Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 17.10.2019, Az.: 11 WF 327/19
Verfahren des Familiengerichts bei Geltendmachung von Trennungs- und Kindesunterhalt
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 17.10.2019
- Aktenzeichen
- 11 WF 327/19
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2019, 67272
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2019:1017.11WF327.19.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Osnabrück - 10.09.2019 - AZ: 10 F 114/19 VKH1
Rechtsgrundlage
- § 235 Abs. 2 FamFG
Amtlicher Leitsatz
Die Verpflichtung des Familiengerichts auf Antrag nach § 235 Abs. 2 FamFG Auskünfte über das Einkommen und Vermögen beim Unterhaltspflichtigen einzuholen führt zu keiner Durchbrechung des Prinzips der Dispositionsmaxime in Unterhaltssachen.
§ 235 Abs. 2 FamFG ermöglicht es, einen substantiiert dargelegten Unterhaltsanspruch der materiellen Richtigkeit zuzuführen.
Tenor:
I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 20.09.2019 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Osnabrück vom 10.09.2019 geändert:
Der Antragstellerin wird Verfahrenskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren für die Rechtsverfolgung bewilligt, soweit sie
für die Kinder CC, geboren am TT.MM.2016, und DD, geboren am TT.MM.2019, Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts gemäß den §§ 1612a ff. BGB abzüglich des jeweiligen hälftigen staatlichen Kindergeldes monatlich im Voraus jeweils zum Dritten eines jeden Monats beginnend ab Rechtshängigkeit
sowie Auskunft nach § 253 Abs. 2 FamFG begehrt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Gerichtsgebühren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsverfolgung von rückständigem Trennungs- und Kindesunterhalt. Die Antragstellerin trägt hierzu vor, sie verfüge über kein eigenes Erwerbseinkommen. Der Antragsgegner sei dagegen leistungsfähig, da er aus seiner selbständigen Erwerbstätigkeit als Promoter ein monatlich bereinigtes Nettoerwerbseinkommen von wenigstens 2.500 € erziele, was sich aus der nach § 421 ZPO zu erteilenden Auskunft des Antragsgegners über seine Einkommensverhältnisse ergebe. Die Antragstellerin meint, der Antrag nach § 421 ZPO diene vorrangig dem Beweisantritt. Sie beabsichtigt, nach § 235 Abs. 2 FamFG zu beantragen, dem Antragsgegner aufzugeben, die näher bestimmte Auskunft über seine Einkommensverhältnisse zu erteilen und diese Auskünfte zu belegen. Dieser Antrag nach § 235 Abs. 2 FamFG diene der kurzfristigen Durchsetzung des Auskunftsanspruches zur Vermeidung eines oftmals auch langwierigen Auskunftsverfahrens mittels Stufenantrag.
Das Familiengericht hat der Antragstellerin mit dem angefochtenen Beschluss Verfahrenskostenhilfe für die beabsichtigte Rechtsverfolgung versagt und im Wesentlichen ausgeführt, die konkret bezifferten Anträge stünden unter dem Vorbehalt einer Erhöhung nach erteilter Auskunft. Es bestünde kein Rechtsschutzbedürfnis, da die Antragstellerin einen Stufenantrag stellen könne. Sie könne erst Auskunft verlangen und sich eine Bezifferung vorbehalten. Für die Zwischenzeit könne sie vorläufigen Unterhalt im einstweiligen Anordnungsverfahren geltend machen, wie es für den Kindesunterhalt inzwischen geschehen sei.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie meint, das Familiengericht habe die Systematik zwischen einem Hauptsacheantrag und dem zusätzlichen Auskunftsrecht nach § 235 Abs. 2 FamFG nicht berücksichtigt. Die Vorschrift des § 235 Abs. 2 FamFG sei gerade eingeführt worden, um dem unterhaltsberechtigten Gläubiger bei verweigerter Auskunftserteilung den Umweg über ein viel zu langwieriges Auskunftsverfahren zu versparen. Sie meint, die konkret bezifferten Unterhaltsbeträge seien schlüssig begründet worden, da ein Beweisantritt nach § 421 ZPO gestellt worden sei.
Der Antragsgegner meint, der Antragstellerin stehe der verfolgte Anspruch bereits deswegen nicht zu, da diese Leistungen nach dem SGB II und Unterhaltsvorschussgesetz beziehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Antragschrift, den angefochtenen Beschluss und das Beschwerdevorbringen Bezug genommen. Das Familiengericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
Der Antragstellerin ist lediglich Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsverfolgung des Mindestkindesunterhalts beginnend ab Rechtshängigkeit sowie für den zugleich verfolgten Auskunftsantrag nach § 235 Abs. 2 FamFG zu bewilligen.
Im Übrigen hat der Antrag - derzeit jedenfalls - keine Aussicht auf Erfolg. Der Antragstellerin ist zwar darin zu folgen, dass die Vorschrift des § 235 Abs. 2 FamFG der Verfahrensbeschleunigung dient, da durch ihre Anwendung das früher vielfach unumgänglich, jedoch oftmals zeitintensive Stufenverfahren überflüssig geworden ist. In § 235 Abs. 2 FamFG ist die obligatorische Auskunftsbeschaffung durch das Familiengericht geregelt. Das Gericht ist hiernach zu einer Einholung einer Auskunft verpflichtet, wenn ein Beteiligter dieses beantragt und - wie vorliegend - der andere Beteiligte vor Beginn des Verfahrens einer nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts bestehenden Auskunftspflicht entgegen einer eigenständigen und schlüssigen Aufforderung des Unterhaltsberechtigten innerhalb einer angemessenen Frist nicht nachgekommen ist (vgl. Bömelburg in Prütting/Helms, FamFG, 4. Auflage, § 235 Rn. 20).
Gleichwohl führt diese Regelung - entgegen der Vorstellungen der Antragstellerin - aber nicht zu der Durchbrechung des Prinzips der Dispositionsmaxime in Unterhaltssachen (vgl. Borth, Die Reform des Verfahrens in Familiensachen, FamRZ 2007, S. 1925ff, 1934; Roßmann, Auskunft im Unterhalts(stufen)verfahren, ZFE 2009, 444ff, 452; Viefhues: Verfahrensrechtliche Auskunftspflichten nach dem FamFG, FuR 2010, 162 m.w.N.). Die Regelung des § 235 Abs. 2 FamFG führt nicht dazu, dass nach diesbezüglicher Antragstellung im Unterhaltsverfahren nunmehr das Amtsermittlungsprinzip gilt. Die Regelung zielt also nicht auf eine Abkehr der Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast in Familienstreitsachen hin zu der Einführung einer vollständigen Amtsermittlung (KG Berlin v. 26.06.2019 - 13 UF 89/17, NZFam 2019, S. 718). Der Antragstellerin ist es daher verwehrt, einen nicht im Stufenverhältnis stehenden bezifferten Unterhaltsantrag anzubringen und das Gericht nach § 235 Abs. 2 FamFG aufzufordern, die für die Begründetheit des Antrags erforderlichen Auskünfte selbst einzuholen, weil mit der Schaffung von § 235 Abs. 2 FamFG keine Abkehr von den Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast in Unterhaltssachen verbunden ist (KG Berlin a.a.O.). Die gesetzgeberische Intention dieser Regelung war es, die materielle Richtigkeit der zu treffenden Unterhaltsentscheidung sicherzustellen und Stufenanträge weitestgehend entbehrlich zu machen (BT Drs. 16/6308 S. 418). Der Bundesrat äußerte hiergegen die Befürchtung (BT Drs. 16/6308 S. 384), der Unterhaltsberechtigte werde bei Gericht zur Geltendmachung von Unterhalt veraltete Unterlagen einreichen und diesbezüglich irgendeinen Unterhaltsbetrag geltend machen und im Übrigen das Gericht auf die Amtsermittlungspflicht verweisen. Aus dem Gesetzgebungsverfahren folgt, dass es nicht der gesetzgeberische Zweck der Regelung war, dass der Unterhaltsberechtigte irgendeinen Unterhaltsanspruch gleich welche Höhe ohne Darlegung seines Unterhaltsbedarfs und seiner Bedürftigkeit geltend machen kann und es dem Familiengericht im Rahmen seiner gem. § 235 Abs. 1 und 2 BGB bestehenden Verpflichtung überlässt, diesen Anspruch mit "Leben" auszufüllen. Vielmehr ermöglicht diese Regelung einen substantiiert dargelegten Unterhaltsanspruch der materiellen Richtigkeit zuzuführen, ohne dass es hierfür eines Stufenverfahrens bedarf (BT. Drs. 16/6308 S. 418). Die Antragstellerin hat vorliegend einen Trennungsunterhaltsanspruch und einen den Mindestunterhalt übersteigenden Kindesunterhaltsanspruch bereits nicht substantiiert dargetan. Es bleibt völlig offen, wie diese zu dem benannten Nettoerwerbseinkommen des Antragsgegners kommt. Nicht ausreichend ist die Bezugnahme auf von dem Antragsgegner vorzulegenden Unterlagen. Das Vorbringen ins Blaue hinein zu dem maßgeblichen unterhaltsrelevanten Einkommen ergibt sich auch aus den Angaben der Antragstellerin in ihrer Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, wonach sie keine Kenntnisse über das monatliche Einkommen des Antragsgegners hat. Bei völliger Unkenntnis über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragsgegners ist die Antragstellerin auf das Stufenverfahren zu verweisen, da ihr ansonsten ein substantiiertes Vorbringen zum Bedarf und zur Bedürftigkeit nicht möglich sein dürfte. Der im Rahmen eines Stufenverfahrens verfolgte Auskunftsanspruch versetzt die am Unterhaltsrechtsverhältnis Beteiligen in die Lage, etwaige Ansprüche richtig zu bemessen.
Der Antragstellerin ist aber Verfahrenskostenhilfe zur Rechtsverfolgung des Mindestkindesunterhalts sowie der Rechtsverfolgung nach § 235 Abs. 2 FamFG zu bewilligen. Bei der Geltendmachung von Mindestkindesunterhalts bedarf es nicht der Darlegung des Bedarfs durch den Unterhaltsberechtigten. Als Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz der Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltsberechtigten für die Höhe seines Unterhaltsbedarfs muss ein minderjähriges Kind seinen Unterhaltsbedarf in Höhe des Mindestbedarfs nämlich nicht darlegen (Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Auflage, § 6 Rn. 704). Für seine auch den Mindestunterhalt im Sinne eines Existenzminimums betreffende Leistungsunfähigkeit ist der Unterhaltsverpflichtete in vollem Umfange darlegungs- und beweisbelastet (vgl. BGH, FamRZ 1996, S. 345), so dass der Unterhaltsverpflichtete auch darlegen muss, dass er seiner nach § 1603 Abs. 2 BGB gesteigerten Erwerbsobliegenheitsverpflichtung nach den soeben dargelegten Grundsätzen vollständig gerecht geworden ist.
Es ist streitig, ob im Fall dessen, dass bereits ein Titel vorliegt, der im einstweiligen Anordnungsverfahren ergangenen ist, dies dazu führen kann, dass Verfahrenskostenhilfe wegen Mutwilligkeit für ein entsprechendes Hauptsacheverfahren zu versagen ist (s. zum Sach- und Streitstand OLG Stuttgart, Beschluss vom 09. August 2018 - 18 WF 24/18 -, juris mit zahlreichen weiteren Nachweisen; differenzierend Viefhues, MüKo zum FamFG, 3. Auflage, § 76 Rn. 121ff). Mutwilligkeit kann vorliegend nicht bejaht werden, da die Antragstellerin offenkundig im Ergebnis einen höheren Unterhaltsanspruch verfolgen will. Es besteht vorliegend jedenfalls die Möglichkeit, dass die Antragstellerin nach Vorliegen der Auskünfte über das Einkommen des Antragsgegners einen der materiellen Richtigkeit entsprechenden ggf. höheren Unterhaltsanspruch verfolgt.
Für die Rechtsverfolgung von rückständigem Unterhalt ist der Antragstellerin dagegen insgesamt keine Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, da die Ansprüche auf rückständigen Unterhalt auf die Leistungsträger übergegangen sein dürften (BGH, Beschluss vom 02. April 2008 - XII ZB 266/03 -, juris). Ihr verbliebene Ansprüche (vgl. Schürmann, jurisPR-FamR 16/2019 Anm. 1) hat die Antragstellerin nicht dargetan. Auch soweit eine Rückabtretung erfolgt sein sollte, wäre die Antragstellerin nicht verfahrenskostenhilfebedürftig, da ihr insoweit ein Verfahrenskostenvorschussanspruch gegenüber dem Leistungsträger zustehen würde, mithin der Leistungsträger insoweit ihre Verfahrenskosten zu tragen hätte (vgl. BGH a.a.O.). Ausweislich des Vorbringens des Antragsgegners bezieht die Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II sowie Unterhaltsvorschuss. Der Antragsgegner hat das Schreiben des Jobcenters des Landkreises Osnabrück vom 23.09.2019 vorgelegt, wonach die Antragstellerin seit dem 01.08.2019 Leistungen nach dem SGB II bezieht. Zudem hat er Schreiben des Landkreises Osnabrück vom 17.09.2019 vorgelegt, wonach die Antragstellerin seit dem 01.06.2019 Leistungen nach dem UVG bezieht.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 113 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO.