Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 29.06.2004, Az.: 2 A 221/03
Birkhuhn; Denkmal; Flächennutzungsplan; Genaustausch; Umgebungsschutz; Vorrangfläche; Windenergieanlage
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 29.06.2004
- Aktenzeichen
- 2 A 221/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50453
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs 5 BauGB
- § 6 BauGB
- § 8 DSchG ND
- § 35c NatSchG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zur Frage, ob Belange der Denkmalschutzes und des Naturschutzes (hier: Birkhühner) der Genehmigungsfähigkeit von Vorrangflächen für Windenergie entgegenstehen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die teilweise Versagung der Genehmigung der Änderung ihres Flächennutzungsplans.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die 28. Änderung des Flächennutzungsplans der Klägerin durch Beschluss des Rats vom 3. Juli 2003 zur Ausweisung von Konzentrationszonen für Windenergieanlagen. Die streitigen Sonderbauflächen Nr. 1, 2, 4, 5, 7, 8 und 9 liegen - mit Ausnahme der Sonderbaufläche 5 - im nordöstlichen Gemeindegebiet der Klägerin westlich der Autobahn A C.. Die Beklagte nahm im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange zu den Planungsabsichten Stellung und rügte hinsichtlich des Änderungsbereichs 4 die Nähe zu zwei Baudenkmalen (Wohnwirtschaftsgebäude D. 350 m, Treppenspeicher E. 450 m). Hinsichtlich der übrigen streitigen Änderungsbereiche heißt es, zum EU-Vogelschutzgebiet V 24 „F.“ werde zwar ein Mindestabstand von 500 m eingehalten, die besonderen Verhältnisse, die sich aus der Nähe zu den weiteren EU-Vogelschutzgebieten V 30 „G. Nord und Süd“ und V 32 „H.“ ergäben, würden jedoch nicht berücksichtigt. Die drei Gebiete seien Lebensraum des bundesweit vom Aussterben bedrohten Birkhuhns und bildeten als Verbund ähnlich strukturierter Gebiete das letzte großräumige Verbreitungsareal des Birkhuhns in Niedersachsen und hätten eine herausragende Bedeutung für dessen Schutz. Dazu gehöre, dass ein Genaustausch zwischen den einzelnen Reliktpopulationen möglich sein müsse. Die Änderungsbereiche lägen innerhalb des ca. 8,5 km bis 12 km langen und ca. 5 km breiten Verbindungskorridors zwischen den Vogelschutzgebieten „F.“ und „I. Süd“, der von den Birkhühnern für einen Wechsel zwischen den Gebieten in Frage komme. Windkraftanlagen in den genannten Änderungsbereichen würden diese Wechselmöglichkeit erheblich beeinträchtigen oder sogar verhindern, so dass diese Standorte aus naturschutzfachlicher Sicht abzulehnen seien.
Im Erläuterungsbericht der Beklagten zur 28. Änderung des Flächennutzungsplans heißt es zu diesen Gesichtspunkten:
Sonderbaufläche 4
„In der Umgebung von Eignungsfläche 4 befinden sich zwei Baudenkmale. Zum einen handelt es sich um einen Treppenspeicher von 1793, der in J. Nr. 2 westlich der Kreisstraße K. vorhanden ist. Zum anderen ist südlich der Eignungsfläche ein Wohnwirtschaftsgebäude von 1897 an der Bundesstraße L. vorhanden.
...
Der wirksame Flächennutzungsplan stellt den zwischen den Baudenkmalen und der Eignungsfläche 4 bestehenden Baumbestand, der bis unmittelbar an die Baudenkmale heranreicht, jeweils als Wald dar. Es bleibt eine Teilfläche im Westen der Eignungsfläche 4, zu der eine Blickbeziehung von dem Wohnwirtschaftsgebäude in D. aus besteht. Zwischen den Treppenspeicher und der Eignungsfläche 4 befinden sich neben dem Hofbaumbestand mehrere landwirtschaftliche Gebäude, die abschirmend wirken.
Aus lärmtechnischen Gesichtspunkten wird nach der erneuten Auslegung die Änderungsfläche 4 im Süden verkleinert. Es vergrößert sich damit auch der Abstand zwischen dem Wohnwirtschaftsgebäude in D. an der B L. und dem nächstgelegenen Rand der Sonderbaufläche auf 380 m. Ein Teilbereich der Eignungsfläche im Westen wird nicht mehr als Änderungsbereich dargestellt. Damit besteht keine direkte Blickbeziehung vom Wohnwirtschaftsgebäude zum Änderungsbereich, die nicht durch Hofbaumbestand abgeschirmt ist. Damit wird außerdem der Abstand zwischen dem Treppenspeicher in E. und dem Änderungsbereich 4 auf 480 m vergrößert. Die Verkleinerung des Änderungsbereichs 4 bewirkt außerdem, dass nur noch zwei statt bisher drei übliche Windenergieanlagen innerhalb der Sonderbaufläche möglich sind.
Die Baudenkmale sind damit gut von dem Vorhaben abgeschirmt. Die Verwirklichung der erheblich verkleinerten Sonderbaufläche 4 für Windenergie wird das Erscheinungsbild der Baudenkmale nicht unzulässig beeinträchtigen. Eine Wertminderung hinsichtlich des „geschichtlichen“ Denkmalwerts der Einzeldenkmale ist nach Verkleinerung des Änderungsbereichs 4 nicht mehr zu erwarten (Bl. 43 f Beiakte C).“
Zur Beeinträchtigung der Vogelschutzgebiete und der Wanderungen des Birkhuhns heißt es:
„Eine Verschlechterung der EU-Vogelschutzgebiete im Sinne eines Schutzes des Birkhuhns ist nicht zu erkennen. Die gewählten Abstände zwischen Schutzgebieten und geplanten Sonderbauflächen sind ausreichend bemessen, um ein erhebliches Hineinwirken der zulässigen Windenergieanlagen in die Schutzgebiete zu vermeiden. Befragte Land- und Forstwirte sowie Jäger aus dem Gebiet erklärten gegenüber der Stadt Soltau, dass sie innerhalb der vergangenen Jahre kein Birkwild im Bereich der geplanten Änderungsbereiche um M. und N. gesichtet hätten. Eine Grundlagenermittlung in Bezug auf das Birkhuhn liegt sehr umfangreich vor. Diese wurden von der Stadt Soltau aufgrund der erneuten Stellungnahme noch einmal in größerer Tiefe gesichtet und ausgewertet. Alle bisherigen wissenschaftlichen Arbeiten zu diesem Thema konnten Wanderbewegungen zwischen den Schutzgebieten nicht nachweisen. Auch eine kürzlich durchgeführte Forschung der tierärztlichen Hochschule Hannover, Institut für Wildtierforschung, im Bereich O. mit einer Besenderung von Tieren, die demnächst vom NNA veröffentlicht werden soll, konnte nicht den Nachweis erbringen, dass tatsächlich Wanderungen zwischen Schutzgebieten stattfinden. Konkrete Anhaltspunkte für eine Betroffenheit des Birkhuhns haben sich hieraus ebenfalls nicht ergeben. Zusammenfassend kommt die Stadt Soltau zu dem Ergebnis, dass die Erhaltungsziele der FFH-Gebiete und der EU-Vogelschutzgebiete von den Sonderbauflächen nicht betroffen sind.“
Mit Bescheid vom 7. Oktober 2003 genehmigte die Beklagte auf Antrag der Klägerin die 28. Änderung des Flächennutzungsplans Soltau (Windenergie) und nahm die Sonderbauflächen Nr. 1 M. Nord, Nr. 2 und Nr. 8 M. Ost, Nr. 5 P., Nr. 7 Q., Nr. 9 R., und Nr. 4 S. von der Genehmigung aus. Zur Begründung heißt es im angefochtenen Bescheid, der Planung der Sonderbauflächen 1, 2, 7, 8, 9 und 5 stünde Naturschutzrecht entgegen. Die besonderen Verhältnisse, die sich aus der Nähe zu den EU-Vogelschutzgebieten ergäbe, würden nicht berücksichtigt. Die drei Gebiete seien Lebensraum des bundesweit vom Aussterben bedrohten Birkhuhns und bildeten als Verbund ähnlich strukturierter Gebiete das letzte großräumige Verbreitungsareal des Birkhuhns in Niedersachsen und im mitteleuropäischen Tiefland. Sie hätten eine herausragende Bedeutung für dessen Schutz. Dazu gehöre, dass ein Genaustausch möglich sein müsse. Die Änderungsbereiche lägen innerhalb des Verbindungskorridors zwischen den Vogelschutzgebieten „F.“ und „I. Süd“, der von den Birkhühnern für einen Wechsel zwischen den Gebieten in Frage komme. Windkraftanlagen in den genannten Änderungsbereichen würden diese Wechselmöglichkeiten erheblich beeinträchtigen oder sogar verhindern können und wären nicht genehmigungsfähig. Die Klägerin stelle diese Wanderungen völlig in Abrede. Sie verkenne damit die durch EU-Recht geschützten Belange des Vogelschutzes. Eine FFH-Verträglichkeit könne für die Planung nicht festgestellt werden. Dass Wanderungen zwischen diesen Gebieten stattfänden, belegten z.B. die Birkhuhnbeobachtungen in den Jahren 1991, 1993, 1994 und 1995 auf einer verheideten ehemaligen Außenfeuerstellung, die nur etwa 1.300 m nordöstlich des Änderungsbereichs 1 „M. Nord“ unmittelbar östlich der Autobahn liege.
In der Nachbarschaft der Sonderbaufläche 4 lägen die ausgewiesenen Baudenkmale Treppenspeicher in E. Nr. 2 und Wohnwirtschaftsgebäude in D.. Die ausgewiesene Sonderbaufläche 4 liege unweit der beiden Dörfer und die Abstände vom Rand der Fläche zu den Denkmalen betrage 380 m zum Wohnwirtschaftsgebäude und 480 m zum Treppenspeicher. Das Geländeniveau der Fläche liege ca. 10 m über dem der Denkmalstandorte. Die Abstände zwischen den Schutzgütern und der Sonderbaufläche 4 seien völlig unzureichend. Der vorhandene Baumbestand überwiegend aus Laubbäumen sei transparent und biete ohnehin keinen hinreichenden ganzjährigen Sichtschutz. Bei Realisierung von Windkraftanlagen würden Gegensätze aufeinanderprallen. Auf der einen Seite schlichte bäuerlich-dörfliche Fachwerksubstanz in traditioneller Formensprache, kleindimensioniert in sog. Volksarchitektur, auf der anderen Seite industriell gefertigte High-Tech-Maschinen in Form, Größe und Technik ausschließlich zur Energieerzeugung aus Windkraft konzipiert, ohne Bezug zur lokalen landwirtschaftlichen Produktion, völlig unmaßstäblich in der gewachsenen Kulturlandschaft. Exemplarischer könne ein Verstoß gegen § 8 NDSchG nicht sein.
Zur Begründung ihrer am 3. November 2003 erhobenen Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, die Beklagte arbeite mit mehreren Unterstellungen, die ihrer Bauleitplanung entgegenstehen sollten. Es werde behauptet, dass innerhalb der von der Genehmigung ausgenommenen Änderungsbereiche des Flächennutzungsplans Birkhuhnbewegungen stattfänden, dass diese dem von der Beklagten angestrebten Genaustausch dienten und dass die sich in den Bereichen bewegenden Birkhühner sich von den gewünschten Bewegungen zum Zwecke des Genaustausches abhalten ließen. Sie sei diesen Einwendungen bereits im Bauleitplanverfahren nachgegangen und habe die Beklagte um nähere Informationen gebeten. Die vorliegenden Informationen habe sie dann sachgerecht gewichtet. Sie sei dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass der von der Beklagten geltend gemachte Belang habe „abgearbeitet“ werden können, ohne gegen das Abwägungsgebot zu verstoßen.
Hinsichtlich der Sonderbaufläche 4 mache die Beklagte geltend, dass die Abstände zu den naheliegenden Denkmalen zu gering seien. Auch mit diesem Argument habe sie sich bereits während des Planaufstellungsverfahrens ausführlich auseinandergesetzt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 7. Oktober 2003 zu verpflichten, die 28. Änderung des Flächennutzungsplans vollständig zu genehmigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie wiederholt und vertieft ihre Ausführungen aus dem angefochtenen Bescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakt und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Die Kammer hat die Örtlichkeiten in ihrer Sitzung am 29. Juni 2004 in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, da ihr ein Anspruch auf Genehmigung der 28. Änderung des Flächennutzungsplans auch hinsichtlich der Sonderbauflächen Nr. 1, 2, 4, 5, 7, 8 und 9 für Windenergie zusteht (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Nach § 6 Abs. 1 iVm Abs. 2 BauGB bedarf der Flächennutzungsplan der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde, die nur versagt werden kann, wenn der Flächennutzungsplan nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist oder er dem Baugesetzbuch, den aufgrund des Baugesetzbuchs erlassenen oder sonstigen Rechtsvorschriften widerspricht.
Der Katalog der bei der Bauleitplanung zu berücksichtigenden Belange des § 1 Abs. 5 BauGB macht deutlich, dass die Gemeinde bei der Bauleitplanung weitgehende planerische Gestaltungsfreiheit genießt (BVerwG, Beschl. v. 20.8.1992 - 4 NW 20/91 -, BVerwGE 90, 329). Zum Wesen des Abwägungsvorgangs gehört es, dass keiner der zahlreichen dort beispielhaft aufgezählten Belange absoluten Vorrang genießt, der ihn gegen eine Abwägung mit konkurrierenden oder zuwiderlaufenden Belangen schützt. Gesetzlich vorprogrammiert ist weder, welche der aufgeführten oder sonstigen Belange bei der Planung zu berücksichtigen sind, noch mit welchem Gewicht sie bei der Abwägung zu Buche schlagen. Es ist Sache der Gemeinde, die durch die konkrete Planung positiv oder negativ betroffenen Belange zu ermitteln und im Verhältnis zueinander zu bewerten und zu gewichten. Ausweislich des § 1 Abs. 6 BauGB erschöpft sich die rechtliche Verpflichtung der Gemeinde darin, die einschlägigen möglicherweise gegenläufigen Belange in einen gerechten Ausgleich zu bringen. Dies bedingt zwangsläufig, dass die Gemeinde sich in Konfliktfällen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung eines anderen Belangs entscheiden darf. Das Abwägungsgebot ist erst dann verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt wird oder wenn der Ausgleich zwischen den durch die Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtung einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens bleibt es der planerischen Gestaltungsfreiheit der Gemeinde überlassen, nach Maßgabe der von ihr konkret verfolgten Planungsziele zwischen den einzelnen Belangen ein Rangverhältnis zu schaffen (BVerwG, aaO; ständige Rechtsprechung).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Entscheidung der Klägerin über die 28. Änderung ihres Flächennutzungsplans hinsichtlich der Sonderbauflächen 1, 2, 5, 7, 8 und 9 (1.) und hinsichtlich der Sonderbaufläche 4 (2.) rechtlich nicht zu beanstanden. Dazu im Einzelnen:
1. Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten ist die Abwägung der Klägerin nicht deshalb fehlerhaft, weil sie die Wanderungen der Birkhühner zwischen den Schutzgebieten völlig in Abrede gestellt hat. In dem Erläuterungsbericht (Bl. 54) heißt es dazu, alle bisherigen wissenschaftlichen Arbeiten zu diesem Thema hätten Wanderungsbewegungen zwischen den Schutzgebieten nicht nachgewiesen. Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten werden Wanderungen zwischen den Schutzgebieten nicht durch die Veröffentlichung „Die Vögel im Naturschutzgebiet Lüneburger Heide“ von Lüttgepohl/Prüter belegt. Auf Seite 73 heißt es insoweit:
„Obwohl das Birkhuhn im Gebiet ganzjährig sehr standorttreu ist, kommt es immer wieder zur Abwanderung einzelner Tiere oder kleinerer Gruppen.
...
In 10 km Entfernung des NSG Lüneburger Heide liegt eine verheidete ehemalige Außenschießstellung. Sie befindet sich ziemlich genau auf der Mitte zwischen den Birkhuhnlebensräumen des NSG F. und des T. Nord. Hier sind seit 1991 alljährlich Birkhühner beobachtet worden. Dies spricht dafür, dass auch heute noch Austausch zwischen den Birkhuhnbeständen des NSG und des Truppenübungsplatzes möglich ist.“
Ob ein solcher Austausch tatsächlich erfolgt, lässt sich daraus nicht ableiten, da die Herkunft der Tiere und ihr weiterer Verbleib (Rückkehr in den ursprünglichen Lebensraum oder Weiterwanderung in ein anderes Schutzgebiet) nicht geklärt ist. Die Klägerin weist in ihrem Erläuterungsbericht darauf hin, dass auch kürzlich durchgeführte Forschungen der tierärztlichen Hochschule Hannover einen Nachweis für tatsächliche Wanderungen zwischen den Schutzgebieten nicht erbracht hätten. Bei dieser Sachlage war es nicht Aufgabe der Klägerin nachzuweisen, dass ihre Planung keine erhebliche Beeinträchtigung der Austauschbeziehungen bewirkt, indem sie beispielsweise die von den Birkhühnern genutzten Wanderkorridore sachgerecht ermittelt (so aber behördeninternes Schreiben des Dez. 503 der Beklagten vom 15.4.2003, Bl. 23 BA „A“).
Die Planungen der Klägerin führen auch nicht zu einem disproportionalen Ergebnis bzw. einem Verstoß gegen die §§ 34 a bis c NNSchG. Es ist derzeit nicht geklärt, ob tatsächlich Wanderungen zwischen den Schutzgebieten - insbesondere im Bereich der dargestellten Sonderbauflächen - stattfinden, dass der von der Beklagten angestrebte Genaustausch zur Erhaltung der Populationen erforderlich ist und dass etwaige Wanderungen zwischen den Schutzgebieten durch die Sonderbauflächen beeinträchtigt würden. Selbst wenn nach § 34 c Abs. 2 NNSchG ein Projekt bereits dann unzulässig ist, wenn es zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines in Absatz 1 der Vorschrift genannten Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, lassen sich die Voraussetzungen für einen solchen Verstoß nicht feststellen. Wanderungsbewegungen zwischen dem Naturschutzgebiet F. und dem I. Süd, zwischen denen die beanstandeten Sonderbauflächen liegen, sind in der Vergangenheit nicht festgestellt worden. Insbesondere enthält die Veröffentlichung „Die Vögel im Naturschutzgebiet Lüneburger Heide“ für die vergangenen Jahre keinerlei Beobachtungen in diesem Bereich. Auch die Befragung von Land- und Forstwirten sowie Jägern aus dem Gebiet im Flächennutzungsplanänderungsverfahren ergaben keine Beobachtungen von Birkhühnern im Bereich der geplanten Änderungsbereiche um M. und N.. Die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Karte über „Aktuelle Vorkommens-Schwerpunkte und Einzelnachweise des Birkhuhns in Niedersachsen“ (Stand: 06/2004) enthält ebenfalls keine Beobachtungen in diesem Bereich. Allein die Möglichkeit, dass Birkhühner zukünftig den von der Beklagten angenommenen Verbreitungskorridor (8,5 bis 12 km lang und ca. 5 km breit) zwischen den Vogelschutzgebieten „F.“ und „I. Süd“ nutzen könnten, ist für eine rechtliche Beanstandung der Planung nicht ausreichend. Ein solcher Ansatz würde bedeuten, dass jegliche bauliche Tätigkeit und Planung im Bereich zwischen dem Vogelschutzgebiet „F.“, „G. Nord und Süd“ und dem „H.“ eine mögliche Beeinträchtigung der Verbreitung der Birkhuhnpopulation darstellen würde und damit unzulässig wäre. Es wären dann weite Bereiche des Gebiets der Klägerin und auch anderer Gemeinden (z.B. Stadt U.) der weiteren baulichen Entwicklung vollständig entzogen, ohne dass überhaupt das Wanderungsverhalten zwischen den Schutzgebieten belegt wäre.
Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass die jährlichen Beobachtungen der Birkhühner auf der Außenfeuerstellung zwischen den Schutzgebieten „F.“ und „I. Nord“ die Wanderungsbewegungen der Birkhühner belegen, wird diese durch die Planungen der Klägerin nicht beeinträchtigt. Der nächstgelegene Änderungsbereich (Nr. 1, M. Nord) liegt ca. 1.300 m südwestlich dieser verheideten ehemaligen Außenfeuerstellung, so dass eine Beeinträchtigung der Wanderungen der Birkhühner in diesem Bereich nicht naheliegend erscheint. Denn die Flächen des Vogelschutzgebiets „F.“ und „I. Nord“ liegen im Wesentlichen nördlich des Änderungsbereichs 1, so dass die direkte Verbindung zwischen ihnen nicht beeinträchtigt wird. Hinzu kommt, dass keiner der Änderungsbereiche, die die Beklagte im angefochtenen Bescheid von der Genehmigung ausgenommen hat, zwischen dieser ehemaligen Außenfeuerstellung an der A C. und dem Vogelschutzgebiet „I. Süd“ liegt. Eine Wanderung über die Außenfeuerstellung zu diesem Schutzgebiet wird mithin durch die Änderungsbereiche ebenfalls nicht beeinträchtigt. Die von der Beklagten gewünschte Austauschmöglichkeit ist mithin auch nach Darstellung und Bebauung der streitigen Vorrangflächen für Windenergieanlagen möglich. Aus der o. g. Karte über die Birkhuhnverbreitung in Niedersachsen lassen sich Anhaltspunkte für eine mögliche Beeinträchtigung von eventuellen Wanderungen von Birkhühnern zwischen den Schutzgebieten ebenfalls nicht herleiten. Denn die beanstandeten Vorrangflächen liegen nicht zwischen den Vorkommensschwerpunkten des Birkhuhns in den Vogelschutzgebieten „F.“ und „I. -Süd“, sondern südlich eines entsprechenden Verbindungskorridors.
2. Auch die Ausführungen der Klägerin im Erläuterungsbericht zu der Denkmalverträglichkeit der Planung der Sonderbaufläche 4 sind nicht abwägungsfehlerhaft und verstoßen insbesondere nicht gegen § 8 NNSchG. Die Klägerin hat den Bedenken hinsichtlich des Denkmalschutzes dahingehend Rechnung getragen, dass sie die Eignungsfläche 4 verkleinert hat mit dem Ergebnis, dass keine direkte Blickbeziehung mehr zwischen den Denkmalen und der Eignungsfläche besteht, die Abstände vergrößert werden und nur noch die Errichtung von zwei anstelle von drei Windenergieanlagen möglich ist. Unter Berücksichtigung der geschichtlichen Bedeutung beider Baudenkmale ist das Abwägungsergebnis, die Baudenkmale seien gut vom Vorhaben abgeschirmt und würden nicht unzulässig beeinträchtigt, rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere verstößt die dargestellte Vorrangfläche nicht gegen § 8 Satz 1 NDSchG. Danach dürfen in der Umgebung eines Baudenkmals Anlagen nicht errichtet, geändert oder beseitigt werden, wenn dadurch das Erscheinungsbild des Baudenkmals beeinträchtigt wird. § 8 NDSchG verbietet, das Erscheinungsbild eines Baudenkmals zu beeinträchtigen. Die Vorschrift geht damit über das allgemeine Verunstaltungsverbot in § 53 NBauO hinaus. Es genügt nicht, dass nur ein hässlicher, Unlust erregender Kontrast zwischen der benachbarten Anlage und dem Baudenkmal vermieden wird. Vielmehr darf die jeweilige besondere Wirkung eines Baudenkmals, die es als Kunstwerk, als Zeuge der Geschichte oder als bestimmendes städtebauliches Element auf den Beschauer ausübt, nicht geschmälert werden. Vorhaben in der Umgebung eines Baudenkmals sind daher mit besonderer Sorgfalt und Einfühlung zu planen und auszuführen. Das heißt nicht, dass neue Bauten total anzupassen wären oder etwa Stileigentümlichkeiten des Denkmals übernehmen müssten; sie sollen nur den Maßstab einhalten, den das Denkmal gesetzt hat, sollen es nicht gleichsam erdrücken, verdrängen oder übertönen und die gebotene Achtung gegenüber den Werten erkennen lassen, die das Denkmal verkörpert. 80 m bis 90 m hohe Richtfunktypentürme können, wenn sie in unmittelbarer Nähe historischer Altstädte aufgestellt werden, den Eindruck sowohl von Einzeldenkmalen, wie herausragenden Kirchen, als auch von Ensembledenkmalen, z.B. einer Stadtsilhouette oder eines Marktplatzes, stark beeinträchtigen und damit gegen § 8 verstoßen. Das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein hat eine 60 m hohe Windkraftanlage in 1.200 m Entfernung zum Meldorfer Dom als beeinträchtigend angesehen. Die gleiche störende Wirkung können auch Sonnenkollektoren, turmartige Aufzugsschächte oder andere Dachaufbauten haben, und zwar nicht nur auf Gebäuden, die Teil einer als Ensemble geschützten Altstadt sind, sondern auch an anderen Standorten, von denen aus sie das Bild der Altstadt beeinflussen (Schmaltz/Wiechert, NDSchG, § 8 Rdnr. 7 f m.w.N.).
Ausgehend davon ist die Errichtung von Windenergieanlagen auf der Sonderbaufläche 4 rechtlich nicht zu beanstanden. Nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung der Kammer besteht während der Vegetationsphase der Laubbäume eine direkte Blickbeziehung zwischen dem Treppenspeicher in E. und der Sonderbaufläche nicht. Die gegenteilige Auffassung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Der Baumbestand, der eine erhebliche Stärke aufweist, führt auch in der vegetationslosen Zeit dazu, dass durch das Astwerk eine hinreichende Abschirmung des Baudenkmals zu den Windenergieanlagen gewährleistet ist. Hinzu kommt, dass sich zwischen dem Treppenspeicher und der Sonderbaufläche das Hauptgebäude der Hofstelle befindet, das eine direkte Blickverbindung weitgehend ausschließt. Das von der Beklagten im angefochtenen Bescheid befürchtete Aufeinanderprallen von Gegensätzen wird dadurch deutlich abgemindert, so dass eine Beeinträchtigung im Sinne des § 8 Satz 1 NDSchG nicht vorliegt.
Auch hinsichtlich des Wohnwirtschaftsgebäudes in D. liegt eine Beeinträchtigung im Sinne des § 8 Satz 1 NDSchG nicht vor. Zwar ist der Baumbestand zwischen dem Gebäude und der Vorrangfläche nicht so dicht, dass eine Blickverbindung ausgeschlossen wäre, er reicht aber nach dem Eindruck der Ortsbesichtigung für eine ausreichende Abschirmung des Denkmals - auch in der vegetationslosen Zeit - aus. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass das Denkmal durch die direkt vor ihm verlaufende Bundesstrasse und die Gewerbebetriebe auf der anderen Straßenseite (Kitschhandel mit großflächiger Außendekoration, Wohnwagenausstellung) bereits erheblich vorbelastet ist und die Windenergieanlagen demgegenüber weniger in Erscheinung treten. Nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung ist die Kammer darüber hinaus der Auffassung, dass der Umgebungsschutz des Denkmals nur die unmittelbare Umgebung der Hofstelle umfasst und sich nicht auf die umliegenden landwirtschaftlichen Flächen erstreckt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor (§ 124 a Abs. 1 iVm § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO).