Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 18.03.2009, Az.: 3 U 167/08
Zahlungsgarantie; Aufklärungspflicht; Bank
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 18.03.2009
- Aktenzeichen
- 3 U 167/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 13779
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2009:0318.3U167.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg, 7 O 25/08 vom 10.07.2008
Rechtsgrundlage
- § 280 Abs. 1 BGB
Fundstellen
- OLGR Celle 2009, 687-689
- WM 2009, 1408-1410
Redaktioneller Leitsatz
1. Dem Zahlungsanspruch aus einer Bankgarantie für ein internationales Stahlgeschäft steht der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen, wenn offensichtlich oder liquide beweisbar ist, dass der materielle Garantiefall nicht eingetreten ist.
2. Zu den Voraussetzungen, bei deren Vorliegen von einem Rechtsmissbrauch des Begünstigten der Garantie auszugehen ist.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 10. Juli 2008 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 10 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet, die die jeweils zu vollstreckende Forderung um 10% übersteigt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch. Sie begehrt eine Gutschrift auf ihrem bei der Klägerin geführten Konto Nr. A in Höhe von 48.754,70 EUR, Erstattung von Gebühren in Höhe von 150 EUR sowie Ersatz ihr entstandener außergerichtlicher Anwaltskosten. Dem liegt die Auffassung der Klägerin zu Grunde, die Beklagte habe im Rahmen eines Avalgeschäfts Beratungspflichten verletzt und sei einem offensichtlich rechtsmissbräuchlichen Zahlungsbegehren des Sicherungsnehmers in Höhe der Klagforderung nachgekommen.
Die Klägerin, ein Stahlbauunternehmen mit nationalem und internationalem Betätigungsfeld, war als Subunternehmerin mit Stahlbauarbeiten bei der Erstellung eines M...Montagewerks in N... in Polen beauftragt. In diesem Zusammenhang erteilte die Klägerin der in Rumänien ansässigen Firma V... S. A. (nachfolgend: V...) den Auftrag zur Lieferung der Stahlkonstruktion für eine der Hallen. Nachdem wegen der Besicherung des Vertrages, die zunächst durch eine Bürgschaft der V... erfolgen sollte, keine Lösung gefunden wurde, änderten die Klägerin und V... die Vertragsmodalitäten dahingehend, dass die Klägerin eine 30 %ige Anzahlungsbürgschaft zu stellen hatte. Wegen der Einzelheiten des Vertrages wird auf die Vertragsurkunde Bl. 60 f. d. A. verwiesen. Hinsichtlich der zu liefernden Qualität des Stahls vereinbarten die Vertragsparteien für alle tragenden Teile die Qualitätsnorm ST 52 = S 355 J 2 G 3 = 18 G 2.
Ende Oktober 2006 wandte sich die Klägerin an die Beklagte wegen der vertraglich vereinbarten Besicherung. Unter Bezugnahme auf ein am gleichen Tag geführtes Telefongespräch übersandte die Mitarbeiterin der Beklagten S... der Geschäftsführerin der Klägerin einen aktuellen Mustertext für eine Auszahlungsgarantie sowie eine Zahlungsgarantie im Auslandsgeschäft in englischer Sprache (Anlage K 3 - Bl. 18 d. A.). Die Klägerin erteilte sodann der Beklagten unter dem 8. November 2006 (Anlage K 4 - Bl. 20 d. A.) den Auftrag zur Übernahme eines Avals. In dem der Beklagten übersandten Formular hatte die Klägerin als "Avalklasse" Bürgschaft und als "Avaltyp" Zahlungsbürgschaft angekreuzt. Nach telefonischer Rückfrage durch die Mitarbeiterin der Beklagten M... änderte die Beklagte in dem ihr erteilten Auftrag die Avalklasse von Bürgschaft in Garantie, den Avaltyp von Zahlungsbürgschaft in Zahlungsgarantie. Eine Durchschrift der von ihr in englischer Sprache verfassten, als "Payment Guarantee" bezeichneten Urkunde übersandte die Beklagte der Klägerin am gleichen Tag (Bl. 22 d. A.).
Nach dem Inhalt der Avalurkunde garantierte die Beklagte für die Klägerin V... die Zahlung eines Betrages in Höhe von 263.290,50 EUR entsprechend 30 % des Angebots/Vertragswertes. Die Garantie war befristet bis zum 20. Dezember 2006. In der Urkunde heißt es, die Beklagte verpflichte sich unwiderruflich, nach Erhalt einer ersten schriftlichen Zahlungsanforderung durch V..., in der diese gleichzeitig erklärt, die Käuferin sei ihren vorstehenden Zahlungsverpflichtungen in Höhe des geforderten Betrages nicht nachgekommen, jeden Betrag bis zu einem Höchstbetrag von 263.290,50 EUR zu zahlen. Der Zahlungsaufforderung mussten Kopien der betreffenden unbezahlten Rechnungen und der Transportdokumente beigefügt sein.
Ab Mitte Dezember 2006 kam es zwischen der Klägerin und V... zu Unstimmigkeiten hinsichtlich der Qualität des von V... gelieferten Stahls. Die Auftraggeberin B... hatte insoweit bei Stichproben eine Minderwertigkeit des von V... gelieferten Stahls festgestellt und die Klägerin mit Schreiben vom 14. Dezember 2006 (K 7 - Bl. 24 der Akten) hierauf hingewiesen. Unter dem 20. Dezember 2006 machte V... vor dem Hintergrund dieser Streitigkeiten und des Umstandes, dass ihre Rechnungen bis dahin nicht bezahlt waren, gegenüber der Beklagten Ansprüche aus der Zahlungsgarantie in Höhe von insgesamt 251.381,54 EUR geltend und legte dazu drei Rechnungen mit der Erklärung vor, die Klägerin habe diese nicht bezahlt. Die Beklagte lehnte eine Zahlung hierauf zunächst ab, da kein Gesamtbetrag abgefordert worden sei und zudem zu der Rechnung Nr. 266 vom 20. Dezember 2006 über 202.626,84 EUR seitens der V... auch keine Verladedokumente vorgelegt worden waren. V... übersandte daraufhin am 22. Dezember 2006 erneut die Abforderung, diesmal nur unter Bezugnahme auf die Rechnungen Nr. 263 vom 5. Dezember 2006 und 264 vom 12. Dezember 2006 über insgesamt 48.754,70 EUR. Die Beklagte unterrichtete die Klägerin von der Inanspruchnahme aus der Garantie mit Schreiben vom gleichen Tag. die Klägerin widersprach einer Zahlung mit Telefax vom 21. Dezember 2006 und wies auf gravierende Qualitätsmängel der Lieferung durch V... hin. Hiernach folgten Schriftwechsel der Parteien sowie telefonische Kontakte über das weitere Vorgehen. Im Lauf der Verhandlungen bat die Beklagte die Klägerin um Informationen hinsichtlich des erhobenen Vorwurfs, V... habe minderwertige Qualität geliefert. Daraufhin holte die Klägerin eine gutachterliche Stellungnahme eines polnischen Instituts sowie ergänzend der Bureau Veritas, SGS, ein. Sämtliche Stichproben ergaben gegenüber der vertraglich vereinbarten Norm eine minderwertige Stahlqualität. Auf Intervention von V..., die inhaltlich nicht auf die Beanstandung der Klägerin hinsichtlich der Stahlqualität eingegangen war, sondern sich auf die formalen Voraussetzungen für die Auszahlung der Garantiesumme stützte, zahlte die Beklagte am 31. Januar 2007 zu Lasten des Kontos der Klägerin an V... einen Betrag in Höhe von 48.754,70 EUR und stellte für ihre Tätigkeit der Klägerin weitere 150 EUR an Bearbeitungsgebühren in Rechnung.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, von der Beklagten die Rückgutschrift des von dieser an V... ausgezahlten, ihrem Konto belasteten Betrages verlangen zu können. Sie hat geltend gemacht, die Beklagte habe sie nicht hinreichend über die besonderen Risiken einer Garantieerklärung aufgeklärt. Sie habe lediglich eine Bürgschaft verlangt und abgeben wollen. Die Beklagte habe sie darüber im Unklaren gelassen, dass die Garantie gegenüber der Bürgschaft weitaus größere Gefahren beinhaltete. Zudem habe sie nicht wissen können, dass der ihr von der Beklagten zur Verfügung gestellte englische Text von der gewünschten Bürgschaft abweichen würde. Sie hat behauptet, auch im Rahmen der hierzu geführten Telefonate sei sie in keiner Weise von der Beklagten aufgeklärt worden. Hieraus, so ihre Auffassung, ergebe sich ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte.
Darüber hinaus hat die Klägerin behauptet, bei einer stichprobenartigen Überprüfung durch die Auftraggeberin der Klägerin, die Firma B..., habe sich herausgestellt, dass acht von zwölf durch V... gelieferte Stahlstützen nicht die vom Auftraggeber verlangte und mit V... vereinbarte Qualität aufwiesen. Dieser Stahl sei aus statischen Gründen nicht zu gebrauchen gewesen. Sie hat die Auffassung vertreten, auf der Grundlage der von ihr vorgelegten StichprobenAnalysen liquide nachgewiesen zu haben, dass V... die Garantie rechtsmissbräuchlich in Anspruch nehmen wollte. Aufgrund dieser Beweismittel hätte die Beklagte eine Auszahlung der Garantiesummen nicht vornehmen dürfen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, die am 31. Januar 2007 auf dem bei ihr geführten Konto der Klägerin Nr. A erfolgte Belastung in Höhe von 48.754,70 EUR mit Wertstellung 31. Januar 2007 rückgängig zu machen und der Klägerin die hierfür erhobenen Bearbeitungsgebühren in Höhe von 150 EUR mit Wertstellung 13. Februar 2007 auf ihrem vorgenannten Konto gutzuschreiben
sowie
die Beklagte weiterhin zu verurteilen, der Klägerin vorprozessuale Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.665,76 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 5. Juni 2008 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat eine vertragliche Aufklärungspflicht gegenüber der Klägerin bestritten. Diese sei ein international tätiges Unternehmen, von dem hinreichende Kenntnis über den Unterschied zwischen einer Garantie und einer Bürgschaft habe erwartet werden können. Im Übrigen sei die Abforderung der Garantiesumme durch die V... ihr gegenüber zu Recht erfolgt. Hierfür sei die Auseinandersetzung zwischen der Klägerin und der V... zur Frage der Stahlqualität ohne Bedeutung. Die Befugnis, die vertraglich versprochene Zahlung auf die Garantie zu verweigern, sei nur dann gegeben, wenn durch liquide Beweismittel der Nachweis geführt werde, dass die Inanspruchnahme aus der Garantie rechtsmissbräuchlich sei. Dieser Nachweis sei durch die Klägerin nicht geführt worden. Insbesondere seien die stichprobenartigen Untersuchungen des gelieferten Stahls sowie die Untersuchungsergebnisse nicht ausreichend, um das Auszahlungsbegehren der V... als missbräuchlich zu qualifizieren.
Das Landgericht hat der Klage - hinsichtlich der außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe der Nettohonorarforderung - in vollem Umfang stattgegeben. Die Beklagte sei der Klägerin gemäß § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Es sei bereits erwägenswert, ob die Beklagte nicht deshalb hafte, weil sie die Klägerin nicht hinreichend über die Risiken einer Garantieerklärung aufgeklärt habe. Jedenfalls aber habe sich die Beklagte deshalb schadensersatzpflichtig gemacht, weil die Inanspruchnahme der Garantie durch die V... nicht begründet gewesen sei. Im Zeitpunkt der erstmaligen Inanspruchnahme am 20. Dezember 2006 - bis zu diesem Zeitpunkt war die Garantie befristet - hätten die formellen Voraussetzungen des Garantiefalls nicht vorgelegen. Insbesondere seien den Rechnungen vom 5. und 12. Dezember 2006 keine Verladedokumente beigefügt gewesen. Unabhängig hiervon sei die Auszahlung auch deshalb nicht gerechtfertigt gewesen, weil das Begehren der V... erkennbar und durch liquide Beweismittel nachweisbar rechtsmissbräuchlich gewesen sei. Aufgrund der durchgeführten Stichproben sei offenkundig gewesen, dass V... minderwertigen Stahl geliefert habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die weiterhin die Abweisung der Klage erstrebt. Sie meint zunächst, dass aufgrund der erfolgten Tatbestandsberichtigung, durch die klargestellt worden ist, dass die Verladedokumente bei Inanspruchnahme der Garantie am 20. Dezember 2006 vorgelegt worden waren, dem angefochtenen Urteil insoweit, als es die formalen Voraussetzungen der Garantie als nicht gegeben unterstellt, die Grundlage entzogen sei.
Im Übrigen seien die Voraussetzungen eines Rechtsmissbrauchs, der allein eine Bank berechtige, im Widerspruch zur abgegebenen Garantie die Zahlung an den Garantienehmer zu verweigern, durch das Landgericht verkannt worden. Eine Berechtigung der Bank, die garantierte Zahlung zu verweigern, setze voraus, dass ein Rechtsmissbrauch des Sicherungsnehmers durch liquide Beweismittel belegt werde. Vorliegend sei es für die Frage eines möglichen Rechtsmissbrauchs auf die Frage angekommen, ob V... vertragliche Verpflichtungen verletzt habe. Dies habe die Beklagte, da ihr der Vertrag zwischen der Klägerin und V... nicht vorgelegen habe, schon nicht feststellen können. Im Übrigen sei die Mangelhaftigkeit des gelieferten Stahls nur durch Stichproben belegt, was nicht ausreichend gewesen sei. Schließlich sei tatsächlich auch ein Anteil von 13 % des Stahls mangelfrei gewesen, sodass zumindest in diesem Umfang die von ihr erfolgte Auszahlung nicht zu beanstanden sei.
Eine Aufklärungspflichtverletzung liege nicht vor. Entgegen der Annahme des Landgerichts sei von der Klägerin von Beginn an die Erteilung einer Garantie gewollt gewesen.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und behauptet, eigene Erfahrungen nur mit Bürgschaften, nicht aber mit Garantien gehabt zu haben. Im Rahmen des am 8. November 2006 anlässlich der Änderung der Bürgschaft in eine Garantieurkunde geführten Telefonats habe keine Aufklärung seitens der Beklagten stattgefunden. Im Übrigen seien, wie das Landgericht zutreffend angenommen habe, die Voraussetzungen eines Rechtsmissbrauchs gegeben. Im Zeitpunkt der Erfüllung der Garantie durch die Beklagte am 31. Januar 2007 habe aufgrund der durchgeführten Stichproben und auch des Verhaltens der V... festgestanden, dass diese sich in betrügerischer Weise aus der Garantie habe befriedigen wollen. In jedem Fall müsse berücksichtigt werden, dass nach der zwischen ihr und V... bestehenden Regelung bei der Bezahlung von Lieferungen ein Sicherheitseinbehalt von 15 % habe vorgenommen werden dürfen. Zumindest insoweit hätte die Beklagte auf die Garantie nicht zahlen dürfen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. sie bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht die Beklagte gem. § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz in Form der Gutschrift der Klagforderung auf dem bei der Beklagten geführten Konto der Klägerin verurteilt.
1. Allerdings liegt, was das Landgericht im angefochtenen Urteil ausdrücklich offen gelassen hat, keine Schadensersatzansprüche begründende Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten vor.
a) Unabhängig davon, ob man die zwischen der Klägerin und der Beklagten seit langem bestehende, andauernde Geschäftsbeziehung als Bankvertrag oder als Geschäftsverbindung eigenen Typs einordnet (vgl. dazu Bankrechtshandbuch/Hopt, 3. Auflage, § 1 Rn. 41 f.), ergaben sich für die Beklagte aus dem mit der Klägerin bestehenden Vertragsverhältnis Aufklärungs-, Warn- und Beratungspflichten (vgl. dazu Bankrechtshandbuch/Siol, a. a. O., § 43 Rn. 10 ff., 13 f. m. w. N.). Insbesondere ist im Rahmen eines solchen Vertragsverhältnisses die Bank verpflichtet, den Vertragspartner aufgrund ihrer Fachkunde auf Gefahren hinzuweisen und dadurch vor Schäden zu bewahren.
b) Eine Aufklärungspflicht der Bank setzt allerdings voraus, dass zwischen den Parteien ein Informationsgefälle bestand und darüber hinaus der Beklagten bekannt, zumindest erkennbar war, dass ein Aufklärungsbedürfnis der Klägerin vorlag (vgl. Bankrechtshandbuch, a. a. O., § 43 Rn. 19).
c) Ein solches, für die Beklagte erkennbares Aufklärungsinteresse der Klägerin vermag der Senat auf der Grundlage des von den Parteien vorgetragenen Sachverhalts nicht festzustellen. Besondere Bedeutung kommt bei der Beurteilung dieser Frage dem Umstand zu, dass die Geschäftsführerin der Klägerin selbst bei der Beklagten, wie auch ihr eigenes vorprozessuales Aufforderungsschreiben ergibt, nicht ein Bürgschaftsformular, sondern ein Formular für eine Garantie angefordert hat. Diesem Begehren hat die Beklagte umgehend entsprochen und entsprechende Garantiemustertexte in englischer Sprache übersandt. Wenn die Klägerin, nachdem ihr diese Texte zugegangen waren, deren Inhalt nicht verstand - wo von die Beklagte bei einem weltweit tätigem Unternehmen sicher nicht ohne weiteres ausgehen musste - bestand für die Klägerin Anlass, von sich aus nachzufragen. Dies ist nicht geschehen. Dass es sich bei dem übersandten Formular gerade nicht um ein Bürgschafts-, sondern ein Garantieformular handelte, war auch für die Klägerin einfach erkennbar, und zwar schon aus dem Text des Anschreibens. Auch weist die Bezeichnung als "Payment-Guarantee" jedenfalls indiziell auf eine Garantie, nicht auf eine Bürgschaft hin.
Zu berücksichtigen ist zudem, dass - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - die Klägerin schon in einer Vielzahl von Fällen Avalbürgschaften der Beklagten in Anspruch genommen hatte. Die hierfür verwendeten Formulare waren der Klägerin mithin bekannt. Wenn sie nunmehr gesondert ein Garantieformular von der Beklagten anforderte, spricht zunächst nichts dafür, dass dennoch die Stellung einer Bürgschaft gewollt war.
d) Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin der Beklagten zunächst den Auftrag zur Übernahme einer Bürgschaft erteilte. Unstreitig hat es, nachdem die Klägerin der Beklagten den Auftrag übermittelt hatte, ein Telefonat zwischen einer Mitarbeiterin der Beklagten und der Geschäftsführerin der Klägerin gegeben, in dem die Mitarbeiterin der Beklagten darauf hingewiesen hat, dass eine Garantie übernommen werden sollte, worauf die Ankreuzungen im Formular geändert wurden. Wenn im Rahmen dieser Mitteilung die Geschäftsführerin der Klägerin das, was ihr seitens der Beklagten angeraten wurde, nicht verstand, hätte sie sofort hierauf hinweisen und nachfragen müssen. Gleiches gilt im Hinblick auf die von der Beklagten der Klägerin sodann in Kopie übersandte Garantieerklärung. Diese war zwar in englischer Sprache verfasst. Wenn aber die Klägerin nicht verstand, was ihr übermittelt wurde, hätte ebenfalls Anlass zur Nachfrage bestanden.
e) Eine Prüfung, ob und in welchem Umfang ein sich aus einer Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten ergebender Schadensersatzanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten durch eigene Mitverursachung und eigenes Mitverschulden gemäß § 254 BGB gemindert ist, ist insoweit mangels Pflichtverletzung der Beklagten nicht veranlasst.
2. Die Beklagte haftet der Klägerin jedoch deshalb auf Schadensersatz gem. § 280 BGB, weil sie die Zahlung an V... vorgenommen hat, obgleich die Klägerin mit liquiden Beweismitteln einen Rechtsmissbrauch seitens V... nachgewiesen hatte.
a) Die formellen Voraussetzungen der Garantie lagen allerdings entgegen der Annahme des Landgerichts vor. V... hatte bis zum 20. Dezember 2006 die erforderlichen Unterlagen, insbesondere die Rechnungen vom 5. und 12. Dezember 2006 inklusive der erforderlichen Transportdokumente (Bl. 33 ff. d. A.) vorgelegt und die Beklagte mit der insoweit zutreffenden Behauptung, diese Rechnungen seien nicht bezahlt, zur Zahlung aufgrund der übernommenen Garantie aufgefordert. Die abweichende Entscheidung des Landgerichts beruht auf der unzutreffenden, durch den Berichtigungsbeschluss vom 29. August 2008 korrigierten Annahme, die Transportdokumente hätten nicht rechtzeitig vorgelegen.
b) Die Beklagte war jedoch gegenüber der V... berechtigt und im Verhältnis zur Klägerin auch verpflichtet, die Zahlung zu verweigern.
aa) Bei einer Inanspruchnahme durch den Garantienehmer ist der Garantiegeber nur dann berechtigt, die Zahlung der Garantiesumme zu verweigern, wenn offensichtlich oder liquide beweisbar ist, dass trotz Vorliegens der formellen Voraussetzungen der Garantiefall im Valutaverhältnis (materieller Garantiefall) nicht eingetreten ist. In diesem Fall scheitert der Zahlungsanspruch aus der Garantie am Einwand des Rechtsmissbrauchs (vgl. etwa BGH, II ZR 198/82 vom 12. März 1984. XI ZR 370/97 vom 10. November 1998. XI ZR 344/99 vom 10. Oktober 2000. II ZR 220/85 vom 29. September 1986). Dabei sind die Voraussetzungen, die für die Bejahung eines Rechtsmissbrauchs gegeben sein müssen, streng. Es soll vermieden werden, dass der Garantiegeber in vertragliche Auslegungs- oder Erfüllungsstreitigkeiten, die zwischen den Parteien des Hauptvertrages entstanden sind, hineingezogen wird.
bb) Maßgeblich für die Beurteilung dieser Frage ist vorliegend der Kenntnisstand der Beteiligten am 31. Januar 2007 an. denn die Beklagte hatte am 20. Dezember 2006 - der Garantiebefristung - zunächst wegen Bedenken keine Zahlung geleistet und Anlass gesehen, die Anspruchsberechtigung der V... zu überprüfen. Dies ist bis zum 31. Januar 2007 geschehen.
cc) Am 31. Januar 2007 bestanden für die Beklagte hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass das Zahlungsbegehren durch V... rechtsmissbräuchlich war:
Anlass für die Beklagte, die Berechtigung der Zahlungsanforderung durch die V... in Zweifel zu ziehen, bestand zunächst deshalb, weil V... am 20. Dezember 2006 einen Gesamtbetrag von 251.000 EUR für angebliche Stahllieferungen angefordert hatte, jedoch auf Nachfrage die hierfür erforderlichen Lieferdokumente nicht vorlegen konnte. Auf Grund der Stellungnahme der Klägerin war zudem klar, dass tatsächlich weiterer Stahl als der, der nach den ersten beiden Rechnungen über 48.754,70 EUR hätte bezahlt werden müssen, nicht geliefert worden war. Damit stand auch für die Beklagte fest, dass V... versucht hatte, in betrügerischer Weise Vorteile aus der ihr gewährten Garantie zu ziehen, mithin auch Zahlung zu erlangen, ohne insoweit geliefert zu haben.
- Am 30. Januar 2007 war darüber hinaus durch drei Institute und Ziehung von insgesamt sechs Proben festgestellt, dass der von V... gelieferte Stahl mangelhaft war. Richtig ist insoweit zwar, dass damit nicht die Gesamtmenge, insbesondere nicht jeder einzelne Stahlträger untersucht worden war. Aber eine Verpflichtung zur Untersuchung jedes einzelnen Stahlträgers bestand im Verhältnis zwischen der Klägerin und V..., soweit die Klägerin Mängelansprüche geltend machte, nicht. Vielmehr ist insoweit von entscheidender Bedeutung, dass alle sechs von verschiedenen Instituten untersuchten Proben mangelhaft waren.
Weitere, an sich fällige Lieferungen durch V... hätten, da der Auftrag bis zum Ende der 51. Kalenderwoche des Jahres 2006 hätte abgeschlossen sein müssen (vgl. Anlage K 2 - Bl. 16 d. A.), bis zum 31. Januar 2007 durch V... erfolgen müssen. tatsächlich waren jedoch - unstreitig - keine weiteren Lieferungen erfolgt.
V... selbst hatte keine inhaltliche Stellungnahme gegenüber der Beklagten wegen der Mängel, die ihr vorgeworfen wurden, abgegeben, sondern sich lediglich formal auf die Garantie bezogen.
Die Beklagte ihrerseits hatte zunächst die Untersuchung durch ein anerkanntes europäisches Institut angefordert. Dem ist die Klägerin unverzüglich nachgekommen. Richtig ist in diesem Zusammenhang zwar, dass es im Schreiben der Beklagten heißt, sämtlicher Stahl müsse untersucht werden (K 17 - Bl. 69 d. A.). Ein solches, über die handelsrechtliche Untersuchungs- und Rügepflicht (§ 377 HGB) weit hinausgehendes Begehren der Beklagten war jedoch, um einen Rechtsmissbrauch feststellen zu können, nicht gerechtfertigt.
Der Vortrag der Beklagten, die nunmehr mit Nichtwissen bestreitet, dass eine bestimmte Stahlqualität zwischen der Klägerin und V... vereinbart war, ist treuwidrig. Die Beklagte hatte auf Grund der ihr vorgelegten Untersuchungsprotokolle gesehen, dass die Stichproben gerade im Hinblick auf den Nachweis einer bestimmten Qualität durchgeführt worden waren. Sie hätte, wenn aus ihrer Sicht Zweifel bestanden, ob diese Qualität tatsächlich vereinbart war, den vollständigen Vertrag von der Klägerin erfordern können. Unabhängig hiervon ergab sich die Richtigkeit des klägerischen Vorbringens indiziell auch aus dem Schreiben von B..., die ihrerseits auf die vereinbarte Stahlqualität hingewiesen hatte.
c) Bei der gebotenen Gesamtbeurteilung dieser Umstände hätte die Beklagte den Schluss ziehen müssen, dass ihre Inanspruchnahme aus der Garantie durch V... rechtsmissbräuchlich erfolgen sollte und daher die geforderte Zahlung verweigern müssen.
d) Eine Minderung des der Klägerin zustehenden Schadensersatzanspruchs im Hinblick darauf, dass im Ergebnis 13 % des von V... beanstandungsfrei gewesen sind, ist nicht gerechtfertigt. Nachdem die Klägerin die Voraussetzungen eines Rechtsmissbrauchs liquide nachgewiesen hatte, war die Beklagte im Verhältnis zur Klägerin verpflichtet, die Zahlung aus der Garantie unabhängig davon zu verweigern, ob aus der vertraglichen Beziehung zwischen der Klägerin und V... restliche Zahlungsansprüche V... verbleiben würden.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die Revision zuzulassen ist (§ 543 Abs. 2 ZPO), sind nicht gegeben.