Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 07.02.2006, Az.: 1 A 102/04
Abschiebestopp; Abschiebung; Abschiebungshindernis; Abschiebungsschutz; Abschiebungsverbot; Afghanistan; alleinstehende Frau; allgemeine Versorgungslage; beachtliche Wahrscheinlichkeit; elektrischer Strom; Existenzgefährdung; Existenzminimum; Familienangehörige; Flüchtlingslager; Frau; Gefährdungssituation; Grundnahrungsmittel; Hilfsangebote; Hilfsorganisation; Hungertod; internationale Hilfsorganisationen; Lebensgrundlage; Nachbarschaftshilfe; Unterkunft; verfassungskonforme Auslegung; Versorgungslage; Wohnraum; Überlebenschance
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 07.02.2006
- Aktenzeichen
- 1 A 102/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 53220
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 17.01.2005 - AZ: 1 A 101/04
Rechtsgrundlagen
- § 53 Abs 6 S 1 AuslG
- § 60 Abs 1 AufenthG
- § 60 Abs 7 S 1 AufenthG
- § 60 Abs 7 S 2 AufenthG
- § 60a Abs 1 S 1 AufenthG
- § 77 Abs 1 AsylVfG
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt nunmehr allein die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG. Zuvor hatte sie auch auf ihre Anerkennung als Asylberechtigte sowie die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 1 AufenthG geklagt.
Die am 5. Juli 1948 geborene Klägerin ist nach eigenen Angaben afghanische Staatsangehörige tadschikischer Volkszugehörigkeit. Sie reiste auf dem Luftwege von Pakistan im November 2001 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 14. Dezember 2004 beantragte sie ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Zur Begründung ihres Antrages gab sie im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (nunmehr Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - nachfolgend: Bundesamt) an, dass sie mit ihrem Mann und ihren neun Kindern Ende Dezember 1992 Afghanistan in Richtung Pakistan verlassen und zunächst neun Jahre in B. gelebt habe. Ihr Mann sei als Oberschreiner (wohl: Oberleutnant) für das kommunistische Regime tätig gewesen, weshalb sie mit ihrer Familie nach der Machtergreifung durch die Mudjaheddin Afghanistan verlassen habe. Ihr Mann lebe seit neun Jahren in der Bundesrepublik Deutschland. Sein Gesundheitszustand habe sich dramatisch verschlechtert. Sieben Kinder lebten noch in Pakistan, ein Sohn befinde sich zu Gast in Deutschland und ein weiterer Sohn im Iran. Sie sei nach Deutschland gekommen, nachdem ihre Familie auch in Pakistan Schwierigkeiten mit der Polizei bekommen habe. Diese habe ihre Kinder erpresst und ihnen das verdiente Geld abgenommen. Mit Bescheid vom 22. Januar 2004, zugestellt am 29. Januar 2004, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen und drohte die Abschiebung nach Afghanistan an.
Mit ihrer am 4. Februar 2004 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren zunächst weiterverfolgt. In der mündlichen Verhandlung vom 7. Februar 2006 hat sie die Klage hinsichtlich der Anerkennung als Asylberechtigte und der Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 1 AufenthG zurückgenommen. Zur Begründung ihrer im Übrigen aufrecht erhaltenen Klage führt sie aus, dass wegen der dauerhaft schweren Erkrankung ihres Ehemannes dessen Rückkehr nach Afghanistan ausscheide. Ihr Ehemann sei vor der Machtübernahme durch die Mudjaheddin für das Militär im Rang eines Oberleutnants tätig und als solcher in Afghanistan auch bekannt gewesen. Der Ehemann sei im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, da Abschiebungshindernisse aus gesundheitlichen Gründen festgestellt worden seien. Auch sie sei erkrankt. Im Falle einer Abschiebung müsse sie alleine nach Afghanistan zurückkehren und sei dann völlig auf sich gestellt. Sie wäre angesichts der bestehenden Lage für rückkehrende, alleinstehende Frauen in Afghanistan nicht in der Lage, sich das Notwendigste zum Leben zu beschaffen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass im Falle der Klägerin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG besteht, und den Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2004 aufzuheben, soweit er entgegensteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf den Bescheid vom 22. Januar 2004.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt Niederschrift, der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Es haben auch die Gerichtsakte im des Verfahrens 1 A 101/04 betreffend den Ehemann der Klägerin und ihre Ausländerakte des Landkreises H. vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Soweit die Klägerin die Klage hinsichtlich ihrer Anerkennung als Asylberechtigte und der Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 1 AufenthG zurückgenommen hat, ist das Verfahren nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
Die im Übrigen aufrecht erhaltene Klage hat keinen Erfolg in Bezug auf die Verpflichtung der Beklagten festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG vorliegt. Insoweit ist die Klage abzuweisen, da Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin im Falle ihrer Rückkehr Folter, die Todesstrafe oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen könnte (§ 60 Abs. 2, 3, 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK), nicht gegeben sind.
Die Klage ist jedoch begründet, soweit die Klägerin die Verpflichtung der Beklagten begehrt festzustellen, dass im Falle der Klägerin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht. Denn die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes im Sinne dieser Vorschrift. Die genannte Vorschrift, die am 1. Januar 2005 in Kraft getreten ist, hat das Gericht bei seiner Entscheidung anzuwenden, denn es hat gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen.
Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen vor. Hiernach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG entspricht in seinen Tatbestandsmerkmalen der Vorschrift des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG. Die theoretische Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die genannten Rechtsgüter zu werden, reicht deswegen nicht aus, um eine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu begründen. Vielmehr ist erforderlich, dass eine einzelfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefährdungssituation mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit besteht (BVerwG, Urt. v. 17.10.1995 - BVerwG 9 C 9.95, BVerwGE 99, 324 zu § 53 AuslG).
Eine derartige erhebliche Gefährdungssituation kann zwar nicht aus der allgemeinen Lage von Frauen in Afghanistan hergeleitet werden. Denn Gefahren, von denen eine ganze Bevölkerungsgruppe oder die gesamte Bevölkerung betroffen sind, stellen grundsätzlich kein Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dar. Sie werden nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG allein von der obersten Landesbehörde im Rahmen ihrer Entscheidungsbefugnis nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG berücksichtigt. Nur dann, wenn dem einzelnen Ausländer kein Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 Satz 1 AufenthG zusteht, er aber gleichwohl ohne Verletzung höherrangigen Verfassungsrechts nicht abgeschoben werden darf, ist bei verfassungskonformer Auslegung und Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG im Einzelfall Schutz vor der Durchführung der Abschiebung nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Das ist der Fall, wenn die obersten Landesbehörden trotz einer extremen allgemeinen Gefahrenlage, die jeden einzelnen Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde, von ihrer Ermächtigung aus § 60a AufenthG keinen Gebrauch gemacht haben, einen generellen Abschiebestopp zu verfügen. Dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, dem einzelnen Ausländer unabhängig von einer Ermessensentscheidung nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG Abschiebungsschutz zu gewähren. In solchen Fällen ist § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG verfassungskonform einschränkend dahingehend auszulegen, dass derartige Gefahren im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen sind (z. Vorst: BVerwG, Urt. v. 17.10.1995 - BVerwG 9 C 9.95, BVerwGE 99, 324; Urt. v. 19.11.1996 - BVerwG 1 C 6.95, BVerwGE 102, 249 zu § 53 Abs. 6 AuslG). Eine extreme Gefahrenlage ist dabei nicht nur dann gegeben, wenn Tod oder schwerste Verletzung sofort, gewissermaßen noch am Tag der Ankunft im Abschiebezielstaat eintreten. Sie besteht vielmehr auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (BVerwG, Beschl. v. 26.1.1999 - BVerwG 9 B 617.98, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 14). Zu einer verfassungskonformen Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG besteht allerdings kein Anlass, wenn der Abschiebung anderweitige Hindernisse wie ein ausländerrechtlicher Erlass oder eine aus individuellen, von dem Asylverfahren unabhängigen Gründen erteilte Duldung entgegenstehen, die einen gleichwertigen Schutz bieten; d. h. einen Schutz, der dem entspricht, den der Ausländer bei Vorliegen eines Erlasses nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG oder bei Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erreichen könnte (BVerwG, Urt. v. 12.7.2001 - BVerwG 1 C 2.01, BVerwGE 114, 379 zu § 53 Abs. 6 AuslG).
Vor diesem Hintergrund ist der Klägerin Abschiebungsschutz zu gewähren. Nach dem Runderlass des Nds. Ministeriums für Inneres und Sport vom 9. Juni 2005 (45.31-12231/3-6 AFG - Nds. MBl. 2005, S. 496) wird nach dem Auslaufen des Abschiebungsstopps ab dem 1. Juli 2005 mit der Rückführung von Personen begonnen. Im Falle einer Rückkehr wäre die Klägerin einer extremen Gefahrenlage ausgeliefert, da sie in Kabul ohne Familienangehörige leben müsste und als alleinstehende Frau im Alter von 57 Jahren nicht in der Lage wäre, sich das zum Existenzminimum Notwendige zu besorgen.
Das Gericht geht davon aus, dass die Klägerin im Falle ihrer Rückkehr ohne familiäre Anbindung in C. leben müsste. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, die Zweifel an den Angaben der Klägerin dahingehend erwecken könnten. Ihre Kinder leben sämtlich nicht mehr in Afghanistan bzw. D.. Eine Rückkehr mit ihrem schwer erkrankten Ehemann, wovon die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid noch ausgegangen ist, kommt nunmehr nicht in Betracht, da dem Ehemann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden ist, weshalb er seine Klage auf Anerkennung als Asylberechtigter zurückgenommen hat. Das Gericht hat das Verfahren unter dem Az. 1 A 101/04 daraufhin mit Beschluss vom 17. Januar 2005 eingestellt. Soweit die Klägerin in der Anhörung vor dem Bundesamt angegeben hat, dass in Afghanistan noch Onkel und Tanten lebten, geht das Gericht davon aus, dass die Klägerin nach mittlerweile über dreizehnjähriger Abwesenheit nicht in der Lage sein dürfte, Kontakt zu diesen Verwandten herzustellen, zumal es ein Meldewesen in Afghanistan nicht gibt (vgl. auch VG Gelsenkirchen, Urt. v. 11.11.2004 - 5a K 3631/95.A -, Asylmagazin 2005, S. 14).
Als alleinstehende Frau im Alter von 57 Jahren wäre die Klägerin in Afghanistan, respektive C. nicht in der Lage, sich ihr Existenzminimum zu sichern. Ungeachtet des Umstandes, dass es für die Klägerin bereits aus finanziellen Gründen ausgeschlossen ist, sich eine Unterkunft anzumieten, wird die Klägerin keine Möglichkeit haben, eine Unterkunft zu finden. Frauen allein können in Afghanistan kein Zimmer oder eine Wohnung mieten. Sie kann nicht außerhalb einer Familie wohnen, wenn sie nicht als Prostituierte behandelt werden will, was die Gefahr von Übergriffen durch Männer und strafrechtliche Verfolgung nach sich ziehen kann (vgl. Informationsbund Asyl e. V., Rückkehr nach Afghanistan, S. 21 zu den Kosten der Anmietung von Wohnraum sowie S. 22 zur Situation alleinstehender Rückkehrerinnen). Insgesamt ist gesehen ist in C. die Versorgung mit Wohnraum unzureichend, das Angebot an Wohnraum knapp und nur zu hohen Preisen erhältlich (Auswärtiges Amt, Lagebericht für die Islamische Republik Afghanistan vom 29. November 2005, S. 31). Bei einer Arbeitslosenquote von über 70 v. H. (vgl. die Auskunft von Dr. Danesch an das Sächs. OVG vom 24.7.2004, S. 47) besteht für die Klägerin keinerlei Aussicht, eine Arbeit zu finden. Dies gilt insbesondere angesichts ihres Alters im Vergleich zu durchschnittlichen Lebenserwartung von 45 Jahren (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht für die Islamische Republik Afghanistan vom 29. November 2005, S. 31). Die Klägerin, da ihr eine Versorgung durch ihre Familie nicht möglich ist, hätte alleine keine Überlebenschancen. Staatliche soziale Sicherungssysteme wie Renten-, Arbeitslosen- oder Krankenversicherungen gibt es nicht. Altersheime sind für die afghanische Gesellschaft etwas absolut Fremdes. Auch können Rückkehrer aus Europa, die nicht in die eigene Familie zurückkehren können, weil diese Afghanistan verlassen haben, auch nicht mehr auf ein soziales Netz der Nachbarschaftshilfe zurückgreifen (vgl. Informationsbund Asyl e. V., Rückkehr nach Afghanistan, S. 12 f.; Auswärtiges Amt, Lagebericht für die Islamische Republik Afghanistan vom 29. November 2005, S. 31 f.).
Die Klägerin wäre auf die Unterstützung von Hilfsorganisationen angewiesen, deren Hilfestellungen sie jedoch nicht in ausreichendem Umfang wird in Anspruch nehmen können. Zwar hat der UNHCR mit verschiedenen Nicht-Regierungs-Organisationen eine Vereinbarung über die Errichtung einer begrenzten fünfstelligen Zahl von Unterkünften in den Provinzen und der Zentralregion Kabul geschlossen und es sind bis Ende 2003 knapp 70.000 Unterkünfte zur Verfügung gestellt worden (vgl. VG Minden, Urt. v. 17. Mai 2004 - 9 K 5145/03.A -). Die Klägerin wird jedoch als alleinstehende Frau angesichts der vielen Flüchtlingsfamilien keine Möglichkeit haben, an eine dieser Unterkünfte zu kommen, da die sich Zahl der Rückkehrer seit Anfang 2002 auf insgesamt etwa 4,4 Millionen Menschen beläuft, von denen zuletzt im Jahre 2005 bis einschließlich September 2005 ca. 440.000 Menschen zurückkehrten (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht für die Islamische Republik vom 29. November 2005, S. 32). In C. ist durch die Rückkehrer die Bevölkerungszahl auf über drei Millionen Menschen angewachsen, davon etwa die Hälfte mittellose Bedürftige, deren Mehrheit auf sich allein gestellt ist, da die Hilfsangebote der internationalen Hilfsorganisationen nur einen kleinen Teil der Bedürftigen erreichen. Etwa 1,5 bis 2 Millionen Menschen versuchen, außerhalb der Zeltlager unterzukommen und auf einem praktisch nicht mehr existierenden Arbeitsmarkt eine Tätigkeit zu finden (vgl. die Auskunft von Dr. Danesch an das Sächs. OVG vom 24.7.2004, S. 47). Wegen dieser Entwicklung ist es nicht wahrscheinlich, dass die Klägerin die Hilfsangebote der internationalen Hilfsorganisationen wird in Anspruch nehmen können, zumal die Tageszeiten, zu denen Frauen ohne Mann unterwegs sein dürfen, vom Obersten Gericht bereits wieder eingegrenzt wurden (vgl. dazu VG Minden, Urt. v. 17. Mai 2004 - 9 K 5145/03.A -, unter Bezugnahme auf Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan, Update über die Entwicklungen bis Februar 2004 vom 1. März 2004, S. 12).
Die Annahme, dass die Klägerin im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt sein wird, wird durch das Bild der Versorgungslage im heutigen Afghanistan im Allgemeinen gestützt, das Dr. Danesch in seiner Auskunft an das Verwaltungsgericht Hamburg vom 25. Januar 2006 zeichnet (vgl. dazu S. 5 bis 18 der Auskunft). Er hat festgestellt, dass Rückkehrer in C. weder durch Leistungen von Hilfsorganisationen noch durch eigene Arbeit das zum Existenzminimum Notwendige erlangen könnten. Die Lage zurückkehrender Flüchtlinge sei so katastrophal, dass sie unmittelbar eine Existenzgefährdung für die Rückkehrer darstelle (S. 5 der Auskunft). Die Bevölkerungszahl in C. sei nach offiziellen Angaben auf 4,5 Millionen Einwohner sprunghaft angestiegen, wobei er davon ausgehe, dass die wirkliche Zahl über 5 Millionen betrage. Ursache sei, dass viele Rückkehrer, die ursprünglich vom Lande stammten, wegen der niederliegenden Landwirtschaft nach C. geströmt seien (S. 6 f. der Auskunft). Rückkehrer aus Europa erhielten - wie andere Rückkehrer - von der UN eine einmalige Hilfe von 12 Dollar pro Person. Weitere Hilfen durch die UN oder Nicht-Regierungsorganisationen gebe es in Kabul momentan nicht (S. 7 der Auskunft). Das Budget des afghanischen Ministeriums für Rückkehrer reiche nicht aus, die Flüchtlinge zu versorgen (S. 8 der Auskunft). Frauen, die in den Zeltlagern des UNHCR lebten, gingen betteln oder prostituierten sich (S. 12 f. der Auskunft). Erschwinglicher Wohnraum außerhalb der Flüchtlingslager existiere für Rückkehrer nicht (S. 12 der Auskunft). Laut dem Ministerium für Energie und Wasserversorgung hätten 90 v. H. der Bevölkerung überhaupt keinen Zugang zu elektrischen Strom (S. 12 der Auskunft). Für Flüchtlinge seien selbst Grundnahrungsmittel kaum erschwinglich (S. 12 der Auskunft).
Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG auch mit Blick auf die geltend gemachte, aber nicht im Einzelnen belegte Krankheit der Klägerin festzustellen ist, da aus den vorgenannten Gründen die Feststellung eines solchen Abschiebungsverbotes nach dieser Vorschrift bereits gerechtfertigt ist.
Die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung sind dem Grunde nach rechtmäßig. Sie sind auf der Grundlage der §§ 34 AsylVfG a. F., 50 AuslG ergangen und sind nunmehr am Maßstab von § 34 AsylVfG, § 59 AufenthG zu beurteilen. Das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan steht nach § 59 Abs. 3 Satz 1 der Abschiebungsandrohung nicht entgegen. Nach § 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ist die Androhung lediglich dahingehend zu korrigieren, dass eine Abschiebung nach Afghanistan nicht zulässig ist. Die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen bleibt unberührt (§ 59 Abs. 3 Satz 3 AufenthG).
Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der teilweisen Klagerücknahme auf § 155 Abs. 2 VwGO und im Übrigen auf § 155 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83 b Abs. 1 AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.