Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 21.04.2005, Az.: 11 U 263/04
Beurteilung der Aufrechnungsmöglichkeit des Prinzipals gegenüber dem Handelsvertreter im Falle eines Anspruchs auf Vorauszahlung bei Zwangsvollstreckung wegen vertretbarer Handlungen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 21.04.2005
- Aktenzeichen
- 11 U 263/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 14631
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2005:0421.11U263.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Bückeburg - 19.08.2004 - AZ: 2 O 92/04
Rechtsgrundlage
- § 887 Abs. 2 ZPO
Fundstellen
- InVo 2005, 284-285 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 2005, XII Heft 25 (Kurzinformation)
- NJW 2005, 2788 (amtl. Leitsatz)
- NJW-RR 2005, 1013 (Volltext mit amtl. LS)
- OLGReport Gerichtsort 2005, 432
Amtlicher Leitsatz
Vollstreckt der Handelsvertreter aus einem Urteil, durch das der Prinzipal zur Erteilung eines Buchauszuges verurteilt worden ist, kann der Prinzipal gegenüber dem titulierten Anspruch nach § 887 Abs. 2 ZPO auf Zahlung eines Kostenvorschusses nicht mit einer Gegenforderung die Aufrechnung erklären.
In dem Rechtsstreit
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
die Richterin am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Oberlandesgericht ...
auf die mündliche Verhandlung vom 7. April 2005
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg vom 19. August 2004 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage nicht als unzulässig, sondern vielmehr als unbegründet abgewiesen wird.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger ist rechtkräftig verurteilt, dem Beklagten einen Buchauszug zu erstellen. Mit Beschluss vom 17. Februar 2004 hat das Landgericht dem Kläger aufgegeben, gemäß § 887 Abs. 2 ZPO einen Gebührenvorschuss in Höhe von 10.000 EUR für die Beauftragung eines Sachverständigen zu zahlen. Diesen Anspruch des Beklagten hat der Kläger teilweise durch Zahlung befriedigt. Im Übrigen hat er die Aufrechnung mit einem abgetretenen Anspruch seiner Ehefrau erklärt. Mit der vorliegenden Vollstreckungsabwehrklage beantragt der Kläger, die Zwangsvollstreckung des Beklagten aus dem Beschluss für unzulässig zu erklären. Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen.
II.
Die Berufung des Klägers hat im Ergebnis keinen Erfolg.
1.
Allerdings hat das Landgericht zu Unrecht angenommen, die Klage sei unzulässig. Der Einwand, die Verpflichtung aus dem Beschluss nach § 887 Abs. 2 ZPO bereits erfüllt zu haben, ist mit der Klage nach § 767 ZPO geltend zu machen (vgl. MüKo/Schilken, ZPO, 3. Bd., 2. Aufl., § 887 Rn. 19). Hätte das Landgericht Recht, könnte der Kläger in keinem gerichtlichen Verfahren geltend machen, den titulierten Anspruch nach § 887 Abs. 2 ZPO nach Erlass des Beschlusses erfüllt zu haben.
2.
Die Berufung hat jedoch im Ergebnis keinen Erfolg, weil sich die Klage letztlich als unbegründet erweist. Der Beklagte hat in zulässiger Weise aus dem Beschluss vom 17. Februar 2004 die Vollstreckung betrieben.
Soweit der Kläger auf die titulierte Forderung Zahlung in Höhe von 4.963,14 EUR geleistet hat, hat der Beklagte den Vollstreckungsauftrag zurückgenommen, die Frage der Zulässigkeit der Vollstreckung ist insoweit im Berufungsverfahren nicht angefallen.
Soweit der Kläger gegen den restlichen titulierten Anspruch die Aufrechnung mit einer an ihn abgetretenen angeblichen Forderung seiner Ehefrau erklärt hat, ist die Aufrechnung nicht zulässig. Der Senat verkennt nicht, dass es durchaus Fälle geben kann, in denen ein Schuldner der Vollstreckung des Gläubigers aus einem Titel nach § 887 Abs. 2 ZPO mit der Aufrechnung begegnen kann. So ist der Streitfall aber nicht gelagert.
Es ist allgemein anerkannt, dass sich aus den Rechtsverhältnissen, die den gegenseitigen Forderungen zugrunde liegen, ergeben kann, dass trotz Gleichartigkeit des Leistungsgegenstandes die Aufrechnung nicht zulässig ist; das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Aufrechnung mit Rücksicht auf die Natur des Schuldverhältnisses oder den Zweck der geschuldeten Leistung Treu und Glauben (§ 242 BGB) widersprechen würde (vgl. BGHZ 54, 244 ff. [BGH 13.07.1970 - VII ZR 176/68]). In Ausprägung dieses Grundsatzes vertritt der Senat in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass wenn ein Handelsvertreter gegen seinen Prinzipal einen rechtskräftig titulierten Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges hat, der hierauf gründende titulierte Anspruch nach § 887 Abs. 2 ZPO nicht durch eine - zumal zweifelhafte - Aufrechnungsforderung zu Fall gebracht werden kann (vgl. u. a. Beschluss vom 14. April 2003, 11 W 49/02).
Der Kläger weigert sich rechtswidrig, dem Beklagten den diesem zustehenden Buchauszug zu erteilen, obschon dieser Anspruch rechtskräftig durch Urteil tituliert ist. Die Vollstreckung dieses Titels würde konterkariert, würde es dem Kläger möglich sein, sich der Vollstreckung durch Aufrechnung mit einer durch Abtretung erworbenen zweifelhaften Forderung zu entziehen. Dann hinge es allein von der Bonität und der Zahlungsfähigkeit des Beklagten ab, ob das Urteil überhaupt vollstreckt werden kann. Das wäre mit dem Rechtsstaatsprinzip und dem daraus folgenden Anspruch des Gläubigers auf effektiven Rechtsschutz nicht in Einklang zu bringen.
Zudem würde es dem Sinn und Zweck des Vollstreckungsverfahrens zuwiderlaufen, wenn die Frage, ob die zur Aufrechnung gestellten Ansprüche überhaupt bestehen, über die die Zedentin und der Beklagte sich seit Jahren ohne Ergebnis vor dem Landgericht Münster streiten, in diesem Verfahren gleichfalls geklärt werden müsste und es deshalb zu einer nicht hinnehmbaren Verzögerung der Vollstreckung kommen würde.
3.
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben. Die Kostenentscheidung rechtfertigt sich aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Zulassung der Revision erschien nicht geboten, weil der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung sie nicht erfordert. Die Entscheidung steht vielmehr im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Divergierende Entscheidungen anderer Gerichte bezüglich der Vollstreckung eines Anspruchs auf Erteilung eines Buchauszuges hat der Kläger nicht aufgezeigt.