowie Landwirtschaft und dem in einiger Entfernung verlaufenen Vorranggebiet K. tal durch, zumal die Kammer nach der Ortsbesichtigung die Einschätzung der Widerspruchsbehörde bestätig, dass in der überwiegend landwirtschaftlich genutzten Umgebung für Erholung wenig Raum bleibt und sie auch keine besonderen landschaftlichen Reize aufweist.

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Denkmalpflegerische Belange stehen dem Vorhaben ebenfalls nicht entgegen. Gemäß dem hier zur Beurteilung heranzuziehenden § 8 NdSchG darf die jeweilige besondere Wirkung eines Baudenkmals, die es als Kunstwerk, Zeugnis der Geschichte oder als bestimmendes städtebauliches Element hat, durch eine hinzutretende Bebauung nicht beeinträchtigt werden (Schmaltz/Wiechert, NdSchG, Komm. 1998, § 8 Rdn. 6). In der Rechtsprechung ist dabei regelmäßig auf die Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes abgestellt worden. Die Vorschrift geht damit über das allgemeine Verunstaltungsgebot des § 53 NBauO hinaus. Es genügt nicht, dass nur ein hässlicher, Unlust erregender Kontrast zwischen der benachbarten Anlage und dem Denkmal vermieden wird. Vielmehr darf die jeweilige besondere Wirkung eines Baudenkmals, die es als Kunstwerk, als Zeuge der Geschichte oder als bestimmendes städtebauliches Element auf den Beschauer ausübt, nicht geschmälert werden. So können beispielsweise hohe Richtfunktürme und Windkraftanlagen in unmittelbarer Nähe historischer Altstädte eine Beeinträchtigung von herausragenden Kirchen und einer Stadtsilhouette darstellen. Entscheidend ist mithin, inwieweit der Schauwert des Denkmals beeinträchtigt wird, was wiederum von den jeweiligen Größen und Entfernungen und damit den Blickbeziehungen zwischen geschützter Anlage und hinzutretender Bebauung abhängt (Schmaltz/ Wiechert, a.a.O., § 8 Rdn. 7; OVG Schleswig, Urteil v. 20. 7. 1995 - 1 L 38/94 - NuR 1996, 364).

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Die Kammer hat sich anlässlich des Ortstermins davon überzeugt, dass von einer wesentlichen Beeinträchtigung der geschützten Hofanlagen durch die insgesamt 4 genehmigten Windkraftanlagen nicht auszugehen ist. Die Abstände liegen zwischen 800 m und 1300 m. Die Hofanlagen sind in ihrer näheren Umgebung nicht exponiert, sondern in die umgebende Bebauung eingebettet. So verdeckt die - nicht geschützte - Hofanlage I. Nr. 12 die geschützte Anlage I. Nr. 11 nahezu vollständig. Zusätzlich sind die Hofflächen durch hohe Bäume eingerahmt. Hinzu kommt, dass zur Schulstraße hin Waldflächen vorgelagert sind, die aus Laub- und Nadelbäumen bestehen. Diese Waldflächen verdecken von der Schulstraße aus den Blick auf die geschützten Hofanlagen Nr. 4 und Nr. 22. Insgesamt ist also festzustellen, dass von den drei geschützten Hofanlagen (Nr. 4, 11, 22) ein Blick auf die beantragten Anlagestandorte wenn überhaupt, dann nur sehr eingeschränkt, möglich ist. Dieses alles führt zusammengenommen zu dem Ergebnis, dass keine wesentliche Beeinträchtigung des Schauwertes der Hofanlagen durch die hinzutretenden Windkraftanlagen anzunehmen ist.

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Soweit die Klägerin sich schließlich auf unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen beruft (§ 35 Abs. 3 Ziffer 4 BauGB), bedarf es im vorliegenden Verfahren keiner weiteren Aufklärung, ob dieser Sachverhalt überhaupt zutreffend ist, ob also tatsächlich entsprechende Belastungen auf die Klägerin zukommen würden. Denn Gegenstand der Bauvoranfrage ist allein die planungsrechtliche Zulässigkeit der Windkraftanlage an dem beantragten Standort. Das nachfolgende Baugenehmigungsverfahren gibt hinreichend Raum und ist auch das hierfür vorgesehene Verfahren diese Problematik durch Erschließungsverträge, Auflagen in der Baugenehmigung oder andere bauordnungsrechtliche Instrumente zu regeln. Ggf. noch offene aber zu bewältigende Fragen der Erschließung können bei einer planungsrechtlichen Bauvoranfrage einer Genehmigungsfähigkeit nicht mit Erfolg entgegengehalten werden.

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2. Die Ersetzung des verweigerten Einvernehmens der Klägerin durch den Beklagten zugunsten des Vorhabens des Beigeladenen ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Rechtsgrundlage für die Ersetzung des Einvernehmens der Gemeinde zu einem Bauvorhaben ist § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB, der dessen rechtswidrige Verweigerung voraussetzt. § 36 BauGB, der die Einholung des Einvernehmens der Gemeinde zu Bauvorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB vorschreibt, sichert deren Planungshoheit, die mit der verfassungsrechtlich verbürgten Selbstverwaltungsgarantie verbunden ist (Schmaltz in Schrödter, § 36 Rdnr. 2). Jedes Bauvorhaben, das ohne das erforderliche Einvernehmen der Gemeinde errichtet wird, präjudiziert in gewissem Umfang die Planung in der Gemeinde und greift damit in deren Planungshoheit ein. Darüber hinaus gibt die Beteiligung im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens der Gemeinde Gelegenheit, eine Bauleitplanung in die Wege zu leiten und ggf. mit den dafür vorgesehenen Mitteln zu sichern (Schmaltz, aaO, m.w.N.), sowie die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben der übergeordneten Regionalplanung zu überwachen, an die ihre Planung anzupassen ist (§ 1 Abs. 4 BauGB). Nach diesen Maßstäben ist die Ersetzung des Einvernehmens der Klägerin durch den Bescheid des Beklagten vom 14. Mai 2003 nach vorheriger Anhörung der Klägerin durch die Widerspruchsbehörde zu Recht erfolgt. Wie soeben ausgeführt ist das Vorhaben des Beigeladenen nach § 35 Abs. 1 Ziffer 6 BauGB privilegiert. Ihm stehen weder eine Vorrangplanung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB noch sonstige öffentliche Belange nach § 35 Abs. 3 BauGB entgegen. Eine Bauleitplanung verbunden mit einer Veränderungssperre zur Sicherung ihrer planerischen Zielsetzungen liegt nicht vor.

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Zu Unrecht beruft sich die Klägerin weiterhin darauf, dass die Ersetzung des Einvernehmens ermessensfehlerhaft gewesen sei. Es ist nach wie vor in der Rechtsprechung des OVG Lüneburg nicht geklärt, ob § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB überhaupt eine Ermessensentscheidung eröffnet ( vgl. hierzu: Beschluss vom 15.10.1999 - 1 M 3614/99 -, BauR 2000, 73; Beschluss vom 12. 9. 2003 - 1 ME 212/03 - NVwZ-RR 2004, 91). Angesichts der Rechtsschutzmöglichkeiten des Bauwilligen, der entweder die auf die Verweigerung des Einvernehmens gestützte Versagung der Baugenehmigung anfechten kann oder nach § 75 VwGO Untätigkeitsklage gegen die Bauaufsichtsbehörde erheben kann, wird die Behörde nur in den Fällen das Einvernehmen ersetzen, in denen die Rechtswidrigkeit der Verweigerung eindeutig ist. Beschränkt sie sich auf Fälle, in denen die Gemeinde zur Erteilung des Einvernehmens eindeutig verpflichtet gewesen ist, wird die Ersetzung regelmäßig nicht zu beanstanden sein (Schmaltz in Schrödter, § 36 Rdn. 19 und 20). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, wie sich im Einzelnen auch aus den obigen Ausführungen ergibt. Insbesondere kann von ihr - im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin - nicht erwartet werden, dass sie den Ausgang eines Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplanes, mit dem erstmals Vorrangflächen für Windkraftanlagen dargestellt werden sollen, abwartet. Das gilt jedenfalls dann, wenn eine entscheidungsreife Bauvoranfrage vorliegt, der zeitliche Abschluss des Verwaltungs- und Genehmigungsverfahrens zur Änderung des Flächennutzungsplanes nicht abzusehen ist und eine hinausgezögerte Entscheidung offenkundig das Ziel verfolgen würde, einen ansonsten gegebenen Anspruch auf eine baurechtliche Genehmigung doch noch zu verhindern.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

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Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor (§ 124 a Abs. 1 iVm § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO).