Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 23.02.2006, Az.: 1 A 122/05

Arznei; Arzneimittel; Arzneimittelrichtlinie; Aufwendungen; Beihilfe; Beihilfefähigkeit; Beihilfevorschrift; Chelidonium; Erkrankung; Erstattungsfähigkeit; Homöopathie; Krankheitsbeihilfe; Medikament; Milgamma; Pfarrer; Polyneuropathie; schwere Erkrankung; Standardtherapeutika; Thioctacid; Verschreibungspflicht; Vorverfahren; Wiedereinsetzung; Übergangszeit

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
23.02.2006
Aktenzeichen
1 A 122/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 53226
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Der Kläger ist Pfarrer im Ruhestand und begehrt die Erstattung von Aufwendungen für Medikamente, die ihm und seiner Ehefrau ärztlich verordnet worden sind.

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Er beantragte am 22. November 2004 eine Beihilfe u. a. für die ihm am 20. Oktober 2004 verordneten und am 22. Oktober 2004 gekauften Arzneimittel „Milgamma“ und „Thioctacid 600“ in Höhe von insgesamt 144,50 EUR sowie für das seiner Ehefrau verordnete und am 23. September 2004 gekaufte Arzneimittel „Chelidonium“ in Höhe von 6,15 EUR. Mit Bescheid Nr. 52 vom 13. Dezember 2004 gewährte die Norddeutsche Kirchliche Versorgungskasse für Pfarrer und Kirchenbeamte (nachfolgend NKVK) - Beihilfeabteilung - eine Beihilfe in Höhe von 441,69 EUR, lehnt jedoch die Erstattung dieser Aufwendungen mit der Begründung ab, die Pharmazentralnummer der Arzneimittel bei den eingereichten Rezepten sei nicht angegeben. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und reichte nunmehr für das Rezept betreffend die Arzneimittel „Milgamma“ und Thioctacid 600“ mit den entsprechenden Pharmazentralnummern ein. Gleichzeitig legte der Kläger ein Rezept vom 11. Januar 2005 betreffend diese Medikamente vor mit dem Hinweis, dass die auf diesem Rezept von dem Arzt vermerkte Diagnose „Distalsymmetrische Polyneuropathie, unter Therapie nicht progredient“ auch dem Rezept vom 20. Oktober 2004 zugrunde liege. Daraufhin setzte die NKVK die beihilfefähigen Aufwendungen mit Bescheid Nr. 53 vom 19. Januar 2005 erneut fest, konnte jedoch die bereits zuvor nicht anerkannten Aufwendungen wiederum nicht als beihilfefähig anerkennen. Bei den Arzneimitteln „Milgamma“ und „Thioctacid 600“ handele es sich um nicht verschreibungspflichtige und damit nicht beihilfefähige Medikamente. Hinsichtlich des Arzneimittels „Chelidonium“ fehle nach wie vor die Angabe der Pharmazentralnummer.

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Der Kläger hielt seinen Widerspruch unter Vorlage des Rezeptes für seine Ehefrau nunmehr mit der zum Medikament „Chelidonium“ gehörenden Pharmazentralnummer aufrecht und führte ergänzend aus, dass es sich bei den ihm verordneten Arzneimitteln um das „Mittel der Wahl“ handele und es nichts vergleichbares gebe. Die Infusionstherapie mit diesen Medikamenten sei durchaus bekannt. Das Medikament für seine Ehefrau habe ihr homöopathischer Arzt wegen der PCP-Belastung verordnet.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 2005, zugestellt am 6. April 2004, wies die Beklagten den Widerspruch im Wesentlichen mit der Begründung zurück, dass es sich bei den verordneten Arzneimitteln nicht um verschreibungspflichtige Arzneimittel handele, so dass Aufwendungen für solche Arzneimittel nach den anwendbaren Beihilfevorschriften des Bundes grundsätzlich nicht beihilfefähig seien. Bei der Erkrankung des Klägers handele es sich weder um eine schwerwiegende Erkrankung im Sinne der Arzneimittelrichtlinien noch seien die dem Kläger verordneten Arzneimittel Standardtherapeutika zur Behandlung solcher Erkrankungen, so dass Aufwendungen hierfür auch nicht ausnahmsweise als beihilfefähig anzuerkennen seien. Insbesondere komme eine Auslegung der für den Kläger gestellten Diagnose als schwerwiegender Vitaminmangel nicht in Betracht, da hierfür andere Standardtherapeutika vorgesehen seien. In Bezug auf das der Ehefrau des Klägers verordneten Arzneimittel sei eine Diagnose des Arztes nicht angegeben worden. Durch den Hinweis auf die PCP-Belastung werde eine schwerwiegende Erkrankung nicht nachgewiesen. Auch das Arzneimittel „Chelidonium“ sei daher nicht als Standardtherapeutikum zur Behandlung einer solchen Erkrankung anzusehen und daher als beihilfefähig ausnahmsweise anzuerkennen.

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Mit Schriftsatz vom 4. Mai 2005, eingegangen beim Verwaltungsgericht am 9. Mai 2005, verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Klage sei zulässig, da der Kläger den Schriftsatz vom 4. Mai 2005 am selben Tage bei der Post aufgegeben und sich dort erkundigt habe, ob wegen des nachfolgenden Feiertags am 5. Mai 2005 (Christi Himmelfahrt) das Schreiben am 6. Mai 2005 beim Verwaltungsgericht ankomme. Da ihm dies bestätigt worden sei, habe er auf Zahlung besonderer Zuschläge verzichtet und von einer Versendung per Telefax abgesehen. Aufgrund der Gerichtsorganisation, aufgrund derer die Post früh morgens von der Deutschen Post AG abgeholt werde, sei es möglich, dass am selben Tage bei der Post eingegangene, aber erst nach der Abholung in das Postfach des Verwaltungsgerichts eingelegte Sendungen erst am nachfolgenden Tag oder später abgeholt würden. Der Kläger hat aufgrund der kurzen Postlaufzeiten zwischen Celle und Lüneburg nicht davon ausgehen müssen, dass ein Schreiben nicht rechtzeitig ankommen werde. In der Sache selbst führt er aus, der Bescheid berücksichtige nicht, dass die Beklagte als Dienstwohnungsgeber ihn verpflichtet habe, von 1995 bis 2003 in einem PCP-belasteten Pfarrhaus zu wohnen und PCP als Auslöser von Polyneuropathie bekannt sei. Der Widerspruchsbescheid beziehe sich allein auf das Rezept vom 22. Oktober 2004 und lasse das der Beihilfestelle vorgelegte Folgerezept vom 11. Januar 2005 unbeachtet. Der Erstattungsbetrag sei insoweit noch offen. Auch berücksichtige der Widerspruchsbescheid nicht, dass die genannten Medikamente als „Mittel der Wahl“ über einen längeren Zeitraum verordnet werden müssten. Dies ergebe sich aus der beigefügte fachärztliche Bescheinigung vom 26. April 2004, wonach durch die dem Kläger verordneten Arzneimittel die Progression des nachgewiesenen chronischen Leidens des Klägers habe so weit aufgehalten werden können, dass in nunmehr drei Jahren keine Verschlechterung aufgetreten sei. Es gebe für die eingeschlagene Therapie keine Alternative. Es sei bei vorzeitigem Abbruch der Behandlung eine erneute Verschlechterung der Erkrankung zu erwarten, die dann eine erhebliche Kostenbelastung der Krankenkasse neben dem stärkeren Leidensdruck des Patienten bedeutete. Die Verordnung dieser Medikamente sei nach ärztlicher Auffassung medizinisch notwendig, wirtschaftlich und zweckmäßig gewesen. Die jährlichen Kosten für die Medikamente beliefen sich auf mehr als 433,50 EUR. Außerdem seien besondere Regelungen für komplementärmedizinische Behandlungen zu berücksichtigen, wie sie z. B. auch im SGB V unter § 2 Abs. 1 Satz 2 besonderes geregelt seien. Dort sei vorgesehen, dass Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapieeinrichtungen nicht von der Erstattung ausgeschlossen seien. Vor diesem Hintergrund verstießen die zitierten Beihilfe- und Arzneimittelvorschriften letztlich gegen die entsprechenden gesetzlichen und grundgesetzlichen Regelungen, insbesondere Art. 2 Abs. 2 GG, weil damit gerade sämtliche Arzneimittel der komplementärmedizinischen Therapieeinrichtungen (Homöopathie) bzw. der besonderen Therapieeinrichtungen von der Erstattung ausgeschlossen seien. Für den Bereich der besonderen Therapieeinrichtungen könne der medizinische Erkenntnisstand nicht mit den gleichen Maßstäben wie im schulisch-medizinischen Bereich angewandt werden, da dieses anderenfalls zu sachlich vollkommenen fehlerhaften und unhaltbaren Ergebnisse führen würde. Dies folge aus einen Urteil des Bundessozialgerichts vom 22. März 2005 (Az. B 1 A 1/03 R).

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid Nr. 52 der NKVK vom 13. Dezember 2004, neu festgesetzt durch Bescheid Nr. 53 der NKVK vom 19. Januar 2005, beide in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 4. April 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die geltend gemachten Aufwendungen für Arzneimittel in Höhe von insgesamt 144,50 EUR zu erstatten.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Nach ihrer Auffassung sei die Klage wegen Versäumung der Klagefrist bereits unzulässig. In der Sache beruft sie sich im Wesentlichen auf die angegebenen Gründe im Widerspruchsbescheid vom 4. April 2005 und führt teilweise vertiefend und teilweise ergänzend aus, dass das eingereichte Rezept vom 11. Januar 2005 nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gewesen sei. Die distal symmetrische Polyneuropathie sei nicht als schwerwiegende Erkrankung in den Arzneimittelrichtlinien aufgeführt. Auch könne die Verordnung der Arzneimittels nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie auf Grund eines schwerwiegenden Vitaminmangels eingesetzt worden seien. Insoweit kämen nur wasserlösliche Vitamine, Benfotiamin und Folsäure als Monopräparate bei nachgewiesenem, schwerwiegendem Vitaminmangel als Standardtherapeutika in Betracht. Weder habe der behandelnde Arzt eine entsprechende Diagnose gestellt noch beinhalteten die verordneten Medikamente ausschließlich die vorbezeichneten Bestandteile. Das Arzneimittel „Milgamma“ sei ein Kombipräparat, bestehend u. a. aus Benfotiamin und Pyridoxin (Vitamin B 6). Das Arzneimittel „Thioctacid 600 HR“ beinhalte a-Liponsäure. Entsprechendes gelte für das der Ehefrau des Klägers verordneten Medikament. Auch hier sei dessen Einsatz als Standardtherapeutikum zu Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung im Sinne der Arzneimittelrichtlinien nicht ersichtlich. Im übrigen sei die PCP-Belastung des vom Kläger bewohnten Pfarrhauses bekannt. Eine Ursächlichkeit dieser Belastung und der vorliegenden Polyneuropathie sei ärztlich jedoch nicht nachgewiesen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ihr Einverständnis erklärt haben.

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Die Klage ist zulässig. Das nach § 126 Abs. 3 BRRG, § 192 Abs. 3 Nds. BG erforderliche Vorverfahren hat der Kläger erfolglos durchgeführt. Darüber hinaus ist dem Kläger wegen Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der die Klageerhebung beinhaltende Schriftsatz des Klägers vom 4. Mai 2005 ist erst nach Ablauf der einmonatigen Klagefrist des § 74 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 VwGO am 9. Mai 2005 beim Verwaltungsgericht eingegangen. Diese Frist endete, da der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene Widerspruchsbescheid am 6. April 2005 zugestellt worden ist, mit Ablauf des 6. Mai 2005 (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Dem Kläger ist jedoch nach § 60 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da er glaubhaft gemacht hat, ohne Verschulden gehindert gewesen zu sein, die Klagefrist einzuhalten. Eines ausdrücklichen Wiedereinsetzungsantrages bedarf es hierzu vorliegend nach § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO nicht, denn der Kläger hat binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses - hier der andauernden Postbeförderung - die versäumte Rechtshandlung, also die Klageerhebung, vorgenommen (vgl. § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO). Der Kläger ist auch ohne Verschulden verhindert gewesen, die Klagefrist einzuhalten, da er nicht diejenige Sorgfalt außer acht gelassen hat, die geboten und ihm nach den gesamten Umständen des Falles zumutbar gewesen ist. Er hat sich über den ordnungsgemäßen Postlauf informiert und durfte davon ausgehen, dass die Post rechtzeitig die ordnungsgemäß adressierte Klageschrift übergibt. Er hat nicht damit rechnen können und müssen, dass aufgrund der Gerichtsorganisation am darauf folgenden Werktag nur diejenige Post das Gericht erreicht, die bereits früh morgens von den zuständigen Postbeamten in das Postfach des Gerichts zur Abholung bereit gelegt worden ist, und diejenige Post, die zu dem Zeitpunkt der Abholung noch nicht eingelegt ist, erst am nächsten Werktag zugeht. Die Umstände sind auch glaubhaft gemacht, da nach Auskunft des zuständigen Geschäftsstellenleiters eine solche Verzögerung bei der Postanlieferung nicht ausgeschlossen ist (vgl. Bl. 25 d. Gerichtsakte).

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Die Klage ist jedoch unbegründet.

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Der Kläger hat keinen Anspruch auf weitere Beihilfen für die ihm entstanden Aufwendungen für die Arzneimittel „Milgamma“ und „Thioctacid 600“ sowie für das seiner Ehefrau verordnete Arzneimittel „Chelidonium“. Die Beklagte hat vielmehr zu Recht die Aufwendungen für diese Arzneimittel als nicht beihilfefähig angesehen. Der Bescheid Nr. 52 der NKVK vom 13. Dezember 2004 und der Bescheid Nr. 53 der NKVK vom 19. Januar 2005, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 4. April 2005 sind, soweit der Kläger sie angefochten und zur Überprüfung gestellt hat, rechtmäßig und verletzen ihn nicht in seinen Rechten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Gegenstand des Verfahrens nicht die Aufwendungen für die mit dem Rezept vom 11. Januar 2005 verordneten Arzneimittel sind.

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Rechtsgrundlage für den streitigen Anspruch des Klägers ist § 87 c NBG i. V. m. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen i. d. F. der Bekanntmachung vom 1. November 2001 (GMBl. S. 918), in der hier maßgeblichen zum 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Fassung der 27. Allgemeinen Verwaltungsvorschrift vom 17. Dezember 2003 (GMBl. 2004 S. 227), zuletzt geändert durch Vorschrift vom 30. Januar 2004 (GMBl. S. 379) - Beihilfevorschriften (im Folgenden: BhV). Diese Vorschriften finden über die in § 70 Abs. 3 Satz 2 PfG, § 27 Abs. 1 PfGErgG i. V. m. § 2 Abs. 2 PfBVG enthaltene dynamische Verweisung auch auf die Gewährung von Beihilfen im Krankheitsfall im Dienstverhältnis der Pfarrerin bzw. des Pfarrers zur Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschland entsprechende Anwendung.

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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (vgl. Urt. v. 17.6.2004 - BVerwG 2 C 50.02 -, BVerwGE 121, 103) genügen diese Beihilfevorschriften als Verwaltungsvorschriften zwar nicht (mehr) den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehaltes, da die wesentlichen Entscheidungen über Leistungen an Beamte, Richter und Versorgungsempfänger im Falle von Krankheit und Pflegebedürftigkeit der Gesetzgeber zu treffen habe. Trotz dieses Defizits normativer Regelungen ist aber hiernach für eine - nicht näher bestimmte - Übergangszeit von der Weitergeltung der Beihilfevorschriften auch für den Bereich des hier maßgebenden Dienstverhältnisses auszugehen.

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Der Kläger ist als Pfarrer im Ruhestand entsprechend § 2 Abs. 1 Nr. 2 BhV beihilfeberechtigt. Seine Ehefrau ist entsprechend § 3 Abs. 1 Nr. 1 BhV berücksichtigungsfähige Angehörige. Ihre Aufwendungen im Krankheitsfall sind daher entsprechend § 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BhV beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind und die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist.

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Grundsätzlich sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BhV u. a. Aufwendungen für die von einem Arzt bei Leistungen aus Anlass einer Krankheit nach Art und Umfang schriftlich verordneten Arzneimittel beihilfefähig. Insoweit geht das Gericht davon aus, dass auf der Grundlage der im Verfahren vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen und Rezepte die Arzneimittel jeweils zur Behandlung einer Krankheit verordnet worden sind und deren Verordnung angemessen und notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 BhV gewesen ist.

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Die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die Arzneimittel „Milgamma“, „Thioctacid 600“ und „Chelidonium“ ist jedoch gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 lit. b BhV ausgeschlossen, da es nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind. Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 lit. b, Satz 2 BhV, wonach von diesem Ausschluss der Beihilfefähigkeit solche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel ausgenommen sind, die nach den Arzneimittelrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (nachfolgend AMRL) gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V aufgrund von § 34 Abs. 1 Satz 1 SBG V ausnahmsweise verordnet werden dürfen, liegen nicht vor. Denn hierbei handelt es sich nur um solche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die zur Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V, Ziffer 16.1 der AMRL). Der Kläger hat auch im Klageverfahren weder vorgetragen noch sind Anhaltspunkte hierfür ersichtlich, dass er bzw. seine Ehefrau an einer schwerwiegenden Erkrankung leiden, also an einer Krankheit, die lebensbedrohlich ist oder aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörungen die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigen (vgl. dazu Ziffer 16.2 AMRL). Die Erkrankung der Ehefrau des Klägers ist nicht bezeichnet. Die Erkrankung des Klägers, bei dem eine „Distalsymmetrische Polyneuropathie“ diagnostiziert worden ist, erfüllt nicht den Begriff der schwerwiegenden Erkrankung. Allein der Umstand, dass ein vorzeitiger Abbruch der Behandlung des Klägers mit den verordneten Arzneimitteln eine erhebliche Verschlechterung seines Zustandes bedeuten würde, vermag die Anerkennung als schwerwiegende Erkrankung, wie sie im Einzelnen in Ziffer 16.4 der AMRL aufgeführt sind, nicht zu rechtfertigen sind. Das Gericht bezieht sich insoweit auf die Gründe im angefochtenen Widerspruchsbescheid, denen es sich anschließt (§ 117 Abs. 5 VwGO).

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Auf die Ursache der Erkrankungen des Klägers und seiner Ehefrau kommt es für den Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nach § 6 Abs. 1 Satz 2 lit. b BhV nicht an. Das Gericht kann es aus diesem Grunde dahingestellt lassen, ob die PCP-Belastung des vom Kläger und seiner Ehefrau in den Jahren 1995 bis 2003 bewohnten Pfarrhauses ursächlich für die Erkrankungen ist.

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Auch greifen die Einwände des Klägers, die ihm verordneten Arzneimittel seien das „Mittel der Wahl“ und eine Behandlungsalternative komme laut der ärztlichen Bescheinigung vom 26. April 2004 nicht in Betracht kämen, nicht durch. Denn die Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen für Arzneimittel ist im Rahmen der Beihilfevorschriften gerade nicht nur an deren Notwendigkeit und Angemessenheit geknüpft, sondern nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BHV dadurch begrenzt, dass die Erstattungsfähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist.

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Gegen diesen Ausschluss der Beihilfefähigkeit nach § 6 Abs. 1 Satz 2Nr. 2 lit. b BhV bestehen keine rechtlichen Bedenken. Art, Ausmaß und Begrenzung der Hilfe, die der Dienstherr dem Beamten gewährt, muss sich aus dem Gesamtzusammenhang der Beihilfevorschriften als „Programm“ ergeben (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.10.2003 - BVerwG 2 C 26.02 -, BVerwGE 119, 168). Nach der Änderung der Beihilfevorschriften genügt der Ausschluss nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BhV jedoch diesen Anforderungen. Denn das „Programm“ sieht nunmehr eine Erstattung der notwendigen und angemessenen Aufwendungen für ärztlich verordnete Arzneimittel im Krankheitsfall nur unter der Einschränkung vor, dass die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen nicht ausdrücklich - wie in § 6 Abs. 1 Satz 2 lit. b BhV geschehen - ausgeschlossen ist. Damit umfasst das „Programm“ der Beihilfevorschriften auch den Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel.

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Der Kläger kann sich zur Begründung eines ausnahmsweise bestehenden Leistungsanspruchs auch nicht auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 23. März 2005 (Az. B 1 A 1/03 R) berufen, da zum einen die Entscheidung ausdrücklich die Grundfrage der Leistungspflicht der Krankenkassen im Bereich der besonderen Therapieeinrichtungen offen lässt und zum anderen der Ausschluss der Beihilfefähigkeit sich zwar am System der gesetzlichen Krankenkassen anlehnt, aber unter Berücksichtigung des zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Dienstverhältnisses zu würdigen ist, das sich vom System der gesetzlichen Krankenkasse grundsätzlich unterscheidet.

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Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht ist der Ausschluss des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. b BhV rechtmäßig. Soweit sich der Kläger auf eine Verletzung von Art. 2 Abs. 2 GG beruft, ist zu berücksichtigen, dass aus Art. 2 Abs. 1 und 2 GG zwar eine objektiv-rechtliche Pflicht des Staates folgt, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu schützen. Darüber hinaus ist verfassungsrechtlich jedoch nur geboten, eine medizinische Versorgung für alle Bürger bereitzuhalten. Dabei hat der Gesetzgeber aber einen so weiten Gestaltungsspielraum, dass sich originäre Leistungsansprüche aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG regelmäßig nicht ableiten lassen (vgl. Murswiek in: Sachs, GG, 3. Aufl 2003, Art 2 Rn. 225). Das Bundessozialgericht hat insoweit zum Bereich der gesetzlichen Krankenkasse vor diesem Hintergrund ausgeführt, dass aus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten jedenfalls kein grundrechtlicher Anspruch gegen seine Krankenkasse auf Bereitstellung oder Finanzierung bestimmter Gesundheitsleistungen folgt. Der Gesetzgeber verletzt seinen Gestaltungsspielraum auch im Hinblick auf das Sozialstaatsgebot nicht, wenn er angesichts der beschränkten finanziellen Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungen aus dem Leistungskatalog herausnimmt, die - wie hier - die Verordnung nicht verschreibungspflichtiger Medikamente betreffen. (so BSG, Urt. v. 10.05.2005 - B 1 KR 25/03 R; HessLSG, Beschl. v. 1.09.2005 - L 8 KR 80/05 ER; NWLSG, Urt. v. 3.03.2005 - L 5 KR 169/04 m. w. N. zum Ausschluss verschreibungspflichtiger „Lifestyle“-Präparate).

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Nichts anderes kann für den Bereich des zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Dienstverhältnisses gelten, auch wenn die Beklagte nach § 70 Abs. 3 PfG im Rahmen der allgemeinen Sorge für das Wohl des Pfarrers Krankheitsbeihilfe zu gewähren hat. Dies bedeutet in Anlehnung an den Anspruch des Beamten gegen seinen Dienstherrn auf Gewährung eines amtsangemessenen Unterhalts auch im Krankheitsfalle zwar, dass die Beklagte Vorkehrungen treffen muss, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Klägers bei Eintritt besonderer finanzieller Belastungen u. a. durch Krankheitsfälle nicht gefährdet wird. Mit Blick auf den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum hat jedoch die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen gemäß § 27 Abs. 1 PfGErgG abschließend durch den Verweis in § 2 Abs. 2 PfBVG auf die beamtenrechtlichen Beihilfevorschriften Niedersachsens ihre Fürsorgepflicht konkretisiert. Der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Arzneimittel nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BhV verletzt nicht den Wesenkern der Fürsorgepflicht, da sich der Ausschluss innerhalb des Gestaltungsspielraums hält. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Fürsorgepflicht nicht gebietet, einem Bediensteten an medizinischer Versorgung mehr zu gewährleisten als das, was den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechend dem Inhalt ihrer versicherungsrechtlichen Ansprüche als medizinisch gebotene Behandlung garantiert wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.11.2002 - 2 BvR 1053/98 -, NVwZ 2003, 720 <722> zum Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für ärztliche Wahlleistungen für Beamte). Der Bedienstete kann ohne Verstoß gegen die Fürsorgepflicht darauf verwiesen werden, dass er Aufwendungen für ärztlich verordnete, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel selbst trägt.

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Insoweit ist auch eine Verletzung des in § 70 Abs. 1 PfG normierten Anspruchs des Klägers auf angemessenen Unterhalt nicht ersichtlich. Ein Pfarrer, der nicht verschreibungspflichtige Medikamente, die nicht zur Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung eingenommen werden müssen, weiter zu sich nehmen möchte, muss für die dadurch entstehenden Kosten selbst aufkommen. Dies ist ihm im Rahmen einer Selbstbeteiligung zuzumuten, zumal die Kosten für die Medikamente sich nach klägerischen Angaben auf jährlich ca. 433,50 EUR, also ungefähr 36,12 EUR monatlich belaufen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.