Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 23.06.2004, Az.: 1 A 159/04

Erwerbsersatzeinkommen; nachgeheiratete Witwe; Unterhaltsbeitrag; Witwe; Witwengeld

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
23.06.2004
Aktenzeichen
1 A 159/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50648
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Im Fall einer sog. nachgeheirateten Witwe eines verstorbenen Ruhestandsbeamten, die 25 Jahre jünger als der im Zeitpunkt der Eheschließung 89 Jahre alte Ruhestandsbeamte war, ist der der Witwe nach § 22 Abs. 1 BeamtVG zustehende Unterhaltsbeitrag in zweifacher Weise zu kürzen:

a) Die erste Kürzung beruht auf §§ 22 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 20 Abs. 2 Satz 1 und 3 BeamtVG, weil die Witwe mehr als 20 Jahre jünger als der Ruhestandsbeamte war;

b) dieses so geminderte Witwengeld ist nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i. V. m. Ziffern 22.1.5.2 und 22.1.6.2 zu § 22 BeamtVG wegen des hohen Alters des Ruhestandsbeamten im Zeitpunkt der Eheschließung, das einen "besonderen Umstand" i. S. d. § 22 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG darstellt, nochmals zu kürzen.

2. Auf diesen so errechneten Unterhaltsbeitrag ist gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG das Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen der Witwe abzüglich eines Freibetrages anzurechnen. Zum Erwerbsersatzeinkommen gehören auch betriebliche Zusatzversorgungen auf privatrechtlicher Grundlage.

Tatbestand:

1

Die Klägerin begehrt die Gewährung eines höheren Unterhaltsbeitrages nach § 22 Abs. 2 i. V. m. § 69 e Abs. 2 und 5 BeamtVG.

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Sie ist die sog. „nachgeheiratete Witwe“ des am ... 1910 geborenen und am ...2003 verstorbenen Herrn A., der als Ruhestandsbeamter des Landes Niedersachsen seit dem 1. August 1972 Ruhegehalt bezogen hatte. Die Klägerin selbst ist am ...1934 geboren, die Eheschließung erfolgte am ...1999. Sie erhält eine Betriebsrente in Höhe von monatlich 153,39 EUR brutto sowie eine gesetzliche Altersrente in Höhe von monatlich 826,05 EUR - zusammen 979,44 EUR (Stand: 1. Juli 2003).

3

Mit Bescheid vom 30. September 2003 setzte das beklagte Landesamt die Hinterbliebenenversorgung für die Klägerin fest, gewährte ihr aufgrund der Eheschließung erst nach Eintritt ihres verstorbenen Ehemannes in den Ruhestand statt eines Witwengeldes einen Unterhaltsbeitrag nach § 22 Abs. 1 BeamtVG wegen der kurzen Ehedauer und des großen Altersunterschiedes sowie wegen des hohen Alters des Ehemannes am Tage der Eheschließung in Höhe von nur 50 v. H. des Witwengeldes und rechnete auf diesen Betrag die eigenen Einkünfte der Klägerin an (Stand: 1. Juli 2003):

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Versorgungsbezüge des Ehemannes 3.186,18 EUR
davon 60 v. H. Witwengeld 1.911,71 EUR
Minderung wg. Altersunterschied 25 v. H. 1.433,78 EUR
Minderung wg. hohen Alters des Verstorbenen i. Z. d. Heirat 55 v. H.
höchstens 50 v. H.   716,89 EUR
Mindestwitwengeld   771,96 EUR
Anrechnung Erwerbsersatzeinkommen 979,44 abzüglich Freibetrag von
30 v.H. des Mindestwitwengeldes: 231,59 EUR   747,85 EUR
Restbetrag des Unterhaltsbeitrages brutto     24,11 EUR.
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Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, es sei in nicht nachvollziehbarer Weise das der Berechnung des Unterhaltsbeitrages zugrunde zu legende Ruhegehalt ihres verstorbenen Ehemannes zweimal gekürzt worden. Ausgangspunkt der Berechnung des Unterhaltsbeitrages sei § 20 BeamtVG. Zugrunde zu legen sei ein Witwengeld in Höhe von 60 v. H. des Ruhegehaltes. Das Witwengeld sei gemäß § 20 Abs. 2 BeamtVG zu kürzen, und zwar vorliegend um insgesamt 25 v. H. Eine weitere Kürzung, vorstehend um 55 v. H. (beschränkt auf 50 v. H.), sehe das Gesetz nicht vor. Eine Regelung, wonach wegen hohen Alters des Verstorbenen am Tage der Heirat (mindestens 80 Jahre) eine weitere Minderung vorzunehmen sei, finde im Gesetz keine Stütze. Vielmehr sei ihr unter Berücksichtigung der Anrechnung von Erwerbseinkommen gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes eine Hinterbliebenenversorgung zu gewähren, die unter Einbeziehung ihrer eigenen Einkünfte 60 v. H. des Ruhegehaltes ihres verstorbenen Ehemannes ergebe. Das beklagte Landesamt habe zutreffend ermittelt, dass das Witwengeld für sie 1.911,71 EUR betragen würde. Dieses Witwengeld sei um 25 v. H. zu kürzen, so dass sich ein Witwengeld in Höhe von 1.433,78 EUR ergeben würde. Auf dieses Witwengeld seien abzüglich eines Freibetrages ihr eigenes Erwerbsersatzeinkommen in Höhe von 747,85 EUR anzurechnen, so dass ihr im Ergebnis ein monatlicher Unterhaltsbeitrag in Höhe von 685,93 EUR zu gewähren sei.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2004 - zugestellt am 24. Februar 2004 - wies das beklagte Landesamt den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es im Wesentlichen an: Die sog. nachgeheiratete Witwe eines im Zeitpunkt der Eheschließung über 65. Jahre alten Ruhestandsbeamten habe nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 BeamtVG keinen Anspruch auf Witwengeld. Der Witwe sei in diesem Fall nach § 22 Abs. 1 i. V. m. § 69 e Abs. 2 und 5 BeamtVG ein Unterhaltsbeitrag in Höhe des gesetzlichen Witwengeldes zu gewähren, sofern die besonderen Umstände des Falles keine volle oder teilweise Versagung rechtfertigten. Nach § 20 Abs. 1 BeamtVG betrage das gesetzliche Witwengeld 60 v. H. des Ruhegehaltes, das der Verstorbene erhalten habe. Sei die Witwe mehr als 20 Jahre jünger, sei das Witwengeld nach § 20 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG um jedes angefangene Jahr des Altersunterschiedes zwischen den Eheleuten um 5 v. H. zu kürzen. Bei einem Altersunterschied des verstorbenen Ehemannes der Klägerin und der Klägerin von 24 Jahren, sechs Monaten und 25 Tagen sei der Unterhaltsbeitrag in Höhe des gesetzlichen Witwengeldes um 25 v. H. zu kürzen. Gegen diese Kürzung habe die Klägerin keine Einwände erhoben. Nach § 22 Abs. 1 BeamtV sei darüber hinaus zu prüfen, ob besondere Umstände vorlägen, die eine volle oder teilweise Versagung des Unterhaltsbeitrages rechtfertigten. Nach den ermessensbindenden Regelungen in den Verwaltungsvorschriften zu § 22 BeamtVG - im Folgenden: VV zu § 22 BeamtVG - (dort Tz. 22.1.5.2) komme eine solche teilweise oder ggf. sogar volle Versagung insbesondere bei hohem Alter des Ruhestandsbeamten im Zeitpunkt der Eheschließung in Betracht. Eine Minderung des Unterhaltsbeitrages sei nach Tz. 22.1.6.2 der VV zu § 22 BeamtVG für jedes angefangene Jahr der Eheschließung nach dem vollendeten 80. Lebensjahr um 5 v. H. vorzunehmen. Der verstorbene Ehemann der Klägerin sei zum Zeitpunkt der Eheschließung mehr als 89 Jahre alt gewesen, so dass sich hieraus eine Minderung von 50 v. H. ergebe. Durch die teilweise Versagung des Witwengeldes ergebe sich eine Minderung von 50 v. H. Der Unterhaltsbeitrag dürfe nach Tz. 22.1.6.4 der VV zu § 22 BeamtVG nicht unter 50 v. H. des gesetzlichen Witwengeldes festgesetzt werden; mindestens sei der Unterhaltsbeitrag in Höhe der gesetzlichen Mindestwitwenversorgung festzusetzen. Auf den somit festgesetzten Unterhaltsbeitrag sei nach § 22 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG das Erwerbseinkommen der Klägerin anzurechnen. Gegen die Anrechnung habe die Klägerin ebenfalls keine Einwände erhoben. Zusammenfassend stelle sich die Berechnung und Festsetzung des Unterhaltsbeitrages der Klägerin zum 1. Mai 2003 daher wie folgt dar:

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Ruhegehalt des Verstorbenen 3.130,49 EUR
davon 60 v. H. 1.878,29 EUR
gemindert um 25 v. H. 1.408,72 EUR
davon 50 v. H. 704,36 EUR
festgesetzt worden sei die höhere Mindestwitwenversorgung 754,58 EUR.
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Daraufhin hat die Klägerin am 18. März 2004 Klage erhoben, zu deren Begründung sie ihren bisherigen Vortrag vertieft. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes müsse einer sog. nachgeheirateten Witwe von Ruhestandsbeamten ein Unterhaltsbeitrag gewährt werden, der so hoch sei, dass sie nach dem Tod des Ruhestandsbeamten für ihren Lebensunterhalt die Mittel zur Verfügung habe, die wirtschaftlich nicht hinter der Höhe der Versorgungsbezüge zurückblieben, die sie als Witwe mit alleinigem Anspruch auf Witwengeld erhalten würde. Zum einen rechtfertige die vom beklagten Landesamt in Bezug genommene Verwaltungsvorschrift zu § 22 BeamtVG die vorgenommene Kürzung nicht, zum anderen wäre sie im gegenteiligen Fall fehlerhaft, weil sie hinter den Anforderungen der Rechtsprechung zu § 22 Abs. 1 BeamtVG zurück bleibe. Die vom beklagten Landesamt vorgenommene Berechnung des Unterhaltsbeitrages führe im Ergebnis dazu, dass sie im Wesentlichen auf ihre eigenen Einkünfte angewiesen sei, was mit der gesetzlichen Intention nicht im Einklang stehe. Vielmehr müssten ihre eigenen Einkünfte und der zu gewährende Unterhaltsbeitrag in jedem Fall das nach § 20 Abs. 2 BeamtVG gekürzte Witwengeld ergeben. Im Übrigen ergäben die Verwaltungsvorschriften zu § 22 BeamtVG auch nicht, dass auf den auf 50 v. H. des gesetzlichen Witwengeldes festgesetzte Unterhaltsbeitrag die Einkünfte der Witwe anzurechnen seien.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid des beklagten Landesamtes vom 30. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2004 aufzuheben und das beklagte Landesamt zu verpflichten, ihr den Unterhaltsbeitrag nach §§ 22 Abs. 2, 69 e Abs. 2 und 5 BeamtVG ohne Kürzung des Unterhaltsbeitrages auf 50 v. H. zu gewähren.

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Das beklagte Landesamt beantragt,

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die Klage abzuweisen,

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und verweist zur Begründung auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage, über die im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet.

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Die Klägerin hat keinen Anspruch auf einen höheren Unterhaltsbeitrag. Der Bescheid des beklagten Landesamtes vom 30. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2004 ist mithin rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Maßgebend für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens sind §§ 22 Abs. 1 Satz 1 und 2, 20 Abs. 2 Satz 1, 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 sowie § 69 e Abs. 2 und 5 BeamtVG. Hiernach erhält die Witwe eines Ruhestandsbeamten in dem Fall des § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BeamtVG, dass die Ehe erst nach dem Eintritt des Beamten in den Ruhestand geschlossen worden ist und der Ruhestandsbeamte zur Zeit der Eheschließung das 65. Lebensjahr bereits vollendet hatte (sog. nachgeheiratete Witwe), statt eines Witwengeldes einen Unterhaltsbeitrag in Höhe des Witwengeldes, sofern die besonderen Umstände des Falles keine volle oder teilweise Versagung rechtfertigen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG). Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen sind in angemessenem Umfang anzurechnen (§ 22 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG). War die Witwe mehr als zwanzig Jahre jünger als der Verstorbene und ist aus der Ehe ein Kind nicht hervorgegangen, so wird das Witwengeld für jedes angefangene Jahr des Altersunterschiedes über 20 Jahre um 5 v. H. gekürzt, jedoch höchstens um 50 v. H. (§ 20 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG). Das Witwengeld beträgt gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 69 e Abs. 2 und 5 BeamtVG 60 v. H. des Ruhegehaltes, das der Verstorbene erhalten hat.

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Der „nachgeheirateten Witwen“ von Ruhestandsbeamten eingeräumte Rechtsanspruch auf einen Unterhaltsbeitrag soll nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes gewährleisten, dass die nach dem Tode des Versorgungsberechtigten für ihren Lebensunterhalt zur Verfügung stehenden Mittel wirtschaftlich nicht hinter der Höhe der Versorgungsbezüge zurückbleiben, die sie als Witwen mit (alleinigem) Anspruch auf Witwengeld erhielten. Der Unterhaltsbeitrag hat lediglich Auffüllungsfunktion. Er dient dem Ausgleich von Härten, die sich daraus ergeben, dass das Gesetz der nachgeheirateten Witwe eine volle Witwenversorgung versagt (BVerwG, Urt. v. 21.10.1999 - 2 C 41/98 -, NVwZ-RR 2000, 308; Beschl. v.  3.3.2000 - 2 B 6.00 -, Buchholz 239.1 § 19 BeamtVG Nr. 1, jeweils m. w. N.). Die vom Gesetz vorgesehene Möglichkeit der vollständigen oder teilweisen Versagung des Unterhaltsbeitrages hat u. a. den Sinn, dem Dienstherrn eine Versorgung nachgeheirateter Witwen völlig oder teilweise zu ersparen, soweit ihm diese Versorgung nicht zuzumuten ist. Regelmäßig muss  der Dienstherr mit der Entstehung hoher neuer Versorgungsansprüche nach Eintritt des Beamten in den Ruhestand und Vollendung des 65. Lebensjahres nicht mehr rechnen, insbesondere nicht mit Versorgungsansprüchen, die wegen des verhältnismäßig niedrigen Lebensalters der nachgeheirateten Ehefrau voraussichtlich lange Jahre bestehen. Kommen mehrere Besonderheiten, die jeweils für sich genommen eine teilweise Versagung des Unterhaltsbeitrages zulassen könnten, in einer erheblichen Anzahl hinzu, so führt dies regelmäßig zu dem Ergebnis, dass statt teilweiser Versagung die volle Versagung gerechtfertigt ist (VGH Mannheim, Beschl. v. 25.2.1992 - 4 S 1384/90 -, ZBR 1993, 128, 129 [BVerwG 28.12.1992 - BVerwG 2 B 201.92]). Dies bedeutet, dass eine zweifache Kürzung des Unterhaltsbeitrages gerechtfertigt ist, wenn zwei „besondere Umstände“ vorliegen.

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Im vorliegenden Fall begegnet die Berechnung des Unterhaltsbeitrages keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass das beklagte Landesamt das der Berechnung zugrunde zu legenden Ruhegehalt des Verstorbenen zweimal gekürzt hat.

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Die erste Kürzung, gegen die die Klägerin auch keine Einwände erhebt, ergibt sich aus der Anwendung der §§ 22 Abs. 1 Satz 1, 20 Abs. 2 Satz 1 und 3 BeamtVG. Die Klägerin war (gerundet) 25 Jahre und damit mehr als 20 Jahre jünger als ihr verstorbener Ehemann, so dass das Witwengeld, das zur Grundlage der Berechnung des Unterhaltsbeitrages genommen wird, um insgesamt 25 v. H. zu mindern ist.

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Dieses so geminderte Witwengeld ist nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG in einem zweiten Schritt nochmals zu mindern. Nach der gesetzlichen Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG sind nämlich des Weiteren „besondere Umstände des Falles“ in den Blick zu nehmen, die ggf. eine volle oder teilweise Versagung des Unterhaltsbeitrages rechtfertigen. Mit dieser Vorbehaltsklausel verpflichtet der Gesetzgeber die den Unterhaltsbeitrag festsetzende Behörde zur Prüfung, ob Gründe vorliegen, die die Gewährung des Unterhaltsbeitrages als unbillig oder ungerechtfertigt erscheinen lassen. Diese Überprüfung, die nicht in das Ermessen der Behörde gestellt ist, hat selbst dann zu erfolgen, wenn die gesetzliche Fiktion für das Vorliegen einer sog. Versorgungsehe i. S. d. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG nicht gegeben ist. Bei der von der Behörde in diesem Zusammenhang zu treffenden Entscheidung handelt es sich um eine Anwendung einer zwingenden gesetzlichen Regelung, die inhaltlich voll gerichtlich überprüfbar ist (Kümmel/Ritter, BeamtVG, Kommentar, Stand: Mai 2004, § 22 Anm. 6). Hier liegen - neben dem großen Altersunterschied zwischen der Klägerin und dem Verstorbenen von (aufgerundet) 25 Jahren, der aber bereits nach § 20 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG Berücksichtigung gefunden hat - in der Tatsache, dass der Verstorbene im Zeitpunkt der Eheschließung bereits 89 Jahre alt war, weitere Umstände vor, die eine weitere Kürzung des Unterhaltsbeitrages rechtfertigen. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass Ziffern 22.1.5.2 und 22.1.6.2 BeamtVGVwV für diesen Fall eine Kürzung um 5 v. H. für jedes angefangene spätere Jahr der Eheschließung nach dem vollendeten 80. Lebensjahr des gesetzlichen Witwengeldes vorsieht (VGH Mannheim, Beschl. v. 25.2.1992 - 4 S 1384/90 -, a. a. O.; Kümmel/Ritter, a. a. O., § 22 Anm. 8.1). Dieser letztere Umstand rechtfertigt mithin die weitere teilweise Versagung des der Klägerin zustehenden Unterhaltsbeitrages, der bereits in einem ersten Schritt von Gesetzes wegen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG zwingend gekürzt worden ist.

22

Auf diesen so errechneten Unterhaltsbeitrag ist gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG das Erwerbsersatzeinkommen der Klägerin in „angemessenem Umfang“ anzurechnen. Bei dem Unterhaltsbeitrag nach § 22 Abs. 1 BeamtVG handelt  es sich um einen Versorgungsbezug, für den der Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation nicht zu beachten ist. Er dient dem Zweck, die Witwe insoweit finanziell abzusichern, als die ihr sonst zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel hinter den Versorgungsbezügen zurückbleiben, die ihr als Witwe mit Anspruch auf Witwengeld zustehen würden. Es handelt sich also bei dem Unterhaltsbeitrag um eine Leistung mit auffüllendem (subsidiärem) Charakter, die nachrangig zu anderen Einkünften der Witwe gewährt wird. Aufgrund der Nachrangigkeit ist es möglich, andere Einkünfte, die die Witwe neben dem Unterhaltsbeitrag bezieht, in einem Umfang anzurechnen, der über die üblichen Anrechnungsmöglichkeiten des Beamtenversorgungsgesetzes hinausgeht. Hierin liegt kein Verstoß gegen hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) und keine unzulässige oder willkürliche Schlechterstellung der nachgeheirateten Witwe (BVerwG, Urt. v. 21.10.1999 - 2 C 41/98 -, a. a. O.; Urt. v. 15.3.1988 - 2 C 16/87 -, NVwZ 1989, 374, 375; Kümmel/Ritter, a. a. O., § 33 Anm. 11. m. w. N.). Das auf den Unterhaltsbeitrag der nachgeheirateten Witwe nachzurechnende Brutto-Erwerbseinkommen umfasst sämtliche Einkünfte, die an Stelle des Einkommens, das die Witwe durch eigene Erwerbstätigkeit erzielt hat, dazu dienen, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Dazu zählen auch betriebliche Zusatzversorgungen auf privatrechtlicher Grundlage. Dem Umstand, dass es sich hierbei um Versorgungsleistungen aus eigenem Recht der Witwe handelt, ist in ausreichendem Umfang dadurch Rechnung getragen, dass 30 v. H. der jeweiligen Mindestwitwenversorgung monatlich anrechnungsfrei sind (BVerwG, Urt. 21.10.1999 - 2 C 41/98 -, a. a. O.). Umstände, die die Anrechnung als unangemessen erscheinen lassen könnten, sind von der Klägerin weder dargetan noch sonst ersichtlich. Das Erwerbsersatzeinkommen der Klägerin liegt mit insgesamt 979,44 EUR auch deutlich über dem fiktiven Mindestwitwengeld in Höhe von 771,96 EUR.