Landgericht Aurich
Urt. v. 23.05.2016, Az.: 2 O 838/15

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
23.05.2016
Aktenzeichen
2 O 838/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43119
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BGH - 10.04.2018 - AZ: VI ZB 44/16

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 10.000,00 €

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Schmerzensgeld wegen einer Veröffentlichung der Beklagten über den Kläger in der Zeitung „N. M.“.

Der Kläger ist in N. tätig als Rechtsanwalt. Er war früher Ratsherr und engagiert sich als Kommunalpolitiker, aktuell als Kreistagsabgeordneter im Kreistag des Landkreises A. Die Beklagten sind die Herausgeber und Redakteure des „N. M.“.

Am 05.08.2015 veröffentlichten die Beklagten als Leitartikel des Redakteurs D. K. auf der Titelseite bildlich eine an den Fraktionsvorsitzenden der SPD Fraktion im Stadtrat von N., J. H. gerichtete Postkarte mit folgendem Inhalt:

„Lass die Zusammenarbeit mit B. und N. M. sonst holt Dich bald der Sensenmann.“

Die Abbildung war untertitelt mit: „Diese handgeschriebene Karte flatterte dem SPD-Ratsmitglied J. H. ins Haus.“

Im Verlauf des 5.8.2015 entfernten die Beklagten die Abbildung von der Onlineausgabe ihrer Zeitung. Am 08.08.2015 forderte der Kläger die Beklagten auf, eine Unterlassungs-, Entschuldigungs-, und Verpflichtungserklärung zu unterzeichnen, wobei hinsichtlich des geforderten Umfangs auf die Anlage zur Klage, Bl. 17 bis 18 d.A. Bezug genommen wird. Die Beklagten gaben am 10.08.2015 eine Unterlassungserklärung ab, wobei hinsichtlich des Umfangs auf die Anlage zur Klage, Bl. 19 d. A. Bezug genommen wird.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagten hätten sich die Äußerungen des anonymen Drohbriefschreibers kommentarlos und ohne Distanzierung zu eigen gemacht. Die Veröffentlichung des Drohbriefes durch die Beklagten stelle eine schwere Persönlichkeitsverletzung dar, die einen Schmerzensgeldanspruch von mindestens 10.000 € begründe.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger immateriellen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die aber mindestens 10.000 € betragen sollte, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 29.10.2015 zu zahlen.

2. die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.184,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 10.08.2015 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie sind der Ansicht, sie hätten nur eine Tatsachenbehauptung aufgestellt, deren Inhalt sie sich nicht zu eigen gemacht hätten. Weiterhin sei die Veröffentlichung durch Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagten wegen der Veröffentlichung des Artikels vom 5. August 2015 gemäß den §§ 823 Abs. 1 und 2, 840 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Artikel 2 Abs. 1 GG und den §§ 185 ff. StGB kein Anspruch auf Zahlung eines immateriellen Schadensersatzes zu. Es liegt keine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechtes des Klägers durch die beanstandete Veröffentlichung vor.

Die in dem bildlichen Zitat der Beklagten enthaltene Äußerung über die Person des Klägers ist zwar geeignet, dessen verfassungsrechtlich durch Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 GG geschütztes Persönlichkeitsrecht zu verletzen, weil dadurch eine erhebliche Verachtung des Urhebers der Äußerung ihm gegenüber zum Ausdruck kommt. Auf Grund der Veröffentlichung des bildlichen Zitates steht aber noch nicht die Widerrechtlichkeit der Verletzungshandlung der Beklagten fest. Abweichend von den in § 823 Abs. 1 BGB aufgezählten absoluten Rechten indiziert nämlich die Verletzung des Persönlichkeitsrechts, das als sonstiges Recht anerkannt ist, noch nicht die Widerrechtlichkeit. Diese ist erst dann gegeben, wenn sich auf Grund einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung der beiderseitig betroffenen Grundrechtspositionen ergibt, dass der verletzende Eingriff unbefugt war (vgl. BGH NJW 2005, 2766, 2770 [BGH 19.04.2005 - X ZR 15/04]; Palandt/Thomas, BGB, 74. Aufl., § 823 Rdn. 95 ff.).

Hier ergibt diese Abwägung, bei der der überragende Rang der Freiheitsrechte des Art. 5 Abs. 1 GG zu berücksichtigen ist (BVerfGE 71, 206, 219 f. [BVerfG 03.12.1985 - 1 BvL 15/84]), dass die Meinungsäußerungsfreiheit und Pressefreiheit der Beklagten schwerer wiegt als das Persönlichkeitsschutzinteresse des Klägers.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagten mit der Abbildung der Postkarte allein die Tatsachenbehauptung verbunden haben, dass dem J. H. eine Postkarte mit dem entsprechenden Inhalt zugegangen ist. Sie haben sich jedoch den schmähenden Inhalt des Schreibens nicht selbst zu eigen gemacht. Der zitierende Verbreiter einer unzulässigen Äußerung leistet nur dann haftungsrechtlich einen verantwortlichen Tatbeitrag, wenn er sich den Inhalt des Zitates zu eigen macht (vgl. BGH, NJW 1976, 1198, 1199 [BGH 06.04.1976 - VI ZR 246/74]). Das ist nicht erst bei ausdrücklicher Billigung der Fremdäußerung anzunehmen, sondern schon dann, wenn dem Leser eine solche Billigung unterschwellig, sozusagen "zwischen den Zeilen" vermittelt wird (vgl. KG Berlin, Urteil vom 29. Februar 2000 – 9 U 5861/98 –, Rn. 14, juris).

So liegt es hier nicht. Die Beklagten haben zum einen deutlich gemacht, dass es sich bei der Postkarte um die Äußerung eines Dritten handelt und sie keine Äußerung oder Meinung der Redaktion ist. Weiterhin haben sich die Beklagten die Äußerung des unbekannten Verfassers weder zu eigen gemacht noch haben sie sich nicht ausreichend distanziert. Die Beklagten haben auch in dem Artikel selbst durch Einfügung von Anführungszeichen deutlich gemacht, dass es sich bei der Bezeichnung des Klägers als „N-M“ nicht um die Meinung der Beklagten, sondern um ein Zitat aus dem anonymen Drohschreiben handelt. Sodann haben die Beklagten auch im weiteren Text sehr deutlich gemacht, dass sie die Bezeichnung des Klägers gerade nicht billigen, nämlich mit der Kommentierung: „Die geschilderten Vorgänge sind maßlos und für den Beobachter nur schwer zu ertragen.“ Damit bringen die Beklagten die Missbilligung des geschilderten Sachverhaltes zum Ausdruck und distanzieren sich hinreichend von den Äußerungen des unbekannten Dritten.

Da sich die Beklagten mit dem Inhalt der diffamierenden Äußerung nicht identifiziert haben, kommt § 185 StGB in Verbindung mit § 823 BGB als Haftungsgrund nicht in Betracht, so dass die Wiedergabe der von einem Dritten ausgesprochenen Beleidigung nur noch eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes darstellen kann (vgl. OLG Hamburg NJW-RR 1994, 989, 990 [OLG Hamburg 26.05.1994 - 3 U 259/93]). Auch diese ist aber in Abwägung mit Artikel 5 Grundgesetz als gerechtfertigt zu bewerten:

Das von der Presse wahrzunehmende Interesse der Öffentlichkeit berechtigte die Beklagten, das Zitat des unbekannten Dritten trotz seines stark diffamierenden Inhalts zu veröffentlichen. Im Rahmen der Abwägung ist hier zunächst zu berücksichtigen, dass die Äußerung des Dritten sich nicht auf den privaten Bereich des Klägers bezog, sondern dass diese Äußerung im Zusammenhang mit seiner - unstreitigen - beruflichen oder auch politischen Betätigung als Berater der in N. engagierten B. & Sch. GmbH steht. Der Drohbrief soll eine politische Förderung des genannten Unternehmens bekämpfen. Hinzu kommt, dass der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen in N. eine Person des öffentlichen Lebens und Interesses ist, da er dort als Rechtsanwalt, ehemaliger Ratsherr, Ortspolitiker und aktueller Kreistagsabgeordneter tätig ist. Die Persönlichkeit wird im Bereich öffentlichen Tätigkeit geringer geschützt als im privaten Feld. Der Kläger hat es daher grundsätzlich hinzunehmen, dass sein politisches Verhalten auch in der Presse erörtert wird. Er muss kritische Berichte ertragen, solange diese der Wahrheit entsprechen (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2005 – X ZR 15/04 –, Rn. 37, juris m.w.N.). Da für die Beklagte und auch den unvoreingenommenen Leser die Postkarte augenscheinlich von einem politischen Gegner des J. H. und des Klägers stammte, somit konkreten ortspolitischen Bezug hatte, war es unter Abwägung der Persönlichkeitsrechte des Klägers und der Meinungs- und Pressefreiheit der Beklagten zulässig, die Postkarte mit ihrem Text vollständig abzubilden.

In diesem Zusammenhang ist es auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagten den Namen des Klägers nicht unkenntlich gemacht und im redaktionellen Text ihn nicht lediglich als einen in N. tätigen Rechtsanwalt beschrieben haben. Auch hier ist zu berücksichtigten, dass der Kläger eine wichtige Figur des öffentlichen Lebens in N. ist, so dass er einen geringen Schutz genießt.

Da die Vorgänge an sich unstreitig sind, haben die Beklagten sich vor der Veröffentlichung auf Grund der durchgeführten Recherchen auch ausreichend von der Richtigkeit des Zitats überzeugt.

Mangels Hauptanspruch steht dem Kläger kein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu.

Die Nebenentscheidungen haben ihre Grundlage in §§ 91, 709 ZPO.