Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 20.08.2014, Az.: 10 UF 21/14

Rechtsfolgen des fehlenden Vermerks über die Herstellung der Öffentlichkeit in einem Verkündungsprotokoll in Familiensachen

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
20.08.2014
Aktenzeichen
10 UF 21/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 22418
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2014:0820.10UF21.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 28.10.2013

Fundstellen

  • FamRB 2014, 447
  • FamRZ 2015, 272
  • MDR 2014, 1325
  • NJW 2014, 3458-3459
  • NJW 2014, 6
  • ZAP EN-Nr. 813/2014
  • ZAP EN-Nr. 813/2014

Amtlicher Leitsatz

Die Wirksamkeit der Verkündung einer Endentscheidung in Ehe- und Familienstreitsachen wird nicht dadurch berührt, daß sich aus der darüber gefertigten Sitzungsniederschrift nicht die vorherige Herstellung der gemäß § 173 Abs. 2 GVG notwendigen Öffentlichkeit ergibt.

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1. und die Anschlußbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 28. Oktober 2013 im Ausspruch zum Versorgungsausgleich (II. des Beschlußtenors) in den Absätzen 1 und 5 teilweise geändert und insofern wie folgt neu gefaßt:

Hinsichtlich der von der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Versicherungskonto Nr. ...) ehezeitlich erworbenen Anrechte findet ein Versorgungsausgleich nicht statt.

Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Ehemannes bei der Oberfinanzdirektion Niedersachsen (Az. ...) zugunsten der Ehefrau ein Anrecht in Höhe von monatlich 131,45 € auf deren Versicherungskonto ... bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 31. Mai 2013, begründet. Der Ausgleichswert ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.

3. Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren: 2.040 €.

Gründe

I.

Mit Beschluß vom 28. Oktober 2013 hat das Amtsgericht auf den am 26. Juni 2013 zugestellten Scheidungsantrag des Antragstellers (Ehemannes) hin die am 6. September 2002 geschlossene Ehe der Beteiligten geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Dabei hat es die von der Antragsgegnerin (Ehefrau) ehezeitlich bei der Deutschen Rentenversicherung Bund erworbenen Anrechte im Wege interner Teilung in Höhe von 3,6569 Entgeltpunkten auf ein für den Antragsteller zu errichtendes Konto bei der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragen, zu Lasten der vom Ehemann ehezeitlich erworbenen Anrechte bei der Oberfinanzdirektion Niedersachsen im Wege der externen Teilung ein Anrecht in Höhe von monatlich 234,10 € auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Bund begründet. Es hat schließlich ausgesprochen, daß hinsichtlich dreier weiterer jeweils näher bezeichneter geringfügiger Anrechte der Ehegatten ein "Wertausgleich bei der Scheidung" nicht stattfindet.

Dieser Beschluß ist ausweislich des Protokolls über die "Nichtöffentliche Sitzung" vom 28. Oktober 2013 in Anwesenheit der Ehegatten und des Verfahrensbevollmächtigten des Ehemannes vom Amtsgericht noch im Termin verkündet worden, ohne daß allerdings insofern aus der Sitzungsniederschrift ersichtlich die Öffentlichkeit herstellt worden wäre.

Gegen diesen, ihr am 4. Dezember 2013 zugestellten Beschluß hat die weitere Beteiligte zu 1. mit am 16. Dezember 2013 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Dabei macht sie geltend, daß die interne Teilung der bei ihr erworbenen Anrechte der Ehefrau nicht auf ein für den Ehemann zu errichtendes Konto bei ihr, sondern auf dessen bereits bestehendes (im vorliegenden Verfahren nicht angegebenes) Konto bei der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover zu übertragen sei.

Der Senat hat daraufhin diesen bislang am Verfahren nicht beteiligten Versorgungsträger förmlich beteiligt.

Mit am 27. Februar 2014 beim Senat eingegangenem Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten hat sich der Ehemann der Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1. angeschlossen. Er verfolgte dabei das Ziel, durch eine noch zu schließende Vereinbarung der Ehegatten über die Verrechnung der von der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Bund erworbenen mit einem entsprechenden Teil der von ihm bei der Oberfinanzdirektion Niedersachsen erworbenen Anrechte insoweit den Versorgungsausgleich weitergehend auszuschließen.

Die Ehegatten haben in der Folgezeit eine vor dem Notar U. K. in N. errichtete Urkunde über den Abschluß der entsprechenden Vereinbarung vorgelegt; die insofern rechtlich angehörten betroffenen Versorgungsträger haben gegen den sich danach ergebenden weiteren Ausschluß des Versorgungsausgleichs keine Bedenken geäußert und sich damit ausdrücklich einverstanden erklärt.

II.

Auf die zulässigen Rechtsmittel der weiteren Beteiligten zu 1. und des Ehemannes ist die amtsgerichtliche Entscheidung wie aus dem Tenor ersichtlich zu ändern.

1. Dabei handelt es sich bei der amtsgerichtlichen Entscheidung vom 28. Oktober 2013 um einen wirksamen Beschluß. Dies wird im Ergebnis auch nicht - wie der Senat allerdings zeitweilig unter Gewährung rechtlichen Gehörs für die Beteiligten erwogen hatte - dadurch in Frage gestellt, daß die aus dem Protokoll vom 28. Oktober 2013 ersichtliche Verkündung dieser Endentscheidung in einer Ehesache nicht (feststellbar) wie aber nach § 173 Abs. 1 GVG erforderlich öffentlich erfolgt ist.

Die Frage der Wirksamkeit einer unter Verstoß gegen § 173 Abs. 1 GVG verkündeten Entscheidung ist teilweise unter Annahme eines Nicht- oder Scheinurteils verneint worden (vgl. RGZ 148, 151 m.w.N.), und wird teilweise unter Hinweis auf das Fehlen der Möglichkeit eines Beruhens der Entscheidung auf der fehlerhaften Verlautbarung sowie der Benachteiligung eines Rechtsmittelführer bejaht (vgl. Zöller30-Vollkommer, ZPO § 310 Rz. 9; OLG Hamm - Beschluß vom 16. November 1993 - 7 UF 204/92 - FamRZ 1995, 943 f. mit ausführlicher Wiedergabe des Meinungsstands). Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.

Zwar ist ohne ein Protokoll der Nachweis der Verkündung urteilsersetzender Endentscheidungen in Ehe- und Familienstreitsachen und damit ihres Existent-Werdens als solches ausgeschlossen. Dies hat zur Folge, daß - da mit Ablauf der Frist des § 63 Abs. 3 S. 2 FamFG von fünf Monaten seit dem fraglichen Verkündungszeitpunkt ein solcher einzig geeigneter Nachweis auch nicht mehr herstellbar ist - die (deklaratorische) Aufhebung einer solchen Scheinentscheidung insgesamt und die Zurückverweisung der Sache unvermeidlich sind (vgl. Senatsbeschluß vom 18. Dezember 2013 - 10 UF 254/13 - NdsRPfl 2014, 91 ff. = BeckRS 2014, 01785 = juris).

Demgegenüber berührt die fehlende (Feststellbarkeit der) Öffentlichkeit einer durch die entsprechende Sitzungsniederschrift der Sache nach feststehenden Verkündung nicht das Existent-Werden der Entscheidung, sondern wirft lediglich die Frage nach den Folgen von Mängel ihrer Verlautbarung auf. Insofern besteht aber seit der Entscheidung des Großen Senates für Zivilsachen vom 14. Juni 1954 (BGHZ 14, 39,45) dahin Konsens, daß Verkündungsmängel dem wirksamen Erlaß einer Entscheidung nur dann entgegenstehen, wenn gegen elementare Formerfordernisse verstoßen wurde. Mit zutreffenden Erwägungen, denen der Senat beitritt, hat das OLG Hamm in der bereits angesprochenen Entscheidung für eine Verkündung ohne Herstellung der Öffentlichkeit einen Verstoß gegen elementare Formerfordernisse in diesem Sinne verneint. Entscheidendes Erfordernis einer Verlautbarung der Entscheidung ist die Möglichkeit der Kenntniserlangung durch die Beteiligten, die durch die Herstellung der Öffentlichkeit in keiner Weise berührt wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie gerade auch im Streitfall - die Beteiligten und ihre bestellten Verfahrensbevollmächtigten im Verkündungstermin anwesend sind. Auch da die Entscheidung auf einem derartigen formalen Verlautbarungsmangel nicht einmal beruhen kann und sich für die Beteiligten keine ersichtlichen Benachteiligungen ergeben, liegt jedenfalls unter den Umständen des Streitfalles eine wirksame Verkündung des Beschlusses vor.

2. Durch ihre notariell beurkundete Vereinbarung, die sowohl den formellen (§ 7 VersAusglG) als auch den materiellen (§ 8 VersAusglG) Anforderungen genügt, haben der Eheleute wirksam auf einen weiteren Teil des nach den gesetzlichen Regeln durchzuführenden Versorgungsausgleichs verzichtet. Dies ist entsprechend auch hinsichtlich der von der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Versicherungskonto Nr. ...) ehezeitlich erworbenen Anrechte auszusprechen. Zugleich beschränkt sich der Ausgleich des Anrechts des Ehemannes bei der Oberfinanzdirektion Niedersachsen (Az. ...) auf den nach der vereinbarten Verrechnung verbleibenden Betrag von monatlich 131,45 €.

3. Durch den auf der Vereinbarung der Ehegatten beruhenden Ausschluß des Ausgleichs der von der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Bund ehezeitlich erworbenen Anrechte erübrigt sich zugleich die auf die Angabe des insoweit maßgeblichen Kontos des Ehemannes beschränkte Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 150 Abs. 4 FamFG und berücksichtigt insbesondere, daß die Beschwerde durch die vom Ehemann erstinstanzlich unterlassene Angabe seines Versicherungskontos bei der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover begründet war und die Anschlußbeschwerde allein der Durchsetzung erstinstanzlich von ihm nicht geltend gemachter besonderer Interessen des Ehemannes diente.

Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 50 Abs. 1 Satz 1 FamGKG.