Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 07.04.2005, Az.: 11 U 274/04

Recht auf dauernde Leistungsverweigerung; Bezahlung der Installation einer Telefonanlage

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
07.04.2005
Aktenzeichen
11 U 274/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 12427
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2005:0407.11U274.04.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - AZ: 23 O 58/04

Fundstellen

  • OLGReport Gerichtsort 2005, 493-494
  • VuR 2005, 199 (amtl. Leitsatz)

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Ein Zurückbehaltungsrecht kann unter bestimmten Umständen zu einem Recht auf dauernde Leistungsverweigerung erstarken.

  2. 2.

    Ein solcher Fall liegt dann vor, wenn bei einer Telefonanlage die geschuldete Rufweiterleitung auch mehr als drei Jahre nach der Erstinstallation noch nicht ordnungsgemäß installiert ist und der Anbieter die Nachinstallation verweigert, aber das volle vertragliche Entgelt fordert.

In dem Rechtsstreit
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 3. März 2005
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richterin am Oberlandesgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.166,53 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 %Punkten über dem Basiszinssatz aus 124,38 EUR seit dem 1. Juli 2003, aus weiteren 789,09 EUR seit dem 2. Juli 2003 sowie aus weiteren 3.253,06 EUR seit dem 5. Juli 2003 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten der ersten Instanz hat die Klägerin 34 % und hat der Beklagte 66 % zu tragen.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Die Beschwer der Klägerin übersteigt nicht 20.000 EUR.

Tatbestand

1

I.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Bezahlung einer bei ihr bestellten und von der Klägerin zu installierenden Telefonanlage nebst einer Mehrzahl von Endgeräten. Der Vertragsschluss erfolgte am 15. Juni 2001; wegen der Einzelheiten wird auf den in Kopie zu den Akten gereichten Vertrag K 1 nebst der dazugehörigen Systemübersicht Bezug genommen.

2

Die Installation der Anlage erfolgte am 30. November 2001. An diesem Tage wurde ein Abnahmeprotokoll unterzeichnet, welches die Klägerin in Ablichtung (Anlage K 6; GA 52) zu den Akten gereicht hat. Der Beklagte hatte einen Vorbehalt zugefügt. In diesem Abnahmeprotokoll heißt es unter Bemerkungen u. a.:

"Keine interne Displayanzeige".

3

Neben dem Kauf und Installationsvertrag haben die Parteien ein Abrede über die Wartung der Geräte geschlossen; wegen deren Einzelheiten wird auf Bl. 59 - 62 d. A. Bezug genommen.

4

Die Klägerin hat behauptet, die in Rede stehende Telefonanlage vertragsgemäß erbracht zu haben; vom Beklagten demgegenüber vorgebrachte Einwände seien haltlos. Sie hat dem Beklagten ihre Leistungen unter dem 2. Juni 2003 in Rechnung gestellt.

5

Der Beklagte war dem Zahlungsverlangen der Klägerin in erster Instanz entgegengetreten. Er hat insbesondere - soweit in der Berufungsinstanz noch von Interesse - behauptet, die Telefonanlage habe so gestaltet werden sollen, dass nach dreimaligem Klingeln der eingehende Anruf bei Gesprächen, die im Büro auflaufen, auf den Wohnbereich habe umgeschaltet werden sollen. Die Umschaltung sei zunächst überhaupt nicht ordnungsgemäß installiert worden. Erst am 8. September 2003 sei sie programmiert worden. Auch diese Programmierung sei jedoch noch fehlerhaft gewesen. Auf dem Display des Telefonapparates im Wohnzimmer erscheine bei derartiger Schaltung nicht der Hinweis, dass es sich um einen Telefonanruf von außen handele. Es erscheine der Hinweis, dass vom Büro angerufen werde. Zudem hat der Beklagte behauptet, die Anzeige bei Anrufen aus dem Büro sei auch insofern fehlerhaft, als wenn aus dem Büro angerufen werde, auf dem Display des Telefonapparats nur für die Dauer einer Sekunde der Hinweis erscheine, dass es sich um einen Anruf aus dem Büro handele. Wegen dieser Rüge wird auf GA 44 Bezug genommen.

6

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Es hat gemeint, es handele sich bei den gerügten Mängeln um Kleinigkeiten; allein der Zinsvorteil, den der Beklagte dadurch erreicht habe, dass er die Anlage seit 30. November 2001 habe nutzen können, sei im Ergebnis sicherlich höher als derjenige Aufwand, den es koste, sich Steckerabdeckungen der gewünschten Farbe im Baumarkt zu beschaffen und eine Displayanzeige eines mobilen Telefongerätes neu einrichten zu lassen.

7

Gegen dieses Erkenntnis wendet sich der Beklagte mit seiner form- und fristgerecht eingereichten Berufung.

8

Mit ihr erstrebt er nicht die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils insgesamt, sondern eine auf 4.166,53 EUR in der Hauptforderung reduzierte Verurteilungssumme, d. h. eine gegenüber dem landgerichtlichen Erkenntnis um 2.088 EUR verringerte Verurteilung hinsichtlich der Hauptforderung.

9

Der Beklagte meint, das Landgericht habe die seinerseits erstinstanzlich gerügten Mängel der Telefonanlage unzutreffend bewertet. Es habe sich bei der Telefonanlage um eine komplexe und recht kostspielige Telefonanlage mit diversen Nebenstellen gehandelt. Wesentliches Merkmal einer solchen Anlage sei die Möglichkeit, auf den Displays der jeweiligen Telefongeräte erkennen zu können, um wen es sich bei dem Anrufer handele. Zudem müsse es für den Angerufenen erkennbar sein, ob ein interner oder ein externer Anruf vorliege.

10

Er meint, dass bereits aus der Tatsache, dass die von der Klägerin beauftragten Techniker viele Stunden vergeblich damit zugebracht hätten, die streitgegenständlichen Mängel zu beseitigen, dem erstinstanzlichen Gericht hätte klar sein müssen, dass es sich mitnichten um Kleinigkeiten handele. Zum Beweis für die Mängel beruft sich der Beklagte auf Einholung eines Sachverständigengutachtens.

11

Den Umfang seines Berufungsangriffs erklärt der Beklagte damit, dass nach seiner Schätzung die Beseitigung der Mängel vermutlich 10 Arbeitsstunden bei einem geschätzten Stundensatz von 60 EUR zuzüglich Umsatzsteuer ausmachen würde, d. h. Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 696 EUR entstehen würden. Er stelle sich ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe des dreifachen der zu erwartenden Mängelbeseitigungskosten vor. In etwa in dessen Höhe habe er einen Abzug von der landgerichtlichen Verurteilung vorgenommen.

12

Der Beklagte beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 4.166,53 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 %Punkten über dem Basiszinssatz aus 124,38 EUR seit dem 1. Juli 2003 aus weiteren 789,09 EUR seit dem 2. Juli 2003 sowie aus weiteren 3.253,06 EUR seit dem 5. Juli 2003 zu zahlen.

13

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

14

Sie meint in erster Linie, der bisherige Berufungsantrag des Beklagten sei in der gestellten Form als nicht zulässig anzusehen.

15

Die Klägerin nimmt ferner in Abrede, dass dem Beklagten wegen der Vorbehalte aus dem Abnahmeprotokoll noch Mängelrechte zustünden.

16

Auf gerichtlichen Hinweis, dass die Rufweiterleitung vom Büro in den Wohnbereich nur eingeschränkte Displayfunktionen biete und diese Rüge schon im Abnahmeprotokoll enthalten sei, hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, eine Rufnummernübermittlung auf die Gigaset-Endgeräte im Weiterleitungsfall sei nicht Vertragsinhalt gewesen. Der Beklagte habe eine Anlage gewählt, bei der die Endgeräte analog an die Telekommunikationsanlage angeschaltet seien; bei analoger Anschaltung sei eine Rufnummernübermittlung nicht vorgesehen. Wenn der Beklagte eine solche Übermittlung gewünscht hätte, hätte er das mitteilen müssen. Technisch sei das zwar möglich gewesen, allerdings unter Aufwendung erheblicher Mehrkosten. Mithin sei die Anlage nicht mangelhaft.

17

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

18

II.

Die Berufung des Beklagten hat Erfolg.

19

Die Klägerin begehrt, soweit der Rechtsstreit in die Berufungsinstanz gelangt ist, den Kauf und Installationspreis für eine komplexe Telefonanlage, zu der mehrere Endgeräte gehörten und die eine Verknüpfung zwischen einer Büro-Telefonanlage und in den Privaträumen befindlichen Telefonendgeräten beinhalten sollte. Die einzelnen Vertragsinhalte sind aus dem vorgelegten schriftlichen Vertrag nicht zu entnehmen. Insbesondere ist nicht zu entnehmen, ob die Verpflichtung der Klägerin dahin ging, die Rufweiterleitung zwischen Büro und Wohnbereich analog oder digital vorzunehmen und welche Anzeigefunktionen die Rufweiterleitung bieten oder nicht bieten würde.

20

Nachdem der Vertrag über die Ausgestaltung der Weiterleitung nichts einem Verbraucher Erkennbares Näheres enthält, bedarf dieser insoweit der Auslegung. Dabei ist es erforderlich, unter Heranziehung der sonstigen Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, ob eine Weiterleitung mit Weiterleitung sämtlicher Daten des eingehenden Anrufs oder ohne diese geschuldet war. Bedenkt man hierbei das Renommée der Anbieterin sowie den Preis, den der Beklagte für die Anlage zu zahlen hatte, nämlich insgesamt mehr als 7.000 DM für die technischen Einrichtungen, für die Einrichtung des Systems mehr als 1.400 DM und mehr als 600 DM als Nutzungsentgelt für die erstmalige Nutzung der überlassenen Programme, so ergibt sich bereits aus der Hochpreisigkeit der Anlage, dass der Kunde ohne näheren Hinweis auf zu erwartende Leistungseinschränkungen mit einer vollständigen Weitergabe der eingehenden Daten im Rahmen der unstreitig geschuldeten Rufweiterleitung zwischen Büro und Privaträumen rechnen konnte. Dementsprechend gehörte diese Rufweiterleitung zum vertraglich geschuldeten Leistungsprogramm der Klägerin.

21

Den mit diesem Rechtsstreit geltend gemachten restlichen Kauf und Installationspreis für die Anlage kann und konnte die Klägerin mithin nur erhalten, wenn sie schlüssig darlegt, das Geschuldete erbracht zu haben. An einer Darlegung mit diesem Inhalt geschweige denn einem Beweisantritt fehlt es. Dass die Weiterleitung zwischen Büro und Wohnung nur eingeschränkt funktioniert, insbesondere in der Wohnung nicht erkennbar ist, ob aus dem Büro von Mitarbeitern angerufen wird oder ob es sich um einen weitergeleiteten Anruf von außen handelt, ist zwischen den Parteien unstreitig.

22

Die Klägerin ist hierauf auch bereits durch Berichterstatterhinweis im Vorfeld der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zureichend hingewiesen gewesen. Sie ist darauf, dass sie das vertragliche Leistungsprogramm in dem zentralen Punkt der Rufweiterleitung verfehlt hat, auch bereits durch das vorbehaltliche Abnahmeprotokoll, in welchem der Beklagte die Mängel der Weiterleitung gerügt hat, vorprozessual zureichend hingewiesen gewesen.

23

Zudem deuten die Umstände des Streitfalles darauf hin, dass die Klägerin Bedenken gegen eine zureichende Erbringung ihrer eigenen Leistungen auch selbst gehabt haben mag. So hat die Klägerin einen Zeitraum von 1 1/2 Jahren zwischen Installation und Rechnungsstellung verstreichen lassen. Es erscheint gut nachvollziehbar, dass - wie der Beklagte vorträgt - die Klägerin oder deren Techniker in den 1 1/2 Jahren vor Rechnungsstellung versucht haben mögen, eine günstigere Programmierung der Anlage zu bewerkstelligen.

24

Die Rechtsfolge des Zurückbleibens der Leistung der Klägerin hinter dem vertraglich geschuldeten Leistungsumfang stellt sich so dar, dass die Klägerin, da ihrem Forderungsrecht der Einwand aus § 320 BGB, nämlich des nicht erfüllten Vertrages, entgegensteht, den Entgeltansprüchen zunächst nicht durchsetzen konnte. Dieser berechtigte Einwand des Beklagten mag zunächst nur eine Abweisung der Forderung als "zur Zeit unbegründet" gerechtfertigt haben. Im Streitfall ist jedoch zu berücksichtigen, dass die vertragliche Leistung, nämlich die Lieferung und die Installation einer Telekommunikationsanlage, aus einem schnelllebigen Technologiebereich herrührt. Leistungen aus diesem Bereich veralten rasch. Bei einer im Jahr 2001 installierten Anlage ist deren Lebensdauer im Jahr 2005 schon in etwa erreicht. Dieser Zeitablauf führt im Streitfall unter Hinzunahme des Umstandes, dass die Klägerin, wie sich im Rahmen der Vergleichsverhandlungen herausgestellt hat, zu einer Nachbesserung und Änderung der Anlage nicht bereit ist und diese verweigert, dazu, dass gemäß § 242 BGB das zunächst als nur rechtshindernde Einrede des Beklagten bestehende Gegenrecht sich zu einer dauernden Einwendung gewandelt hat. Demgemäß unterliegt die Leistungsklage der Klägerin der endgültigen Abweisung und muss nicht als zur Zeit unbegründet abgewiesen werden.

25

Auch der Höhe nach ist der Abzug, den der Beklagte von dem der Klägerin geschuldeten Leistungsentgelt vornimmt, berechtigt. Die Klägerin hat, obwohl renommiertes Fachunternehmen der Branche, nicht dargelegt, dass es für den Beklagten zu einem günstigeren Entgelt als dem von ihm vorgenommenen Abzug möglich wäre, den von der Klägerin nicht erbrachten Leistungsteil anderweit nachinstallieren zu lassen. Hinzu kommt, dass dem Beklagten auch ein gewisser Ersatz für den Minderwert der Nutzung der ihm tatsächlich geleisteten unzureichenden Anlage zuzukommen hat, der in dem vorgenommenen Abzug ebenfalls in angemessener Weise (§ 287 ZPO) enthalten ist.

26

Eine Möglichkeit, dem Beklagten zu seinem vorrangigen Ziel, nämlich einer fehlerfreien Herstellung der Anlage durch die Klägerin zu verhelfen, wie es in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat durch die Äußerungen des Beklagten persönlich deutlich geworden ist, bestand angesichts der Antragstellung für den Senat nicht.

27

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen gründen sich auf §§ 708 Nr. 10 ZPO hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit sowie auf § 91 Abs. 1 ZPO hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens und auf § 92 Abs. 1 ZPO hinsichtlich der Kosten der ersten Instanz.

28

Zur Zulassung der Revision hat der Senat weder aus Gründen der Fortbildung des Rechts noch wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache einen Anlass gesehen.

29

Die Parteien haben insoweit auch nichts aufgezeigt, was zu anderer Beurteilung hätte führen können.