Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 20.08.2014, Az.: 10 UF 163/14

Befugnis eines Elternteils zur Geltendmachung von Kindesunterhalt bei Betreuung des Kindes im Rahmen eines sog. Wechselmodells

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
20.08.2014
Aktenzeichen
10 UF 163/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 36224
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2014:0820.10UF163.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 12.06.2014

Amtlicher Leitsatz

Liegt der Schwerpunkt der tatsächlichen Obhut bei keinem der im Rahmen eines sog. Wechselmodells das Kind betreuenden Elternteile und ist damit keiner der Elternteile in Verfahrensstandschaft für das Kind nach § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB handlungsbefugt, kann einem Elternteil gemäß § 1628 BGB die Entscheidung zur Geltendmachung von Kindesunterhalt familiengerichtlich übertragen werden.

Tenor:

Die Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 12. Juni 2014 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren: 1.000 €.

Gründe

I.

Die verheirateten aber getrenntlebenden Kindeseltern üben die elterliche Sorge für die betroffenen Kinder bisher gemeinsam aus, wobei sich die Kinder in annähernd vergleichbarem Umfang in deren jeweiligem Haushalt aufhalten. Die Kindesmutter nimmt den unstreitig leistungsfähigeren Kindesvater in einem gesonderten Verfahren auf Leistung von Kindesunterhalt in Anspruch. Da sie sich für diese Geltendmachung nicht auf eine Verfahrensstandschaft gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB stützen kann, hat sie im vorliegenden Verfahren die Übertragung der elterlichen Sorge allein auf sich hinsichtlich der Befugnis zur Geltendmachung des Kindesunterhalts gem. § 1628 BGB beantragt. Der Kindesvater ist dem entgegengetreten.

Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 12. Juni 2014, auf den auch zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, der Kindesmutter antragsgemäß das Recht zur Geltendmachung des Kindesunterhalts für die betroffenen Kinder allein übertragen.

Gegen diese, ihm am 14. Juni 2014 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 3. Juli 2014 eingelegte sowie innerhalb insofern gesetzter Frist begründete Beschwerde des Kindesvaters. Dieser verfolgt sein erstinstanzliches Ziel der Antragsabweisung weiter. Er meint, in der Rechtsprechung sei zwar stark umstritten, wie die Unterhaltsansprüche von im Wechselmodell betreuten Kindern geltend zu machen seien. Nach der Rechtsprechung des BGH könne aber nur dann vom Fehlen einer Verfahrensstandschaft ausgegangen werden, wenn nicht ein überwiegender Betreuungsanteil eines Elternteils bestehe; ein derartiges Überwiegen liege im Streitfall aber aufgrund seines Betreuungsanteils von 56 % gerade vor, so daß die Kinder für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB allein von ihm vertreten würden. Zudem stelle auch die vorliegend in Rede stehende Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen keine Entscheidung von erheblicher Bedeutung für das Kind im Sinne von § 1628 BGB dar. Insofern handele sich vielmehr vorwiegend um finanzielle Interessen des jeweiligen Elternteils.

II.

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde des Kindesvaters kann in der Sache keinen Erfolg haben. Dabei kann der Senat unmittelbar in der Sache entscheiden, weil es auch im Lichte des Beschwerdevorbringens weiterer Ermittlungen nicht bedarf und von einer Wiederholung erstinstanzlich erfolgter Verfahrenshandlungen, namentlich einer erneuten Anhörung der Beteiligten, kein weiterer entscheidungserheblicher Erkenntnisgewinn zu erwarten ist (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG).

1. Zutreffend ist das Amtsgericht im Streitfall davon ausgegangen, daß die betroffenen Kinder durch keinen der beiden getrenntlebenden Elternteile in der Frage der Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB allein vertreten werden.

Der BGH hat in seinem Urteil vom 21. Dezember 2005 (XII ZR 126/03 - FamRZ 2006, 1015 ff. = NJW 2006 2258 ff. = MDR 2006, 1173 = juris) klargestellt, daß ungeachtet eines Betreuungsanteils des anderen Elternteils von 1/3 der Schwerpunkt der tatsächlichen Obhut beim überwiegend Betreuenden liegt und dieser damit gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB in Verfahrensstandschaft für das Kind handlungsbefugt ist. Soweit die Eltern die Betreuung ihres Kindes dagegen in der Weise vornehmen, daß es in etwa gleichlangen Phasen abwechselnd jeweils bei dem einen und dem anderen Elternteil lebt (sog. Wechselmodell), lasse sich ein Schwerpunkt der Betreuung nicht ermitteln, so daß kein Elternteil die Obhut im Sinne von § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB innehabe. Nach diesen Kriterien kann im Streitfall auch auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens - das lediglich abstrakt einen eigenen Betreuungsanteil von 56 % behauptet - ein hinreichend eindeutiges Überwiegen der Obhutsausübung durch den Kindesvater nicht festgestellt werden. Auch bei einem geringfügigen Überhang des Betreuungsanteils im behaupteten Umfang von 6 % wäre jedenfalls noch von "etwa gleichlangen" Phasen der Betreuung auszugehen.

2. Für den somit vorliegend feststehenden Fall des Fehlens einer Vertretung des Kindes in der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen nach § 1629 BGB hat der BGH in der bereits angesprochenen Entscheidung ausdrücklich zwei alternative Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt. Entweder ist die Bestellung eines Ergänzungspflegers für das Kind herbeizuführen oder derjenige Elternteil, der den anderen für barunterhaltspflichtig hält, muß gemäß § 1628 BGB die familiengerichtliche Übertragung der Entscheidung zur Geltendmachung von Kindesunterhalt herbeiführen. Gerade letztes hat im Streitfall die Kindesmutter beantragt und das Amtsgericht in seinem Beschluß vorgenommen.

Insbesondere in Ansehung dieser ausdrücklichen höchstrichterlichen Entscheidung kann im übrigen kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, daß die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen vom Familiengericht gemäß § 1628 BGB einem Elternteil zugewiesen werden kann und es sich dabei insbesondere um eine "Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind" handelt.

3. Auch im Rahmen der Beschwerdebegründung sind schließlich keinerlei Gesichtspunkte vorgetragen worden, warum die Geltendmachung von Barunterhalt für die gemeinsamen Kinder etwa nicht auf die Kindesmutter, sondern vielmehr auf den Kindesvater zu übertragen sein sollte. Eine wie erfolgte Übertragung liegt schon deswegen offenkundig im Kindesinteresse, weil angesichts der unstreitig im wesentlichen gleichgewichtigen Betreuungsanteile allenfalls von dem leistungsfähigeren Kindesvater eine zusätzliche Barunterhaltsleistung in Betracht kommt. Die Frage, ob ein derartiger Anspruch letzten Endes zu bejahen sein wird, ist allein in dem - im übrigen bereits anhängigen - Unterhaltsverfahren zu klären, bedarf dagegen keinesfalls - wie allerdings in Ansehung seines erstinstanzlichen Vortrages offenbar vom Kindesvater angenommen - einer weiteren Vertiefung im vorliegenden Vorverfahren der teilweisen Sorgezuweisung.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG; die Verfahrenswertfestsetzung auf § 40 Abs. 2 FamGKG.