Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 27.02.2020, Az.: 14 U 105/19

Rechte des Käufers eines vom sogenannten Diesel-Abgasskandal betroffenen Pkw bei Erwerb des Fahrzeugs im April 2016

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
27.02.2020
Aktenzeichen
14 U 105/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 64339
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 12.04.2019 - AZ: 13 O 2279/18

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    1. Die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Käufer durch das Inverkehrbringen des Motortyps EA 189 entfällt nicht schon durch die ad-hoc-Mitteilung vom 22. September 2015 und nachfolgende Pressemitteilungen; denn für die Frage, ob der Hersteller des Motors bezogen auf den Käufer vorsätzlich und sittenwidrig gehandelt hat, ist eben der Zeitpunkt der Tathandlung und nicht der Zeitpunkt des Eintritts des Schadens in Form des Abschlusses eines ungewollten Vertrages entscheidend.
    2. Der Zurechnungszusammenhang zwischen der vorsätzlichen sittenwidrigen Handlung und der Schädigung des Klägers ist nicht aufgrund des Verhaltens seit dem 22. September 2015 zu verneinen.

In dem Rechtsstreit
AA, Ort1,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
gegen
BB AG, vertreten durch den Vorstand, Ort2,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Amtsgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ... auf die mündliche Verhandlung vom 27.02.2020 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 12.04.2019 verkündete Urteil des Einzelrichters der 13. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg geändert und wie folgt neu gefasst:

  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.068,70 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.10.2018 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs (...) mit der Fahrzeug-Ident-Nummer (...) zu zahlen;

  2. 2.

    Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des unter Ziff. 1) genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt vorbehalten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

[Entscheidungsgründe]

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte in Zusammenhang mit dem Erwerb eines von der Abgasthematik betroffenen Pkws auf Schadenersatz in Anspruch.

Der Kläger erwarb am 13.04.2016 einen gebrauchten (...) mit einem von der Beklagten entwickelten und hergestellten Dieselmotor des Typs1 zu einem Kaufpreis in Höhe von 28.500,- EUR mit einem Kilometerstand von 33.200 km.

In dem PKW ist ein von der Beklagten hergestellter Dieselmotor des Typs1 verbaut, dessen ursprüngliche Motorsteuerungssoftware zu einer Optimierung der Stickstoff-Emissionswerte im behördlichen Prüfverfahren führte. Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) beanstandete diese Software mit Bescheid vom 15.10.2015 als unzulässige Abschalteinrichtung und verpflichtete die Beklagte, geeignete Maßnahmen zur Herstellung der Vorschriftsmäßigkeit der hiervon betroffenen Fahrzeuge zu ergreifen. Das von der Beklagten zu diesem Zweck entwickelte Softwareupdate wurde für Fahrzeuge des hier streitgegenständlichen Fahrzeugtyps am 01.06.2016 von dem KBA freigegeben und am 15.02.2017 auf dem Fahrzeug aufgespielt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe ihn sittenwidrig geschädigt; das Fahrzeug sei mit der ursprünglichen Software nicht zulassungsfähig gewesen. Er hat behauptet, bei Abschluss des Kaufvertrages habe er zwar von dem sogenannten Abgasskandal gewusst, nicht aber von der Betroffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeugs und auch nicht von den Auswirkungen der Manipulationssoftware. Hätte er von der Software gewusst, hätte er das Fahrzeug nicht erworben. Eine folgenlose Beseitigung der Software sei durch das Update, mit dem diverse Nachteile einhergingen, nicht möglich. Es verbleibe zudem ein merkantiler Minderwert. Der Wert der schadensmindernd anzurechnenden Nutzungsentschädigung sei auf der Grundlage einer Gesamtfahrleistung von 350.000 km zu berechnen.

Die Beklagte hat den Eintritt eines Schadens bestritten. Bei der vom KBA beanstandeten Motorsteuerungssoftware habe es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung gehandelt. Sie habe sich gleichwohl aus unternehmenspolitischer Verantwortung zu einer technischen Überarbeitung der Fahrzeuge bereiterklärt. Das KBA habe bestätigt, dass das hierfür entwickelte Softwareupdate keine negativen Auswirkungen habe.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen der erstinstanzlichen Anträge und der weiteren tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Bei dem Kaufvertrag handele es sich nicht um eine ungewollte Verpflichtung, die nach § 826 BGB einen Schaden darstellen könne, da der Kläger das Risiko, dass sein Fahrzeug von dem auch ihm bekannten Abgasskandal betroffen gewesen sein könnte, zumindest in Kauf genommen haben müsse. Spätestens seit dem Zeitpunkt der Ad-hoc-Mitteilung der Beklagten vom 22.09.2015 sei über die Abschalteinrichtung in den Motoren des Typs1 in einer breiten Öffentlichkeit diskutiert und in Presse, Funk und Fernsehen zum sog. "Abgasskandal" berichtet worden. Wenn der Kläger keine Erkundigungen eingezogen habe, sei davon auszugehen, dass ihm die Thematik bei Fahrzeugkauf gleichgültig gewesen sei.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags sein erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiterverfolgt. Bei Kauf sei der Kläger davon ausgegangen, dass das Fahrzeug uneingeschränkt im Straßenverkehr genutzt werden könne, dies zu Unrecht, da zumindest die latente Gefahr einer Betriebsuntersagung bestanden habe. Die Beklagte habe auch nicht davon ausgehen dürfen, dass alle potentiellen Kunden von der Ad-Hoc- Mitteilung und ihren sonstigen Mitteilungen erreicht werden. Sie habe auch nicht alles getan, um den Weiterverkauf der Fahrzeuge zu verhindern.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Oldenburg vom 12.04.2019 zum Aktenzeichen 13 O 2279/18

1. wird die Beklagte und Berufungsbeklagte verurteilt, an den Kläger und Berufungskläger 28.500 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Übereignung des mangelhaften Fahrzeugs (...) mit der Fahrzeug-Ident-Nummer (...) abzüglich einer Nutzungsentschädigung i.H.v. 3.410,73 EUR zu zahlen;

2. wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1) genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.

3. wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger den Gebührenschaden i.H.v. 2.077,74 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu Händen der von dem Kläger bevollmächtigten Rechtsanwälte (...) zu zahlen.

Hilfsweise beantragt der Kläger die Zulassung der Revision.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Berufung sei unzulässig, da sich die Berufungsbegründung nicht mit dem zentralen Argument des Landgerichts auseinandergesetzt habe. Die Klage sei überdies zu Recht abgewiesen worden, da ein Irrtum des Klägers nach Bekanntwerden der Software-Thematik nicht mehr möglich gewesen sei, es zu diesem Zeitpunkt an einer Täuschung durch die Beklagte fehle und die Maßnahmen der Beklagten zur Bekanntmachung der Thematik der Annahme einer sittenwidrigen Schädigung entgegenstünden. Es sei auch kein Schaden eingetreten, jedenfalls sei ein solcher durch Aufspielen des Updates wieder entfallen. Letztlich fehle es an der Kausalität zwischen einer etwaigen Täuschung durch die Beklagte und dem Abschluss des Kaufvertrages.

Der Senat hat den Kläger persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 10.10.2019 verwiesen.

II.

A. Die Berufung ist zulässig und entspricht insbesondere den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Mit dem zentralen Argument des Landgerichts, der Kläger müsse die Betroffenheit seines Fahrzeugs in Kauf genommen haben, setzt sich der Kläger auf S. 7, 9 und S. 15 der Berufungsbegründung vom 15.07.2019 auseinander. Konkret trägt er vor, er sei fälschlicher Weise davon ausgegangen, das Fahrzeug uneingeschränkt im Straßenverkehr nutzen zu können. Ein "normal Denkender" hätte das Fahrzeug bei Kenntnis des Einsatzes der Manipulationssoftware "nie" gekauft.

B. Die Berufung hat auch in der Sache überwiegend Erfolg.

1. Klageantrag zu 1.:

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus §§ 826 Abs. 1, 249 Abs. 1, 31 BGB bzw. aus § 831 Abs. 1 BGB in Höhe der Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges zu.

Die Beklagte schuldet dem Kläger Schadensersatz, weil sie den Kläger vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat, indem sie den Motor des Typs1 mit der unzulässigen Abschaltautomatik konzipiert, gebaut und in den Verkehr gebracht hat. Der dem Kläger entstandene Schaden liegt im Abschluss eines ungewollten Vertrages. Der Kläger ist daher gemäß § 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, wie er ohne Abschluss des Kaufvertrages stünde (so auch Senat, Urteil vom 30. Oktober 2019 - 14 U 93/19 -, beck-online; OLG Oldenburg, Urteil vom 02. Oktober 2019 - 5 U 47/19 -, juris und Urteil vom 21. Oktober 2019 - 13 U 73/19 -; juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 - 5 U 1318/18 -, juris; OLG Hamm, Urteil vom 10. September 2019 - 13 U 149/18 -, juris; OLG Köln, Beschluss vom 03. Januar 2019 - 18 U 70/18 -, juris; OLG Köln, Hinweisbeschluss vom 16.07.2018, Az. 27 U 10/18 - juris - und OLG Köln, Beschluss vom 01. März 2019 - 16 U 146/18 -, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 - 13 U 142/18 -, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25. September 2019 - 17 U 45/19 -, juris).

Im Einzelnen:

a)

Die Beklagte hat vorsätzlich und sittenwidrig gehandelt. Diese Voraussetzungen entfallen auch nicht deshalb, weil die Beklagte am 22. September 2015 die Ad-hoc-Mitteilung veröffentlicht hat.

aa)

§ 826 BGB setzt einen Schädigungsvorsatz sowie Kenntnis von den Tatumständen voraus, die das Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen. Der Vorsatz bezieht sich auf die Schadenszufügung. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben. Es genügt dabei ein bedingter Vorsatz hinsichtlich der für möglich gehaltenen Schadensfolgen. Für den subjektiven Tatbestand der Sittenwidrigkeit ist die Kenntnis der Tatumstände ausreichend, die sein Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen (vgl. Sprau in Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, § 826 Rn. 8 ff. unter Hinweis auf BGH NJW 2017, 250 [BGH 28.06.2016 - VI ZR 536/15] Tz. 23 ff.).

Der Senat hat bereits mit Urteil vom 30.10.2019 (- 14 U 93/19 -, beck-online, Rn. 19) die Überzeugung geäußert, dass die zuständigen Mitarbeiter der Beklagten vorsätzlich gehandelt und die Motorsteuerungssoftware als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des § 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 2007 erkannt und mit Absicht entgegen ihrer Verpflichtung gemäß Art. 3 Nr. 9 der Durchführungsverordnung 692/2008/EG der Kommission vom 18. Juli 2007 nicht gegenüber den Zulassungsbehörden offenbart haben, weil andernfalls die Zulassungsbehörden diese Funktionsweise beanstanden würden. Der Senat hat in dem vorgenannten Urteil ebenfalls begründet, dass den verantwortlichen Mitarbeitern der Beklagten auch bewusst gewesen sein muss, dass die Endverbraucher ein solches Auto, dem für den Fall des Offenbarwerdens der Funktionsweise der Motorsteuerungssoftware die Stilllegung drohte (BGH, Beschluss vom 08. Januar 2019 - VIII ZR 225/17 -, juris), regelmäßig nicht kaufen würden. Auf die Ausführungen in dem vorbezeichneten Urteil des Senats wird Bezug genommen.

Das Inverkehrbringen des Motors mit der unzulässigen Abschalteinrichtung ist der Beklagten zuzurechnen, wobei offenbleiben kann, ob hier die Grundsätze der Repräsentantenhaftung gemäß § 31 BGB oder der Wahlfeststellung mit einer Haftung aus § 831 BGB eingreifen. Da es keinen Personenkreis im Unternehmen der Beklagten gibt, für den die Beklagte nicht entweder gemäß § 31 BGB oder aber gem. § 831 BGB haftet, ist unerheblich, welche konkreten Personen die Manipulationen veranlasst und durchgeführt haben (OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 05. Dezember 2018 - 14 U 60/18 -, Rn. 35, juris).

bb)

Das Inverkehrbringen des Motors mit einer unzulässigen Software war auch sittenwidrig (so bereits Senat, a.a.O.; OLG Karlsruhe, a.a.O.; OLG Köln, a.a.O.; OLG Hamm, a.a.O.; OLG Frankfurt, a.a.O.).

(1) Objektiv sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch eine umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2013 - VI ZR 336/12 -, juris, Rn. 9), wobei es hierfür regelmäßig nicht genügt, dass der Handelnde vertragliche oder gesetzliche Pflichten verletzt oder eine dritte Person wirtschaftlich schädigt. Es muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (vgl. BGH, a.a.O.).

(2) Gemessen an diesen Maßstäben hat die Beklagte sittenwidrig gehandelt. Der Senat hat bereits mit Urteil vom 30. Oktober 2019 - 14 U 93/19 - beck-online, Rn. 27, ausgeführt, dass die Konzeption der Motorsteuerungssoftware mit der im Tatbestand beschriebenen Funktionsweise durch die Beklagte sowohl gegenüber den Aufsichtsbehörden als auch gegenüber den Verbrauchern der planmäßigen Verschleierung des Umstands diente, dass das Fahrzeug im Regelfahrbetrieb nicht die für die jeweilige Euro-Norm für Dieselfahrzeuge zulässigen Grenzwerte für den Ausstoß von NOx einhielt. Einzig plausibles Motiv dafür war die Verschaffung eines Wettbewerbsvorteils, weil man noch nicht über eine Technik verfügte, um die gesetzlichen Abgasvorschriften einzuhalten, oder die Generierung eines höheren Gewinns, weil die Kosten für die Entwicklung und den Einbau der notwendigen Vorrichtungen erspart werden konnten. Auf die Ausführungen des Senats im Urteil vom 30. Oktober 2019 wird Bezug genommen. Ein anderes Motiv für das Inverkehrbringen des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeuges kommt nicht in Betracht (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 26.11.2019 - 2 U 29/19 -, beck-online, Rn. 39 m.w.N.)

(3) Soweit teilweise für den Gebrauchtwagensektor eine Sittenwidrigkeit verneint wird (OLG Koblenz, Urteil vom 07. November 2019 - 1 U 688/19 -, beck-online, Rn. 108, OLG Bamberg, Urteil vom 06.11.2019 - 8 U 73/19, BeckRS 2019, 32336, beck-online; OLG München, Hinweisbeschluss vom 29.01.2019, BeckRS 2019, 33132, beck-online), weil die Beweggründe Kostensenkung und Gewinnmaximierung nur bei dem erstmaligen Inverkehrbringen eines Neuwagens durch die Beklagte eine Rolle spielen, überzeugt dies nicht. Schon der Begründungsansatz, der Kauf eines Gebrauchtwagens könne sich nicht günstig auf Absatzzahlen und Gewinn des Herstellers auswirken, dürfte unzutreffend sein, weil allein die Möglichkeit des Weiterverkaufs eine günstige wirtschaftliche Komponente darstellt, die bereits beim Erstverkauf auch dem Hersteller zugutekommt. Nur wenige Kunden dürften einen Neuwagen erwerben wollen, wenn sie ihn nicht auch als Gebrauchtwagen weiter veräußern können. Dass die Beklagte dann aus dem konkreten Weiterverkauf keinen unmittelbaren Vermögensvorteil erzielt hat, ist für den Schädigungsvorsatz unschädlich, da § 826 BGB keine "Stoffgleichheit" von Vorteil und Schaden voraussetzt.

Die Erstreckung der Haftung auf die Gebrauchtfahrzeugkäufer führt auch nicht zu einer ufer- oder konturlosen Ausdehnung der Haftung für die Beklagte. Die Schädigung betrifft nicht eine unbegrenzte Vielzahl von Personen, denn die Schädigung ist stets an den Erwerb eines konkreten Fahrzeuges gebunden, in dem ein von der Abgasthematik betroffener Motor verbaut ist. Darin liegt eine ausreichende Beschränkung der potentiell Geschädigten, die über den Erwerb des Fahrzeugs in eine qualifizierte Beziehung zu der Beklagten treten und sich von beliebigen Dritten unterscheiden (OLG Stuttgart, Grund- und Endurteil vom 11.12.2019 - 9 U 3/19; Rn. 53, BeckRS 2019, 32200, beck-online). Eine unvorhersehbare Vermehrung von Geschädigten und Schaden durch mehrfachen Weiterverkauf desselben Fahrzeugs ist ebenfalls nicht zu befürchten, weil der Weiterverkäufer entweder seinen Schaden auf den unaufgeklärten Käufer abwälzt oder dieser den ihm bekannten Schaden einpreist und damit keinen Schaden erleidet (Heese, JZ 4/2020, S. 184).

cc)

Auf die Feststellungen zum Vorsatz und zur Sittenwidrigkeit haben die Ad-hoc-Mitteilung vom 22. September 2015 und/oder anderer öffentlicher Erklärungen der Beklagten aus Rechtsgründen keinen Einfluss.

Denn für die Frage, ob die Beklagte vorsätzlich sittenwidrig gehandelt hat, ist auf den Zeitpunkt der Tathandlung abzustellen (MüKoBGB/Wagner, 7. Aufl. 2017, BGB § 826 Rn. 9; OLG Hamm, Urteil vom 10. September 2019 - 13 U 149/18 -, Rn. 65, juris -, OLG München, Urteil vom 19. Dezember 2019 - 14 U 4100/19 -, Rn. 21, juris; a.A. OLG Celle, Beschluss vom 01.07.2019 - 7 U 33/19 -, juris), vorliegend demnach auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Motors durch Übergabe an die CC AG zum Zwecke des Einbaus in zum Verkauf bestimmte Fahrzeuge. Mit Überlassen des Motors an die CC AG war die Tathandlung der Beklagten abgeschlossen. Nachträgliche Änderungen in Vorsatz und Gesinnung haben - bei dennoch eingetretenem Schaden - auf die zivilrechtliche Haftung der Beklagten keinen Einfluss.

Die Situation entspricht der des sogenannten beendeten Versuchs im Strafrecht, in der die Strafbarkeit gem. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB nur entfällt, wenn der Täter den Taterfolg erfolgreich verhindert (Lilie/Albrecht in: Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 12. Aufl. 2007, § 24 StGB, Rn. 302). Wie es im Strafrecht nicht sachgerecht ist, bei einem beendeten Versuch Rücktrittsbemühungen des Täters mit Straflosigkeit zu belohnen, wenn sie im Ergebnis ohne Erfolg bleiben und die Tat dennoch vollendet wird, ist es auch im Zivilrecht nicht sachgerecht, das Risiko, dass die Aufklärungsmaßnahmen der Beklagten einzelne Käufer nicht erreichen und eine (etwaige) Vorsatz- und Gesinnungsänderung der Beklagten im Einzelfall nicht zum Tragen kommt, dem geschädigten Käufer aufzubürden.

b)

Die Beklagte hat den Kläger geschädigt. Der Schaden liegt in dem Abschluss des subjektiv ungewollten Vertrages. Die Belastung mit einer ungewollten Verbindlichkeit stellt einen ersatzfähigen Schaden im Sinne des § 826 BGB dar, weil § 826 BGB auch dem Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2004 - VI ZR 306/03 -, BGHZ 161, 361-371, Rn. 17) in der Ausprägung des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts (BGH, Urteil vom 19. November 2013 - VI ZR 411/12 -, Rn. 29, juris) dient.

Der Senat hat die volle Überzeugung erlangt, dass der Kläger den Vertrag nicht geschlossen hätte, wenn er von der unzulässigen Abschalteinrichtung und deren möglichen Folgen für die Gebrauchstauglichkeit des Fahrzeugs Kenntnis gehabt hätte.

Der Kläger hat in seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat glaubhaft angegeben, zwar von dem Abgasskandal gewusst zu haben, über das Ausmaß der Problematik aber keine näheren Kenntnisse besessen zu haben. Von der Betroffenheit seines Fahrzeugs habe er erst etwa ein halbes Jahr nach dem Kauf erfahren. Bei Abschluss des Kaufvertrages habe der Händler kein Wort über den Abgasskandal verloren. Hätte er von der Betroffenheit seines Fahrzeugs von dem Abgasskandal gewusst, hätte er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen. Er hat im Rahmen seiner Anhörung sehr deutlich gemacht, dass er ein Stilllegungsrisiko nicht in Kauf genommen hätte.

Angesichts des persönlichen Eindrucks, den der Kläger bei der Anhörung gemacht hat, ist der Senat von der Richtigkeit seiner Angaben überzeugt. Es ist ohne weiteres nachvollziehbar, dass der Kläger von dem Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrages bei vollständiger Tatsachenkenntnis Abstand genommen hätte. Denn es entspricht der natürlichen und berechtigten Erwartung eines jeden Käufers, dass der Kaufgegenstand spätestens bei Übergabe mangelfrei ist. Als Minimalerwartung darf er jedenfalls darauf vertrauen, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zumindest gesichert ist, dass etwaige Mängel zeitnah in einer für ihn zumutbaren Art und Weise behoben werden können. Das war hier schon deshalb nicht der Fall, weil das KBA die von der Beklagten entwickelte Software zum Zeitpunkt des Kaufabschlusses für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp noch nicht genehmigt hatte, womit eine Mangelbeseitigung zunächst unmöglich war.

Anders als das Landgericht geht der Senat nicht davon aus, dass das Fehlen einer Nachfrage über die Betroffenheit des Fahrzeugs vom Abgasskandal im Rahmen des Verkaufsgesprächs auf eine Gleichgültigkeit des Käufers hinsichtlich einer drohenden Stilllegung schließen lässt. Ein solches Verhalten legt aus Sicht des Senates vielmehr nahe, dass der Käufer - wie vorliegend der Kläger - zum einen darauf vertraut hat, dass er von dem Verkäufer ungefragt über alle wesentlichen Mängel informiert werden würde und dass er zum anderen das rechtliche Risiko verkannt hat. Wären potentielle Käufer bei ihren Kaufüberlegungen darüber informiert, dass (a.) noch bei Übergabe in dem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut sein wird, die zur Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs führt (vgl. BGH, Beschluss vom 08. Januar 2019 - VIII ZR 225/17 -, juris) und - so sie nicht entfernt wird - das Risiko einer Betriebsuntersagung (§ 5 Abs. 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung - FZV) mit sich bringt, (b) dieser Mangel (noch) nicht behoben werden kann, da noch eine Prüfung und Genehmigung der hierfür erforderlichen Softwarelösung durch das KBA aussteht, wobei (c) diese Software auch nicht von dem Vertragspartner, sondern von dem Hersteller entwickelt wurde, der zuvor Behörden und Verbraucher getäuscht hat, würden sich zur Überzeugung des Senats die meisten Käufer entweder für den Kauf eines anderen Fahrzeugs entscheiden, oder aber wegen der hiermit verbundenen Risiken einen Preisnachlass verhandeln.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass das Kraftfahrtbundesamt der Beklagten zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses bereits die grundsätzliche Möglichkeit der Nachbesserung durch eine Softwarelösung eingeräumt hatte, womit sich das Stilllegungsrisiko verringert hatte. Dass der Beklagten in Bezug auf den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp die Entwicklung der Software gelingen und die Softwarelösung für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp genehmigt werden würde, war aber aus Sicht des betroffenen Verkehrskreises vor tatsächlicher Freigabe des Updates mit Unsicherheiten belastet, die hinzunehmen regelmäßig keinerlei Anlass bestand (so auch Urteil des Senats vom 16.01.2020, Az. 14 U 166/19; OLG Oldenburg, Urteil vom 08.01.2020, Az. 5 U 190/19, jeweils nicht veröffentlicht).

Das gilt zur Überzeugung des Senates auch für den Kläger. Als Kaufmotivation hat er lediglich auf die geringe Größe und die Wendigkeit des Fahrzeugs verwiesen. Auf dem Gebrauchtwagenmarkt dürften ausreichend mangelfreie Fahrzeuge auch anderer Hersteller mit den beschriebenen Eigenschaften zur Verfügung gestanden haben, die nicht mit dem beschriebenen Restrisiko einer Betriebsuntersagung belastet waren.

Auf den im Termin vom 10.10.2019 benannten Zeugen, mit dem die Beklagte die Behauptung des Klägers, er sei nicht auf die Betroffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeugs von der Abgasthematik hingewiesen worden, widerlegen wollte, hat die Beklagte im Termin vom 27.02.2020 verzichtet.

c)

Der Zurechnungszusammenhang zwischen der vorsätzlichen sittenwidrigen Handlung und der Schädigung des Klägers ist nicht aufgrund des Verhaltens der Beklagten seit dem 22.09.2015 oder aufgrund der umfangreichen Medienberichterstattung zu verneinen (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 11. Februar 2020 - 3 U 89/19 -, Rn. 96 ff., juris; a.A.: OLG Stuttgart, Urteil vom 07. August 2019 - 9 U 9/19 -, juris, Rn. 44-46; OLG Oldenburg (Oldenburg), Urteil vom 26. November 2019 - 13 U 33/19 -, Rn. 16 ff., juris).

aa)

Der Senat folgt insoweit nicht der Auffassung, wonach durch die Ad-Hoc-Mitteilung der Beklagten vom 22.09.2015, spätestens aber ab Februar 2016 der Zurechnungszusammenhang unterbrochen sei, da die Beklagte alles ihr subjektiv und objektiv Mögliche dafür getan habe, um etwaige Schäden zu vermeiden, die durch einen späteren Verkauf von betroffenen Gebrauchtfahrzeugen noch entstehen konnten.

Es ist zwar anerkannt, dass eine Enthaftung des Schädigers in Betracht kommt, wenn er vor der Zweitursache alle objektiv erforderlichen Maßnahmen zur Verhinderung eines weiteren Schadenseintritts getroffen hat und der Geschädigte nur dadurch zu Schaden gekommen ist, dass er diese Maßnahmen nicht beachtet hat (vgl. Münchener Kommentar-Oetker, 8. Aufl. 2019, § 249 BGB Rn. 146 f; OLG Koblenz, Urteil vom 7. 3. 2005 - 12 U 1262/03, NJW-RR 2005, 970, beck-online).

So liegt der Fall hier aber nicht.

Dabei kann offenbleiben, ob der dargelegte, auf Wertungsgesichtspunkte zurückzuführende Grundsatz auch dann gilt, wenn die Erstursache für den Schaden in einer vorsätzlichen sittenwidrigen Handlung liegt und den Zweitverursacher, hier den Kläger, wenn überhaupt, eine Obliegenheitsverletzung durch unzureichende Informationsverschaffung trifft (zweifelnd auch: Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 11. Februar 2020 - 3 U 89/19 -, Rn. 93, juris).

Denn die von der Beklagten betriebene Aufklärung der Öffentlichkeit ist geprägt von Verharmlosungen und Verfälschungen und damit zur Verhinderung weiterer Schäden subjektiv wie objektiv ungenügend (OLG Hamm, Urteil vom 10. September 2019 - 13 U 149/18 -, Rn. 65 - 66, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht a.a.O., Rn. 96 ff.):

In der Presseerklärung und der Ad-Hoc-Mitteilung der Beklagten vom 22.09.2015 heißt es:

"(...) treibt die Aufklärung von Unregelmäßigkeiten einer verwendeten Software bei Diesel-Motoren mit Hochdruck voran (...). Die beanstandete Software beeinflusst weder Fahrverhalten, Verbrauch noch Emissionen. Somit besteht für Kunden und Händler Klarheit. Weitere bisherige interne Prüfungen haben ergeben, dass die betreffende Steuerungssoftware auch in anderen Diesel-Fahrzeugen des (...) Konzerns vorhanden ist. Bei der Mehrheit dieser Motoren hat die Software keinerlei Auswirkungen.

Auffällig sind Fahrzeuge mit Motoren vom Typ1 mit einem Gesamtvolumen von weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen. (...)

(...) duldet keinerlei Gesetzesverstöße. Oberstes Ziel des Vorstands bleibt es, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen und Schaden von unseren Kunden abzuwenden. Der Konzern wird die Öffentlichkeit über den weiteren Fortgang der Ermittlungen fortlaufend und transparent informieren."

((...), abgerufen am 03.03.2020; Hervorheb. durch den Senat)

Die Beklagte spricht lediglich von - überwiegend auswirkungslosen - Auffälligkeiten und Unregelmäßigkeiten. Sie verschweigt dabei das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung, die ohne Nachbesserung für alle betroffenen Fahrzeuge die Gefahr einer Betriebsuntersagung bedeutete (BGH, Beschluss vom 08.01.2019 - VIII ZR 225/17 -, Rn. 20 ff., juris). Da dieses Risiko eine Gefährdung des ureigensten Zweckes des Fahrzeugkaufs bedeutete, fehlte Käufern, die auf die Vollständigkeit der Informationen der Beklagten vertrauten, die entscheidende, da den Kern des Mangels betreffende Information (zur vergleichbaren Frage, welche Kenntnis zur Mangelkenntnis i.S.d. § 442 BGB erforderlich ist: MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl. 2019, BGB § 442 Rn. 4 f.; Staudinger/Matusche-Beckmann (2013) BGB § 442, Rn. 6; BGH, NJW 1961, 1860, beck-online).

Diese zentrale Information blieb die Beklagte auch im Folgenden schuldig.

Das zur Verhinderung einer Stilllegung erforderliche Aufspielen des Softwareupdates wird in ihrer weiteren Pressemitteilung vom 02.10.2015 und der Pressemitteilung der CC AG vom selben Tag bagatellisierend nur als "Serviceaktion" bzw. "Servicemaßnahme" beworben (zur Bagatellisierung vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil vom 28. November 2019 - 14 U 89/19 -, juris, Rn. 53 und das OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 - 5 U 1318/18 -, juris, Rn. 56).

Mit weiterer Pressemitteilung vom 16.12.2015, auf den sie mit erstinstanzlichem Schriftsatz vom 08.04.2019 Bezug nimmt, hat sie schließlich behauptet, das KBA habe

"nach intensiven Prüfungen (...) alle Maßnahmen vollumfänglich bestätigt. Damit stehen für alle betroffenen Fahrzeuge die Abhilfemaßnahmen fest."

((....) zuletzt abgerufen am 03.03.2020)

Diese Behauptung war objektiv wahrheitswidrig, zumindest aber irreführend. Denn das KBA hatte am 16.12.2015 noch für keinen Fahrzeugtyp die Freigabe des Softwareupdates erteilt. Der Freigabeprozess begann nach eigenem Vortrag der Beklagten aus der Klageerwiderung mehr als einen Monat später, nämlich am 27. Januar 2016, und war erst am 20. Dezember 2016, mithin ein gutes Jahr nach der zitierten Pressemitteilung abgeschlossen. Die Beklagte täuschte damit bereits im Dezember 2015 eine Rechtssicherheit vor, die weder zum Zeitpunkt der Mitteilung, noch zu dem hier relevanten Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses bestand, da die diesbezügliche Freigabe erst am 01.06.2016 erteilt worden war.

Dass die interne Information des Vertriebsnetzwerkes eine ausreichende Aufklärung und Information der Markteilnehmer gewährleistete, ist ebenfalls nicht ersichtlich (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 11. Februar 2020 - 3 U 89/19 -, Rn. 100, juris). Die Beklagte hat schon nicht vorgetragen, dass sie ihre Vertriebspartner ordnungsgemäß und umfassend über die Funktionsweise der Umschaltlogik und die Gefahr der Betriebsuntersagung aller hiervon betroffenen Fahrzeuge aufgeklärt hat. Auch durfte sie sich nicht darauf verlassen, dass die jeweiligen Vertriebspartner die Kunden umfassend aufklären, solange sie selbst im Rahmen ihrer öffentlichen Bekanntmachungen der Öffentlichkeit Kern und Tragweite des Mangels verschweigt.

Ob das Verhalten der Beklagten nach Bekanntwerden der Manipulation die Sittenwidrigkeit verstärkt (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 - 5 U 1318/18 -, Rn. 56, juris) kann dahinstehen; jedenfalls ist es nicht geeignet, ihre Haftung entfallen zu lassen.

bb)

Auch die von den Medien betriebene Aufklärung, die anders als die Beklagte nicht von "Auffälligkeiten", sondern u.a. von einem "Manipulationsskandal", "(...)-Skandal", von "Betrugssoftware" und von "schmutzigen Geschäften" (vgl. Zitate aus der Berufungserwiderung vom 23.09.2019, S. 10 ff) berichteten, kann bei der gebotenen wertenden Betrachtung (BGH, NJW 2016, 3715 [BGH 22.09.2016 - VII ZR 14/16], beck-online) den Zurechnungszusammenhang nicht unterbrechen. Denn die oben zitierten Pressemitteilungen der Beklagten waren geeignet, diese Medienberichterstattung bei Käufern, die auf die Vollständigkeit der von der Beklagten veröffentlichten Informationen vertrauten, als spekulativ und übertrieben erscheinen zu lassen. Medienberichte konnten naturgemäß nur bei dem Personenkreis ungewollte Verträge verhindern, dessen Vertrauen in die Beklagte als Weltkonzern durch eine entsprechende Berichterstattung zu erschüttern war. Für den Personenkreis, der nicht den Medienberichten, sondern stattdessen der Beklagten und ihrem um Vertrauen werbenden Transparenzversprechen (vgl. Pressemitteilung vom 22.09.2015) vertraute, bot die Medienberichterstattung keinen ausreichenden Schutz.

d)

Der Schaden ist auch nicht durch das - nach Vertragsschluss durchgeführte - Aufspielen des Software-Updates entfallen, das lediglich ein Angebot der Beklagten zur Verhinderung weiterer Nachteile darstellt (OLG Hamm Urteil vom 10. September 2019 - 13 U 149/18 -, Rn. 52, juris m.w.N.). Der Geschädigte kann nicht darauf verwiesen werden, von demjenigen, der ihn durch sittenwidrige Täuschung geschädigt hat, nur eine "Quasi-Nachbesserung" zu erhalten (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 27. September 2019 - 19 U 150/19 -, Rn. 16, juris). Was im Rahmen des Gewährleistungsrechts bei vorangegangener Täuschung anerkannt ist (BGH, Beschluss vom 08. Dezember 2006 - V ZR 249/05 -, Rn. 13, 14, juris; BGH, Urteil vom 09. Januar 2008 - VIII ZR 210/06 -, Rn. 19, juris), gilt bei vorangegangener sittenwidriger Schädigung auch im Deliktsrecht, dem ein Nachbesserungsrecht überdies fremd ist.

e)

Das Ergebnis ist auch nicht unter Schutzzweckgesichtspunkten zu korrigieren. Die gegenteilige Auffassung (vgl. OLG Braunschweig, Urteil vom 19. Februar 2019 - 7 U 134/17 -, Rn. 193) lässt außer Acht, dass das Vorgehen der Beklagten nicht nur Vorschriften verletzt hat, die Gemeinschaftsinteressen dienen, sondern ganz konkret dazu geführt hat, dass der Kläger ein Fahrzeug erworben hat, das bei Vertragsschluss mit dem Risiko einer Betriebsuntersagung behaftet war. Damit ist er höchst individuell von dem Schutzzweck des § 826 BGB betroffen, der in der einschlägigen Fallgruppe den Schutz vor ungewollten Verträgen bezweckt (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 - 5 U 1318/18 -, Rn. 96, juris, Heese, JZ 4/2020, S. 182). Zur weiteren Begründung wird Bezug genommen auf die Ausführungen des Senats vom 30. Oktober 2019 (- 14 U 93/19 -, beck-online, Rn. 35, 36).

f)

Der Ersatzanspruch richtet sich auf das negative Interesse. Die Beklagte hat den Kläger gemäß § 249 Abs. 1 BGB demnach so zu stellen, wie er stünde, wenn er den Kaufvertrag über das Fahrzeug nicht geschlossen hätte. Der Kläger kann daher die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangen. Er muss sich allerdings im Wege des Vorteilsausgleichs die von ihm gezogenen Nutzungen anrechnen lassen.

Der Senat berechnet den Nutzungsersatz konkret, bezogen auf den Tag der letzten mündlichen Verhandlung, anhand des gezahlten Kaufpreises, der vom Kläger gefahrenen Kilometer und einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs, die der Senat auf 300.000 km schätzt. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens ist nicht erforderlich, weil das dem Gericht nach § 287 ZPO eingeräumte Ermessen eine Schätzung erlaubt. Der von der Berufung betonte Umstand, dass auf einem Online-Portal 10 Prozent der auf die Marken (...), (...) und (...) bezogenen Angebote Gebrauchtfahrzeuge mit einem Kilometerstand von über 300.000 km betrugen, steht dieser Schätzung nicht entgegen. Es bleibt bereits unklar, welche Motoren in den jeweiligen Fahrzeugen verbaut waren. Zudem hängt die Laufleistung erheblich von Pflege und Fahrweise ab, sodass lediglich Durchschnittswerte anzunehmen sind, die sich nicht an den obersten 10 Prozent der Gebrauchtfahrzeuge orientieren.

Der Senat legt seiner Entscheidung den unstreitigen Tachostand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung von 93.406 km zugrunde. Demnach hat der Kläger mit dem Fahrzeug 60.206 km zurückgelegt. Ausgehend von einem Kaufpreis von 28.500 EUR und der zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses zu erwartenden Restlaufleistung von 266.800 (300.000 km - 33.200 km) ist daher ein Vorteil von 6.431,30 EUR auszugleichen. Nach Abzug dieses Betrages verbleibt ein von der Beklagten zu ersetzender Vermögensnachteil in Höhe von 22.068,70 EUR.

g)

Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, 286 Abs. 1 Satz 2 BGB.

2. Klageantrag zu 2.:

Der mit Blick auf die Vollstreckungserleichterungen gemäß §§ 256 Abs. 1, 756, 765 ZPO zulässige Feststellungsantrag ist begründet. Die Beklagte befindet sich mit der Annahme des im Tenor genannten Fahrzeugs in Verzug (§ 293 BGB). Der Kläger hat der Beklagten das Fahrzeug jedenfalls durch Stellung des Antrages im Termin vom 27.02.2017 gem. § 295 BGB in Verzug begründender Weise angeboten (BGH, Urteil vom 15. November 1996 - V ZR 292/95 -, juris, Rn. 11). Er hat insbesondere klargestellt, dass er sein Angebot nicht von der Rückzahlung eines überhöhten Klaganspruchs abhängig macht (vgl. hierzu Palandt-Grüneberg, BGB, 79. Aufl., § 298 Rn. 2; OLG Karlsruhe, NJW 2008, 925 [OLG Karlsruhe 12.09.2007 - 7 U 169/06] (926)).

3. Klageantrag zu 3.:

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten, weil die Beauftragung der jetzigen Prozessbevollmächtigten mit der außergerichtlichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht erforderlich war (§ 249 Abs. 1 BGB). Ist der Schuldner - wie hier die Beklagte - bekanntermaßen vor Klageerhebung zahlungsunwillig und erscheint der Versuch einer außergerichtlichen Forderungsdurchsetzung auch nicht aus sonstigen Gründen erfolgversprechend, sind die durch gesonderten Auftrag zur vorprozessualen Geltendmachung des Anspruchs verursachten Kosten nicht zweckmäßig (BGH, Urteil vom 28. Mai 2013 - XI ZR 148/11 -, Rn. 35, juris m.w.N.; OLG München, Beschluss vom 12. Juni 2018 - 8 U 3169/17 -, Rn. 18, juris). Gründe, die ein vorprozessuales Vorgehen im vorliegenden Fall erfolgversprechend und damit zweckmäßig erscheinen ließen, hat der insoweit darlegungsbelastete Kläger nicht vorgetragen.

4.

Die Revision war mit Blick auf die Vielzahl gleichartiger anhängiger Verfahren wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und wegen der Divergenz zur ständigen Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte für diese Sachverhaltskonstellation auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) zuzulassen.

5.

Die Kostenentscheidung folgt aus 92 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.