Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 02.10.2019, Az.: 5 U 47/19

Rechte des Käufers eines vom sog. Diesel-Abgasskandal betroffenen Pkw; Rechtsfolgen der Zurverfügungstellung eines Updates der Motorsteuerungs-Software durch den Hersteller

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
02.10.2019
Aktenzeichen
5 U 47/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 67301
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2019:1002.5U47.19.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 11.01.2019 - AZ: 3 O 1275/18

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Das Inverkehrbringen des Motors EA 189 stellt eine vorsätzlich sittenwidri-ge Schädigung jener Käufer dar, die ein Fahrzeug mit diesem Motor erwor-ben haben, jedenfalls soweit zum Zeitpunkt des Erwerbs ein vom KBA ge-nehmigtes Softwareupdate, das die Abschalteinrichtung eliminiert, noch nicht vorgelegen hat.

  2. 2.

    Dass die Beklagte später nach Kaufvertragsschluss ein entsprechendes Update zur Verfügung gestellt hat, lässt den Schadensersatzanspruch nicht nachträglich entfallen.

  3. 3.

    Der Kaufpreis ist gemäß § 849 BGB zu verzinsen, wobei der zu verrech-nende Nutzungsersatz zu berücksichtigen ist.

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 11. Januar 2019 teilweise geändert und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Klägerin und der Berufung der Beklagten im Übrigen insgesamt neu gefasst wie folgt:

1) Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs (...) 1,6 TDI mit der Fahrgestellnummer (...) zu zahlen:

a) 3005,98 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.5.2018,

b) 1.818,45 €.

2) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Schäden, die aus dem Erwerb des in Ziffer 1) genannten Fahrzeugs resultieren werden, zu ersetzen.

3) Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Ziffer 1) genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.

Die Kosten der Berufung tragen die Klägerin zu 65 % und die Beklagte zu 35 %.

Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des jeweils anderen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages geleistet hat.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Rückgängigmachung eines PKW-Kaufvertrages. Die Klägerin erwarb mit Vertrag vom TT.MM.2014 zu einem Preis von 15.888 € einen PKW (...) 1,6 TDI mit einer Laufleistung von 23.085 km von der CC GmbH.

Die Beklagte ist die Herstellerin des Fahrzeugs. In dem Pkw ist ein Dieselmotor des Typs EA189 verbaut, dessen Motorsteuerungssoftware zu einer Optimierung der Stickstoff-Emissionswerte im behördlichen Prüfverfahren führte. Die Software bewirkte, dass eine Prüfungssituation, in der der Abgasausstoß gemessen wird, erkannt und die Abgasaufbereitung für deren Dauer optimiert wurde (Fahrmodus 1). Im normalen Betrieb außerhalb des Prüfstands (Fahrmodus 0) war die genannte Abgasaufbereitung abgeschaltet. Das Kraftfahrt-Bundesamt beanstandete die Programmierung als unzulässige Abschalteinrichtung und verpflichtete den Herstellerkonzern, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Vorschriftsmäßigkeit der betroffenen Fahrzeuge herzustellen. Das daraufhin entwickelte Softwareupdate ließ die Klägerin im Jahre 2017 aufspielen.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Sie hat sich im ersten Rechtszug einen Abzug wegen der Nutzung des Fahrzeugs als Vorteilsausgleichung gefallen lassen. Im ersten Rechtszug hat sie in diesem Zusammenhang behauptet, die Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs betrage 300.000 km. Das Landgericht hat die Beklagte mit dem wegen der Begründung, der weiteren tatsächlichen Feststellungen und der erstinstanzlichen Anträge in Bezug genommenen Urteil zur Zahlung verurteilt.

Dagegen wenden sich beide Parteien mit der Berufung.

Die Klägerin wendet sich nunmehr gegen eine Anrechnung der Nutzung des Fahrzeugs im Wege des Vorteilsausgleichs; hilfsweise möchte sie den Nutzungsersatz auf der Grundlage einer Gesamtfahrleistung von 500.000 km berechnet wissen; klageerweiternd verlangt sie mit der Berufung nunmehr auch Verzinsung des Schadensersatzes für die Zeit der Hergabe des Geldes bis zur Rechtshängigkeit der Klage.

Sie beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 15.888,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 04.08.2014 bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit sowie in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

[Hilfsweise: abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Euro pro gefahrenen Kilometer seit dem 4.8.2014 die sich nach folgender Formel berechnet:

(15.888 € x gefahrene Kilometer) : 500.000 km]

Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs (...) 1,6 TDI Fahrgestellnummer: (...),

2. die Beklagte weiter zu verurteilen, die Klagepartei von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 958,19 € freizuhalten,

3. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

1. das am 11. Januar 2019 verkündete Urteil des Landgerichts Oldenburg, Az. 3 O 1275/18, teilweise abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen,

2. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie bestreitet, dass organschaftliche Vertreter Kenntnis von der Abschaltautomatik hatten und ist der Meinung, die entsprechende Darlegungslast treffe die Klägerin. Sie ist der Ansicht, die Klägerin habe keinen Schaden erlitten, weil das Fahrzeug, nachdem das Softwareupdate aufgespielt worden ist, allen notwendigen Normen genüge und technisch einwandfrei funktioniere. Unter Vorlage eines Privatgutachtens behauptet sie, dass die entsprechend umgerüsteten Fahrzeuge am Markt auch keinen Wertverlust erlitten hätten. Sie ist zudem der Ansicht, dass die inkriminierte Handlung nicht sittenwidrig gewesen sei, möge sie auch mit öffentlich-rechtlichen Normen nicht in Einklang gestanden haben. Sie meint weiterhin, keinen Zins gemäß § 849 BGB zu schulden, weil die Klägerin das Auto für den Kaufpreis erhalten habe und sich damit ihres Geldes nicht ersatzlos begeben habe.

II.

Die Berufung der Klägerin hat insoweit Erfolg als sie Verzinsung ihres Schadensersatzanspruchs gemäß § 849 BGB verlangen kann, im Übrigen nicht. Die Berufung der Beklagten bleibt gänzlich ohne Erfolg.

Das Landgericht hat der Klägerin zu Recht Schadensersatz aus § 826 BGB zugesprochen.

Die Beklagte schuldet der Klägerin Schadensersatz, weil sie die Klägerin vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat, indem sie jenen Motor des Typs EA 189 mit der verbotenen Abschaltautomatik konzipiert und gebaut hat, der im verkauften Fahrzeug der Klägerin verbaut worden ist (wie hier auch OLG Koblenz Urteil vom 12.06.2019 - 5 U 1318/18 - juris; OLG Hamm Urteil vom 10.09.2019 - 13 U 149/18 - juris; OLG Köln Beschluss vom 03.01.2019 - 18 U 70/18 - juris; OLG Köln Beschluss vom 01.03.2019 - 16 U 146/18 - juris; OLG Karlsruhe Beschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18 - juris).

Im Einzelnen:

Der Anspruch ist nicht wegen etwaiger kaufrechtlicher Gewährleistungsansprüche gegen die Verkäuferin ausgeschlossen. § 826 BGB steht grundsätzlich in freier Anspruchskonkurrenz zu anderen Schadensersatzvorschriften (Palandt/Sprau, a. a. O., § 826 Rn. 2; BeckOK BGB/Förster, 42. Edition, § 826 Rn. 5; Staudinger/Oechsler (2018) BGB § 826 Rn. 132; Staudinger/Matusche-Beckmann (2013), BGB § 437 Rn. 62; Beckmann, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts (2018). N. Rn. 229; Pammler in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 437 BGB Rn. 82), denn ein Grund, die vorsätzlich-sittenwidrige Schädigung durch Anerkennung des Vorrangs anderer Rechtsinstitute zu privilegieren, ist nicht ersichtlich (Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2016, § 826 Rn. 61). Bei einem arglistigen (vorsätzlichen) Verhalten hinsichtlich eines Sachmangels gilt ein etwaiger Vorrang des Sachmängelrechts nicht (vgl. z.B. BGH Urteil vom 12.1.2011 - VIII ZR 346/09, juris Rn. 16 m. w. N. zur Konkurrenz c.i.c. / Gewährleistungsrecht).

1)

Die Beklagte hat die Klägerin geschädigt.

Die Beklagte hat durch Täuschung veranlasst, dass die Klägerin mit dem Ankauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs einen Vertrag abgeschlossen hat, den sie bei Kenntnis der Sachlage nicht abgeschlossen hätte. Dies stellt, ohne dass es auf die weitergehende Frage ankäme, ob der Kaufgegenstand den Kaufpreis wert war, bereits einen ersatzfähigen Schaden dar, weil die Belastung mit einer ungewollten Verbindlichkeit schon isoliert betrachtet ersatzfähiger Schaden im Sinne des § 826 BGB sein kann; insoweit dient § 826 BGB dem Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit des Geschädigten (BGH Urteil vom 19. November 2013 VI ZR 336/12 - juris 28; so für die vorliegende Konstellation auch OLG Koblenz a.a.O. Rn.80; OLG Karlsruhe a.a.O. Rn. 17; OLG Hamm a.a.O. Rn. 49 ff).

Der Senat hat die Überzeugung gewonnen, dass die Klägerin bei Kenntnis der Sachlage im Sommer 2014 das Fahrzeug nicht gekauft hätte. Die Klägerin hat bei ihrer persönlichen Anhörung vor dem Senat angegeben, dass sie, wenn man ihr zum Zeitpunkt des Kaufs erklärt hätte, dass das Fahrzeug mit einer Abschaltautomatik ausgestattet ist, welche das Risiko der Stilllegung des Fahrzeugs berge, dieses Fahrzeug nicht gekauft hätte. Dies ist für den Senat ohne weiteres plausibel. Die Beklagte bleibt auch die Antwort schuldig, warum ein Endverbraucher ein solches Fahrzeug in der damaligen Situation - ein vom KBA abgenommenes Update gab es bei Vertragsschluss nicht - hätte kaufen sollen.

Auf die weitere Frage, ob die Klägerin sich beim Kauf zudem Gedanken über die Abgaswerte des Fahrzeugs gemacht hat, was die Beklagte wiederholt thematisiert, kommt es nicht an, denn die Kausalität der Täuschung für den Vertragsschluss ist mit der eingangs angestellten Überlegung bereits festgestellt.

Als nicht zielführend erweist sich schließlich in diesem Zusammenhang der Hinweis der Beklagten auf das Verhalten der Klägerin nach Bekanntwerden der Abgasproblematik. Die Beklagte möchte aus dem Umstand, dass die Klägerin das Fahrzeug nach Bekanntwerden des Abgasskandals weitergefahren ist, den Indizienschluss ziehen, die Abschalteinrichtung habe für die Klägerin keine Rolle gespielt und sie hätte auch bei Kenntnis der wahren Sachlage das Auto gekauft. Dabei verkennt die Beklagte, dass es für die Klägerin nach Kauf im Grunde alternativlos gewesen ist, das Auto erst einmal weiter zu fahren, und dem Verhalten schon deswegen nicht der Beweiswert beigemessen werden kann, den die Beklagte gerne darin erblicken möchte; ein weiterer entscheidender Unterschied besteht auch darin, dass nach Aufdeckung des Abgasskandals ein Update bereit gestellt werden konnte, so dass die Klägerin ab 2016 nicht mit der Stilllegung des Fahrzeugs mehr rechnen musste; dies hätte man ihr im Sommer 2014 so nicht garantieren können.

Nur vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass er - losgelöst vom Schutz der Handlungsfreiheit der Klägerin (s.o.) - auch unter dem Gesichtspunkt des Minderwerts des Fahrzeugs eine tatbestandliche Schädigung darin erblickt, dass die Beklagte die Klägerin durch Inverkehrbringen des Motors zum Abschluss des entsprechenden Kaufvertrages veranlasste.

Die Beklagte hat ein mangelhaftes Auto produziert und unter Vertuschung dieses Mangels auf den Markt gebracht. Bei der Programmierung handelt es sich um eine verbotene Abschalteinrichtung, deren Installation dazu geführt hat, dass dem Fahrzeug bei Gefahrübergang abstrakt die Stilllegung drohte, so dass ihm die vertraglich vorausgesetzte Beschaffenheit gefehlt hat (zu allem: BGH, Beschluss vom 08. Januar 2019 - VIII ZR 225/17 -, juris Rn. 23 und Rn. 12 ff). Der Senat verweist in diesem Zusammenhang auf die überzeugenden Ausführungen des 8. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs im angesprochenen Hinweisbeschluss, denen er sich anschließt.

Dieser Mangel bedeutet einen Minderwert, denn ein mangelbehaftetes Fahrzeug ist regelmäßig nicht so viel wert wie ein mangelfreies (§ 441 BGB).

Der Kauf eines solcherart mangelhaften Autos bedeutet entgegen den Ausführungen der Beklagten einen Vermögensnachteil. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus der schlichten Überlegung, dass die Stilllegung des Fahrzeugs drohte, wenn das Update nicht aufgespielt würde. Es handelt sich insoweit auch nicht, wie die Beklagte meint, um eine unerhebliche Vermögensgefährdung. Insoweit ist der Vermögensschaden mit Verkauf des minderwertigen Fahrzeugs objektiv bereits eingetreten. Es liegt nach Ansicht des Senats auf der Hand, dass die Klägerin, hätte sie in 2014 das Auto weiterverkaufen wollen und hätte sie dies unter Offenbarung des Umstands getan, dass dem Fahrzeug die Stilllegung droht, am Markt sicher nicht den Preis erzielt hätte, wie wenn dem Fahrzeug eine solche Stilllegung nicht gedroht hätte, wenn nämlich keine verbotene Abschalteinrichtung eingebaut gewesen wäre.

Dass die Beklagte später ein Update entwickelt hat, um den eingetretenen Schaden zu verringern oder zu beseitigen, hat nach Ansicht des Senates, soweit es um die Frage geht, ob der Verkauf eine tatbestandliche Schädigung im Sinne des § 826 BGB darstellt in Fällen der vorliegenden Art, also des Kaufs vor Ad-hoc-Mitteilung außer Betracht zu bleiben, denn zum Zeitpunkt der Schädigung (Verkauf) gab es das Update noch nicht.

2)

Die Beklagte hat vorsätzlich gehandelt. Der Senat ist überzeugt, dass die zuständigen Mitarbeiter der Beklagten vorsätzlich gehandelt haben; dass es versehentlich zur Konzeption einer Abschalteinrichtung gekommen ist, ist auszuschließen (vgl. auch OLG Koblenz a.a.O. - juris Rn. 69). Der Senat ist auch davon überzeugt, dass die Mitarbeiter der Beklagten dieses Konzept mit Absicht nicht offenbart hatten, weil andernfalls - wie später geschehen - die Zulassungsbehörden die Abschalteinrichtung beanstanden würden. Den verantwortlichen Mitarbeitern der Beklagten muss auch bewusst gewesen sein, dass die Endverbraucher ein solches Auto, dem für den Fall des Offenbarwerdens die Stilllegung drohte, regelmäßig nicht kaufen würden. Da die Autos der Beklagten wegen ihrer Langlebigkeit auch in großem Umfang auf dem Gebrauchtwagenmarkt gehandelt werden, müssen die verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten die Schädigung der Käufer auf dem Gebrauchtwagenmarkt zumindest billigend in Kauf genommen haben; mag auch der Weiterverkauf außerhalb des Vertragshändlernetzes nicht primäres Motiv gewesen sein.

Diese Handlungen sind auch mit Wissen und Wollen der organschaftlichen Vertreter begangen worden.

Es kann schon bezweifelt werden, ob der abweichende Vortrag der Beklagtenvertreter insoweit noch haltbar ist, nachdem der derzeitige Vorstandsvorsitzende der Beklagten am 18.06.2019 im Fernsehen öffentlich einen Betrug in Verantwortung des Managements eingeräumt hat (https://www.youtube.com/watch?v=OYOySuHUN10 32:54: "Das, was wir gemacht haben, war Betrug".. 33:52: "Das ist eine Managementverantwortung"). Jedenfalls erweist sich nach Ansicht des Senats die Argumentation des Landgerichts, die Beklagte treffe eine sekundäre Darlegungslast zu den Verantwortlichkeiten, der sie nicht genügt habe, als tragfähig. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die überzeugenden Ausführungen der OLGe Koblenz (a.a.O. - juris Rn. 76 ff), Karlsruhe (a.a.O. - juris Rn. 54), Köln (a.a.O. - juris Rn. 31 ff), Hamm (a.a.O. - juris Rn. 71 ff) sowie des hiesigen 14. Zivilsenates (Beschluss vom 05.12.2018 - 14 U 60/18 - juris Rn. 17).

Ob die unstreitigen Indizien überdies bereits ohnehin den überzeugungskräftigen Schluss auf die Beteiligung von Vorstandsmitgliedern zulassen (vgl. OLG Koblenz a.a.O - juris Rn. 68 ff), ob andernfalls im Sinne einer Wahlfeststellung eine Haftung nach § 831 BGB anzunehmen wäre (14. Zivilsenat a.a.O. - juris Rn. 34) oder die Zurechnung andernfalls unter dem Gesichtspunkt des Organisationsmangels erfolgen müsste (vgl. OLG Koblenz a.a.O. Rn. 80), kann deshalb im Ergebnis auf sich beruhen.

3)

Die Schädigungshandlung ist sittenwidrig (so auch OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019 - 5 U 1318/18 - juris Rn. 47 ff; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03. 2019 - 13 U 142/18 -, juris Rn. 29 ff; OLG Köln - 18. Zivilsenat, B. v. 03.01.2019 - 18 U 70/18 -, juris; OLG Köln - 16. Zivilsenat, Beschluss vom 01.03.2019 - 16 U 146/18 - juris Rn.; OLG Hamm Urteil v. 10.09.2019 - 13 U 149/18 - juris Rn. 63 ff; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.09.2019 - 17 U 45/19 - juris; so auch Heese NJW 2019, 257, 259).

Sittenwidrig im Sinn des § 826 BGB ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft, vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH NJW 2014, 383 [BGH 19.11.2013 - VI ZR 336/12]).

Die für die Abgasmanipulation verantwortlichen Personen haben mit der Abschaltvorrichtung ein System zur planmäßigen Verschleierung ihres Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden und den Verbrauchern geschaffen. Allein plausibles Motiv ist insoweit, sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, weil man noch nicht über eine Technik verfügte, um die gesetzlichen Abgasvorschriften einzuhalten, oder weil man aus Gewinnstreben die Entwicklung und den Einbau der notwendigen Vorrichtungen unterließ. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich beim Kauf eines PKW für viele Verbraucher um eine wirtschaftliche Entscheidung von erheblichem Gewicht mit oft deutlichen finanziellen Belastungen handelt, die durch das unredliche Verhalten nachteilig beeinflusst worden ist. Die verantwortlichen Personen haben die Ahnungslosigkeit der Verbraucher bewusst zum Vorteil der Beklagten ausgenutzt. Die daraus ersichtliche Gesinnung, aus Gewinnstreben massenhaft die Käufer der so produzierten Autos bei ihrer Kaufentscheidung zu täuschen, die Wettbewerber zu benachteiligen und Umwelt- und Gesundheitsschäden zu riskieren, weil die Schadstoffemissionen im regulären Fahrbetrieb aufgrund einer geringeren Abgasrückführung höher sind, als dies auf Grundlage der manipulierten Prüfungen mit optimierter Abgasaufbereitung zu erwarten war, lässt das Verhalten insgesamt sittenwidrig erscheinen.

Dieses Ergebnis ist nicht unter Schutzzweckgesichtspunkten zu korrigieren (wie hier: Heese NZV 2019, 273, 274; OLG Koblenz a.a.O. Rn. 96 ff; OLG Karlsruhe a.a.O. Rn. 40 f.; OLG Hamm a.a.O. Rn. 81 ff; a.A. OLG Braunschweig, Urteil vom 19. Februar 2019 - 7 U 134/17 -, juris Rz. 188). Dabei soll nicht bezweifelt werden, dass im Einzelfall auch im Rahmen des § 826 BGB eine als zu weitgehend empfundene, nur durch das Merkmal der Adäquanz gefilterte Schadenszurechnung der Ergebniskorrektur durch Schutzzweckerwägungen bedarf; insoweit kann sich dieselbe Handlung bestimmten Geschädigten gegenüber als sittenwidrig darstellen, anderen gegenüber nicht (BGH Urteil vom 11.11.1985 - II ZR 109/84 - Juris Rn. 15 f.). Diese Überlegungen passen indessen auf die vorliegende Konstellation nicht. Nach Ansicht des Senates verengt jene Argumentation des OLG Braunschweig, die im vorliegenden Kontext auf den fehlenden Individualschutz der EU-Vorschriften abzielt, den Blick zu sehr. Der Schwerpunkt des Unwerturteils im Sinne des § 826 BGB resultiert nicht aus dem Verstoß gegen die Verordnung VO (EG) 715/2007, sondern vielmehr aus dem vorsätzlichen Inverkehrbringen eines mangelhaften Fahrzeugs und der damit verbundenen massenhaften Täuschung der Käufer aus Gewinnstreben. Die Mangelhaftigkeit des Motors führte dazu, dass dem Käufer behördliche Maßnahmen drohten, wenn er nicht an einer unzureichend erprobten Nachbesserungsmaßnahme teilnahm. Damit ist unabhängig von den durch die VO (EG) 715/2007 geschützten Zielen und Umweltbelangen auch der Rechtskreis eines Käufers unmittelbar betroffen (wie hier OLG Koblenz a.a.O. Rn. 98; OLG Karlsruhe a.a.O. Rn. 40 f.). Das gilt, wie gesehen, auch für einen Käufer, der den Pkw nach der Erstzulassung als Gebrauchtwagen von einem Dritten kauft.

4)

Die Klägerin kann gemäß § 249 Abs.1 BGB verlangen, dass die Beklagte sie vermögensmäßig so stellt, als wenn sie den Vertrag über den mangelhaften PKW nicht geschlossen hätte. Dies bedeutet, dass sie den Kaufpreis Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangen kann, denn ohne entsprechende Täuschung, hätte sie das Auto nicht gekauft (s.o. sub 1)).

Dieser Vermögensschaden, dessen Ausgleich die Klägerin nach § 249 Abs. 1 BGB verlangen kann, wird auch nicht durch den Umstand ausgeschlossen, dass der Klägerin gegen den Verkäufer des Wagens möglicherweise vertragliche Gewährleistungsansprüche zustehen, etwa in dem Sinne, dass deshalb der Vermögensschaden zu verneinen wäre, wie die Beklagte meint. Zum einen besteht der Schaden in der Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit der Klägerin, nicht in einem primären Vermögensschaden (s.o. 1)), so dass dieser Schaden naturgemäß nicht durch Nachbesserungen des Verkäufers beseitigt werden kann. Zum anderen greift bereits im Vertragsverhältnis zwischen den Vertragspartnern der Vorrang des Sachmängelrechts nicht, wenn der Verkäufer vorsätzlich getäuscht hat (vgl. nur BGH Urteil vom 12.1.2011 - VIII ZR 346/09, juris Rn. 16 m. w. N); umso weniger Anlass besteht, das Sachmängelrecht auf das deliktische Verhältnis zu Dritten, wie hier, durchschlagen zu lassen. Zwar vertritt die Beklagte unter Vorlage eines Rechtsgutachtens Prof. Dr. XX aus (...) diese Rechtsansicht (Gutachten W. S.17 f.). Die Argumentation überzeugt den Senat indessen aus den genannten Gründen nicht; soweit ersichtlich, hat der Bundesgerichtshof zudem bei der von XX angeführten Sachwalterhaftung keineswegs eine subsidiäre Haftung des Sachwalters in dem Sinne postuliert, dass er nur in Anspruch genommen werden könnte, wenn zuvor die Vertragspartei in Anspruch genommen worden war; die von XX bemühte Passage aus der Entscheidung BGH VIII ZR 348/09 vom 10.01.2009 - juris Rn. 18 formuliert nach Ansicht des Senates nur einen Gleichlauf der Voraussetzungen, unter denen Sachwalter und Hauptpartei regressiert werden können, keinen Vorrang; hinzu kommt, dass schon die Parallele zur Sachwalterhaftung, die XX in seinem Gutachten zieht, ersichtlich nicht auf die vorliegende Konstellation passt. Die Beklagte haftet nicht als Sachwalter der Vertragshändler, sondern als originär eigenverantwortliche Initiatorin einer großangelegten massenhaften Täuschung der Verbraucher (und Händler).

Ebenso wenig entfällt der Vermögensschaden, weil die Beklagte zwischenzeitlich ein Update angeboten und aufgespielt hat und damit die Gefahr der Stilllegung des Fahrzeugs ausgeräumt ist. Zwar vertritt die Beklagte unter Berufung auf ein Rechtsgutachten Prof. Dr. YY aus (...) diese Ansicht. Letzterer meint aus der Entscheidung BGH Infomatec II (19.07.2004 - II ZR 402/02) ableiten zu können, dass es für die Schadensbestimmung auf die Vermögenssituation des Geschädigten im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankomme (Gutachten S.17).

Zum einen, gilt wie oben bereits ausgeführt, dass der Schaden in dem ungewollten Vertrag zu sehen ist; dieser Schaden wird durch das Update nicht beseitigt. Aber auch, wenn man den Schaden als Minderwert des Fahrzeugs begreifen wollte, tritt der Senat diesen Erwägungen in dieser Allgemeinheit nicht bei. Die von YY angeführte Passage betrifft Erwägungen zur Frage des Vorsatzes und ist erkennbar keine tragende Überlegung in dem Sinne, dass eine spätere Wertsteigerung den eingetretenen Schaden entfallen ließe. Erst Recht lässt sich daraus kein allgemeines Prinzip der Kompensation ableiten.

Es wird vorliegend durch das Update auch kein wirtschaftlich gleichwertiger Zustand hergestellt, welcher der Interessenlage des Geschädigten entspräche (R. S.20); die Konsequenzen des Updates für die Verbrauchsdaten und die Haltbarkeit des Motors sind bislang ungeklärt. Äußerungen der Beklagten in US-amerikanischen Verfahren sprechen dafür, dass das Update mit relevanten Verschlechterungen einhergeht; auch die mögliche Gefahr einer schlechteren Veräußerbarkeit der bemakelten Fahrzeuge spricht dagegen, dass durch das Update ein wirtschaftlich gleichwertiger Zustand hergestellt wäre, der dazu führte, dass das Verlangen des Käufers als treuwidrig anzusehen wäre.

Die Klägerin muss sich in diesem Zusammenhang auch nicht den Einwand widersprüchlichen Verhaltens entgegenhalten lassen, nachdem sie das Update hat aufspielen lassen; da andernfalls die Stilllegung des Fahrzeugs gedroht hätte, war sie schon aus Gründen der Schadensminderung gehalten, dies zu tun (§ 254 BGB). Dies war auch für die Beklagte offensichtlich, so dass die entsprechende Mitwirkung der Klägerin kein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten im Sinne des § 242 BGB geweckt hat.

Wenn die Beklagte schließlich in diesem Zusammenhang Parallelen zur vertraglichen Haftung bemüht (Schriftsatz vom 25.06.2019 S.30 f.), ignoriert sie, dass die Beklagte hier deliktisch haftet und mitnichten aus dem Umstand, dass der Verkäufer einen Anspruch auf Nacherfüllung hat, ableiten kann, dies müsse auch für sie gelten. Der Senat hält den Schluss, dass der deliktische Schädiger den Geschädigten "erst recht" (S.31 des Schriftsatzes vom 25.06.2019) auf vertragliche Kompensationsmöglichkeiten müsse verweisen können, wenn dies "sogar" im Vertragsverhältnis gelte, für abseitig. Das Recht zur Nacherfüllung ist Ausfluss des durch Vertragsschluss begründeten Vertrauensverhältnisses; es ist Gegenstück zur Gewährleistungshaftung, die sich als verschuldensunabhängige Einstandshaftung darstellt. Es leuchtet ohne weiteres ein, dass das Gesetz diese Einstandshaftung hat abmildern wollen durch das Recht des Verkäufers auf Nachbesserung. Die Beklagte demgegenüber haftet nicht, weil sie den Marktteilnehmern gegenüber eine Einstandshaftung übernommen hätte, sondern weil sie jene systematisch aus Gewinnstreben getäuscht hat. Dafür, dass ihr in dieser Situation die Privilegien der vertraglichen Haftungsbegrenzung zugutekommen sollten, ist kein vernünftiger Grund ersichtlich. Derartiges wird, soweit ersichtlich, auch von keiner gewichtigen Stimme im rechtswissenschaftlichen Schrifttum für den Fall einer Konkurrenz deliktischer Haftung nach § 826 BGB mit vertraglicher Einstandshaftung in dieser Allgemeinheit vertreten.

5)

Die Klägerin muss sich allerdings im Wege des Vorteilsausgleichs die gezogenen Nutzungen anrechnen lassen. Der Senat hält die vom Landgericht gewählte Möglichkeit, den Nutzungsersatz abstrakt zu tenorieren für wenig sinnvoll und hat stattdessen, ohne Änderung in der Sache, den Nutzungsersatz konkret berechnet, bezogen auf den Tag der letzten mündlichen Verhandlung, und mit dem Kaufpreis verrechnet.

Eine abstrakte Tenorierung nach der Karlsruher Formel erachtet der Senat in Fällen der vorliegenden Art, in denen die Zug-um-Zug-Verurteilung mit der Feststellung des Annahmeverzuges verbunden ist, nicht für sinnvoll. Da der Feststellungsausspruch den Zug-um-Zug-Ausspruch mit Blick auf § 726 ZPO unbedingt vollstreckbar macht, hat der Gerichtsvollzieher keinen Anlass, das Auto in Besitz oder Augenschein zu nehmen. Damit erweist sich die abstrakte Tenorierung in diesen Fällen als wenig praktikabel.

Danach ergibt sich nachfolgende Berechnung:

Gesamtlaufleistung

200000 km

Km-Stand bei Kauf

23085 km

Restlaufleistung

176915 km

Kaufpreis

15888

Nutzungsersatz pro km

0,089

km Stand mdl. Verhandlung

143443

Nutzungsersatz

12882,019

Kaufpreis

15888

Rest

3005,98

Der Senat hält die Schätzung des Landgerichts (§ 287 ZPO), das bei kleineren Fahrzeugen des vorliegend zu beurteilenden Typs eine durchschnittliche Nutzungsdauer von 200.000 km angenommen hat, für vertretbar. Der Senat sieht die Schätzung durch eine Internetrecherche bei Mobile.de bestätigt, nach der von ca. 22.000 angebotenen Fahrzeugen dieses Typs nur knapp 3.000 Fahrzeuge eine Laufleistung von 150.000 km oder mehr hatten. Die Annahme der Klägerin, es sei eine durchschnittliche Nutzungsdauer von 500.000 km zugrunde zu legen, ist abwegig.

Soweit die Beklagte den Kilometerstand von 143.443 Stand 18.09.2019 bestritten hat, sieht der Senat den Nachweis durch die klägerischen Angaben bestätigt. Der Klägervertreter hat im Termin zur mündlichen Verhandlung das Foto eines entsprechenden Kilometerstandes zusammen mit einer Tageszeitung vom 18.09. und dem Ausweis der Klägerin vorgelegt. Der Senat hat entgegen der Mutmaßung der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung keinen Anlass anzunehmen, dass die Klägerin hier den Tacho eines anderen Autos abgelichtet haben könnte. Es ist auch nicht erkennbar, was die Klägerin damit erreichen sollte, weil eine entsprechende Täuschung binnen kürzester Zeit offenbar würde.

Soweit schließlich in diesem Zusammenhang die Ansicht vertreten wird, die Anrechnung von Nutzungsvorteilen habe grundsätzlich zu unterbleiben (Heese NZV 2019 a.a.O. S.278), vermag sich der Senat dieser Ansicht nicht anzuschließen. Das Bereicherungsverbot ist ein anerkanntes Grundprinzip des Schadensrecht; der Senat sieht nicht die Notwendigkeit, dieses Fundamentalprinzip in Fällen der vorliegenden Art aufzugeben, um der Präventivfunktion des Deliktsrechts weitere Geltung zu verschaffen. Heese ist zuzugeben, dass bei Abzug einer Nutzungsentschädigung, die sich nach dem Kaufpreis errechnet, der Schädiger einen Teil seines Gewinnes auf diese Weise realisieren kann. Indessen dient der Schadensersatzanspruch primär der Schadensbeseitigung beim Geschädigten und nicht der Bestrafung des Schädigers. Im Übrigen dürfte angesichts der Verfahrenskosten und des Rufschadens, die mit der Verurteilung der Beklagten nach § 826 BGB einhergehen, immer noch eine hinreichend präventive Wirkung von der Verurteilung ausgehen, ohne dass es tatsächlich gleichsam noch eines Strafschadensersatzes im Sinne eines "punitive damage" bedürfte, um steuernd präventiv auf die Beklagte einzuwirken. Der Gedanke, der BB-Konzern würde in vergleichbarer Weise wieder am Markt agieren, wenn er nicht die ungeschmälerte Kaufpreisrückzahlung, also ohne Anrechnung eines Nutzungsersatzes auf Käuferseite, zu fürchten hätte, erscheint dem Senat doch eher theoretisch. Hinzu kommt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes derjenige, dem Geld deliktisch entzogen worden ist, bekanntermaßen analog § 849 BGB Verzinsung des Betrages ab dem Zeitpunkt verlangen kann, zu dem ihm der Betrag entzogen worden ist (BGH, Versäumnisurteil vom 26.11. 2007 - II ZR 167/06 -, juris Rn. 3 ff). Diese Pflicht, den Kaufpreis nachträglich für die Zeit ab Vertragsschluss zu verzinsen, dürfte das Geschäft für den Schädiger in der Gesamtbilanz - auch bei Anrechnung eines Nutzungsvorteils auf Geschädigtenseite - hinreichend unattraktiv machen.

Der Senat ist in diesem Zusammenhang auch nicht der Ansicht, dass Vergleichbares aus § 475 Abs.3 BGB zu folgern wäre. § 475 Abs.3 BGB ist nicht Ausdruck eines allgemeinen Prinzips, sondern eine nicht analogiefähige Ausnahmevorschrift des Verbrauchsgüterkaufs (so auch MünchKomm-Lorenz, 8. Aufl., § 475 BGB Rn. 18). Grundsätzlich sieht das BGB den Nutzungsersatz für zeitweilig gezogene Nutzung bei Rückgabe von Sachen vor (vgl. § 346 Abs.1, § 818 Abs.1, § 993 BGB). Es besteht keine Veranlassung diese Ausnahmevorschrift auf die vorliegende Konstellation analog anzuwenden; mit dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot wäre dies nicht vereinbar. Hinzukommt, dass die Interessenlage auch auf Schuldnerseite nicht vergleichbar ist. Während der Verkäufer eines Verbrauchsgutes regelmäßig nur für zwei Jahre ab Gefahrübergang haftet (§ 438 Abs. 1 Ziff. 3 BGB), also maximal eine Nutzung über ca. zwei Jahre entschädigungslos hinzunehmen hat, verjährt der deliktische Anspruch nach § 826 BGB ab Kenntnis (§ 199 Abs.1 Ziff. 2 BGB); hier sind mithin ganz anders dimensionierte Zeiträume denkbar, in denen der Schädiger den Verbrauch seiner Leistung entschädigungslos hinzunehmen hätte, wollte man § 475 Abs.3 BGB analog anwenden.

5)

Auf die Berufung war indessen das Urteil des Landgerichts insoweit zu ändern, als die Verzinsung des entzogenen Kaufpreises für die Zeit ab Weggabe des Geldes bis Rechtshängigkeit des Rückzahlungsanspruchs nach § 849 BGB auszusprechen war (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 26.11. 2007 - II ZR 167/06 -, juris Rn.3-6). Dem Senat scheint bei Anwendung der in der vorgenannten Entscheidung aufgezeigten Grundsätze die Anwendung des § 849 BGB in Fällen der vorliegenden Art unausweichlich. Das Argument, der vorliegend zu beurteilende Fall unterscheide sich insoweit, als der Geschädigte sich des Geldes nicht ersatzlos begebe, weil er das Auto zur Nutzung erhalte (so OLG Hamm a.a.O. Rn.99), scheint dem Senat nicht überzeugend, denn der Geschädigte "bezahlt" diese Nutzung bereits durch den Nutzungsersatz, der vom Kaufpreis abgezogen wird (und der bekanntermaßen sogar die Gewinnmarge des Verkäufers umfasst, weil die Nutzungsentschädigung gemeinhin aus dem Kaufpreis ermittelt wird). Würde man das vorgenannte Argument gelten lassen, bezahlte der Geschädigte die Nutzung des Autos gleichsam zweimal: Einmal durch Abzug des Nutzungsvorteils vom Kaufpreis und ein zweites Mal durch den Verzicht auf die (eigentlich) geschuldete Verzinsung des Rückzahlungsanspruchs. Deswegen überzeugt das Argument der Beklagten auch nicht, die Anwendung des § 849 BGB in einem Austauschverhältnis verstieße gegen das schadensrechtliche Bereicherungsverbot, weil der Geschädigte einen Nutzungsersatz erhalte, obgleich ihm keine Nutzung entzogen sei; denn die Nutzung des Geldes ist ihm entzogen; dass die Nutzung des Autos dem nicht entgegenhalten werden kann, ist bereits dargelegt.

Aus Sicht des Senats ist auch kein plausibler Grund dafür ersichtlich, warum die Verzinsung nach § 849 BGB bei der deliktischen Entziehung von Buchgeld (vgl. BGH a.a.O.) ausgerechnet davon abhängen sollte, ob der Geschädigte seinerseits etwas erlangt hat. In der Sache stellt § 849 BGB einen pauschalierten Schadensersatz dar; er bewirkt, dass die nach §§ 286 Abs.1, 288 BGB geschuldete Verzinsung der geschuldeten Geldsumme vor den Zeitpunkt der Mahnung oder Rechtshängigkeit vorverlegt wird, mehr nicht. Warum diese zeitliche Vorverlegung davon abhängen soll, ob der Geschädigte eine Gegenleistung erhalten haben soll, leuchtet nicht ein. Die Verzinsung ab Rechtshängigkeit hängt bekanntermaßen auch nicht davon ab, ob der Gläubiger seinerseits etwas erhalten hat oder nicht; generell macht das BGB die Verpflichtung zur Verzinsung einer Geldschuld nicht davon abhängig, ob eine Gegenleistung geflossen ist. Vielmehr sind Verzinsung, Wertersatz etc. im Rückabwicklungsverhältnis grundsätzlich für jede Leistung gesondert zu bestimmen (vgl. § 346 BGB). Der Senat kann keinen vernünftigen Grund erkennen, dieses Prinzip ausgerechnet im Deliktsrecht aufzugeben.

Dem Senat scheint dieses Ergebnis auch nicht gänzlich unbillig, führt doch die Anwendung des § 849 BGB dazu, dass der Nachteil des getäuschten Käufers, der infolge der Täuschung um seinen Anspruch anfangs nicht weiß und demgemäß seine Rechte aus § 286 BGB nicht wahrnehmen und damit eine Verzinsung nicht herbeiführen kann, ausgeglichen wird und der Gewinn aus der zeitweiligen Nutzung des Geldes nicht bei demjenigen verbleibt, der sich das Geld durch Täuschung verschafft hat.

Die danach anzustellende Berechnung ergibt den Betrag von 1.818,45 €.

Stand: 01.08.2014

23085 km

Stand: 18.09.2019

143443 km

60,5 Monate

120358

0,09 € pro km

1989,39

Nutzungsersatz pro Monat

179,04 €

Gebrauchsvorteil pro Monat:

179,04 €

Monat

Betrag

Zins

2014

August

15.888,00

52,96

September

15.708,96

52,36

Oktober

15.529,91

51,77

November

15.350,87

51,17

Dezember

15.171,82

50,57

2015

Januar

14.992,78

49,98

Februar

14.813,73

49,38

März

14.634,69

48,78

April

14.455,64

48,19

Mai

14.276,60

47,59

Juni

14.097,55

46,99

Juli

13.918,51

46,40

August

13.739,46

45,80

September

13.560,42

45,20

Oktober

13.381,37

44,60

November

13.202,33

44,01

Dezember

13.023,28

43,41

2016

Januar

12.844,24

42,81

Februar

12.665,19

42,22

März

12.486,15

41,62

April

12.307,10

41,02

Mai

12.128,06

40,43

Juni

11.949,01

39,83

Juli

11.769,97

39,23

August

11.590,92

38,64

September

11.411,88

38,04

Oktober

11.232,83

37,44

November

11.053,79

36,85

Dezember

10.874,74

36,25

2017

Januar

10.695,70

35,65

Februar

10.516,65

35,06

März

10.337,61

34,46

April

10.158,56

33,86

Mai

9.979,52

33,27

Juni

9.800,47

32,67

Juli

9.621,43

32,07

August

9.442,38

31,47

September

9.263,34

30,88

Oktober

9.084,29

30,28

November

8.905,25

29,68

Dezember

8.726,20

29,09

2018

Januar

8.547,16

28,49

Februar

8.368,11

27,89

März

8.189,07

27,30

April

8.010,02

26,70

Mai

7.830,98

26,10

Summe:

1.818,45

Dabei geht der Senat von einer Nutzungsdauer von 200.000 km und angesichts der Fahrleistung der Klägerin von einem Monatsdurchschnitt von 1989,39 gefahrenen Kilometern aus, was einem monatlichen Nutzungsersatz von 179,04 € entspricht. Um diesen Betrag ist der zu verzinsende Rückzahlungsbetrag monatlich zu reduzieren, was in der Summe den genannten Zahlbetrag ergibt.

Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten kann die Klägerin nicht beanspruchen. Die Prozessbevollmächtigten haben die Beklagte lediglich mit Schreiben vom 23. April 2018 unter Fristsetzung zum 30. April 2018 zur Leistung aufgefordert und unter dem 28. Mai 2018 dann Klage erhoben. Bei dem Schreiben handelt es sich ausschließlich um eine mit Blick auf § 93 ZPO die Klage vorbereitende Mahnung. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die gerichtsbekannt eine Mehrzahl von Käufern vertreten, mussten wissen, dass die Beklagte außerprozessual nicht leistungsbereit war. Eine über die Klagevorbereitung hinausgehende Tätigkeit ist nicht erkennbar und wäre jedenfalls wegen ersichtlicher Erfolglosigkeit nicht erstattungsfähig.

Die Revision war mit Blick auf die Vielzahl gleichartiger anhängiger Verfahren wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung und wegen der Divergenz zur Entscheidung des OLG Braunschweig auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 92, 708 Nr.10, 711 ZPO.

Die Schriftsätze vom 30. September haben vorgelegen. Sie geben keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Der Senat sieht auch keinen Grund, den Verkündungstermin zu verlegen. Die Parteien hatten mehrere Monate Zeit und bei zwei mündlichen Verhandlungen hinreichend Gelegenheit sich zu vergleichen. Eine weitere Verzögerung scheint dem Senat untunlich.