Landgericht Aurich
Urt. v. 18.07.2016, Az.: 2 O 35/11

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
18.07.2016
Aktenzeichen
2 O 35/11
Entscheidungsform
Zwischenurteil
Referenz
WKRS 2016, 43098
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG - AZ: 6 U 157/16

Tenor:

Die Klage ist zulässig.

Die weiteren Entscheidungen über die Sachanträge und die Kostenentscheidung bleiben dem Schlussurteil vorbehalten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt in der Hauptsache Schadensersatz wegen Pflichtverletzungen des vorherigen Beklagten bei der Veräußerung der Gesellschaftsanteile an der N. Windpark G. & C.. K.

Die Klägerin war ursprünglich in der Rechtsform einer GmbH an der N. W. GmbH & Co KG mit einem Kommanditkapital in Höhe von 350.000,00 € beteiligt. Im Übrigen waren an der N. W. GmgH & Co KG noch die W. N. Verwaltungs- und BeteiligungsGmbH, die K. N. W. GbR, die V. GmbH, Herr M. W., Herr. Dr. N. W. und Herr F. J. beteiligt. Hinsichtlich der jeweiligen Kommanditkapitalanteile an der N. W. GmbH & Co KG wird auf Bl. 3 Bd. I Bezug genommen.

Hinsichtlich der Beteiligung an der Klägerin während der Beteiligung an der N. W. GmbH & Co KG wird auf Bl.17f. Bd. V Bezug genommen.

Mit Umwandlungsbeschluss vom 29.07.2011 wurde die Klägerin rückwirkend zum 01.01.2011 in eine GmbH & Co. KG umgewandelt und die vorherigen Kommanditisten der W. GmbH & Co K traten der Klägerin als Kommanditisten bei und traten dieser jeweils mit Abtretungserklärung vom 14.11.2011 ihre Forderungen gegen den vorherigen Beklagten ab. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Umwandlungsbeschluss Anlage K 53, die Abtretungsvereinbarungen (Anlage K 74) und die Darstellung der Beteiligungsverhältnisse (Bl. 19 Bd. V) Bezug genommen.

Der Beklagte G. E. ist am ...2015 verstorben. Alleinerbin und Gesamtrechtsnachfolgerin des G. E. ist die nunmehrige Beklagte geworden, die das Verfahren mit Schriftsatz vom 03.11.2015 aufgenommen hat.

Die Klägerin hält ihre Klage für zulässig. Sie verfolge als einziges Geschäft die unentgeltliche gerichtliche Einforderung der an sie abgetretenen Ansprüche ihrer Kommanditisten, und zwar unter ständiger Vertretung und Beratung durch zugelassene Rechtsanwälte. Soweit in Abtretungsverträgen eine Forderungsrückabtretung an Kommanditisten schriftlich vereinbart worden sei, sei diese Regelung einvernehmlich allseits mündlich aufgehoben worden.

Mit Verfügung des Landgericht Aurichs vom ...2016 ist die Klägerin nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz registriert worden.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 265.106.750,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 12.02.2011 zu zahlen sowie festzustellen, dass der zuerkannte Schadensersatzanspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung herrührt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Klage unzulässig sei, da die Klägerin wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz ihre Parteifähigkeit wegen Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages verloren habe. Sie betreibe die Einziehung von Forderungen ihrer Kommanditisten. Aus ihrer Rechtsform als kaufmännisches Unternehmen ergebe sich die Vermutung der Entgeltlichkeit ihrer Tätigkeit. Die nachträgliche Registrierung als Rechtsdienstleister heile nicht rückwirkend die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages und der weiteren Rechtshandlungen, die aus deren bisheriger Gesetzwidrigkeit resultierten.

Wegen aller übrigen Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Das Gericht hat abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage angeordnet.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, was nach abgesonderter Verhandlung durch Zwischenurteil auszusprechen ist.

Die allgemeinen Prozessvoraussetzungen liegen vor und sind mit Ausnahme eines Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz außer Streit.

Es liegt auch kein Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz vor, da die Klägerin die Einziehung nicht als eigenständiges Geschäft gemäß § 2 RDG betreibt und es sich ferner sowieso um eine erlaubte unentgeltliche Tätigkeit der Klägerin gemäß § 6 RDG handelt.

Es fehlt schon am Vorliegen eines eigenständigen Geschäfts nach § 2 Abs. 2 RDG. Ein solches liegt vor, wenn die Forderungseinziehung innerhalb einer ständigen haupt- oder nebenberuflichen Inkassotätigkeit oder außerhalb einer solchen nicht lediglich als Nebenleistung in Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit erfolgt (vgl. BGH, Urteil v. 21.10.2014, Az. VI ZR 507/13). Insofern können die zur Geschäftsmäßigkeit entwickelten Grundsätze im Rahmen der Prüfung des Merkmals des eigenständigen Geschäftes entsprechend angewandt werden. Geschäftsmäßig handelt aber nur, wer beabsichtigt, die Tätigkeit - sei es auch nur bei sich bietender Gelegenheit - in gleicher Art zu wiederholen, um sie dadurch zu einem andauernden oder wiederkehrenden Bestandteil seiner Beschäftigung zu machen (vgl. BGH, Urteil v. 25.11.2008, Az. XI ZR 413/07; OLG Köln, Urteil vom 11. März 2015 – 13 U 149/13 –, Rn. 20, juris).

Nach diesen Grundsätzen liegt bei der Klägerin kein eigenständiges Geschäft vor, da der Forderungseinzug der Klägerin lediglich darauf gerichtet ist, eine einzige Forderung ihrer Kommanditisten, resultierend aus einem isolierten Lebenssachverhalt mit isolierter Anspruchsgrundlage, gegen den ehemaligen Beklagten und heute gegen dessen Erbin einzuklagen, ohne dass ersichtlich ist, dass sich ein solcher Vorgang mit anderen Beteiligten oder anderen Forderungen wiederholen könnte. Dies wird dadurch belegt, dass der einzige Vermögensgegenstand der Klägerin die streitgegenständliche Forderung ist, was bereits faktisch ausschließt, dass sich ein solcher Vorgang wiederholt. Folgerichtig ist auch seit Beginn des laufenden Prozesses kein weiteres Verfahren durch die Klägerin eingeleitet worden.

Hinzu kommt, dass es sich bei dem Geschäft der Klägerin um ein unentgeltliches Geschäft gemäß § 6 RDG handelt. Dabei liegt eine Unentgeltlichkeit vor, wenn nach dem übereinstimmenden Parteiwillen eine Gegenleistung für die Rechtsdienstleitung nicht geschuldet ist, wobei der Begriff der Unentgeltlichkeit autonom und eng auszulegen ist (vgl. Dux in RDG 4 Aufl., § 6, Rn. 10ff.). Vorliegend ist eine Unentgeltlichkeit gegeben, da die Klägerin für die abgetretenen Forderungen und deren Einziehung keine Gegenleistung verlangt. Auch wenn es zutreffend ist, dass es unüblich erscheint, dass sich vorliegend unter anderem auch Kaufleute unentgeltlich Forderungen übertragen und unentgeltlich einziehen, so ergibt sich aus den Abtretungsvereinbarungen (Anlage K 74) gerade nicht, dass die Klägerin einen Teil der Forderung als Entgelt für ihre Tätigkeit behalten soll.

Auch die Kommanditeinlage kann nicht als Entgelt für die Einziehung der Forderung angesehen werden. Zunächst sind beide Geschäfte - Leistung der Einlage und Verfolgung der abgetretenen Forderung - losgelöst voneinander zu betrachten. Doch selbst bei Annahme einer Verknüpfung beider Geschäfte ist die Kommanditeinlage nicht als Entgelt zu sehen, sondern vielmehr als Beitrag zur Finanzierung der Prozesskosten. Ein Vorbehalt, dass etwa überschießende Anteile an den Kommanditeinlagen der Klägerin zustehen sollten, ist nämlich nicht vereinbart worden. Vielmehr ist nach der Konstruktion des Gesellschaftsvertrages und der Abtretungsvereinbarungen davon auszugehen, dass nach rechtskräftigem Abschluss des Prozesses die Gesellschaft liquidiert werden wird unter vollständiger Auskehr sämtlicher etwa vorhandener Guthaben einschließlich unverzehrter Einlagen an die Kommanditisten.

Überdies liegen auch die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 RDG vor. Danach hat, wer unentgeltliche Rechtsdienstleistungen außerhalb familiärer, nachbarschaftlicher oder ähnlich enger persönlicher Beziehungen erbringt, sicherzustellen, dass die Rechtsdienstleistung durch eine Person, der die entgeltliche Erbringung dieser Rechtsdienstleistung erlaubt ist, durch eine Person mit Befähigung zum Richteramt oder unter Anleitung einer solchen Person erfolgt. Anleitung erfordert eine an Umfang und Inhalt der zu erbringenden Rechtsdienstleistungen ausgerichtete Einweisung und Fortbildung sowie eine Mitwirkung bei der Erbringung der Rechtsdienstleistung, soweit dies im Einzelfall erforderlich ist. Diese Voraussetzung ist erfüllt, da die Klägerin zumindest seit Klageerhebung, nach eigenem Vortrag aber sogar schon vorher, durch zugelassene Rechtsanwälte beraten und vertreten wird. Eine nach dem Rechtsdienstleitungsgesetz relevante Tätigkeit der Klägerin - was ihren Gesellschaftszweck angeht - vor Klageerhebung ist nicht festzustellen.