Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 27.04.2005, Az.: 4 AR 31/05
4 Jahre; Antragserweiterung; Antragsgegnerseite; Baumangel; Bausache; Beweissicherungsverfahren; Nebenintervenient; Nebenintervention; Prozessökonomie; selbstständiges Beweisverfahren; selbständiges Beweisverfahren; Streithelfer; Streithilfe; Streitverkündung; Unstatthaftigkeit; Unzulässigkeit; Unzumutbarkeit; Verfahrensdauer; Verfahrensverzögerung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 27.04.2005
- Aktenzeichen
- 4 AR 31/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 50964
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG - 08.03.2005 - AZ: 24 OH 63/01
Rechtsgrundlagen
- § 411a ZPO
- § 485 ZPO
Tenor:
Der Antrag auf Bestimmung eines gemeinsamen Gerichts wird zurückgewiesen.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Soweit die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 18. März 2005 Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 8. März 2005 eingelegt hat, wird die Sache dem zuständigen Beschwerdesenat des Oberlandesgerichts zugeleitet.
Gründe
I. Die Antragstellerin betreibt seit ihrer Antragsschrift vom 23. April 2001 ein Beweissicherungsverfahren gegen die Antragsgegnerinnen zu 1 und 2 mit der Behauptung, diese seien als Auftragnehmer für Mängel beim Ausbau einer Eisenbahnausbaustrecke verantwortlich. Nachdem im Jahre 2003 der gerichtliche Sachverständige als Ursache für Mängel auch Planungs- und Abstimmungsmängel erwähnt hatte, hat die Antragstellerin Ende 2003 auch den jetzigen Streithelferinnen und gewillkürten Antragsgegnerinnen den Streit verkündet, weil sie gegen sie einen Anspruch auf Schadloshaltung habe, denn sie seien von der Antragstellerin (bzw. ihrer Rechtsvorgängerin) zur fachkundigen Begleitung und Beratung hinzugezogen worden. In der Folgezeit kam es zu Problemen in der Durchführung des Verfahrens u. a. auch wegen Befangenheitsanträgen gegen den Sachverständigen, die schließlich zu einer umfassenden mündlichen Erörterung im Termin vor dem Landgericht am 5. November 2004 führten. Schließlich beantragte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 14. Januar 2005, im Wege der Antragserweiterung auch die bisherigen Streitverkündeten bzw. Streithelfer zu 1, 2, 3 und 4 als Antragsgegner in das selbständige Beweisverfahren einzubeziehen und die Beweisbeschlüsse vom 20. Dezember 2001 und vom 28. Januar 2002 in Bezug auf sie zu erweitern. Diesen Antrag hat das Landgericht mit Beschluss vom 8. März 2005 zurück gewiesen. Hinsichtlich der I. (Streithelferin zu 1) und der E. (Streitverkündete zu 3) fehle es schon an der örtlichen Zuständigkeit. Im Übrigen stehe der Antragserweiterung entgegen, dass eine nachträgliche Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung im Dezember 2001 den Streitverkündeten nicht zumutbar sei, weil diese in ihren Mitwirkungsmöglichkeiten beschränkt würden, die sie bei anfänglicher Beteiligung als Gegner gehabt hätten. Die Wirkungen der Streitverkündung habe die Antragstellerin ohnedies erreicht.
Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde vom 18. März 2005, die sie zugleich als Antrag auf Bestimmung eines zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO behandelt wissen will. Den Parteien ist durch Verfügung des Vorsitzenden vom 8. April 2004 Gelegenheit zur Stellungnahme zunächst zum Antrag auf Bestimmung eines zuständigen Gerichts gegeben worden. Soweit die Antragsgegner davon Gebrauch gemacht haben, haben sie der Bestimmung widersprochen.
II. 1. Auch im selbständigen Beweisverfahren ist die Bestimmung eines gemeinsamen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zulässig und bei einfacher Streitgenossenschaft möglich. Die Durchführung eines gemeinsamen und einheitlichen Beweisverfahrens ist insbesondere auch dann zweckmäßig und sinnvoll, wenn ein Anspruchsteller mehrere Personen oder Unternehmen für Mängel und Schäden an einem einheitlichen Bauwerk in Anspruch nehmen will. Die Klärung von Verantwortlichkeiten in einem einheitlichen Verfahren kann dann durchaus prozessökonomisch sein. Dies hat auch der erkennende Senat bereits so entschieden (OLGR Celle 2001, 97).
Der erkennende Senat ist für die Entscheidung über den Antrag auf Bestimmung eines gemeinsamen Gerichts nach § 36 Abs. 2 ZPO auch zuständig, weil die allgemeinen Gerichtsstände der Antragsgegner, insbesondere die der Streithelferin zu 1 (I.) und zu 3 (E.) in H. bzw. B. in anderen Oberlandesgerichtsbezirken als dem des Oberlandesgerichts Celle liegen, dem das zuerst mit der Sache befasste Landgericht Hannover nachgeordnet ist.
2. Der Antrag ist aber gleichwohl abzulehnen, weil die nachträgliche Einbeziehung durch Antragserweiterung den insbesondere davon betroffenen „gewillkürten“ Antragsgegnern mit Gerichtsständen außerhalb des Landgerichtsbezirks Hannover nicht zuzumuten ist. Der Senat hat bereits entschieden, dass auch ein Antrag auf Bestimmung eines zuständigen Gerichts im Laufe eines Verfahrens zu „tunlicher Zeit“ gestellt werden muss; Zweck der gesetzlichen Möglichkeit, durch Gerichtsstandsbestimmung ein einheitliches Verfahren trotz unterschiedlicher Gerichtsstände zu ermöglichen, ist der Gedanke der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und insbesondere auch der Verfahrensökonomie. Dieser Gedanke kann aber verfehlt werden, wenn in einem bereits seit längerer Zeit laufenden Verfahren erst in einem weit voran geschrittenen Verfahrensstadium durch Anträge nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO weitere Beteiligte in ein solches Verfahren einbezogen werden (OLGR Celle 2005, 212, Beschluss vom 11. Februar 2005 - 4 AR 19/05 -).
So liegt es hier. Das Beweisverfahren sollte entsprechend den Anträgen der Antragstellerin zunächst die Verantwortung der Antragsgegnerinnen zu 1 und 2 für von der Antragstellerin behauptete Mängel klären. Nur darauf bezogen sich die Beschlüsse des Landgerichts vom 20. Dezember 2001 und vom 28. Januar 2002. Spätestens seit Ende 2003 rechnete die Antragstellerin aufgrund der bis dahin vorliegenden Gutachten erklärtermaßen damit, dass neben der behaupteten Verantwortlichkeit der Antragsgegner zu 1 und 2 auch weitere Personen oder Unternehmen haftbar sein könnten; dies zeigt die Streitverkündung an die Streithelferinnen bzw. Streitverkündeten zu 1 bis 4. Freilich musste die Antragstellerin schon bei Einleitung des Beweisverfahrens damit rechnen, dass die Antragsgegner zu 1 und 2 geltend machen würden, dass die Schadensursachen nicht ihrem Verantwortungsbereich zuzurechnen seien; diesen erwarteten Einwand der Antragsgegner zu 1 und 2 hat die Antragstellerin selbst in der Antragsschrift vom 23. April 2001 vorgetragen (Bl. 5). Sie hatte also allen Anlass, von Anfang an sich darüber schlüssig zu werden, ob sie ggfs. auch weitere Beteiligte als die Antragsgegner zu 1 und 2 in die Klärung der Beweisfragen als förmliche Antragsgegner einbeziehen wollte. Das gilt umso mehr, als die Antragstellerin die Streithelfer bzw. Streitverkündeten zu 1 bis 4 verantwortlich machen will, weil sie diese bei der Planung und Beratung bei der Durchführung des Bauvorhabens zugezogen habe. Es geht also nicht um den Fall, dass zufällig durch neue Erkenntnisse potentielle Schädiger bekannt werden, mit denen nie zu rechnen gewesen wäre. Wenn also nun ein selbständiges Beweisverfahren über inzwischen vier Jahre mit dem Ziel geführt wird, tatsächliche Feststellungen zu treffen, die für das Verhältnis der Antragstellerin zu den Antragsgegnern zu 1 und 2 von Bedeutung sind, dann kann es auch die Erledigung dieses Verfahrens mit einem definierten Ziel konterkarieren, wenn nunmehr nach „Jahr und Tag“ auch andere potentielle Schadensursachen mit dem Ziel untersucht werden sollen, die mit einem selbständigen Beweisverfahren verbundenen Feststellungen auch mit Wirkung für bisher nicht am Verfahren beteiligte Personen und Unternehmen zu treffen. Denn - ohne der vom Senat nicht zu würdigenden Begründung des Schriftsatzes der Antragstellerin vom 18. März 2005, soweit er als Beschwerde zu behandeln ist, vorzugreifen - es drängt sich der vom Landgericht im Beschluss vom 8. März 2005 hervorgehobene Gesichtspunkt auf, dass es einer Partei schwerlich zugemutet werden kann, durch nachträgliche Einbeziehung als Antragsgegner Verfahrensergebnisse mit Rückwirkung gegen sich gelten lassen zu müssen, die auf einem bereits seit vielen Jahren ohne förmliche Beteiligung als Partei zwischen anderen Parteien geführten Verfahren beruhen. Das gilt umso mehr in Bezug auf die Beteiligten, die beim Landgericht Hannover keinen Gerichtsstand haben und die von dem Antrag nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO insbesondere betroffen sind. Es ist schon allgemein ein Nachteil, durch eine Gerichtsstandsbestimmung gezwungen zu sein, sich auf ein Verfahren vor einem an sich nicht zuständigen Gericht einlassen zu müssen. Gerade beim Beweisverfahren sind Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse - bis hin zur Auswahl des Sachverständigen und der Beteiligung an seinen Untersuchungen - von Vorteil. Das zeigt sich auch im konkreten Verfahren, in dem bis hin zu Befangenheitsanträgen gegen den Sachverständigen hart gefochten wird. An diesen Umständen ändert auch nichts die Streitverkündung und der jedenfalls z. T. erfolgte Beitritt als Streithelfer. Denn auch der Streithelfer kann das Verfahren nicht gegen die Hauptparteien lediglich mit Rücksicht auf eigene Interessen betreiben.
Im Übrigen wird sich die Antragstellerin mit Rücksicht auf den Zweck des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO - Verfahrensökonomie - auch sagen lassen müssen, dass ein Beweisverfahren - und sei es auch so „schwer“ wie das vorliegende - in angemessener Zeit soll abgeschlossen werden können. Dieses Ziel würde konterkariert, wenn ein Antragsteller, wenn er nach ersten gutachterlichen Beurteilungen befürchten muss, dass seine Behauptungen über die Verantwortlichkeit der bisherigen Antragsgegner nicht oder nur eingeschränkt bestätigt werden, nunmehr durch Erweiterung des Antrags auf neue Antragsgegner mit an sich auswärtigen Gerichtsständen neue Feststellungen mit Wirkung auch für diese erreichen könnte. Denn da neu einbezogenen Antragsgegnern schon aus Gründen der prozessualen „Fairness“ die Möglichkeit gegeben werden müsste, auch selbständig zur Wahrung ihrer eigenen Interessen (und nicht nur als Streithelfer zur Wahrung der von ihnen unterstützten Partei) die bisher gewonnenen Verfahrensergebnisse kritisch mit entsprechenden Anträgen in Frage zu stellen, würde das zu einer Verzögerung führen. Eine solche könnte aber auch den bisher und von Anfang an beteiligten Antragsgegnern wohl nicht zugemutet werden, denn auch diese haben Anspruch darauf, dass ein gegen sie gerichtetes Verfahren in angemessener Zeit beendet wird. Dieser Gesichtspunkt wiegt umso schwerer, als das Beweisverfahren nun schon vier Jahre andauert.
Durch die Ablehnung der Gerichtsstandsbestimmung wird die Antragstellerin auch nicht unzumutbar hart betroffen. Es bleibt ihr unbenommen, selbständige neue Beweisverfahren gegen die Streitverkündeten an den für sie zuständigen Gerichten zu betreiben (und für ein solches neues Beweisverfahren auch einen Antrag nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zu stellen). Ob die obigen Erwägungen auch für diejenigen Streitverkündeten gelten, die ihren Gerichtsstand ohnehin beim Landgericht Hannover haben und die deshalb von dem Antrag nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht unmittelbar betroffen sind, hat der Senat nicht zu beurteilen.