Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 06.03.2009, Az.: 16 W 19/09
Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens; Beachtlichkeit von Einwendungen nach Ablauf einer richterlich gesetzten Frist zur Stellungnahme zum Gutachten des Sachverständigen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 06.03.2009
- Aktenzeichen
- 16 W 19/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 12722
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2009:0306.16W19.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg, 4 OH 7/07 vom 02.02.2009
Rechtsgrundlage
- § 411 Abs. 4 ZPO
Fundstellen
- BauR 2009, 864
- IBR 2009, 302
- NJW-RR 2009, 1364-1365
- NJW-Spezial 2009, 237-238 (Kurzinformation)
- NZBau 2009, 385
- OLGR Celle 2009, 446-447
- OLGReport Gerichtsort 2009, 446-447
- PA 2009, 170-171
Amtlicher Leitsatz
Das selbständige Beweisverfahren ist nach Ablauf einer gemäß § 411 Abs. 4 ZPO gesetzten Frist zur Stellungnahme zu dem übersandten Gutachten des Sachverständigen nur dann mit Präklusionswirkung beendet, wenn die richterliche Fristsetzung ordnungsgemäß zugestellt worden ist und die Partei auch auf die Folgen einer Nichtbeachtung der Frist ordnungsgemäß hingewiesen worden ist (BGH NJW-RR 2006, 119 [BGH 21.07.2005 - I ZR 312/02]).
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Landgerichts Lüneburg - Einzelrichter der 4. Zivilkammer - vom 2. Februar 2009 aufgehoben.
Gründe
I.
Das Landgericht übersandte den Parteien das im selbständigen Beweisverfahren eingeholte Gutachten des Sachverständigen mit Verfügung vom 17. Oktober 2008, die auch zugestellt wurde, und setzte eine Frist zur Stellungnahme "zu dem Gutachten gemäß § 411 Abs. 4 ZPO binnen 3 Wochen", ohne dass die Partei auf die Folgen einer Nichtbeachtung der Frist hingewiesen wurde.
Auf Antrag verlängerte das Gericht diese Frist für die Antragsgegnerin bis zum 1. Dezember 2008. Mit fristgerechtem Schriftsatz vom 1. Dezember erhob die Antragsgegnerin Einwendungen gegen das Gutachten und beantragte die Einholung eines Obergutachtens. Nach Hinweis des Landgerichts darauf, dass der Antrag auf eine Neubegutachtung unbegründet und das Beweisverfahren beendet sei, stellte die Antragsgegnerin mit weiterem Schriftsatz vom 19. Dezember 2008 klar, dass sie in diesem Fall eine schriftliche Ergänzung des Gutachtens zu den bereits mitgeteilten Einwendungen beantrage. Mit Beschluss vom 2. Februar 2009 stellte das Landgericht fest, das selbständige Beweisverfahren sei beendet, weil ein Antrag auf Anhörung des Sachverständigen innerhalb der gesetzten und verlängerten Frist nicht gestellt worden sei. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.
II.
Die gemäß § 567 ZPO zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Das Beweisverfahren ist entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht beendet, so dass im Ergebnis das Landgericht über den Ergänzungsantrag der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 19. Dezember 2008 nach Maßgabe des Schriftsatzes vom 1. Dezember 2008 zu entscheiden haben wird.
Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht allerdings darauf abgestellt, dass das Beweisverfahren im Falle einer nach § 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO gesetzten Frist zur Stellungnahme mit Fristablauf beendet ist (BGHZ 150, 55). Diese Voraussetzungen sind hier aber nicht erfüllt.
Die Antragsgegnerin hat zwar mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2008 fristgerecht Einwendungen gegen das Gutachten des Sachverständigen vorgebracht, allerdings gerade keine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen oder eine mündliche Erläuterung seines Gutachtens gewünscht, sondern die Einholung eines Obergutachtens beantragt. Dieser Antrag war - worauf das Landgericht ebenso zutreffend hingewiesen hat - unbegründet, denn die Voraussetzungen für eine Neubegutachtung lagen ersichtlich nicht vor. Es kann auch offen bleiben, ob man nicht unter den gegebenen Umständen den Schriftsatz der Antragsgegnerin wenigstens hilfsweise dahin auslegen könnte, dass dann wenigstens die Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen beantragt werde, denn die Fristsetzung durch das Landgericht war bereits aus formalen Gründen unwirksam.
Zwar ist sie ordnungsgemäß nach § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO zugestellt worden und war auch vom Richter mit vollem Namen unterzeichnet. Allerdings kann die Fristsetzung nach §§ 411 Abs. 4 Satz 2, 296 Abs. 1 ZPO nach der Rechtsprechung des BGH (NZBau 2006, 119 = NJW-RR 2006, 428 [BGH 25.10.2005 - V ZR 241/04], zitiert nach juris. ebenso OLG Celle, 14. Zivilsenat, IBR 2008, 246) nur dann die Präklusionswirkung nach Ablauf der richterlichen Frist herbeiführen, wenn bei der Partei keine Fehlvorstellungen über diese Wirkung aufkommen können. Das setzt aber nach der Rechtsprechung voraus, dass die Partei auf die Folgen einer Nichtbeachtung der Frist ordnungsgemäß hingewiesen wurde. Daran fehlt es hier, denn die Fristsetzung enthielt keinen Hinweis auf den Ausschluss eines erst nach Ablauf der Frist eingehenden Vorbringens (BGH a. a. O. Rn 8).
Damit war die jedenfalls mit Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 19. Dezember 2008 erfolgte "Klarstellung", dass zumindest die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen zu den zuvor bereits geltend gemachten Einwendungen beantragt werde, nicht verspätet und durfte nicht zurückgewiesen werden. Das Landgericht wird deshalb unter Beachtung der Gründe dieses Beschlusses erneut zu entscheiden haben.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil im selbständigen Beweisverfahren grundsätzlich keine Kostenentscheidungen ergehen.