Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 28.10.2019, Az.: 2 W 41/19
Zweitschuldnerhaftung bei Vergleichsschluss vor dem Güterichter
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 28.10.2019
- Aktenzeichen
- 2 W 41/19
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2019, 67273
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Osnabrück - 30.07.2019
Rechtsgrundlagen
- GKG § 29 Nr. 2
- GKG § 31 Abs. 4 Nr. 2-3
- §§ 114 ff. ZPO
- § 278 Abs. 5 ZPO
Amtlicher Leitsatz
Im Falle eines Vergleichsschlusses vor dem Güterichter ist § 31 Abs. 4 GKG mit der Maßgabe anzuwenden, dass es auf Grund einer erforderlichen teleologischen Reduktion der Vorschrift der Erfüllung der Voraussetzungen von deren Nrn. 2. und 3. nicht bedarf.
Tenor:
- 1.
Die weitere Beschwerde des Bezirksrevisors beim Landgericht Osnabrück gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 30. Juli 2019 wird zurückgewiesen.
- 2.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der Kläger nahm die Beklagte vor dem Amtsgericht Meppen auf Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von 4.500,00 € in Anspruch. Der Beklagten wurde Prozesskostenhilfe für die erste Instanz bewilligt. Daraufhin fand ein Verfahren vor dem Güterichter statt, das mit einem Vergleich endete. In diesem verpflichtete sich die Beklagte unter Vereinbarung einer Fälligkeitsregelung zur ratenweisen Zahlung von 3.500,00 €. Die ebenfalls im Vergleichswege getroffene Kostenregelung sah vor, dass die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden.
Mit seiner Kostenrechnung II vom 27.11.2018 setzte der Kostenbeamte des Amtsgerichts Meppen 365,00 € zu erstattende Kosten zu Gunsten des Klägers und zu zahlende Kosten in Höhe von 1.231,23 € zu Lasten des Beklagten fest. Die nach der Kostenregelung des Vergleichs von der Beklagten zu zahlenden hälftige Gerichtsgebühr von 73,00 € verrechnete der Kostenbeamte nicht im Wege der Zweitschuldnerhaftung mit dem Erstattungsbetrag des Klägers.
Hiergegen hat sich der Beschwerdeführer mit seiner Erinnerung vom 29.01.2019 gegenüber dem Amtsgericht Meppen gewendet. Mit Beschluss vom 26.03.2019 hat das Amtsgericht Meppen die Erinnerung zurückgewiesen und die Beschwerde zugelassen, die der Beschwerdeführer vor dem Landgericht Osnabrück erhoben hat. Das Landgericht hat diese Beschwerde zurückgewiesen. Es hat wie das Amtsgericht die Auffassung vertreten, die Vorschrift des § 31 Abs. 4 GKG sei auf einen Vergleich vor dem Güterichter anzuwenden, ohne dass dessen Voraussetzungen aus den Ziffern 2. und 3. vorliegen müssten. Mit der vom Landgericht zugelassenen weiteren Beschwerde wendet der Beschwerdeführer sich gegen dessen Entscheidung.
Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass § 31 Abs. 4 GKG zwar auf vor dem Güterichter geschlossene Vergleiche anwendbar sei, aber dessen Voraussetzungen vollständig erfüllt sein müssten. Ansonsten bestünde die Gefahr eines Missbrauchs zu Lasten der Staatskasse.
II.
A) Die zulässige weitere Beschwerde ist unbegründet.
Der Senat schließt sich der zutreffenden Auffassung der Vorinstanzen an. Der Kläger haftet nicht gemäß § 31 Abs. 1 und 2 GKG als Zweitschuldner für den auf die Beklagte entfallenden Teil der Gerichtskosten in Höhe von 73,00 €. § 31 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 GKG greift zu seinen Gunsten ein. Dass die die Voraussetzungen des § 31 Abs. 4 Ziffer 2. und 3. nicht erfüllt sind, ist unerheblich. Auf Grund einer erforderlichen teleologischen Reduktion der Vorschrift bedarf es dessen im Falle des Vergleichsschlusses vor dem Güterichter nicht.
1. Nach dem Regelungsprinzip des § 31 GKG haften mehrere Kostenschuldner als Gesamtschuldner (Abs. 1). Soweit eine Partei nach § 29 Nr. 1 oder 2 GKG als Erstschuldner in Anspruch genommen werden kann, soll der weitere Kostenschuldner nur haftbar gemacht werden, wenn eine Zwangsvollstreckung in dessen bewegliches Vermögen erfolglos geblieben ist oder aussichtslos erscheint (Abs. 2). Ist einem Entscheidungsschuldner i.S.d. § 29 Nr. 1 GKG Prozesskostenhilfe gewährt worden, unterbleibt die Geltendmachung der Kosten bei dem weiteren Kostenschuldner grundsätzlich (Abs. 3). Das gilt (Abs. 4) auch dann, wenn einer durch den Abschluss eines Vergleichs zum Übernahmeschuldner i.S.d. § 29 Nr. 2 GKG gewordenen Partei Prozesskostenhilfe gewährt worden ist, sofern kumulativ folgende Voraussetzungen vorliegen:
- Der Kostenschuldner hat die Kosten in einem vor Gericht oder gegenüber dem Gericht abgeschlossenen Vergleich übernommen,
- der Vergleich ist einschließlich der Verteilung der Kosten von dem Gericht vorgeschlagen worden und
- das Gericht hat in seinem Vergleichsvorschlag festgestellt, dass die Kostenregelung der sonst zu erwartenden Kostenentscheidung entspricht.
2. Vorliegend hat die Beklagte sich im Rahmen einer Güterichterverhandlung gem. § 278 Abs. 5 ZPO durch einen Vergleich verpflichtet, die Gerichtskosten hälftig zu tragen. Damit ist sie für diesen Teil Übernahmeschuldnerin i.S.d. § 29 Nr. 2 GKG. Weil ihr Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist und abweichende Anhaltspunkte fehlen, liegt der Regelfall vor, dass die Zwangsvollstreckung in ihr Vermögen aussichtslos erscheint (vgl. OLG Oldenburg, JurBüro 2013, 648). Damit kann der Kläger gem. § 31 Abs. 2 S. 1 GKG als Zweitschuldner in Anspruch genommen werden. Davon befreit ihn § 31 Abs. 3 GKG nicht, weil die Beklagte nicht Entscheidungsschuldnerin nach § 29 Nr. 1 GKG war. Nichts Anderes gilt bei wortlautgetreuer Anwendung für § 31 Abs. 4 GKG. Denn weder ist der Vergleich einschließlich der Verteilung der Kosten vom Streitgericht oder dem Güterichter vorgeschlagen worden noch haben das Streitgericht oder der Güterichter in einem Vergleichsvorschlag festgestellt, dass die Kostenregelung der sonst zu erwartenden Kostenentscheidung entspricht.
3. Mit dieser Prüfung kann es indes nicht sein Bewenden haben. Sie berücksichtigt nicht ausreichend, dass der Vergleich vor einem Güterichter zustande gekommen ist. In diesen Fällen ist es angezeigt, § 31 Abs. 4 GKG im Wege der teleologischen Reduktion auch dann anzuwenden, wenn die Voraussetzungen der Ziffern 2. und 3. nicht erfüllt sind. Das gebieten der Sinn und Zweck des Güterrichterverfahrens als auch der maßgebliche Grund für die Einführung des § 31 Abs. 4 GKG.
a) Der Güterrichter ist gem. § 278 Abs. 5 ZPO nicht entscheidungsbefugt. Ihm ist insbesondere auch untersagt, Kostenentscheidungen zu treffen (vgl. Greger, MDR 2014, 993, 995). Die Zielsetzung der Güterichterverhandlung besteht vielmehr darin, dass die Parteien eine Lösung ihres Konflikts selbst erarbeiten und damit eine derart grundlegende und nachhaltige Befriedung bewirken, wie sie ein Urteil nicht und ein vor dem Prozessgericht vermittelter Vergleich nur selten erreichen kann (vgl. Greger MDR 2014, 993, 994). Damit geht einher, dass der Güterichter im Verfahren nach § 278 Abs. 5 ZPO den nach § 31 Abs. 4 Ziffer 2. GKG geforderten Vergleichsvorschlag mit einer entsprechenden Kostenquote nicht unterbreiten kann. Noch weniger ist es ihm möglich, in einem entsprechenden Vorschlag festzustellen, dass die Kostenquote dem voraussichtlichen Ausgang des Rechtsstreits entspricht, wie § 31 Abs. 4 Ziffer 3. GKG dies erfordert. Darüber hinaus ist in den Blick zu nehmen, dass die Kostenaufhebung einem nach dem Prinzip der Mediation durchgeführten Güterrichterverfahren am besten entspricht, weil es darin kein Obsiegen und Verlieren, sondern ein von beiden Seiten gleichermaßen gewolltes Ergebnis geben soll (vgl. Greger/Unberath/Steffek - Greger, Recht der alternativen Konfliktlösung, 2. Auflage, Abschnitt E Rn.209).
Demgegenüber ist die theoretische Möglichkeit, das Prozessgericht gem. § 91 a ZPO über die Kosten entscheiden zu lassen, mit dem Sinn des Güterrichterverfahrens unvereinbar (vgl. Greger/Unberath/Steffek - Greger, Recht der alternativen Konfliktlösung, 2. Auflage, Abschnitt E Rn.211). Nichts Anderes gilt für den theoretisch denkbaren Weg, dass die Parteien vor dem Güterrichter eine vergleichsweise Regelung einschließlich der Kosten ins Auge fassen, sich sodann ins Streitverfahren begeben, damit der Streitrichter die nach § 31 Abs. 4 Ziffern 2. und 3. GKG erforderlichen Feststellungen trifft, um anschließend den Vergleich abzuschließen. All dies würde die gewünschte Einigungsbereitschaft der Parteien einschränken.
b) Schließlich geht auch aus den Motiven für die Einführung des § 31 Abs. 4 GKG (vgl. BT-Drucksache 17/11471, S. 244; BR-Drucksache 517/12 vom 31.08.12, S. 201) hervor, dass es dem Gesetzgeber mit dessen Einführung in erster Linie darauf ankam, die Vergleichsbereitschaft der Parteien zu fördern, auch wenn einer Partei Prozesskostenhilfe bewilligt wurde. Dieses Ziel sollte lediglich nicht zum Nachteil der Staatskasse missbraucht werden. Diesen Missbrauch sollten die Ziffern 2. und 3. des § 31 Abs. 4 GKG absichern. Dass die Voraussetzungen dieser absichernden Regelungen im Güterichterverfahren nicht zu erfüllen sind, hat der Gesetzgeber offensichtlich nicht bedacht. Allerdings hat er der konsensualen Streitbeilegung ein höheres Gewicht beigemessen als dem Missbrauchsschutz. Das ergibt sich aus der Gesetzesbegründung insoweit, als die Einführung der Vorschrift maßgeblich auf die Beseitigung von kostenrechtlichen Einigungshindernissen infolge einseitiger Prozesskostenhilfegewährung abstellt (vgl. BT-Drucksache 17/11471, S. 244). Dafür, dass das Schwergewicht auf der Förderung von Vergleichsabschlüssen liegt, zeigt auch die Erwägung, dass Mindereinnahmen der Justizkasse grundsätzlich durch die Entlastung der Gerichte infolge von Vergleichsschlüssen ausgeglichen werden (vgl. BT-Drucksache 17/11471, S. 244). Der Missbrauchsschutz ist demgegenüber von untergeordneter Bedeutung.
c) Damit drängt es sich auf, die Ziffern 2. und 3. des § 34 Abs. 4 GKG, die bei einem Vergleichsschuss im Güterichteverfahren nicht erfüllbar sind und diesen behindern, im Wege der teleologischen Reduktion nicht anzuwenden.
Soweit dagegen ein Missbrauchsrisiko eingewendet werden könnte, dürfte sich dieses in sehr engen Grenzen halten. Dass die Parteien sich in das Güterichterverfahren "flüchten", um dort eine Vereinbarung zu treffen, die das Prozessgericht nicht im Sinne des § 31 Abs. 4 Ziffer 3 GKG gebilligt hätte, dürfte die Ausnahme bleiben. Kleinere Abweichungen sind - gerade unter Berücksichtigung der mit dem Vergleichsschluss verbundenen Arbeitsentlastung der Justiz - hinzunehmen. Ferner wird ein dem Güterichter erkennbarer, bewusster und gravierender Missbrauch der Parteien dazu führen, dass dieser ihn nach Rücksprache mit den Parteien vermerkt. Darauf könnte der Kostenbeamte reagieren und in diesen Fällen § 31 Abs. 4 GKG nicht anwenden. Infolgedessen wird die auf Grund der teleologischen Reduktion eröffnete theoretische Missbrauchsmöglichkeit weiter eingeschränkt.
4. Im konkreten Fall, findet § 31 Abs. 4 GKG damit Anwendung. Vor dem Hintergrund, dass Kostenaufhebung nach § 98 ZPO vereinbart ist, kann ein missbräuchliches Verhalten grundsätzlich nicht angenommen werden, weil diese Kostenregelung im Güterichterverfahren, das nach dem Prinzip der Mediation durchgeführt wird, den Regelfall bilden sollte.
B) Die Kostenentscheidung folgt aus § 66 Abs. 8 GKG.