Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 15.08.2014, Az.: 10 WF 42/14

Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge; hinreichende Erfolgsaussicht; schwierige ungeklärte Rechtsfrage

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
15.08.2014
Aktenzeichen
10 WF 42/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 42486
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG - 23.01.2014 - AZ: 629 F 6211/13

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Geht das Eingangsgericht davon aus, daß der Erfolg einer beabsichtigten Rechtsverfolgung von einer "schwierigen Rechtsfrage" abhänge, hat es von hinreichender Erfolgsaussicht auszugehen und bei Vorliegen der sonstigen Bewilligungsvoraussetzungen PKH/VKH zu bewilligen. Eine PKH-/VKH-Versagung unter der ausdrücklichen Aufforderung, die entsprechende Rechtsfrage durch eine Entscheidung des Beschwerdegerichts im PKH-/VKH-Bewilligungsverfahren zu klären, kommt nicht in Betracht.
2. Ungeachtet einer derart unrichtigen Behandlung ist das Beschwerdegericht im nachfolgenden PKH-/VKH-Beschwerdeverfahren jedoch nicht an die erstinstanzliche Annahme des Vorliegens einer "schwierigen Rechtsfrage" gebunden.
3. Daß ein Kindesvater, der später mit der Mutter eines gemeinsamen Kindes die Ehe geschlossen hat, Mitinhaber der elterlichen Sorge für dieses Kind ist, auch wenn die förmliche Vaterschaftsanerkennung erst nach der Heirat erfolgte, stellt insbesondere nach dem Beschluß des Bundesgerichtshofes vom 16. März 2011 (XII ZB 407/10 - FamRZ 2011, 796 ff. = NJW 2011, 2360 ff. = MDR 2011, 468 ff. = juris) keine "schwierige Rechtsfrage" (mehr) dar.

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erheben.

Gründe

I.

Der bei der Geburt des gemeinsamen Kindes am 27. April 2007 mit der Kindesmutter nicht verheiratete Kindesvater hat in einer notariellen Urkunde vom 19. Januar 2011 mit Zustimmung der Kindesmutter die Vaterschaft für das betroffene Kind T. M. anerkannt. Bereits am 7. Januar 2011 hatten die Kindeseltern in Dänemark die Ehe geschlossen. Seit Juni 2013 leben die Kindeseltern getrennt, nach Angabe des Kindesvaters werden ihm seitdem Umgangskontakte und eine Mitwirkung im Rahmen der elterlichen Sorge durch die Kindesmutter tatsächlich verwehrt.

Mit am 15. November 2013 eingereichtem Schriftsatz kündigt er den Antrag an „Das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn … T. …. üben die Kindeseltern gemeinsam aus“ und hat dafür um Verfahrenskostenhilfe (VKH) nachgesucht.

Die Kindesmutter ist dem Begehren insofern entgegengetreten, als sie für die beabsichtigte Rechtsverfolgung kein Rechtsschutzbedürfnis sieht. Aufgrund Anerkennung der Vaterschaft und Heirat der Kindeseltern bestehe bereits die gemeinsame elterliche Sorge, die auch nicht in Frage gestellt werde.

Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 23. Januar 2014 die nachgesuchte VKH mangels hinreichender Erfolgsaussicht versagt. Es hat dabei ausgeführt, daß es nach Sinn und Zweck der Regelung in § 1626a Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht - wie allerdings dem Wortlaut zu entnehmen sei - auf die Reihenfolge von Vaterschaftsanerkennung und Heirat ankommen könne. Daher bestehe im Streitfall bereits die gemeinsame elterliche Sorge, so daß es deren erstrebter Begründung gar nicht bedürfe.

Zugleich hat das Amtsgericht in der begleitenden Verfügung für den Antragstellervertreter folgenden ausdrücklichen Hinweis aufnehmen lassen: „Ich rege an sofortige Beschwerde gegen den Beschluß einzulegen um die Frage, ob bereits gemeinsames Sorgerecht besteht, durch das OLG klären zu lassen.

Gegen den Beschluß vom 23. Januar 2014 richtet sich die fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Kindesvaters, der sein petitum weiterverfolgt und darauf hinweist, daß angesichts des vom Amtsgericht angenommenen Klärungsbedürfnis der Rechtsfrage durch das Beschwerdegericht VKH hätte bewilligt werden müssen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, kann aber in der Sache im Ergebnis keinen Erfolg haben.

1. Insofern spielt es auch keine weitere Rolle, ob der insofern nicht eindeutige Antrag des Antragstellers - wie vom Amtsgericht angenommen - auf die Herstellung der gemeinsamen elterlichen Sorge oder nicht eher auf deren Feststellung gerichtet sein soll.

Das Amtsgericht ist vielmehr inhaltlich zutreffend davon ausgegangen, daß für die Herstellung der gemeinsamen elterlichen Sorge im Streitfall weder Raum noch Möglichkeit ist, weil die gemeinsame elterliche Sorge bereits besteht. Da der Antragsteller auch in keiner Weise dartut, daß dieser rechtliche Zustand von irgendeiner Seite in Zweifel gezogen wird, die Kindesmutter vielmehr ausdrücklich ebenfalls von der gemeinsamen elterlichen Sorge ausgeht, fehlt ihm jedenfalls auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse für einen diesbezüglichen - anderenfalls durchaus grundsätzlich denkbaren - Feststellungsantrag.

2. Dabei weist der Antragsteller allerdings zutreffend darauf hin, daß bei - wie hier aufgrund des Hinweises in der Übersendungsverfügung zumindest naheliegender - Annahme des Vorliegens einer durch das Beschwerdegericht klärungsbedürftigen schwierigen Rechtsfrage von hinreichender Erfolgsaussicht im Sinne von § 114 ZPO auszugehen und eine Verlagerung der Klärung derartiger Fragen in ein VKH-Beschwerdeverfahren nicht zulässig ist. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs hat ein Rechtsschutzbegehren in aller Regel dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt (vgl. nur BGH - Beschluß vom 3. April 2014 - IX ZA 5/14 - MDR 2014, 747 = juris [Tz 7] m.w.N.). Insofern hätte das Amtsgericht auf der Grundlage seines geäußerten Verständnisses vorliegend wohl VKH bewilligen müssen.

3. Auch im Fall einer nach dem Vorgesagten zu unrecht erfolgten Versagung von VKH ist das Beschwerdegericht allerdings nicht an die erstinstanzliche Annahme der Abhängigkeit von einer „schwierigen, bislang nicht geklärten Rechtsfrage“ gebunden. Es hat dies vielmehr - nicht zuletzt auch im Kosteninteresse des Antragstellers, der allein vorläufig und nur hinsichtlich der Gerichts- und der eigenen Anwaltskosten durch die VKH-Bewilligung „geschützt“ wird - selbst zu prüfen.

Die insofern unrichtige Behandlung durch das Amtsgericht hat allerdings die Folge, daß die im Beschwerdeverfahren anfallenden Gerichtskosten gemäß § 20 FamGKG nicht zu erheben sind.

4. Die im vorliegenden Verfahren aufgeworfene Rechtsfrage, ob der Antragsteller aufgrund Anerkenntnisses der Vaterschaft und bereits zuvor erfolgter Heirat der Kindesmutter die elterliche Sorge für das gemeinsame Kind auch nach der Trennung der Eheleute mit der Kindesmutter gemeinsam ausübt, stellt sich aber nicht im Sinne der genannten verfassungsgerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung als „schwierig“ dar. Denn PKH/VKH muß bereits dann nicht bewilligt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder durch die in der Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als schwierig "erscheint" sowie in Rechtsprechung und Literatur nicht umstritten ist (vgl. BGH aaO m.w.N.).

Weder in der Rechtsprechung noch im Schrifttum wird - soweit ersichtlich - auch nur die Auffassung vertreten, daß es für die grundsätzliche Begründung der elterlichen Sorge maßgeblich auf die Reihenfolge von Vaterschaftsanerkennung und Heirat der Eltern ankäme. Vielmehr findet sich insofern - soweit diese Frage überhaupt angesprochen wird - durchgehend sogar die ausdrückliche Aussage, daß die nach Heirat der Kindeseltern „spätere Vaterschaftsfeststellung … grundsätzlich zurückwirkt“ (Staudinger–Coester (2007), BGB § 1626a Rz. 16; NK3–Rakete-Dombeck, BGB § 1626a Rz. 18; Bamberger/Roth3–Veit, BGB § 1626a Rz. 2). Soweit diesbezüglich im Schrifttum - im wesentlichen ohnehin auf die Frage der Begründung der gemeinsamen Sorge durch eine Sorgeerklärung bezogen - allein problematisiert wird, inwieweit sich eine Rückwirkung auf einzelne zuvor getroffenen Entscheidungen im Rahmen der elterlichen Sorge auswirkt (vgl. etwa Staudinger–Coester aaO; NK3–Rakete-Dombeck aaO; Bamberer/Roth3-Veit aaO; Veit, FamRZ 1999, 902, 905), spielt dies im vorliegenden Zusammenhang offenkundig keinerlei Rolle.

Hinzu kommt, daß auch der Bundesgerichtshof bereits in seinem Beschluß vom 16. März 2011 (XII ZB 407/10 - FamRZ 2011, 796 ff. = NJW 2011, 2360 ff. = MDR 2011, 468 ff. = juris) offenkundig davon ausgegangen ist, daß es auf die Reihenfolge der Vaterschaftsfeststellung (im dortigen Fall durch Beschluß des KG vom 23. September 2010 - vgl. Tz. 28) und des Begründungsakts der gemeinsamen Sorge (dort die - als solches durch Auslegung ermittelte - Sorgeerklärung vom 6. Juni 2005) nicht entscheidend ankommt. Selbst wenn man darin nicht eine unmittelbare Entscheidung der vorliegend aufgeworfenen Kernfrage sehen wollte, läßt sich letztere danach aber jedenfalls unschwer in der auch bereits vom Amtsgericht inhaltlich zutreffend gewählten Weise beantworten.