Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 14.10.2019, Az.: 11 UF 148/19
Ausübung des Wahlrechts hinsichtlich des Zielversorgungsträgers gem. § 222 Abs. 1 FamFG
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 14.10.2019
- Aktenzeichen
- 11 UF 148/19
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2019, 67276
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2019:1008.11UF148.19.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Jever - 19.09.2019 - AZ: 3 F 144/18 S
Rechtsgrundlagen
- § 222 Abs. 1 FamFG
- § 222 Abs. 2 FamFG
- § 15 VersAusglG
Amtlicher Leitsatz
Bei der Frist zur Wahl eines Zielversorgungsträgers nach § 222 Abs. 1 FamFG handelt es sich um keine Ausschlussfrist sondern um eine Frist, die der Förderung des Verfahrens dient.
Tenor:
I. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu Ziffer 6) wird der am 19.06.2019 verkündete Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Jever bezüglich der Entscheidung über den Versorgungsausgleich zu Ziffer II Absatz 4 wie folgt abgeändert und neu gefasst:
Zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei dem Versorgungsträger CC GmbH & Co. KG (Personalnummer: (...)) wird im Wege der externen Teilung zu Gunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe des Betrages von 14.190,49 €, bezogen auf den 31.05.2018, bei dem Versorgungsträger FF a.G. nach Maßgabe des Vertragsangebots vom 05.09.2019 (...) begründet. Der Versorgungsträger CC GmbH & Co. KG wird verpflichtet, den Kapitalbetrag in Höhe von 14.190,49 € an die FF a.G. zu zahlen.
II. Für das Beschwerdeverfahren werden keine Gerichtsgebühren erhoben; die außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten selbst.
III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000 € festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Ehe der Antragstellerin und des Antragsgegners wurde durch den am 19.06.2019 verkündeten Beschluss des Familiengerichts geschieden. Das Familiengericht hat mit gleichem Beschluss den Versorgungsausgleich geregelt.
Dabei hat es die Auskunft über das Anrecht des Antragsgegners aus seiner betrieblichen Altersversorgung bei der CC GmbH & Co. KG vom 15.03.2019 zugrunde gelegt, wonach der Antragsgegner während der Ehezeit ein Anrecht mit einem Ausgleichswert von 14.190,49 € erwirtschaftet hat. Die CC GmbH & Co. KG hat die externe Teilung des betrieblichen Anrechts nach §§ 17, 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG verlangt.
Das Familiengericht forderte die Antragstellerin auf, mitzuteilen, ob sie eine Zielversorgung wählt und wies zugleich darauf hin, dass die Aufnahmebereitschaft des gewählten Versorgungsträgers nachzuweisen sei. Hierauf legte die Antragstellerin einen Versicherungsschein über eine fondsgebundene Rentenversicherung nach dem Tarif (...) der DD AG vor. Das Familiengericht setzte die DD AG unter Bezeichnung der Versicherungsnummer des vorgelegten Versicherungsscheins als gewählten Zielversorgung ein.
Hiergegen wendet sich die DD AG mit ihrer Beschwerde. Sie trägt im Wesentlichen vor, sie sei nicht darüber informiert worden, dass sie Zielversorgungsträger des auszugleichenden Betrages werden soll und sei damit auch nicht einverstanden. Auch ermögliche der Tarif des durch die Antragstellerin vorgelegten Versicherungsschein keine gleichwertige Zuordnung und Verwaltung des extern zu teilenden Kapitalbetrages.
Die CC GmbH & Co. KG teilte unter dem 12.09.2019 mit, dass sich der mitgeteilte Ausgleichswert von14.190,49 € nicht geändert habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss, die Auskünfte der CC GmbH & Co. KG, der DD AG und der FF a.G. Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Die Beschwerdeführerin ist nicht gewählte Zielversorgungsträgerin. Wählt die ausgleichsberechtigte Person eine Zielversorgung, hat das Familiengericht nicht nur zu prüfen, ob die gewählte Zielversorgung die Anforderungen des § 15 Abs. 2 und 3 VersAusglG erfüllt, mithin ob die Zielversorgung angemessen ist, die Zahlung des Kapitalbetrages zu keinen steuerpflichtigen Einnahmen sowie zu keiner schädlichen Verwendung führt, sondern auch, ob die ausgleichsberechtigte Person nachweist, dass die ausgewählte Zielversorgung mit dem Ausbau bzw. der Begründung des gewählten Anrechts einverstanden ist (Einverständniserklärung der Zielversorgung § 222 Abs. 2 FamFG; vgl. BGH v. 13.12.2017 - XII ZB 214/16, juris).
Verlangt der Versorgungsträger der ausgleichspflichtigen Person nach § 14 Abs. 2 Nr. 2, § 17 VersAusglG die externe Teilung eines Anrechts im Sinne des Betriebsrentengesetzes, steht der ausgleichsberechtigten Person gemäß § 15 Abs. 1 VersAusglG ein Wahlrecht hinsichtlich der Zielversorgung zu. Nach § 222 Abs. 1 FamFG ist dieses Wahlrecht in einer vom Gericht zu setzenden Frist auszuüben. Wird - wie vorliegend - das Wahlrecht ausgeübt, hat die ausgleichsberechtigte Person gemäß § 222 Abs. 2 FamFG innerhalb der gesetzten Frist zugleich nachzuweisen, dass der ausgewählte Versorgungsträger mit der vorgesehenen Teilung einverstanden ist (BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2017 - XII ZB 214/16 -, Rn. 10, juris).
Unter Berücksichtigung dessen ist die erstinstanzliche Wahl des Zielversorgungsträgers der Antragstellerin unwirksam. Diese hat zwar einen Zielversorgungsträger unter Vorlage eines Versicherungsvertrages benannt, nicht aber das Einverständnis des Versorgungsträgers nachgewiesen.
Nach § 222 Abs. 2 FamFG obliegt es der ausgleichsberechtigten Person, dem Familiengericht gegenüber rechtzeitig die Bereitschaft des Versorgungsträgers der gewählten Zielversorgung zur Begründung oder zum Ausbau eines Anrechts nachzuweisen. Ist - wie vorliegend - für die Ausübung des Wahlrechts nach § 15 Abs. 1 VersAusglG eine Frist nach § 222 Abs. 1 FamFG gesetzt, muss auch dieser Nachweis binnen gesetzter Frist vorliegen (vgl. Lorenz in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 222 FamFG, Rn. 8). Erst mit der Einverständniserklärung i.S.d. § 222 Abs. 2 FamFG verpflichtet sich der ausgewählte Versorgungsträger zur Aufnahme der ausgleichsberechtigten Person in ein Versicherungsverhältnis für den Fall, dass sie das ihr unterbreitete Angebot annimmt und das Familiengericht die externe Teilung dementsprechend durchführt (BGH v. 17.07.2019 - XII ZB 437/18, juris Rn. 11).
Dabei ist Gegenstand des Einverständnisses auch nicht nur die Erklärung einer generellen Bereitschaft zur Aufnahme der ausgleichsberechtigten Person als neuen Versicherten, sondern auch die Konkretisierung des vorgesehenen Versicherungsverhältnisses, etwa durch Angabe der Tarifbezeichnung oder der Policennummer eines bereits bestehenden Vertrages (BGH a.a.O.).
Gerade die Aufnahme eines Ausgleichsbetrages aus einer betrieblichen Rentenversicherung in Form der Direktzusage bzw. Unterstützungskasse, mithin einer Altersvorsorge die erst nachträglich - mithin bei Auszahlung - besteuert wird, stellt besondere Anforderungen an die (steuerliche) Verwaltung dieses Vermögens. Zwar ist auch die externe Teilung für die Eheleute grundsätzlich steuerneutral (BMF-Schreiben vom 09.04.2010, Einkommensteuerrechtliche Behandlung von Ausgleichszahlungen im Rahmen des Versorgungsausgleiches nach § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG und § 22 Nr. 1c EStG (IV C 3 - S 2221/09/10024), Rz. 371-377). § 3 Nr. 55 b Satz 1 EStG stellt die Leistung des Ausgleichswerts der externen Teilung steuerfrei, sofern die späteren Leistungen in der gleichen Steuersystematik bleiben. Nur dann, wenn die Übertragung in ein externes Versorgungssystem erfolgt, ohne dass das Prinzip der nachgelagerten Besteuerung verlassen wird, ist die Teilung steuerfrei. Gleichwohl erfordert die externe Teilung aber die steuerrechtliche Verwaltung des Ausgleichsbetrages durch den gewählten Zielversorgungsträger. Nach Angaben der Beschwerdeführerin ist es dieser in keinem ihrer angebotenen Tarife möglich, den im Wege der externen Teilung in eine Versicherung eingezahlten Ausgleichsbetrag zu verwalten. Unabhängig hiervon dient die Einverständniserklärung des gewählten Zielversorgungsträgers aber auch der eigenständigen Bewertung des Risikos der Beitreibung des Ausgleichsbetrages. Es obliegt mithin dem gewählten Zielversorgungsträger frei darüber zu entscheiden, ob er mit der von der ausgleichsberechtigten Person getroffenen Wahl einverstanden ist. Deswegen erfordert die wirksame Wahl eines Zielversorgungsträgers dessen Einverständnis i.S.d. § 222 FamFG.
Obwohl keine wirksame Wahl binnen der erstinstanzlich gesetzten Frist getroffen worden ist, ist die im Beschwerdeverfahren neu getroffene Wahl eines Zielversorgungsträgers - nämlich der FF a.G. - zulässig und wirksam.
Es wird in der Literatur kontrovers diskutiert, ob es sich bei der Frist gem. § 222 Abs. 2 FamFG um eine Ausschlussfrist handelt (vgl. ausführlich zum Sach- und Streitstand: Norpoth/Sasse in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 15 VersAusglG Rn. 2 m.w.N.). Dabei wird danach unterschieden, ob es sich um eine materiell-rechtliche oder prozessuale Ausschlussfrist handelt (vgl. hierzu MüKoFamFG/Stein, 3. Aufl. 2018, FamFG § 222 Rn. 23 m.w.N.). Läge eine materiell rechtliche Ausschlussfrist vor, würde bei Nichteinhaltung der Frist ein Rechtsverlust eintreten. Prozessuale Ausschlussfristen können dagegen nur den Verlust prozessualer Rechte bewirken. Damit tritt zwar kein materieller Rechtsverlust ein, die Ansprüche sind jedoch gerichtlich nicht mehr durchsetzbar. Materielle Ausschlussfristen können einen materiell rechtlichen Rechtsverlust bewirken.
Läge eine Ausschlussfrist vor, müsste jedenfalls das Wahlrecht innerhalb der Frist ausgeübt sein mit der Folge, dass eine nachträgliche Wahl ausgeschlossen wäre (vgl. Lorenz in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 222 FamFG Rn. 6). Dann müsste aber auch die Zustimmung des Zielversorgungsträgers innerhalb der Frist eingeholt sein; andernfalls würde § 15 Abs. 5 VersAusglG zur Anwendung kommen, so dass der gesetzliche Auffangversorgungsträger bei der externen Teilung eines betrieblichen Anrechts - mithin die Versorgungsausgleichskasse - Zielversorgungsträger wäre (vgl. ausführlich zum Sach- und Streitstand: Norpoth/Sasse a.a.O. § 15 VersAusglG Rn. 2 m.w.N.). Höchstrichterlich wurde die Frage bislang nicht entschieden. Der BGH hat in einer Entscheidung zwar den Begriff "Ausschlussfrist" verwendet (BGH FamRZ 2013, 773 Rn 17), was ausweislich der Gesetzesbegründung, die die Folgen der Fristversäumnis indes nicht benennt, der Absicht des Gesetzgebers entsprechen könnte (BT-Drs 16/10144, 95). Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes befasst sich unter anderem damit, ob das Familiengericht nach § 222 Abs. 2 FamFG verpflichtet ist, der ausgleichsberechtigten Person eine Frist zu setzen.
Hierzu führt der Bundesgerichtshof aus, es erscheine zweifelhaft, ob das Gericht generell dazu verpflichtet ist, den betreffenden Beteiligten (Ausschluss-) Fristen nach § 222 Abs. 1 FamFG zu setzen. In jedem Falle habe das Gericht im Hinblick auf die Ausübung der Wahlrechte seine Pflichten zur Verfahrensleitung zu beachten, wonach es insbesondere darauf hinzuwirken habe, dass sich die Beteiligten rechtzeitig über alle erheblichen Tatsachen erklären und ungenügende tatsächliche Angaben ergänzen (§ 28 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Auch zur Wahrung rechtlichen Gehörs werde daher auf eine Fristsetzung ausnahmsweise nur dann verzichtet werden können, wenn sich das Gericht vor seiner Entscheidung anderweitig darüber Gewissheit verschaffen konnte, ob und gegebenenfalls in welcher Weise die betreffenden Beteiligten von ihren Wahlrechten Gebrauch machen werden (BGH a.a.O.). Diese Ausführungen legen nahe, die Fristsetzung als Instrument der Förderung des Verfahrens anzusehen. Auch lässt sich der Gesetzesbegründung nicht entnehmen, welche Folgen einer Fristversäumnis beigemessen werden sollte, da diese sich lediglich mit der Fristsetzung nicht indes mit den Folgen der Fristversäumnis befasst (BT Drs. 16/10144, S. 95).
Nach der in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretenden Auffassung, der sich der Senat anschließt, handelt es dagegen lediglich um eine Frist, die der Förderung des Verfahrens dient (KG Berlin v. 12.02.2014 - 17 UF 155/13, FamRZ 2014, 1114, juris Rn. 7ff; OLG Karlsruhe v. 05.08.2015 - 16 UF 130/15, FamRZ 2016, 1167, Rn. 24; OLG Nürnberg v. 15.12.2016 - 11 UF 1479/14, FamRZ 2017, 873, juris Rn. 51). Gegen die Annahme einer Ausschlussfrist spricht Sinn und Zweck der Regelung. Ziel der Vorschrift ist es, dem Gericht ein Mittel an die Hand zu geben, um die Versorgungsausgleichsverfahren als "Masseverfahren" der Familiengerichte effektiv führen zu können (vgl. Siede in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 15 VersAusglG Rn. 21.). Die Wahl kann mithin mangels Präklusionswirkung in der Beschwerdeinstanz nachgeholt bzw. ein unvollständig ausgeübtes Wahlrecht vervollständigt werden (Siede a.a.O.; vgl. Keidel, FamFG, 19. Auflage, § 222 Rn. 5a, beck-online).
Die Antragstellerin hat in der Beschwerdeinstanz wirksam die FF a.G. gewählt, die ihr Einverständnis mit der vorgesehenen Teilung schriftlich unter dem 05.09.2019 (Bl. 61 d. A.) erklärt hat. Die Aufnahme soll nach Maßgabe des Vertragsangebots vom 05.09.2019 erfolgen, wonach der Ausgleichsbetrag in die Basisrentenversicherung mit der reservierten Versicherungsnummer (...) aufgenommen werden soll. Bei der Basisrentenversicherung handelt es sich um eine Altersversorgung, die die Anforderungen der § 15 Abs. 2 und 3 VersAusglG erfüllt. Zwar ist die Basisrentenversicherung nicht in § 15 Abs. 4 VersAusglG benannt. § 15 Abs. 4 VersAusglG benennt deklaratorisch die Versorgungen, die den Anforderungen von § 15 Abs. 2 und 3 VersAusglG entsprechen. Bei zertifizierten Basisrentenverträgen nach § 5a AltZertG ("Rürup-Verträge") handelt es sich regelmäßig um eine angemessene Versorgung i.S.v. § 15 Abs. 2 VersAusglG. Diese Altersversorgung ist nur deswegen nicht in § 15 Abs. 4 VersAusglG benannt, da es bei der externen Teilung einer Riester Rente zu einer schädlichen Verwendung kommen kann (vgl. Bührer: "Rürup-Rente" als Zielversorgung bei externer Teilung, FuR 2012, 574). Die Gefahr einer schädlichen Verwendung nach § 15 Abs. 3 VersAusglG i.V.m. § 93 EStG, besteht nur dann, wenn das zu teilende Anrecht ein gefördertes zertifiziertes Anrecht i.S.d. § 5 AltZertG (Riester-Rente) bzw. ein riestergefördertes betriebliches Anrecht ist. Ausweislich der Auskunft der CC GmbH & Co. KG handelt es sich um kein betriebliches Anrecht, welches riestergefördert ist.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 20 FamGKG, § 150 FamFG. Der Beschwerdewert folgt aus §§ 40, 50 Abs. 1 FamGKG.
IV.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. Die Frage, ob es sich bei der Frist des § 222 Abs. 2 FamFG lediglich um eine der Förderung des Verfahrens dienende oder um eine Ausschlussfrist handelt, ist eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann.