Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 04.09.2019, Az.: 5 U 109/19

Rückabwicklung eines fondsgebundenen Rentenversicherungsvertrages nach dem sog. Policen-Modell; Verwirkung des Widerspruchsrechts bei Vornahme von dem Vollzug des Vertrages dienenden Handlungen des Versicherungsnehmers

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
04.09.2019
Aktenzeichen
5 U 109/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 67300
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2019:0904.5U109.19.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 27.03.2019 - AZ: 13 O 1973/18

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Ist der Versicherungsnehmer nicht hinreichend nach § 5a VVG a.F. belehrt, darf der Versicherer Erklärungen und Handlungen des Versicherungsnehmers, die nur dem Vollzug des Vertrages dienen, regelmäßig nicht so verstehen, der Versicherungsnehmer hätte den Vertrag auch in Kenntnis des Widerspruchsrecht fortgesetzt.

  2. 2.

    Derartige Handlungen begründen regelmäßig keinen Verwirkungseinwand des Versicherers.

  3. 3.

    Der Rechtsgedanke des § 124 Abs.3 BGB ist auf Fälle dieser Art nicht übertragbar.

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 27. März 2019 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg (13 O 1973/18) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 2.548,51 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. September 2018 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 86 Prozent und die Beklagte zu 14 Prozent zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Rückabwicklung eines fondsgebundenen Rentenversicherungsvertrags.

Der Kläger beantragte bei der Beklagten am 20. April 2004 den Abschluss eines Vertrages über eine fondgebundene Rentenversicherung (Anlage K 1, Bl. 7 d.A.). Der Antrag sah als Versicherungsbeginn den 1. Juni 2004, eine Vertragsdauer bis zum Beginn der Rentenzahlung von insgesamt 14 Jahren sowie einen monatlichen Beitrag in Höhe von 90,00 € mit einer planmäßigen jährlichen Beitragserhöhung um 6 Prozent vor. Die Beklagte erstellte einen Versicherungsschein mit Datum vom 4. Mai 2004 (Anlage K 2, Blatt 14) und sandte diesen dem Kläger zu. Eine Belehrung über das Widerspruchsrecht findet sich sowohl in dem Versicherungsantrag (Bl. 9 d.A.) als auch in dem Übersendungsschreiben zu dem Versicherungsschein (Anlage BLD 2, Bl. 55 d.A.). Dort heißt es:

"WIDERSPRUCHSRECHT

Wie Ihnen bereits aufgrund unseres Hinweises im Versicherungsantrag bekannt ist, können Sie innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheins dem Versicherungsvertrag widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs. Genaue Angaben über Beginn und Ablauf der Frist enthält die Ziffer "Können Sie nach Abschluss des Versicherungsvertrags dem Vertrag noch widersprechen" in der beigefügten "Verbraucherinformation zu Ihrer Fondsgebundenen Rentenversicherung nach Tarif 1FLR60."

Mit dem Versicherungsschein erhielt der Kläger sowohl die AVB als auch eine Verbraucherinformation nach § 10a VAG a.F.

Der Kläger begann fristgerecht mit der Beitragszahlung. Mit Schreiben vom 19. Februar 2005 kündigte er das Versicherungsverhältnis (Anlage BLD 3, Bl. 57 d.A.), wobei er zugleich die der Beklagten erteilte Einzugsermächtigung widerrief. Eine Abwicklung der vertraglichen Beziehung unterblieb in der Folgezeit. Unter dem 1. März 2006 beantragte der Kläger gegenüber der Beklagten, zum 1. September 2006 rückständige Beträge ausgleichen zu dürfen und die reguläre Beitragszahlung fortzusetzen; gleichzeitig erteilte er der Beklagten in dem Antragsformular wiederum eine Einzugsermächtigung (Anlage BLD 4, Bl. 58 d.A.). Eine erneute Belehrung über das Widerspruchsrecht erfolgte nicht.

In der Folgezeit leistete der Kläger die vereinbarten Beitragszahlungen. Unter dem 26. Mai 2015 (Anlage BLD 9) beantragte er einen Fondswechsel, den die Beklagte in der Folgezeit durchführte. Zum 1. Oktober 2016 (Anlage BLD 6, Bl. 63 d.A.) wurde die Versicherung beitragsfrei gestellt. Mit Schreiben vom 21. August 2018 ließ der Kläger den Versicherungsvertrag zum 01.09.2017 kündigen. Die Beklagte rechnete den Vertrag gemäß Abrechnungsschreiben vom 04.09.2017 mit einem Rückkaufswert in Höhe von 13.724,19 € ab. Diesen Betrag zahlte die Beklagte an den Kläger aus.

Mit einem Schreiben vom 01.03.2018 (Anlage K 4, Bl. 22 d.A.) ließ der Kläger nunmehr Widerspruch gegen den Versicherungsvertrag erklären und die Beklagte auffordern, die geleisteten Prämien abzüglich des ausgezahlten Rückkaufswertes, der Kosten für gewährten Versicherungsschutz (Risikoanteil) sowie zuzüglich des Ersatzes für gezogene Nutzungen bis spätestens zum 15. März 2018 zurückzuzahlen. Mit Schreiben vom 23. März 2018 (Anlage K 5, Bl. 24 d.A.) trat die Beklagte der Forderung entgegen.

Der Kläger vertritt die Auffassung, der Widerspruch sei wirksam erfolgt, weswegen der Vertrag rückabzuwickeln sei. Er hat behauptet, die Beklagte habe seine im Jahr 2005 erklärte Kündigung schlichtweg ignoriert. Die Beklagte habe nunmehr - so meint der Kläger - neben Rückzahlung der geleisteten Beiträge Ersatz für gezogene Nutzungen zu leisten. Hierzu hat er behauptet, zwischen dem 1. Juni 2004 und dem 1. September 2017 Beitragsleistungen in Höhe von insgesamt 20.968,50 € erbracht zu haben. Nutzungen der Beklagten seien mit 11.036,62 € anzusetzen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 18.281,03 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.03.2018 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält den erklärten Widerspruch für unwirksam. Sie meint, die Belehrung über das Widerspruchsrecht sei ordnungsgemäß erfolgt. Im Übrigen sei das Widerspruchsrecht gemäß § 242 BGB verwirkt. Jedenfalls stünde dessen Ausübung der Rechtsgedanke des § 124 Abs. 3 BGB entgegen.

Hilfsweise hat die Beklagte zur Höhe eines Rückabwicklungsanspruchs vorgetragen. Dazu hat sie behauptet, der Kläger habe während der Vertragslaufzeit Beiträge in Höhe von insgesamt 16.343,31 € geleistet, mehr hingegen nicht. Die Risikokosten hätten sich streitgegenständlich auf 490,30 €, die Abschlusskosten auf 844,36 € sowie die Verwaltungskosten auf 2.244,70 € belaufen. Aus den nach Abzug dieser Positionen zur Verfügung stehenden Sparbeiträgen habe die Beklagte bis zum Zeitpunkt des Widerspruchs Nutzungen in Form von Fondsgewinnen in Höhe von 419,69 € gezogen.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. März 2019 abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, der Widerspruch sei zwar nicht verfristet, denn die Belehrung über das Widerspruchsrecht sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Sie enthalte insbesondere keinen Hinweis auf die nach § 5a Abs. 1 VVG a.F. erforderliche Schriftform des Widerspruchs. Hierbei handele es sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs um einen wesentlichen Inhalt der Widerspruchsbelehrung.

Das Recht zum Widerspruch sei jedoch nach Maßgabe des § 242 BGB verwirkt. Zum einen sei das für eine Verwirkung erforderliche Zeitmoment vorliegend gegeben. Der Widerspruch sei erst knapp 14 Jahre nach dem Vertragsschluss erklärt worden. Zum anderen liege das für die Verwirkung erforderliche Umstandsmoment vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs komme eine Verwirkung auch dann in Betracht, wenn keine ordnungsgemäße Belehrung über das Widerspruchsrecht erfolgt sei. Erforderlich seien dann besonders gravierende Umstände. Solche Umstände seien hier gegeben, denn bereits im Jahr 2005 habe der Kläger gegenüber der Beklagten die Kündigung des Vertrages erklärt. Ob die Beklagte diese Kündigung, wie vom Kläger behauptet, ignoriert habe, sei unerheblich. Jedenfalls habe der Kläger mit seinem Antrag vom 1. März 2016 auf Verschiebung des Termins zum Ausgleich rückständiger Beiträge und zur Wiederaufnahme der Beitragszahlung in Verbindung mit der neu erteilten Einzugsermächtigung seinen Vertragsbindungswillen dokumentiert. Die Konstellation sei dem Sachverhalt vergleichbar, welcher der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11. November 2015 zugrunde gelegen habe (BGH, Beschl. v. 11. November 2015 - IV ZR 117/15 -, juris). Der Kläger habe durch sein Verhalten deutlich gemacht, dass er sich über Bestand und Fortbestehen des Vertrages Gedanken gemacht habe. Er habe für den Vertragspartner eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er nach eigener Überlegung am Vertrag festhalten wollte. Zumindest bis zu der Beitragsfreistellung ab 1. Oktober 2016 habe der Kläger an dem Vertrag noch tatsächlich festgehalten. Damit habe er ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten in den Fortbestand des Vertrages erzeugt.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.

Der Kläger meint, er habe das ihm zustehende Recht zum Widerspruch nicht verwirkt. Die Beklagte habe die Ungewissheit über die Ausübbarkeit des Widerspruchsrecht selbst herbeigeführt, weil sie ihn nicht ordnungsgemäß belehrt habe. Eine abweichende Beurteilung sei nicht auf Grundlage der im Jahr 2005 ausgesprochenen Kündigung geboten. Die Beklagte habe diese offenbar schlicht ignoriert. Es erschließe sich nicht, weshalb der Vertrag damals fortgesetzt worden sei. Die Beklagte habe hierzu nicht mehr vorgetragen. Der Vertrag sei auch nicht rückabgewickelt worden. Dies bilde den entscheidenden Unterschied zu dem Sachverhalt des von der Beklagten zitierten Beschlusses des Bundesgerichtshofs vom 11. November 2015 (IV ZR 117/15); dort sei nach der durch den Versicherungsnehmer ausgesprochenen Kündigung der Vertrag zunächst abgewickelt, dann aber auf ausdrückliche Bitte des Versicherungsnehmers fortgeführt worden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Oldenburg vom 27.03.2019, Aktenzeichen 13 O 1973/18 zu verurteilen, an ihn 18.281,03 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen p. a. über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.

Dem Kläger sei infolge Verwirkung gemäß § 242 BGB versagt, sich auf das Widerspruchsrecht zu berufen. Auch in Relation zu dem Zeitmoment von 13 Jahren sei als Umstandsmoment - wie vom Landgericht zutreffend bewertet - einzubeziehen, dass der Kläger unstreitig bereits mit Schreiben vom 19. Februar 2005 die Kündigung des Vertrags erklärt und den Widerruf der Einziehungsermächtigung erklärt hatte, um dann unter dem 1. März 2006 eine Beginnverlegung zum Ausgleich rückständiger Beträge zu beantragen, eine neue Einzugsermächtigung zu erteilen, die rückständigen Beträge in der Folgezeit auszugleichen und das vormals gekündigte Vertragsverhältnis unbeanstandet noch 11 Jahre fortzuführen. Unter dem 26. Mai 2015 sei sogar noch - erstinstanzlich unstreitig - ein Fondswechsel vorgenommen worden. In vergleichbarer Konstellation habe das OLG Köln zuletzt eine Verwirkung angenommen (Beschl. v. 20. Januar 2017 - 20 U 230/16 -, Anlage BLD 10). Der Kläger habe sich in Kenntnis sämtlicher Umstände und vertraglichen Bedingungen Anfang 2006 aktiv um eine Fortsetzung des bereits beendeten Vertragsverhältnisses bemüht, weswegen die Beklagte darauf habe vertrauen dürfen, der Kläger werde die Wirksamkeit des Vertragsverhältnisses künftig nicht mehr in Abrede stellen. Die klägerische Behauptung, die Beklagte habe die Kündigung "schlicht ignoriert" sei weder zutreffend noch belegt.

Weiterhin greife - so lässt die Beklagte ihren erstinstanzlichen Vortrag vertiefen - der Rechtsgedanke des § 124 Abs. 3 BGB ein. Soweit selbst einem vorsätzlich Getäuschten nach 10 Jahren die Anfechtung eines Rechtsgeschäfts versagt sei, dürfe einem Versicherungsnehmer, bei dessen Belehrung es lediglich zu einem (formalen) Fehler gekommen sei, kein "ewiges" Vertragslösungsrecht zugebilligt werden.

Hilfsweise bekräftigt die Beklagte den bereits erstinstanzlich erhobenen Vorhalt, der Kläger habe sich bei der Berechnung der Anspruchshöhe weder mit den einschlägigen Anforderungen der Rechtsprechung noch dem gegensätzlichen tatsächlichen Vortrag der Beklagtenseite auseinandergesetzt.

II.

Die zulässige Berufung hat im Umfang des vorstehenden Urteilstenors Erfolg. Im Übrigen war sie zurückzuweisen.

1.

Dem Grunde nach dringt die Berufung durch. Dem Kläger steht aufgrund eines wirksam erklärten Widerspruchs ein Anspruch auf Rückabwicklung des mit der Beklagten geschlossenen Rentenversicherungsvertrags aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu.

a.

Die Beklagte hat den Kläger nicht ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt. Gegen die Ausführungen der Kammer in dem angefochtenen Urteil (dort: Seite 4) ist nichts zu erinnern. Ein Hinweis auf die nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. erforderliche Schriftform des Widerspruchs fehlte, so dass die Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. nicht in Gang gesetzt wurde. Der Widerspruch erfolgte damit rechtzeitig.

b.

Die Voraussetzungen der Verwirkung (§ 242 BGB) liegen nicht vor, weil es an dem hierfür erforderlichen Umstandsmoment fehlt.

Der Bundesgerichtshof hat in zwei Urteilen vom 12. Juli 2016 (vgl. BGH, XI ZR 501/15 und XI ZR 564/15, jeweils juris) zum Widerruf von Verbraucherdarlehensverträgen klargestellt, dass das Institut der Verwirkung auch bei "ewigen" Widerrufsrechten nach fehlerhafter Belehrung Anwendung finden kann. Zu beachten ist aber, dass die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen illoyal verspäteter Geltendmachung von Rechten neben einem Zeitmoment immer auch in Umstandsmoment voraussetzt. Ein Recht sei verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten durfte und eingerichtet habe, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, sodass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstoße. Zu dem Zeitmoment müssen dabei besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigten, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen (vgl. BGH a.a.O.). Eine Treuwidrigkeit kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Versicherungsverträge später zur Absicherung von Krediten verwendet werden (vgl. BGH, Beschl. v. 22. März 2016 - IV ZR 130/15 -, juris). Hingegen kann ein Versicherungsunternehmen allein wegen eines laufend vertragstreuen Verhaltens des Verbrauchers kein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend bilden, dieser werde seine auf Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht widerrufen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2016, XI ZR 564/15, juris). Insbesondere auch Vertragsänderungen stellen keine gravierenden Umstände dar (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 2017, IV ZR 173/15 m.w.N.; Urteil vom 21. Dezember 2016, IV ZR 217/15 m.w.N. jeweils juris).

Diesen Vorgaben entsprechend stellte der Antrag des Klägers vom 26. Mai 2015 auf Fondswechsel als eine Variante einer Vertragsänderung nach Überzeugung des Senats keinen gravierenden Umstand im Sinne vorgenannter Rechtsprechung dar. Ebenso erkennt der Senat in der Beitragsfreistellung vom 1. Oktober 2016 als einer grundsätzlich und üblicherweise zu erwartenden Vertragsmodifizierung keine Übereinkunft, die ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagtenseite mit der Konsequenz eines Verwirkungseintritts begründen könnte.

Gleiches gilt im Ergebnis auch für den Ausspruch der Kündigung mit Schreiben vom 19. Februar 2005. Im Zuge des Rechtsstreits hat sich nicht aufklären lassen, aus welchem Grunde die Kündigungserklärung nicht vollzogen und das Vertragsverhältnis nicht rückabgewickelt wurde. Unstreitig stellte der Kläger unter dem 1. März 2006 einen Antrag auf Wiederaufnahme der Beitragszahlung zum 1. September 2006. Gleichzeitig beantragte er die Stundung der Ausgleichspflicht für rückständige Beiträge. Im Ergebnis war der Vertrag - so die Durchführungspraxis der Parteien - für den Zeitraum zwischen dem Zugang des Schreibens vom 19. Februar 2005 und der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zum 1. September 2006 nicht einmal beitragsfrei gestellt, sondern lief aus ex post-Betrachtung ohne inhaltliche Änderung oder Folgewirkung weiter. De facto lag in dem Vorgang eine schlichte zeitweise Stundung der Beitragszahlungen. Bereits aus dieser Perspektive erschließt sich dem Senat nicht, weshalb das darin liegende Verhalten ein Vertrauen der Beklagten dahingehend begründen hat sollen, der Kläger werde ein aus dem einvernehmlich fortgesetzten Vertragsverhältnis resultierendes Vertragslösungsrecht nicht mehr geltend machen, über welches - den Vortrag beider Parteien zugrunde gelegt - im Zuge der damaligen Situation weder mündlich noch schriftlich kommuniziert worden war. Augenscheinlich war dem Kläger zum damaligen Zeitpunkt das - wirtschaftlich wesentlich günstigere - Vertragslösungsrecht des Widerspruchs infolge fehlerhafter Belehrung nicht bewusst, weshalb sich die Beklagte nicht darauf berufen kann, aus ihrer Perspektive heraus habe der Kläger mit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses indirekt gerade hierüber disponieren wollen.

Insoweit unterscheidet sich - anders als vom Landgericht ausgeführt - die vorliegende Konstellation auch von dem Sachverhalt, der dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 11. November 2015 (BGH, Beschl. v. 11. November 2015 - IV ZR 117/15 -, juris) zugrunde lag. Dort war der Versicherte bei Erstabschluss der Versicherung im Jahr 1996 zunächst gemäß Form und Inhalt ordnungsgemäß nach Maßgabe des § 5a VVG a.F. belehrt worden. Nachdem die Versicherung den Rentenversicherungsvertrag wegen Beitragsrückständen gekündigt und abgewickelt hatte, wandte sich der Versicherungsnehmer mit der Bitte um Fortsetzung des Vertragsverhältnisses an die Versicherung. Im Zuge des Neuabschlusses bzw. der Wiederaufnahme des Vertragsverhältnisses im Jahr 2000 unterblieb eine ggf. erforderliche Belehrung über ein zweiwöchiges Rücktrittsrecht nach Maßgabe des damals gültigen § 8 Abs. 5 VVG a.F., woraufhin der Versicherte rund 10 Jahre nach Wiederaufnahme des Vertrags ein Vertragslösungsrecht ausübte. Die Würdigung des Berufungsgerichts, nach unstreitig beanstandungsfreier Widerspruchsbelehrung zu Beginn des Vertragsverhältnisses im Jahr 1996, versicherungsseitiger Kündigung, Rückabwicklung des Vertragsverhältnis sowie Wiederaufnahme auf ausdrücklichen Wunsch des Versicherungsnehmers im Jahr 2000 sei es nach Maßgabe des § 242 BGB widersprüchlich, wenn sich der Versicherungsnehmer nunmehr auf Formmängel einer bei Fortsetzung des Vertrags unzureichenden erneuten Belehrung über ein ggf. bestehendes Vertragslösungsrecht gemäß § 8 Abs. 5 VVG a.F. beriefe, hat der Bundesgerichtshof unbeanstandet gelassen.

Vorliegend ist der Kläger bei Abschluss des Vertrags im Jahr 2004 - auch nach Klägervortrag - nicht ordnungsgemäß über das Widerspruchsrechts belehrt worden. Wäre dies der Fall gewesen und wäre - im Zuge der vom Kläger initiierten Wiederaufnahme zum 1. September 2006 - eine ordnungsgemäße erneute Belehrung unterblieben, hielte es auch der Senat für unredlich, sich seitens des Klägers auf eine fehlerhafte oder unterbliebene Belehrung eines inhaltsgleich fortgeführten Vertragsverhältnisses nach anfänglich umfassender, formell und inhaltlich ordnungsgemäßer Belehrung zu berufen. Allein, über eine solche Konstellation ist hier nicht zu entscheiden. Da sich die Beklagte entgegenhalten lassen muss, den Kläger bereits im Jahr 2004 nicht ordnungsgemäß belehrt zu haben, was dem Kläger bei Kündigung und Wiederaufnahme der vertraglichen Beziehung im Jahr 2005/2006 nicht bekannt gewesen ist, kann der schlichten Fortsetzung des Vertragsverhältnisses in Unkenntnis eines Vertragslösungsrechts kein Erklärungsgehalt beigemessen werden, welcher aus Perspektive der Beklagten ein Vertrauen in den Fortbestand des Rentenversicherungsvertrags hätte begründen können.

Soweit das OLG Köln in dem von der Beklagten zitierten Hinweisbeschluss vom 9. Januar 2017 (Anlage BLD 10) einen der hiesigen Konstellation vergleichbaren Sachverhalt unter Hinweis auf den vorgenannten Beschluss des Bundesgerichtshofs anderweitig bewertet, misst es nach Auffassung des Senats dem entscheidenden Unterschied - nämlich einer ursprünglich ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung gemäß § 5a VVG - nicht ausreichend Gewicht zu.

Auf den Umstand, ob der Vertrag vor der Wiederaufnahme abgewickelt worden ist oder nicht, stellt der Senat - anders als die Berufung - in diesem Zusammenhang nicht entscheidungserheblich ab, sodass die diesbezüglichen Ausführungen der Beklagtenseiten im Schriftsatz vom 16. August 2019 sowie die dort zitierte Entscheidung des OLG Köln vom 29. Juli 2019 (20 U 130/19, Anlage BLD 11) keine Veranlassung zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung geben.

Damit sind die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zu fordernden gravierenden Umstände nicht gegeben, so dass mangels Umstandsmoments keine Verwirkung eingetreten ist.

c.

Die Beklagte kann dem gefundenen Ergebnis auch nicht mit Erfolg den Rechtsgedanken des § 124 Abs. 3 BGB entgegenhalten.

Zwar ist zutreffend, dass einem vorsätzlich Getäuschten nach Maßgabe dieser Vorschrift nach Ablauf von 10 Jahren die Anfechtung eines Rechtsgeschäfts versagt ist. Soweit die Beklagte daraus ableitet, einem Versicherungsnehmer, bei dessen Belehrung es lediglich zu einem (formalen) Fehler gekommen sei, dürfe erst recht kein zeitlich unbegrenztes Vertragslösungsrecht zugebilligt werden, berücksichtigt sie nicht hinreichend, dass die Annahme einer Verwirkung neben einem reinen Zeitmoment auch ein Umstandsmoment erfordert, welches nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Fällen wie dem vorliegenden fehlt, weil der Versicherer die Situation selbst herbeigeführt hat, indem er dem Versicherungsnehmer keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilt hat. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof eine Verwirkung selbst bei einer Vertragsdurchführung von deutlich mehr als 10 Jahren mit anschließender Ausübung des Widerspruchsrechts gemäß § 5a VVG mangels Umstandsmoments nicht in Betracht gezogen (vgl. BGH, Urt. v. 11. November 2015 - IV ZR 513/14 -, Rn. 27, juris - annähernd 14 Jahre). Dies geschah vor dem Hintergrund, dass sich der Bundesgerichtshof gerade wegen der andernfalls anzunehmenden Europarechtswidrigkeit des Policenmodells zur Annahme eines zeitlich unbegrenzten Widerspruchsrechts im Sinne einer richtlinienkonformen Auslegung veranlasst gesehen hat. Nicht nur diese Erwägung des Bundesgerichtshofs, sondern sämtliche höchstrichterliche Rechtsprechung zu dem Erfordernis eines Umstandsmoments im Zuge der Verwirkungseinrede in Konstellationen mit einem Zeitablauf über 10 Jahren zwischen Vertragsschluss und Vertragsauflösung würde konterkariert, wendete man § 124 Abs. 3 BGB in entsprechender Anwendung als absolute Höchstfrist an. Dafür sieht der Senat keinen Anlass.

2.

Die Ansprüche sind der Höhe nach in lediglich geringem Umfang begründet.

a.

Dem klägerischen Vortrag zur Forderungshöhe mangelt es an Schlüssigkeit.

Der Kläger hat ausschließlich in der Klageschrift zur Höhe (Bl. 5 f. d.A.) vorgetragen. Dort hat er behauptet, er habe zwischen dem 1. Juni 2004 und dem 1. September 2017 Beiträge in Höhe von 20.968,50 € geleistet. Weder hat er die Zahlungen aufgeschlüsselt noch belegt. Nutzungen aus den Beitragsanteilen, die als Sparanteile in das Deckungskapital gegangen seien, seien in Anlehnung an die in den Geschäftsberichten der Beklagten im Zeitraum 2004 bis 2016 angegeben Verzinsungen mit 9.067,44 € zu bemessen, Nutzungen auf im Eigenkapital verbliebene Sparanteile seien mit 1.969,18 € zu bemessen. Addiert beliefen sich die Nutzungen, welche der Kläger abermals nicht konkret und nachvollziehbar berechnet hat, auf 11.036,62 €. Beiträge (20.968,50 €) zuzüglich Nutzungen (11.036,62 €) abzüglich des bei Vertragsabwicklung unstreitig ausgezahlten Betrags (13.724,19 €) machten die Klageforderung in Höhe von 18.281,03 € (bei zutreffender Addition und Subtraktion tatsächlich 18.280,93 €) aus. Obgleich der Kläger zu Beginn seiner Ausführungen zur Höhe anführt, gegenzurechnen sei nach der Gefahrtragungstheorie der Wert des getragenen Todesfallrisikos, hat er die Ankündigung nicht nachvollzogen.

b.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 9. Januar 2019 (Bl. 86 ff. d.A.) Beitragszahlungen über einen Betrag in Höhe von insgesamt 16.343,31 € hinaus bestritten. Jeweils unter Beweisantritt hat sie als Risikokosten 490,30 €, als Abschlusskosten 844,36 € und als Verwaltungskosten 2.244,70 € aufgeführt. Aus den um die vorstehenden Kosten bereinigten Sparbeiträgen habe sie Nutzungen in Form von Fondsgewinnen in Höhe von 419,69 € zu ziehen vermocht. Eingezahlte Prämien (16.343,31 €) abzüglich Risikokosten (- 490,30 €) zuzüglich gezogener Nutzungen (+ 419,69 €) ergäben einen Betrag in Höhe von 2.548,51 €. Gleichfalls hat die Beklagtenseite in vorbenanntem Schriftsatz darauf hingewiesen, dass der Vortrag des Klägers zur Forderungshöhe weder schlüssig sei noch den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Berechnung eines Rückforderungsanspruchs nach Widerspruch gegen einen Rentenversicherungsvertrag genüge.

c.

Dem substantiierten und in sich schlüssigen Gegenvortrag der Beklagtenseite ist der Kläger weder erst- noch zweitinstanzlich entgegengetreten.

Im Termin vor dem Landgericht Oldenburg vom 23. Januar 2019 ist dem Kläger ausweislich des Protokolls auf Antrag nachgelassen worden, bis zu 13. Februar 2019 auf die Ausführungen im Schriftsatz der Beklagtenseite vom 9. Januar 2019 - also unter anderem auf diejenigen zur Forderungshöhe - zu erwidern (Bl. 92 d.A.). Eine Fristverlängerung bis zum 27. Februar 2019 ist mit Verfügung vom 7. Februar 2019 gewährt worden (Bl. 94 R, 95 d.A.). Mit Schriftsatz vom 13. Februar 2019 (Bl. 99 d.A.) hat der Kläger dann lediglich mitteilen lassen, zu einer vergleichsweisen Einigung in Höhe des von der Beklagtenseite errechneten Betrags von 2.548,51 € einverstanden zu sein; weder eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Beklagtenvortrag noch ein Beweisantritt ist dem Schriftsatz zu entnehmen.

Nachdem der Kläger den eigenen unschlüssigen Vortrag zur Anspruchshöhe nicht korrigiert hat und dem substantiierten Gegenvortrag der Beklagtenseite nicht entgegengetreten ist, ist der von der Beklagtenseite - hilfsweise - errechnete Differenzbetrag in Höhe von 2.548,51 € der Klageforderung zugrunde zu legen.

3.

Die Beklagte schuldet - wie mit der Berufung beantragt - Prozesszinsen auf die zurückzuzahlenden Prämien ab Rechtshängigkeit (§ 291 BGB).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Bei einem Streitwert von 18.281,03 € hat die Berufung bezogen auf die Hauptforderung in Höhe von 2.548,51 € Erfolg, was einer Quote von 14 Prozent entspricht.

Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

IV.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Frage, ob ein nach § 242 BGB schutzwürdiges Vertrauen des Versicherers anzunehmen ist, ist der tatrichterlichen Würdigung vorbehalten (BGH, Urt. v. 1. Juni 2016 - IV ZR 482/14 - juris, Rn. 24; Beschl. v. 27. September 2017 - IV ZR 506/15 - juris, Rn. 15). Die Rechtssache besitzt keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1 ZPO). Ebenso wenig erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 ZPO).