Landgericht Verden
Urt. v. 18.04.2019, Az.: 5 O 340/16

Bibliographie

Gericht
LG Verden
Datum
18.04.2019
Aktenzeichen
5 O 340/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69597
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger aus der fehlerhaften Behandlung vom November 2012 ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.6.2016 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche künftigen unvorhersehbaren immateriellen sowie alle vergangenen und künftigen materiellen Schäden, die ihm infolge der fehlerhaften Behandlung aus November 2012 entstanden sind bzw. noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.

3. Die Beklagte zu 1. wird verpflichtet, Namen und ladungsfähige Anschriften derjenigen Personen zu benennen, die den Kläger im Hause der Beklagten zu 1. behandelt haben und zwar unter Benennung der jeweiligen Funktion.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 43 %, die Beklagten tragen als Gesamtschuldner 58 %.

6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich Ziffer 1. und 5. jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

7. Der Streitwert wird auf 710.000,00 € festgesetzt

Tatbestand:

Der Kläger (Jahrgang 1981) macht Ansprüche aufgrund einer vermeintlich fehlerhaften ärztlichen Behandlung im Hause der Beklagten im November 2012 geltend.

Der Kläger wurde am Nachmittag des 06.11.2012 als Notfall mit den Diagnosen Bauchschmerzen, Erbrechen und Durchfall stationär im Hause der Beklagten aufgenommen. Anhand der erhobenen Laborwerte bestanden Anzeichen für ein akutes Nierenversagen. Es wurde die Diagnose einer Gastroenteritis gestellt. Es erfolgte eine Flüssigkeitssubstitution. Mangels Besserung der Nierenfunktion erfolgte etwa 20 Stunden nach Aufnahme der Beginn einer Nierenersatztherapie. Die bei Aufnahme erhöhten Leukozytenzahlen hatten sich am Morgen des 08.11.2012 normalisiert; die im Verlauf angestiegenen Transaminasen waren rückläufig. Die enterale Flüssigkeitszufuhr mit Wasser und Tee sowie die Gabe von Joghurt am 08.11.2012 vertrug der Kläger gut. In den Morgenstunden des 09.11.2012 wurde aufgrund des angestiegenen CRP-Wertes eine antibiotische Therapie eingeleitet. Im Rahmen der morgendlichen Visite am 09.11.2012 wurde die Diagnose eines mechanischen Ileus (Darmverschluss) verworfen und die Diagnose eines paralytischen Ileus gestellt. Es wurde zur weiteren Diagnostik eine konventionell radiologische Magen-Darm-Passage mit Kontrastmittel initiiert. Am Nachmittag des 09.11.2012 wurde ein akutes Abdomen diagnostiziert und der Kläger in das Klinikum M. verlegt, wo eine Notoperation erfolgte.

Es wurde ein Schlichtungsverfahren durchgeführt, an welchem insgesamt drei Gutachter beteiligt gewesen sind, die zu dem Ergebnis von groben Befunderhebungs- und Befundsicherungsfehlern mit schweren neurologischen Folgen kamen.

Der Kläger behauptet, es hätte aufgrund der anamnestisch genannten Operation wegen Pylorusstenose in der Kindheit bereits bei Einlieferung an einen Darmverschluss gedacht werden müssen. Sodann hätten entsprechende Befunderhebungen und Therapien betrieben werden müssen, insbesondere eine Abdomen-CT, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit die Diagnose des mechanischen Ileus gesichert hätte. Die betriebene Diagnostik sei zudem gänzlich verkannt worden; spätestens als das fortschreitende Nierenversagen durch Flüssigkeitszufuhr nicht habe aufgehalten werden können, hätte die Diagnose der Gastroenteritis revidiert und weitere Diagnostik betrieben werden müssen. Die erforderliche sonographische und radiologische Befunderhebung sei viel zu spät erfolgt. Der Kläger rügt zudem, dass die Verlegung bereits am 08.11.2012, spätestens jedoch am Morgen des 09.11.2012 hätte erfolgen müssen. Im Rahmen der Notoperation seien ein schwerster Verwachsungsbauch mit fortgeschrittenem Bridenileus und Durchwanderungsperitonitis festgestellt worden. Postoperativ sei es zum Vollbild eines septischen Schocks sowie einem zunehmenden abdominellen Kompartmentsyndrom gekommen. Es seien Hauttransplantationen erforderlich gewesen. In der Folgezeit habe sich eine sehr schwere neurologische Erkrankung in Form einer Hirnstammschädigung entwickelt, was dauerhaft zu einer zentralen Tetraparese, Koordinationsstörung, Gleichgewichtsstörung, Schwindel und Artikulationsstörung geführt habe. Dies habe dazu geführt, dass er sein Studium der Wirtschaftsinformatik nicht habe beenden können und nunmehr arbeitssuchend ist. Er könne zukünftig keine überwiegend stehenden oder gehenden Tätigkeiten mehr ausüben, ebenso wenig wie Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen des Gang- und Standvermögens oder Tätigkeiten unter Erschütterung und Vibration. Ausgeschlossen seien auch Tätigkeiten aus der Rumpfvorbeuge oder Bauchpresse heraus sowie Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an das Sprechvermögen oder mit dauerhaften Publikumsverkehr. Auch im Haushalt könne er nicht mehr wie gewohnt mithelfen, schwere Arbeiten seien ihm unmöglich. Ferner habe er einen psychischen Schaden davongetragen. Eine Verschlechterung des Zustandsbildes sei zudem nicht auszuschließen. Aufgrund der dauerhaften belastenden Folgen erachtet der Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 400.000,- € für angemessen. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sei zudem zu berücksichtigen, dass die Beklagte trotz im Schlichtungsverfahren festgestellter Behandlungsfehler eine Regulierung beharrlich verweigert hat.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn aus der fehlerhaften Behandlung vom November 2012 ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 400.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 21.06.2016,

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm sämtliche künftigen unvorhersehbaren immateriellen sowie alle vergangenen und künftigen materiellen Schäden, die ihm infolge der fehlerhaften Behandlung vom November 2012 entstanden sind bzw. noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden,

3. die Beklagte zu 1. zu verpflichten, Namen und ladungsfähige Anschriften derjenigen Personen zu benennen, die den Kläger im Hause der Beklagten zu 1. behandelt haben, unter Benennung der Funktion.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behauptent, dass der Bewertung der Schlichtungsstelle eine ex post-Betrachtung zugrunde liege. Aus der richterweise vorzunehmenden ex ante-Betrachtung stelle es keinen Behandlungsfehler dar, von einer akuten Gastroenteritis und nicht von einem mechanischen Ileus ausgegangen zu sein. Bei den neurologischen Komplikationen handele es sich um einen schicksalhaften Verlauf, der nicht beeinflussbar gewesen sei. Zudem müsse die weitere Behandlung im Klinikum M. Berücksichtigung finden. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass ein CT-Abdomen die Diagnose frühzeitig gesichert hätte.

Die Schmerzensgeldforderung sei übersetzt; es seien allenfalls 150.000,- € denkbar. Der Gesundheitszustand des Klägers habe sich seit der letzten Untersuchung am 02.11.2015 gebessert. Artikulationsstörungen und eine spastische Tetraparese mit geringer Tonuserhöhung an Armen und Beinen würden nicht mehr vorliegen. Auch sei eine Störung der Bewegungskoordination nicht mehr gegeben. Ein psychisches Leiden wird bestritten.

Hinsichtlich der Feststellungsklage fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis, da Ansprüche für die Vergangenheit längst hätten beziffert werden können. Die Ausführungen zum hypothetischen Verdienstausfallschaden werden bestritten.

Die begehrten Auskünfte seien bereits erteilt worden.

Entscheidungsgründe

Die Klage gegen die Beklagten als Gesamtschuldner wegen der Behandlung im Klinikum der Beklagten zu 1. ab dem 6.11.2012 ist zulässig, jedoch nur zum Teil begründet.

A.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld gegenüber den Beklagten als Gesamtschuldner aus §§ 611, 630a, 280 Abs. 1 bzw. 823 Abs. 1 BGB in Höhe von 100.000,00 €.

I. Behandlungsvertrag

Zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1. bestand ein Behandlungsvertrag in Form eines totalen Krankenhausvertrages ab der stationären Aufnahme vom 6.11.2012. Bei den Beklagten zu 2. bis 4. handelt es um bei der Beklagten zu 1. beschäftigte Ärzte, die den Kläger im Rahmen seines stationären Aufenthaltes behandelt haben.

II. Behandlungsfehler

Der Kläger hat bewiesen, dass die Beklagten am 7.11.2012 behandlungsfehlerhaft die Erhebung weiterer Befunde hinsichtlich des Abdomens unterlassen und am Morgen des 9.11.2012 trotz des sonografisch und radiologisch zu erkennenden Ileus behandlungsfehlerhaft keine Verlegung zur chirurgischen Notintervention veranlasst haben. Im Einzelnen:

1. Kein Behandlungsfehler am ersten Behandlungstag

Für den ersten Behandlungstag (6.11.2012 bis zum Morgen des 7.11.2012) hat der Kläger das Vorliegen eines Behandlungsfehlers nicht bewiesen. So hat der Sachverständige Dr. Gr. ausgeführt, dass sich laborchemisch zwar eine bedrohliche Situation ergeben habe, die retrospektiv die Aufnahme auf die Intensivstation gerechtfertigt hätte. So sei im Zeitpunkt der Aufnahme von einer schwersten Exsikkose (Austrocknung) mit einem akuten Nierenversagen auszugehen gewesen. Allerdings sei der Kläger als bis dahin gesunder junger Mensch in gutem körperlichem Zustand aufgenommen worden, was zu einer Verkennung der bereits zu diesem Zeitpunkt bedrohlichen Situation geführt haben dürfte. Vor diesem Hintergrund sei es noch nicht als fehlerhaft zu werten, dass seitens der Beklagten im Moment der Aufnahme noch nicht an ein schweres gastrointestinales Krankheitsbild im Sinne eines Ileus gedacht worden sei, obwohl der Aufnahmebefund mit dem schwerstderangierten Labor und der in der Sonografie nachgewiesenen gastrointestinales Retention zusammen mit der Laparotomienarbe diese Gedanken nahegelegt hätten. Zusammenfassend hat der Sachverständige ausgeführt, „dass die im Moment der Aufnahme des Patienten erhobenen Befunde aufgrund der Anamnese (…) und des wenig beeinträchtigten Allgemeinzustandes des Patienten die Diagnose einer Gastroenteritis wahrscheinlich erscheinen ließen.“ Vor diesem Hintergrund sei die durchgeführte erweiterte Diagnostik und Therapie entsprechend der Verdachtsdiagnose Gastroenteritis jedenfalls am Tag der Aufnahme bis zum Morgen des 7.11.2012 nicht zu beanstanden gewesen.

2. Behandlungsfehler am zweiten Behandlungstag

Ein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen der Beklagten hat der Kläger jedoch für den zweiten Behandlungstag (7.11.2012 bis zum Morgen des 8.11.2012) bewiesen. So sei den Angaben des Sachverständigen zufolge zwar am frühen Morgen des 7.11.2012 medizinisch korrekt und sorgfältig eine Anurie und damit ein akutes Nierenversagen diagnostiziert worden. Entsprechend folgerichtig sei der Kläger auch auf die Intensivstation aufgenommen und zur Dialyse vorbereitet worden. Allerdings hätten – so der Sachverständige – die Laborwerte auf eine dramatische Entzündungsreaktion hingedeutet. Es habe daher kein Anhaltspunkt dafür bestanden, dass das Nierenversagen oder die unterliegende Entzündungsreaktion beherrscht waren. Durch die weitere Behandlung des Klägers mit Flüssigkeitszufuhr habe sich weder die Diurese noch der klinische Zustand des Patienten verbessert, sodass eine systematische Reevaluation des Krankheitsbildes mit körperlicher Untersuchung, Abdomensonografie, Röntgen-Abdomen und gegebenenfalls CT des Abdomens wegen der fehlenden Besserung notwendig gewesen wäre. Die um 15:16 Uhr durchgeführte Sonografie könne dabei nicht als Teil einer Reevaluation gewertet werden, da diese der Dokumentation zufolge zum Ausschluss einer Harnabflussstörung durchgeführt worden sei und nicht der abdominellen Reevaluation gedient habe. Auch in der mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige ergänzend ausgeführt, dass spätestens am Morgen des 7. November 2012 eine regelmäßigere Evaluierung des Bauches hätte erfolgen müssen.

Auch die zur weiteren Differenzialdiagnose durchgeführte Hantaserologie spreche dafür, dass der Krankheitsverlauf von den Beklagten als ungewöhnlich wahrgenommen worden ist. So stelle das Hantavirus eine virale Infektionserkrankung dar, die durchaus mit Abdominalschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall sowie einem akuten Nierenversagen einhergehen kann, sodass die Diagnostik als grundsätzlich sachbezogen und hilfreich zu bezeichnen sei. Da mit einem Ergebnis wegen des erforderlichen Versandes der Probe in ein Fremdlabor erst mit Verzögerung zu rechnen sei, hätte gleichwohl eine weitere konsequente Abklärung weiterer möglicher Krankheitsursachen angestrebt werden müssen. Der Gutachter bezeichnet dies als fehlerhaft, aber noch verständlich, da die erhobenen Befunde weiterhin zweideutig gewesen seien, der Zustand des körperlich fitten Patienten jedoch stabil blieb und auch die Ausgangsthese (Gastroenteritis) noch nicht sicher zu verwerfen gewesen sei. Allerdings hätte – so der Sachverständige - zu diesem Zeitpunkt bereits auffallen sollen, dass bei einer banalen Gastroenteritis, die durch die Dehydratation das Nierenversagen triggert, aufgrund der mittlerweile ausreichenden vaskulären Füllung die Nieren bereits wieder hätten Flüssigkeit ausscheiden müssen. Dem Sachverständigen zufolge hätte bereits am 2. Behandlungstag eine invasive Messung des Volumenstatus erfolgen sollen.

Damit steht bereits für den 2. Behandlungstag ein standardunterschreitendes Verhalten der Beklagten fest.

3. Behandlungsfehler am dritten Behandlungstag

Auch für den 3. Behandlungstag hat der Kläger das Vorliegen eines Behandlungsfehlers nachgewiesen. Denn obwohl – den Ausführungen des Sachverständigen zufolge – bereits am 7.11.2012 eine gute intravasale Füllung nachgewiesen worden sei und sich das Blutbild und das Gesamteiweiß normalisiert hätten, sei am 3. Behandlungstag (8.11.2012 bis zum Morgen des 9.11.2012) eine weitere Rehydratationstherapie durchgeführt worden, was nicht mehr zielführend erschienen sei. Auch hier vermisst der Sachverständige weiterhin eine differenzialdiagnostisch durchgeführte systematische Reevaluation des Abdomens. Zudem sei in der Kurve am 8.11.2012 nicht ein einziger Stuhlgang oder ein Erbrechen dokumentiert. Selbst bei schwersten dehydratisierenden Durchfallformen wie Cholera wäre aber davon auszugehen gewesen, dass die durchgeführte Rehydratation zu einer Verbesserung der Nierenfunktion führt. Schließlich erkläre sich der Flüssigkeitsverlust über die Ausscheidung, die vorliegend aber nicht stattgefunden habe. Der Sachverständige bewertet es als fehlerhaft, dass diese Überlegungen nicht zu einer erneuten Abklärung geführt haben, sondern stur am festgelegten Konzept festgehalten wurde und bezeichnet dies als „Betriebsblindheit“.

Da die Rehydratationstherapie nun fast 60 Stunden durchgeführt worden sei, ohne dass sich eine relevante klinische Besserung eingestellt hatte, sei es dann in den Morgenstunden des 9.11.2012 zur Eskalation gekommen, bei der sich der Allgemeinzustand des Klägers rapide verschlechtert habe. Erst jetzt seien zielgerichtete diagnostische Maßnahmen eingeleitet worden, die neben einer schweren Überwässerung das Vollbild eines Ileus gezeigt hätten. Den Ausführungen des Sachverständigen zufolge sei auch am 8.11.2012 behandlungsfehlerhaft eine bisher nicht befriedigend erfolgreiche Therapie fortgeführt worden, ohne dass die Diagnose erneut kritisch hinterfragt wurde.

4. Behandlungsfehler am vierten Behandlungstag

Schließlich hat der Kläger auch für den 4. Behandlungstag einen Behandlungsfehler der Beklagten bewiesen. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass in den frühen Morgenstunden des 9.11.2012 für den diensthabenden Stationsarzt und auch objektiv mit einem entsprechenden Röntgenbild und einer entsprechenden Sonografie das Vollbild eines Ileus diagnostiziert worden sei. Hierfür habe keine Gastroenteritis mehr verantwortlich sein können, sodass alle weiteren Maßnahmen rational nicht mehr nachvollziehbar seien. Der weitere konservative Therapieversuch sei daher von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen und erweise sich ohne interdisziplinäre Diskussion und Übereinkunft mit einem operativ tätigen chirurgischen Partner als behandlungsfehlerhaft. Dies habe sich dann auch in den Folgestunden klinisch gezeigt, weswegen eine Notfallverlegung mit einer akuten Peritonitis habe erfolgen müssen. Die über einen Zeitraum von weiteren 12 Stunden durchgeführten Maßnahmen erscheinen dem Sachverständigen zufolge sinnlos und hätten die Situation weiter verschlechtert. Allein eine frühzeitige chirurgische Intervention wäre geeignet gewesen, den Zustand zu bessern, so der Sachverständige Dr. Gr..

5. Bewertung der Ausführungen des Sachverständigen

Die Kammer hat sich den detailreichen, schlüssigen und nachvollziehbaren Angaben des Sachverständigen nach eigener kritischer Würdigung angeschlossen. Soweit die Beklagten mit Schriftsatz vom 30.8.2018 (Blatt 213 der Akte) eingewendet haben, der Sachverständige habe in keiner Weise berücksichtigt, dass mit der Beklagten zu 4. eine in der Chirurgie ausgebildete und den Facharztstandard innehabende Ärztin an der Untersuchung des Klägers beteiligt gewesen sei, ändert dies nichts an dieser Bewertung. Nach den in der mündlichen Verhandlung getroffenen Feststellungen wäre es nämlich nicht die Beklagte zu 4. gewesen, die die Operation hätte durchführen sollen, da in der Klinik der Beklagten zu 1. überhaupt nicht die Möglichkeit zur Operation bestanden hat. Den insoweit nachvollziehbaren und ausführlichen Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung zufolge müsse die Frage der Durchführung einer Operation auch mit dem Operateur besprochen werden, der die Operation in der Folge auch tatsächlich ausführt.

III. Kausalität

Der Kläger trägt nicht nur die Beweislast für das Vorliegen eines Behandlungsfehlers der Beklagten, sondern er muss auch nachweisen, dass die von ihm beklagten gesundheitlichen Folgen auf diesem Behandlungsfehler beruhen. Dabei kommt dem Kläger vorliegend jedoch die Beweiserleichterung des § 630h Abs. 5 BGB zugute, soweit es das behandlungsfehlerhafte Vorgehen der Beklagten am vierten Behandlungstag, also ab dem frühen Morgen des 9.11.2012 betrifft. So hat der Kläger nachgewiesen, dass es sich bei der Fortführung der konservativen Therapie nach Diagnosestellung des Ileus anstatt einer unmittelbaren Verlegung in eine chirurgische Klinik um einen Fehler handelt, der als eindeutiger, fundamentaler Verstoß gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse anzusehen ist, der nach den Umständen des konkreten Falls aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint und einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (sog. grober Behandlungsfehler). Dazu hat der Sachverständige Gr. im Rahmen seines schriftlichen Gutachtens vom 26.05.2017 ausgeführt, dass die Grenze zum grob Fehlerhaften überschritten worden sei, als nach Diagnosestellung des Ileus nicht unmittelbar eine Verlegung in eine geeignete chirurgische Klinik erfolgte. Die hiernach getroffenen Maßnahmen seien rational nicht mehr nachvollziehbar gewesen. In diesem Zusammenhang erweise sich die Fortführung der konservativen Therapie als Verstoß gegen allgemein akzeptierte medizinische Grundsätze. So hätte der am Morgen des 9. November diagnostizierte massive Ileus zwingend unmittelbar chirurgisch mitbeurteilt werden müssen. Vor diesem Hintergrund stelle sich die weitere Verzögerung einer chirurgischen Vorstellung um weitere 12 Stunden als eindeutiger Verstoß gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln dar (grober Behandlungsfehler).

Nachdem jedoch ab dem Morgen des 9. November 2012 ein grober Behandlungsfehler feststeht, war lediglich zu fragen, ob der Fehler grundsätzlich geeignet ist, die von ihm beklagten Folgen und Schäden, im Sinne der sog. Primärschäden, herbeizuführen.

1. Primärschäden

a) Als sog. Primärschäden sind vorliegend zunächst ohne weiteres die Durchwanderungsperitonitis, der septische Schock, und das abdominelle Kompartmentsysndrom mit den daraus resultierenden Revisionsoperationen zu bezeichnen. Der sog. Primärschaden, also die geltend gemachte Körperverletzung für die der Behandlungsfehler ursächlich im Sinne der haftungsbegründenden Kausalität sein muss, ist in der durch den Behandlungsfehler herbeigeführten gesundheitlichen Befindlichkeit des Patienten in ihrer konkreten Ausprägung zu sehen (Urteil des BGH vom 12.02.2008, VI ZR 221/06, zitiert nach juris, Rn. 10; Urteil des BGH vom 21.07.1998, VI ZR 15/98, zitiert nach juris, Rn. 11). D.h. im vorliegenden Fall ist der Primärschaden die gesundheitliche Befindlichkeit des Klägers, die dadurch entstanden ist, dass nicht allerspätestens nach Stellung der Diagnose eines Ileus in den frühen Morgenstunden des 9.11.2012 eine chirurgische Mitbeurteilung und Verlegung in eine geeignete chirurgische Klinik sowie die notwendige chirurgische Intervention erfolgte. Zu diesem sich weiter verschlechternden konkreten körperlichen Zustand des Klägers nach der Diagnosestellung am 9.11.2012 gehört nicht nur die Schwere der sich im folgenden entwickelnden Komplikationen, sondern auch das Bestehen der Erforderlichkeit der Revisionsoperationen. Selbst wenn man das Bestehen der Erforderlichkeit einer Revisionsoperation nicht als Primärschaden klassifizieren wollte, käme dem Kläger dennoch auch insoweit eine Beweislastumkehr zugute, weil der Sachverständige Dr. Gr. ausgeführt hat, dass bei einem Darmverschluss eine Verzögerung der Therapie wie in diesem Fall um 12 Stunden (oder sogar länger) die Wahrscheinlichkeit für Komplikationen und schlechte Verläufe in so erheblichem Ausmaß erhöht, dass davon auszugehen ist, dass der Behandlungsfehler als der wesentliche ursächliche Faktor für den weiteren unbefriedigenden klinischen Verlauf gesehen werden muss.

Hiernach steht die grundsätzliche Geeignetheit der unterlassenen chirurgischen Mitbeurteilung nach Diagnose des Ileus und Verzögerung der weiteren Behandlung um mindestens 12 Stunden für die beim Kläger eingetretenen Primärschäden fest. Auch diese Angaben des Sachverständigen Dr. Gr. sind für die Kammer unmittelbar nachvollziehbar und einleuchtend. Sie hat sich deshalb diesen Erwägungen angeschlossen.

b) Als weiterer Primärschaden ist auch die Hirnstammläsion in Form einer pontinen Myelinolyse anzusehen. Die Verzögerung der Behandlung ist nämlich auch grundsätzlich geeignet, die pontine Myelinolyse – die nach den Ausführungen des Sachverständigen Professor Dr. Fo. radiologisch nachgewiesen ist – herbeizuführen. Hierzu hat der Sachverständige Professor Dr. Fo. ausgeführt, dass derartige Hirnstammläsionen zwar sehr selten aufträten und in den meisten Fällen auf Probleme beim Natriumstoffwechsel in Form einer Hyponatriämie zurückzuführen seien. Allerdings seien aus der Literatur auch Fälle bekannt, bei denen ein zu hoher Natriumspiegel im Blut (Hypernatriämie) oder eine schwere Nierenfunktionsstörung Ursache der Hirnstammläsion gewesen seien. Vor diesem Hintergrund sei er sich sicher, dass das Gesamtgeschehen in Form des Nierenversagens infolge eines Ileus letztendlich zu dieser Hirnstammläsion geführt habe. Dabei falle auch ins Gewicht, dass in der Klinik der Beklagten dem Kläger in erheblichem Umfang Flüssigkeit zugeführt worden sei, weshalb nicht ausgeschlossen werden könne, dass zu Zeiten, in denen gerade kein Labor entnommen wurde, doch eine Hypernatriämie vorgelegen habe. Im Ergebnis sei der grobe Behandlungsfehler damit grundsätzlich geeignet, das Entstehen der Hirnstammläsion herbeizuführen. Im Jahre 2012 sei diese hochgradig patholgische und bedrohliche Hirnstammschädigung auch mit einer Tetraparese und schwersten Beeinträchtigungen des Klägers einhergegangen. Allerdings hätten sich die Folgen dieser Hirnstammschädigung im Zeitpunkt der Untersuchung des Klägers durch den Sachverständigen Professor Dr. Fo. als weniger stark ausgeprägt dargestellt. So seien heute nur noch minimale Restbeschwerden der Tetraparese erkennbar und auch im neurologischen Befund habe sich nur eine diskrete, allenfalls fragliche Schwäche im Bereich der unteren Extremität gefunden. Ebenso habe sich ein erschöpflicher Fußklonus mittlerweile ohne pathologischen Reflexe gezeigt. Demgegenüber hätten sich für den Sachverständigen Professor Dr. Fo. im Zeitpunkt der Untersuchung keine Hinweise für das Vorliegen von Koordinationsstörungen ergeben. Auch die seitens des Klägers beschriebenen Gleichgewichtsstörungen seien nur noch in minimaler Form objektivierbar gewesen. Dabei ließe sich allerdings nicht ausschließen, dass sich unter besonderen äußeren Umständen (zum Beispiel in der Dunkelheit) die Gleichgewichtsstörungen verstärken könnten. Ferner bestünden noch minimale, für den medizinischen Laien kaum erkennbare Sprach- bzw. Sprechstörungen im Sinne einer allenfalls sehr diskreten Dysarthrie und nur leicht- bis mäßiggradige Einschränkungen der Konzentration. Auch eine irgendwie geartete psychoreaktive Störung des Klägers hat der Sachverständige Professor Dr. Fo. nicht feststellen können.

c) Eine Beweislastumkehr kommt dem Kläger jedoch erst für die auf dem zuvor genannten groben Behandlungsfehler in Form der ausbleibenden Reaktion auf die Diagnose des Ileus beruhenden Folgen zu Gute. Eine Beweislastumkehr zu einem früheren Zeitpunkt (2. oder 3. Behandlungstag) kommt demgegenüber weder unter dem Gesichtspunkt eines groben Behandlungsfehlers noch eines einfachen Befunderhebungsfehlers in Betracht. Einen groben Behandlungsfehler vermag die Kammer insoweit den oben wiedergegebenen Ausführungen des Sachverständigen Dr. Gr. nicht zu entnehmen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Gr. liegen bis zur Diagnose des Ileus am frühen Morgen des 9.11.2012 „nur“ einfache Behandlungsfehler vor. Im Hinblick auf die Frage des Vorliegens eines einfachen Befunderhebungsfehlers war für den Sachverständigen nicht sicher feststellbar, dass sich bei früherer Untersuchung des Abdomens mit mehr als 50%iger Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiges Ergebnis ergeben hätte. So könne nicht sicher beantwortet werden, ob bei Durchführung der am zweiten Behandlungstag gebotenen weiteren Untersuchung das Vorliegen eines Ileus hätte festgestellt werden können. Auch sei nicht mit mehr als 50 %iger Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass entsprechende weitere Diagnostik vor dem Morgen des 9. November bereits das Vollbild eines Ileus gezeigt hätte. In diesem Zusammenhang hat der Sachverständige weiter darauf hingewiesen, dass auch bei einer früheren Diagnose des Ileus eine Notoperation dennoch hätte durchgeführt werden müssen, wenngleich die Verzögerung von weiteren 12 Stunden vorliegend zu einer Durchwanderungsperitonitis und damit zu einer Verschlimmerung des Verlaufs geführt habe. Dem weiteren Behandlungsfehler in Form des Unterlassens einer systematischen Reevalution des Abdomens, der als Befunderhebungsfehlers zu klassifizieren ist, kommt daher keine eigenständige Bedeutung für die angenommenen Folgen zu.

d) Den Gegenbeweis, dass es auch bei einer sofortigen chirurgischen Intervention in den frühen Morgenstunden des 9.11.2012 zu den schweren Komplikationen gekommen wäre, haben die Beklagten nicht zu führen vermocht. Allein der Umstand, dass der Sachverständige Professor Dr. Fo. angegeben hat, die Hirnstammläsion hätte sich bei dem Kläger auch entwickeln können, wenn schon am Morgen des 7. November 2012 nach Erforderlichkeit der intensivmedizinischen Behandlung ein Ileus diagnostiziert und noch am selben Tage eine Operation durchgeführt worden wäre, genügt nicht, um die grundsätzliche Geeignetheit des Behandlungsfehlers zur Herbeiführung auch der Hirnstammläsion zu verneinen. Denn der Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass der Zeitfaktor, also die Dauer der Elektrolytstörung die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer pontinen Myelinolyse erhöhe, wenngleich sich dieser Zeitfaktor nicht näher dahin eingrenzen lasse, ob dies bereits bei einer Dauer von 8 Stunden oder erst bei längeren Zeiträumen der Fall sei. Damit war allein die Aufrechterhaltung der Nierenfunktionsstörung um weitere 12 Stunden ab dem Morgen des 9. November grundsätzlich geeignet, das Auftreten der pontinen Myelinolyse zu begünstigen.

2. Sekundärschäden

Die Beweiserleichterung des § 630h Abs. 5 ZPO kommt dem Kläger – wie bereits dargelegt – jedoch nur für die Primärschäden, nicht jedoch für die Sekundärschäden zugute. Hierzu zählt zunächst die Behauptung des Klägers, dass er sein Studium der Wirtschaftsinformatik nicht habe beenden können und nunmehr arbeitssuchend ist. Ungeachtet dessen hat der Kläger den erforderlichen Nachweis des Schadenseintritts schon nicht erbracht, denn er hat inzwischen unstreitig sein Studium im Juli 2014 beendet und konnte mittlerweile einen akademischen Arbeitsplatz an der Hochschule Köln in reduzierter Form mit 20 Stunden pro Woche annehmen. In diesem Rahmen ist er auch zumindest eingeschränkt in der Lage, Tätigkeiten mit Anforderungen an das Sprechvermögen oder mit dauerhaftem Publikums- und Kundenverkehr auszuüben. Dabei seien ihm aber vermehrte Pausen zuzubilligen.

Allerdings konnte der Kläger durch die Feststellungen des Sachverständigen Professor Dr. Fo. nachweisen, dass er aus medizinischen Gründen keine überwiegend stehenden oder gehenden Tätigkeiten ausüben sollte. Gleiches gilt für Tätigkeiten, die eine besondere Anforderung an das Gang- und Standvermögen voraussetzen und die auf Treppen, Leitern und Gerüsten auszuüben sind. Zudem sollte er keine Tätigkeiten ausüben, die unter Erschütterung und Vibration sowie der Rumpfbeuge heraus entstehen.

Deutlich herauszustellen ist jedoch, dass die fortbestehenden körperlichen Beeinträchtigungen bei dem Kläger durchaus erheblich sind. Der Sachverständige kann zwar einen funktionell fassbaren Haushaltsführungsschaden des Klägers nicht erkennen, schätzt dessen Minderung der Erwerbsfähigkeit aber gleichwohl auf einen Grad von 40 %. Glücklicherweise sei von einer Verschlechterung des Zustandsbildes nicht auszugehen, da sich die ursprüngliche hoch dramatische Hirnstammsymptomatik in weiten Teilen zurückgebildet habe. Es blieben aber objektive Restbeschwerden, die durchaus funktionell bedeutsam seien.

Auch die Ausführungen des Sachverständigen Professor Dr. Fo. waren von großem Detailreichtum, in sich schlüssig und plausibel sowie stets nachvollziehbar. Die Kammer hat sich den Angaben des Sachverständigen nach eigener kritischer Würdigung angeschlossen. Sie stimmen mit dem persönlichen Eindruck der Kammer, den diese im Rahmen der mehrstündigen Verhandlung von dem Kläger gewonnen hat, überein.

IV. Schmerzensgeld

Danach steht dem Kläger der im Rahmen dieses Urteils zuerkannte Betrag zu.

a) Ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000,00 € ist angemessen, aber auch ausreichend, um dem Kläger einen Ausgleich für das Erleiden einer Durchwanderungsperitonitis, eines septischen Schocks, eines abdominellen Kompartmentsysndroms mit den nachfolgenden Revisionsoperationen und der aus dem Behandlungsfehler ebenfalls resultierenden Hirnstammläsion in Form einer pontinen Myelinolyse zu bieten. Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass diese Umstände durch einen als grob zu qualifizierenden Behandlungsfehler seitens der Beklagten eingetreten sind. Andererseits fiel aber auch ins Gewicht, dass sich nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Fo. die beim Kläger verbliebenen Folgen glücklicherweise weitgehend zurückgebildet haben, so dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit gegenwärtig bei 40% liegt und keine Verschlechterung des Zustandes zu erwarten ist.

Unter Zugrundelegung dieser Umstände war dem Kläger ein Schmerzensgeld von 100.000,00 € nach der Heranziehung vergleichbarer Rechtsprechung zuzubilligen. Insoweit ist auf folgende Entscheidungen Bezug zu nehmen, die jeweils in dem Werk Schmerzensgeldbeträge von Hacks/Wellner/Häcker, veröffentlicht sind: Urteil des OLG Hamm vom 21.11.2014, 26 U 80/13, laufende Nr. 36.1105 (90.000,00 €), Urteil des LG Ravensburg vom 22.11.2007, 3 O 312/05, laufende Nr. 36.1106 (150.000,00 €), Urteil des OLG Schleswig-Holstein vom 27.2.1992, 7 U 57/90, laufende Nr. 32.1587 (ca. 93.450,00 € nach Indexanpassung und Herausrechnung des 20-prozentigen Mitverschuldens), Urteil des KG Berlin vom 24.1.1994, 12 Uhr 50/92, laufende Nr. 36.2111 (ca. 139.565,00 € nach Indexanpassung), Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 7.2.2001, 2 O 205/99, laufende Nr. 36.2928 (ca. 156.789,00 € nach Indexanpassung).

Insoweit war zu berücksichtigen, dass den Entscheidungen des LG Ravensburg, des KG Berlin und LG Hildesheim durchaus Sachverhalte mit wesentlich schwerwiegenderen Verletzungen bzw. Folgen zugrunde lagen. Bei den Entscheidungen des KG Berlin und LG Hildesheim handelte es sich um schwere Schädelhirntraumata, die zu einer MdE von 90 bzw. 100 % und dem dauerhaften Angewiesensein auf die Hilfe Dritter geführt hatten, in dem einen Fall wegen völliger Blindheit des rechten Auges, Funktionsstörungen im Bereich der akustischen Merkfähigkeit in Differenzierungsfähigkeit mit Erforderlichkeit psychotherapeutischer Behandlung und Epilepsierisiko, in dem anderen Fall wegen Minderung der Gebrauchsfähigkeit des linken Armes, starker Einschränkung des Gesichtsfeldes sowie mittel- bis schwergradiger Verhaltens- und Persönlichkeitsveränderungen mit massiven Zeitgitterstörungen und deutlichen Beeinträchtigung des Kurz- und Langzeitgedächtnisses. Es liegt auf der Hand, dass diese Folgen schwerwiegender sind als die nach dem Sachverständigengutachten des Professor Dr. Fo. beim Kläger festgestellten Langzeitfolgen.

Aber auch die wegen Betroffenheit des Darmes vom Sachverhalt her passende Entscheidung des LG Ravensburg lagen schwerwiegendere Folgeschäden zugrunde nämlich das immer Wiederauftreten von Durchfällen, Schmerzen, Subileuszuständen sowie physischen und psychischen Beeinträchtigungen. Zudem waren dort umfangreiche Dünn- und Dickdarmteile im Rahmen von Folgeeingriffen zu entfernen. Die Geschädigte war für die Zukunft auf besondere und einschränkende Nahrungsaufnahme und künstliche Vitaminzufuhr angewiesen.

Die Entscheidung des OLG Hamm schien vom Sachverhalt her vergleichbar, die Folgen mit dauerhafter Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit waren schwerwiegender, die initialen Verletzungen und Folgen gegenüber der hier vorliegenden Durchwanderungsperitonitis und Kompartmentsyndrom des Abdomens jedoch weniger gravierender.

Die Entscheidung des OLG Schleswig-Holstein erscheint im Hinblick auf die Folgen im Ansatz vergleichbar, wobei diese in der genannten Entscheidung jedoch graduell schwerwiegender waren (latente linksseitige Halbseitenlähmung, ataktische, linksseitige Bewegungsstörungen, Hirnleistungsschwäche in Form von ausgeprägten Werkzeugstörungen, MdE 60 %). Es war jedoch zu berücksichtigen, dass die Entscheidung über 25 Jahre alt ist und deswegen auch eine Anpassung des Schmerzensgeldes über die reine Indexanassung nach oben vorzunehmen war.

V. Feststellung

Der Feststellungsantrag des Klägers ist ebenfalls zulässig und begründet. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Professor Dr. Fo. besteht bei dem Kläger ein Dauerschaden, der mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 % einhergeht. Der hiermit verbundene Verdienstausfallschaden kann gegenwärtig vom Kläger noch nicht abschließend in vollem Umfang beziffert werden.

Auch wenn der Sachverständige Professor Dr. Fo. angegeben hat, dass eine weitere Verschlechterung des neurologischen Zustandes der Zeit nicht zu befürchten ist, besteht bei derartig schweren Verletzungen, die nicht folgenlos ausgeheilt sind, immer die Gefahr, dass sich weitere heute nicht absehbare Folgen und Beeinträchtigungen einstellen, die auch für den immateriellen Bereich von Bedeutung sind.

VI. Auskunftsanspruch

Die Beklagte zu 1. ist auch verpflichtet, dem Kläger die Namen, die Funktion und die ladungsfähigen Anschriften derjenigen Personen zu benennen, die den Kläger im Hause der Beklagten behandelt haben. Der Kläger hat einen Auskunftsanspruch auch schlüssig dargelegt. Es ist in der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass ein Patient gemäß § 242 BGB vom Krankenhausträger grundsätzlich Auskunft über die Namen und die ladungsfähige Anschrift der ihn behandelnden Ärzte verlangen kann (BGH, NJW 2015, 1525 [BGH 20.01.2015 - VI ZR 137/14], vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 15.8.2018 - 5 W 18/18 zit. nach juris). Voraussetzung hierfür ist, dass der auskunftsberechtigte sich die zur Durchsetzung seines Anspruchs notwendigen Auskünfte nicht in zumutbarer Weise selbst beschaffen kann. Der Kläger hat schlüssig dargelegt, dass er durch Schreiben vom 23.9.2016, 6.10.2016, 10.10.2016, 31.10.2016 und 30.11.2016 die entsprechenden Auskünfte verlangt hat. Gleichwohl hat die Beklagte zu 1. die Namen und ladungsfähigen Anschriften der den Kläger behandelnden Ärzte und sonstigen Bediensteten nicht vollständig mitgeteilt. Ferner hat der Kläger schlüssig dargelegt, dass er den Behandlungsunterlagen, bzw. dem Arztbericht vom 9.11.2012 lediglich 3 Namen (nämlich die der Beklagten zu 2.-4.) habe entnehmen können. Mit Blick auf die umfangreichen Behandlungen des Klägers erscheint es jedoch lebensfremd, wenn man annehmen wollte, dass diese Aufzählung bereits abschließend sei.

B.

I. Zinsen

Die Zinsen auf die Hauptforderung stehen dem Kläger gemäß §§ 286, 288 BGB seit Eintritt des Verzuges, mithin nach Ablauf der Fristsetzung gegenüber der Beklagten zu 1. seit dem 21.06.2016 zu. Insoweit kommt aufgrund der gesamtschuldnerischen Haftung der Beklagten nur dieser gegenüber der Beklagten zu 1. begründete Verzugszeitpunkt in Betracht.

II. Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit

Die Nebenentscheidung über die Kosten folgt aus §§ 91, 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1, Satz 2 ZPO.

III. Streitwert

Für die Festsetzung des Streitwertes hat die Kammer den Antrag zu 1.) mit dem mindestens begehrten Schmerzensgeld von 400.000,00 € bewertet, den Antrag zu 2.) entsprechend den Angaben des Klägers in der Klage mit 300.000,00 € und den Antrag zu 3.) mit 10.000,00 €.