Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 18.12.2013, Az.: 10 UF 254/13
Erbringen des Nachweises der in Ehestreitsachen und Familienstreitsachen erforderlichen Verkündung der urteilsersetzenden Endentscheidung durch Protokoll
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 18.12.2013
- Aktenzeichen
- 10 UF 254/13
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 52200
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2013:1218.10UF254.13.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 17.06.2013 - AZ: 604 F 5/12
Rechtsgrundlagen
- § 63 Abs. 3 S. 2 FamFG
- § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG
- § 311 Abs. 2 S. 1 ZPO
- § 517 ZPO
Fundstellen
- FF 2014, 87
- FamRB 2014, 218
- FamRZ 2014, 1314
- JurBüro 2014, 211-213
Amtlicher Leitsatz
Der allein durch das Protokoll zu führende Nachweis der in Ehe- und Familienstreitsachen gemäß §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V. mit 311 Abs. 2 S. 1 ZPO erforderlichen Verkündung der urteilsersetzenden Endentscheidung ist nur erbracht, wenn das Protokoll innerhalb der Frist des § 63 Abs. 3 S. 2 FamFG von fünf Monaten seit dem fraglichen Verkündungszeitpunkt erstellt worden ist (in Fortführung von BGH, Urteil vom 13. April 2011 - XII ZR 131/09 - [Rn. 17 ff.], NJW 2011, 1741, 1742 = FamRZ 2011, 1050 f.).
In der Familiensache
Dr. K. D.,
Antragsteller und Beschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwältin S. G.-R.,
gegen
A. T.,
Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin,
Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt W. G.,
Beteiligte:
1. Deutsche Rentenversicherung Bund,
2. Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg,
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht W., den Richter am Oberlandesgericht G. und den Richter am Amtsgericht Dr. P. am 18. Dezember 2013
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 17. Juni 2013 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die beteiligten Ehegatten schlossen am 9. Februar 2005 in F. die Ehe, leben jedoch zumindest seit 2007 getrennt. Sie sind Eltern eines gemeinsamen, vor der Eheschließung geborenen Sohnes, der seit der Trennung bei dem Antragsteller lebt, dem im Jahr 2007 auch die alleinige elterliche Sorge übertragen wurde. Inzwischen haben beide Ehegatten die deutsche Staatsangehörigkeit.
Am 11. Oktober 2009 erfolgte bereits eine Scheidung der Ehe nach islamischem Recht in F. (Bl. 8 f. d.A.). Weil diese anlässlich einer vom Antragsteller beabsichtigten erneuten Eheschließung durch das Standesamt der Landeshauptstadt Hannover im Jahre 2011 nicht als wirksam anerkannt wurde, leitete der Antragsteller am 29. Dezember 2011 das vorliegende Scheidungsverfahren ein hat. In diesem hat das Amtsgericht - Familiengericht - Hannover Termin zur mündlichen Verhandlung zunächst auf den 13. Mai 2013 anberaumt, diesen Termin sodann auf Antrag der Antragsgegnerin aufgehoben und für den 17. Juni 2013 neu terminiert. Nachdem der Antragsteller gleichwohl am 13. Mai 2013 erschienen und persönlich angehört worden war, hat das Amtsgericht die persönliche Anhörung der Antragsgegnerin am 17. Juni 2013 vorgenommen und die mündliche Verhandlung mit beiden erschienenen Verfahrensbevollmächtigten durchgeführt. Sodann hat es nach Verfahrenskostenhilfebewilligung für die Antragsgegnerin und Festsetzung des Verfahrenswertes beschlossen, dass eine Entscheidung am Ende der Sitzung ergehe. Damit endet das Protokoll der mündlichen Verhandlung. Auf Original und Durchschrift des Protokolls folgt das Original eines Beschlusses vom 17. Juni 2013 (zunächst ohne vollständig ausgefüllten Verkündungsvermerk), mit dem das Amtsgericht die Scheidung der Ehe ausgesprochen und den Versorgungsausgleich gegen den Antrag des Antragstellers, diesen wegen grober Unbilligkeit nach § 27 VersAusglG auszuschließen, durch Ausgleich der Anrechte beider Ehegatten in der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung bei Nichtausgleich eines Anrechts des Antragstellers auf betriebliche Altersversorgung mangels Unverfallbarkeit durchgeführt hat.
Gegen diese Entscheidung, die seiner Verfahrensbevollmächtigten am 26. August 2013 zugestellt wurde, hat der Antragsteller mit einem am 19. September 2013 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt, soweit es den Ausspruch zum Versorgungsausgleich betrifft, und diese auch sogleich begründet. Er erstrebt weiterhin den vollständigen Ausschluss des Versorgungsausgleichs, hilfsweise dessen Beschränkung auf den Zeitraum bis zum Ablauf des Jahres, in dem die Ehegatten sich getrennt hätten. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs sei nicht nur wegen der langen Trennungszeit seit 2006 grob unbillig, sondern insbesondere auch deshalb, weil er seitdem den gemeinsamen Sohn alleine betreue und zugleich auch dessen Barunterhaltsbedarf vollständig allein decke, da die Antragsgegnerin keinerlei Kindesunterhalt gezahlt habe und zahle. Ferner habe es die Antragsgegnerin auch unterlassen, nach der Trennung während ihrer Erwerbstätigkeit in S., aus der sie ein Einkommen von "1.000 Dollar monatlich" erzielt habe, was weit über dem durchschnittlichen Einkommen der dortigen Region liege, freiwillig Beiträge in eine private Rentenversicherung in der Bundesrepublik Deutschland einzuzahlen, um ihrerseits zusätzliche Anwartschaften zu erwerben. Schließlich habe das Amtsgericht auch nicht berücksichtigt, dass die Ehegatten nach islamischem Recht bereits seit dem 11. Oktober 2009 geschieden seien und beide zunächst auch von der Wirksamkeit jener Scheidung ausgegangen seien.
Die Antragsgegnerin verteidigt die angefochtene Entscheidung. Eine grobe Unbilligkeit im Sinne von § 27 VersAusglG sei nicht erkennbar. Dies gelte umso mehr, als sie während ihrer Tätigkeit für die Vereinten Nationen in S. (in den Jahren 2008 bis 2012) mit dem genannten Einkommen nicht zur Zahlung von Kindesunterhalt in der Lage gewesen sei. Zu berücksichtigen sei im Rahmen der Gesamtabwägung auch, dass sie ihrerseits keine Ansprüche auf Trennungsunterhalt geltend gemacht habe. Die Trennung der Ehegatten sei auch erst im August 2007 erfolgt, bis dahin hätten sie noch zusammen in N. gewohnt. Schließlich könne auch die lediglich nach islamischem Recht erfolgte, jedoch nicht wirksame Ehescheidung keine grobe Unbilligkeit begründen, da anderenfalls ein Ehegatte es in der Hand hätte, durch Betreiben eines entsprechenden ausländischen Scheidungsverfahrens die Ehezeit zu verkürzen.
Der Senat hat die Akten zunächst an das Amtsgericht zum Zwecke der Prüfung zurückgesandt, ob der angefochtene Beschluss verkündet wurde oder es sich gegebenenfalls bei dessen Zustellung ausnahmsweise um eine verkündungsersetzende handele. Daraufhin hat die Serviceeinheit des Amtsgerichts den auf der Entscheidung vom 17.Juni 2013 anzubringenden Verkündungsvermerk vervollständigt und unterzeichnet und die Akten anschließend sogleich an den Senat zurückgesandt. Auf erneute Rücksendung an das Amtsgericht wurden die Akten nunmehr der zuständigen Abteilungsrichterin vorgelegt, die mit Beschluss vom 14. November 2013 den Verfahrensbevollmächtigten der beteiligten Ehegatten mitteilen ließ, dass beabsichtigt sei, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17. Juni 2013 wie folgt zu ergänzen:
Am Schluss der Sitzung wurde in Abwesenheit der zuvor Erschienenen der aus der Anlage ersichtliche Scheidungsbeschluss verkündet.
Den Ehegatten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Woche gegeben. Unter dem 28. November 2013 erfolgte schließlich im Wege eines Berichtigungsvermerks die Ergänzung des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 17. Juni 2013 um den vorgenannten Zusatz.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt wurde. Sie hat in der Sache den aus dem Tenor ersichtlichen vorläufigen Erfolg.
Dies beruht indes nicht auf den vom Antragsteller vorgebrachten Einwänden. Vielmehr ist das Rechtsmittel bereits deshalb begründet, weil eine wirksame erstinstanzliche Entscheidung nicht vorliegt, mit der Folge, dass der amtsgerichtliche Beschluss von Amts wegen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen ist (§ 69 Abs. 1 S. 2 FamFG).
Zwar enthalten die Gerichtsakten mit dem Beschluss vom 17. Juni 2013 eine erstinstanzliche Endentscheidung, die den Beteiligten auch zugestellt wurde. Gleichwohl ist diese jedoch nicht wirksam, weil es an der ebenfalls erforderlichen Verkündung fehlt. Gemäß §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V. mit 311 Abs. 2 ZPO setzt in Ehe- und Familienstreitsachen das Vorliegen einer wirksamen urteilsersetzenden Endentscheidung eine durch Verlesen der Beschlussformel oder durch Bezugnahme auf diese erfolgte Verkündung voraus (BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2011 - XII ZB 250/11- [Rn. 13], FamRZ 2012, 106, 107 = NJW-RR 2012, 1, 2; Beschluss vom 13. Juni 2012 - XII ZB 592/11- [Rn. 15], FamRZ 2012, 1287, 1289 = NJW-RR 2012, 1025, 1026 f. [BGH 13.06.2012 - XII ZB 592/11]; Keidel-Meyer-Holz, FamFG18, § 38 Rn. 94; Prütting/Helms-Helms, FamFG3, § 116 Rn. 12; Musielak/Borth, FamFG4, § 41 Rn. 8). Dabei kann der Nachweis der für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten - einschließlich der verfahrensordnungsgemäß erfolgten Verkündung eines Urteils oder einer urteilsersetzenden Endentscheidung - nach §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V. mit 160 Abs. 3 Nr. 7, 165 S. 1 ZPO einzig und allein durch das Protokoll geführt werden (BGH, Urteil vom 13. April 2011 - XII ZR 131/09 - [Rn. 17 ff.], NJW 2011, 1741, 1742 = FamRZ 2011, 1050 f.; Beschluss vom 13. Juni 2012 - XII ZB 592/11- [Rn. 15 ff.], FamRZ 2012, 1287, 1289).
An diesem Nachweis fehlt es hier. Zwar hat die Abteilungsrichterin des Amtsgerichts hier, nachdem ihr die Akten schließlich wieder vorgelegt worden waren, das Protokoll der letzten mündlichen Verhandlung um den Zusatz betreffend die Verkündung ergänzt, was zulässigerweise auch im Wege eines Berichtigungsvermerks geschehen ist. Abgesehen davon, dass dieser Zusatz keinen ausdrücklichen Hinweis auf die Art der Verkündung durch Verlesung oder Bezugnahme sowie auf die Wiederherstellung der Öffentlichkeit enthält (vgl. zu letzterem Gesichtspunkt Prütting/Helms-Helms, FamFG3, § 116 Rn. 12 a.E.), ist er jedoch bereits deshalb nicht geeignet, Nachweis für die erforderliche Verkündung des angefochtenen Beschlusses zu erbringen, weil er nicht mehr innerhalb der fünfmonatigen Frist des § 63 Abs. 3 S. 2 FamFG erfolgt ist. Nur innerhalb dieser Frist wäre eine nachträgliche Erstellung eines beweiskräftigen Verkündungsprotokolls zulässig und damit wirksam gewesen (BGH, Urteil vom 13. April 2011 - XII ZR 131/09 - [Rn. 21]). Die vorgenannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs erging zwar noch zum alten, vor dem 1. September 2009 geltenden Verfahrensrecht und damit zu § 517 ZPO. Auch nach der für das vorliegende, erst am 29. Dezember 2011 eingeleitete Scheidungsverbundverfahren maßgeblichen Vorschrift des § 63 Abs. 3 S. 2 FamFG kann jedoch nichts anderes gelten, denn diese ist mit der Regelung des § 517 ZPO insoweit als inhaltsgleich anzusehen.
Zwar beginnt nach § 63 Abs. 3 S. 2 FamFG die Frist zur Einlegung der Beschwerde spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses, während § 517 ZPO für den Fristbeginn auf den Zeitpunkt der Verkündung abstellt. Weil aber der Erlass urteilsersetzender Endentscheidungen in Ehe- und Familienstreitsachen - wie vorliegend - nicht wie in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit auch durch Übergabe der Entscheidung an die Geschäftsstelle, sondern wiederum aufgrund der Verweisung in § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG auf § 311 Abs. 2 ZPO allein durch Verkündung erfolgen kann, ist mithin auch hier - wie in § 517 ZPO - das Verkündungsdatum für den Beginn der Fünfmonatsfrist des § 63 Abs. 3 S. 2 FamFG maßgeblich (Keidel-Sternal, FamFG18, § 63 Rn. 44; Prütting/Helms-Helms, FamFG3, § 116 Rn. 12; Schulte-Bunert/Weinreich-Unger, FamFG4, § 63 Rn. 20).
Da die nachträgliche Ergänzung des Protokolls vom 17. Juni 2013 erst am 28. November 2013 und damit mehr als fünf Monate nach dem fraglichen Verkündungszeitpunkt erfolgte, ist eine wirksame Verkündung der angefochtenen Entscheidung nicht nachgewiesen. Ohne nachgewiesene Verkündung ist die Entscheidung jedoch rechtlich nicht existent (Johannsen/Henrich-Althammer, Familienrecht5, § 63 FamFG Rn. 14; Schulte-Bunert/Weinreich-Unger, FamFG4, § 63 Rn. 20), weshalb nicht nur der Lauf der Beschwerdefrist nicht begonnen hat, sondern die Endentscheidung vom 17. Juni 2013 insgesamt und damit auch der Scheidungsausspruch nicht rechtskräftig werden kann. Damit leidet der angefochtene Beschluss an einem schweren, den Eintritt seiner Wirksamkeit hindernden Mangel. Weil dieser auch durch das Beschwerdegericht nicht mehr geheilt werden kann, bleibt hier allein die Aufhebung der Entscheidung und die Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht (§ 69 Abs. 1 S. 2 FamFG), das erneut zu verhandeln und zu entscheiden und sodann seine Entscheidung in der oben ausgeführten, den Vorschriften der Zivilprozessordnung i.V. mit § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG gemäßen Form zu verkünden haben wird.
Für den weiteren Fortgang des Verfahrens weist der Senat darauf hin, dass die Voraussetzungen für einen völligen Ausschluss des Versorgungsausgleichs hier nach bisheriger Aktenlage nicht erkennbar sind. Dagegen könnte ein teilweiser Ausschluss im Sinne einer Herausnahme des nach der Trennung oder zumindest nach der einverständlich durchgeführten islamischen Ehescheidung liegenden Zeitraums allerdings in Betracht kommen. Vor diesem Hintergrund wäre gegebenenfalls die Einholung ergänzender Auskünfte der Versorgungsträger für den Zeitraum eines solchen teilweisen Ausschlusses, also etwa vom 1. Januar 2008 bis 29. Februar 2012 oder zumindest vom 1. November 2009 bis 29. Februar 2012, erforderlich, um die auf den Ausschlusszeitraum entfallenden anteiligen Ausgleichswerte zu ermitteln. Diese wären sodann durch das Familiengericht von den bereits mitgeteilten Ausgleichswerten des gesamten Ehezeitraums abzuziehen. Diesbezüglich könnten die Ehegatten zur Beschleunigung des Verfahrens eine entweder notariell beurkundete oder zu Protokoll des Amtsgerichts erklärte Einigung erzielen. Eine - auch vereinbarungsgemäße - Veränderung des Ehezeitendes selbst wäre dagegen unzulässig.
Darüber hinaus nimmt der Senat auf seine Hinweise vom 7. Oktober 2013 betreffend die bislang von keinem der Ehegatten mitgeteilten Kindererziehungs- oder Kinderberücksichtigungszeiten für das am 23. Juni 2003 geborene gemeinsame Kind Bezug. Auch diesbezüglich werden noch die notwendigen Ermittlungen zu führen sein, bei denen beide Ehegatten mitzuwirken haben werden.