Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 03.03.2008, Az.: L 13 AS 295/07 ER
Wegfall einer den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigenden dringenden Bedarfslage aufgrund einer vom Leistungsträger erklärten grundsätzlichen Leistungsbereitschaft; Einschränkung der grundsätzlichen Möglichkeit der nachfolgenden Rechtsverfolgung und rückwirkenden Leistungsgewährung im Eilverfahren in Fällen nachträglicher Glaubhaftmachung; Vollständige Glaubhaftmachung aller maßgeblichen Tatsachen als Voraussetzung für eine einstweilige Regelung vergangener Zeiträume und Folgen einer verschwiegenen Geschäftstätigkeit bei ebay
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 03.03.2008
- Aktenzeichen
- L 13 AS 295/07 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 17022
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2008:0303.L13AS295.07ER.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Oldenburg - 16.11.2007 - AZ: S 43 AS 1694/07 ER
Rechtsgrundlagen
- § 86b Abs. 2 S. 2, 4 SGG
- § 920 Abs. 2 ZPO
- Art. 19 Abs. 4 GG
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 16. November 2007 wird zurückgewiesen, soweit der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt worden ist.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erbringen.
Der 1973 geborene Antragsteller zu 1. und die 1976 geborene Antragstellerin zu 2. leben in Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft. Die Antragstellerin zu 3. ist die 2006 geborene gemeinsame Tochter der Antragsteller zu 1. und zu 2. Die Antragsteller bilden eine Bedarfsgemeinschaft. Den Lebensunterhalt der Bedarfsgemeinschaft stellte bis Ende Juli 2007 der Antragsteller zu 1. durch selbstständige Erwerbstätigkeit sicher. Zuletzt betrieb er eine Internetfirma. In diesem Zusammenhang stand er bis Juli 2007 in einer befristeten Vertragsbeziehung mit der Firma K., in deren Auftrag er die Internetseite für Verkäufe einrichtete. Hierfür erhielt er im Zeitraum Mai 2007 bis Juli 2007 insgesamt Zahlungen in Höhe von 8.407,60 EUR; ferner trat er beim Internetauktionsportal "Ebay" in nicht unerheblichem Umfang als Händler auf. Da das Vertragsverhältnis mit der Firma K. im Juli 2007 auslief und die Einkünfte aus dem Ebay-Handel nach den Vorstellungen des Antragstellers zu 1. nicht mehr ausreichend waren, stellte er nach dem 31. Juli 2007 dort keine neuen Waren mehr ein. Nachgehende Geschäfte wickelte er noch bis Oktober 2007 ab, wobei er im August 2007 noch positive Einkünfte in nicht unerheblichem Umfang erzielte, die Umsätze im Monat September 2007 für die Erzielung positiver Einkünfte nicht mehr ausreichten und im Oktober 2007 nur noch vereinzelt Umsätze getätigt worden sind.
Mit Bescheid vom 13. September 2007 lehnte die Antragsgegnerin einen am 14. August 2007 gestellten Antrag der Antragsteller auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Hinweis auf die Einkünfte des Antragstellers zu 1. aus selbstständiger Tätigkeit ab. Die Antragsteller erhoben Widerspruch, der bislang nicht beschieden ist.
Am 26. September 2007 haben die Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Oldenburg den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Gewährung laufender Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes beantragt. Sie haben ausgeführt, die Auftragslage des Antragstellers zu 1. habe sich immer schwieriger dargestellt, und die Einkünfte reichten zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht mehr aus. Die Antragstellerin zu 2. sei bei der Firma L. als sog. "Springer" bei Krankheitsausfällen etc. stundenweise geringfügig beschäftigt, das Einkommen belaufe sich voraussichtlich auf ca. 70,00 bis 150,00 EUR im Monat. Ferner haben sie Einkünfte aus Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR und Erziehungsgeld in Höhe von 185,00 EUR angegeben. Die Antragsteller, die außerdem nur noch über Wohngeldansprüche verfügten, haben ausgeführt, sie müssten sich im Übrigen Geld bei Verwandten leihen. Zudem stünden Forderungen des Finanzamts im Raum. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen. Zur Glaubhaftmachung haben die Antragsteller eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers zu 1. vom 18. September 2007 eingereicht, in welcher er u.a. angegeben hat, er habe seine selbständigeTätigkeit zu Ende August 2007 eingestellt. Hierzu hat die Antragsgegnerin darauf hingewiesen, nach ihren Recherchen habe der Antragsteller zu 1. im September 2007 noch eine Vielzahl von Artikeln bei Ebay zum Verkauf angeboten. Entsprechende Kontobewegungen waren ebenfalls festzustellen. Zu den Einkünften der Antragstellerin zu 2. befanden sich Unterlagen in den Akten, wonach diese bei der Firma L. 37 Stunden im Monat gearbeitet und hieraus ein Einkommen von mehr als 300,00 EUR erzielt hat. Aus den Kontounterlagen ergaben sich u.a. auch größere Barabhebungen in den Monaten Mai bis Juli 2007, teilweise in einer Größenordnung von 2.500,00 EUR.
Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch Beschluss vom 16. November 2007 abgelehnt, ohne die bestehenden Unklarheiten näher aufzuklären. Das SG hat ausgeführt, es fehle an einer hinreichenden Glaubhaftmachung der Hilfebedürftigkeit der Antragsteller. Das Einkommen des Antragstellers zu 1. aus Selbstständigkeit übersteige den jeweiligen Bedarf. Unter Berücksichtigung der von den Antragstellern eingereichten Betriebsauswertung für den Zeitraum Januar bis Juni 2007, die positive Einkünfte in Höhe von insgesamt 15.526,80 EUR auswies, und der maßgeblichen Bestimmungen der Alg II-V sei auch gegenwärtig nicht von Hilfebedürftigkeit auszugehen. Eine tatsächliche Zäsur, die dazu führen würde, eine Einkommenserzielung ausschließlich in den Monaten Januar bis August 2007 zugrunde zu legen, sei nicht glaubhaft gemacht worden. Zwar habe der Antragsteller zu 1. mit eidesstattlicher Versicherung vom 18. September 2007 angegeben, er habe seine selbstständige Tätigkeit aufgrund fehlender Einnahmen Ende August eingestellt; jedoch behalte er sich nach den festgestellten Umständen die Wiederaufnahme des Betriebes zu jeder Zeit vor. Auch seien bei Ebay am 5. September 2007 noch 290 Artikel durch den Antragsteller zu 1. zum Kauf angeboten worden. Schließlich habe der Antragsteller zu 1. nach Erkenntnissen des Gerichts auch eine Dozententätigkeit aufgenommen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Die Antragsteller haben am 5. Dezember 2007 gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt. Sie berufen sich zunächst darauf, die vom SG angenommene Dozententätigkeit sei mangels ausreichender Hörerzahl nicht aufgenommen worden. Der Antragsteller zu 1. habe im Übrigen sein Gewerbe zum Ruhen gebracht, die angebotenen Waren seien bereits vor August 2007 bei Ebay eingestellt worden, und er habe sich bei zahlreichen Unternehmen um eine Anstellung beworben.
Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde entgegengetreten. Sie beruft sich darauf, auch wenn der September 2007 ein negatives Ergebnis ausweise, so sei doch zu berücksichtigen, dass von Januar bis September 2007 das durchschnittliche Einkommen 2.031,58 EUR betragen habe und den Bedarf somit immer noch weit übersteige. Nach dem der Antragsteller zu 1. zum 4. Dezember 2007 sein Gewerbe abgemeldet hat, käme nunmehr - aufgrund eines Antrags vom 27. November 2007 - eine Leistungsgewährung ab diesem Zeitpunkt in Betracht. In der Folgezeit hat die Antragsgegnerin den Antragstellern mit Bescheid vom 28. Dezember 2007, geändert durch Änderungsbescheid vom 18. Januar 2008, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Monate Dezember 2007 (in Höhe von insgesamt 1.066,92 EUR) und Januar 2008 (in Höhe von insgesamt 983,72 EUR) bewilligt. Mit Beginn des Monats Januar 2008 hat der Antragsteller zu 1. eine abhängige Beschäftigung aufgenommen, aus welcher er monatliche Einkünfte in Höhe von 1.500,00 EUR brutto zuzüglich einer Provision von 20% vom Umsatz erhält; die Höhe der - naturgemäß schwankenden - Provisionsansprüche ist derzeit nicht konkret bezifferbar. Das Gesamteinkommen der Antragstellerin zu 2. aus der Aushilfstätigkeit bei der Firma L. im Jahr 2007 belief sich - laut Gehaltsabrechung für den Monat Dezember 2007 - auf brutto 1.712,04 EUR. Seit dem 1. Februar 2008 stehen die Antragsteller nicht mehr im Leistungsbezug.
Das Gericht hat den Antragstellern mit Schreiben vom 8. Januar 2008 konkrete Fragen zu ihrer Hilfebedürftigkeit gestellt und hat am 19. Februar 2008 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts mit Beweisaufnahme vor dem Berichterstatter durchgeführt. In diesem Termin ist der Antragsteller zu 1. nochmals persönlich angehört worden, ferner ist die Mutter der Antragstellerin zu 2., Frau M. E., als Zeugin vernommen worden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 19. Februar 2008 verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des SG Oldenburg vom 16. November 2007 ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist stets, dass sowohl ein Anordnungsgrund (d.h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) als auch ein Anordnungsanspruch (d.h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) glaubhaft gemacht werden (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG)), ist von diesem Grundsatz aber eine Abweichung dann geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfG, Beschluss des 2. Senats vom 25. Oktober 1988, 2 BvR 745/88, BVerfGE 79, 69 (74) m.w.N.).
1.
Die Beschwerde ist - soweit sie (auch) Leistungen für derzeit fortlaufende Zeiträume betreffen sollte, wovon nach der nunmehr festgestellten Sachlage allerdings nicht auszugehen ist - nicht begründet, da es an der Glaubhaftmachung eines fortbestehenden Anordnungsgrundes fehlt. Nur wenn die in Rede stehende begehrte einstweilige Anordnung tatsächlich noch dazu geeignet ist, eine konkrete dringliche Bedarfslage zu befriedigen, ist die Annahme des Vorliegens eines Anordnungsgrundes gerechtfertigt. Nach Aufnahme der abhängigen Beschäftigung durch den Antragsteller zu 1. ist kein dringender Regelungsbedarf mehr zu erkennen. Gleiches gilt für die Zeit nach dem 28. Dezember 2007, da den Antragstellern ab diesem Zeitpunkt laufende Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II bewilligt waren. Auch wenn diese erst im Januar 2008 zur Auszahlung gekommen sein sollten, ist eine den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigende dringende Bedarfslage nicht mehr gegeben, sobald die Antragsgegnerin den Antragstellern ihre grundsätzliche Leistungsbereitschaft erklärt hat. Ab diesem Zeitpunkt bedarf es grundsätzlich keiner gerichtlichen Eilanordnung mehr. Auch für den Zeitraum vom 1. Dezember 2007 bis zum 27. Dezember 2007 (dem Tag vor der Bewilligung laufender Leistungen nach dem SGB II) kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht mehr in Betracht, nachdem die Antragsgegnerin die laufenden Leistungen insoweit bewilligt und nachträglich ausgezahlt hat.
Da sich auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass den Antragstellern aufgrund der bei Verwandten aufgenommenen Verbindlichkeiten, die wegen unterbliebener Leistungen für die vorausgegangene Zeit vom 26. September 2007 (dem Tag des Eingangs des Eilantrages beim SG Oldenburg) und dem 30. November 2007 erforderlich geworden sind, bei Verweisung auf die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens auch derzeit noch wesentliche Nachteile drohen, besteht für den Antrag aus heutiger Sicht kein Anordnungsgrund.
2.
Soweit die Beschwerde die Frage des Bestehens eines Leistungsanspruches der Antragsteller in Zeiten zwischen dem 26. September 2007 (dem Tag des Eingangs des Eilantrages beim SG Oldenburg) und dem 30. November 2007 betrifft, ist sie wegen Mängeln hinsichtlich der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes ebenfalls nicht begründet. Ob die Antragsteller für diesen Zeitraum Leistungsansprüche gegen die Antragsgegnerin hatten, mag in einem nachfolgenden Hauptsacheverfahren geklärt werden. Zwar ist grundsätzlich eine Bewilligung von Leistungen ab Eingang des Eilantrages beim SG auch nach späterem Wegfall des Anordnungsgrundes noch möglich. Allerdings bedarf dies der rechtzeitigen Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, an welcher es im vorliegenden Fall fehlt. Im Einzelnen:
a)
Das Verfahren der einstweiligen Anordnung (hier in Form der Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG) dient der Abwendung wesentlicher Nachteile. Der Erlass einer solchen Anordnung ist nach eindeutigem Wortlaut des Gesetzes nur zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Diese Bestimmung legt der Senat in Übereinstimmung mit den anderen für die Grundsicherung nach dem SGB II zuständigen Senaten des Gerichts aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) erweiternd dahingehend aus, dass die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile auch insoweit als nötig angesehen wird, als - zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung bereits vergangene - Zeiträume nach Eingang des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei Gericht betroffen sind, während für zuvor vergangene Zeiträume eine nachträgliche Gewährung von Grundsicherungsleistungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich nicht in Betracht kommt (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Februar 2008, L 13 AS 237/07 ER, Beschlussabdruck S. 10 ff.).
An dieser Abgrenzung hält der Senat fest. Das bedeutet indes in weiterer Konsequenz zugleich, dass es aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes auch geboten ist, die Leistungen für Zeiträume der Anhängigkeit eines Eilantrags bei Gericht auch dann nachzugewähren, wenn zwischenzeitlich der Anordnungsanspruch oder der Anordnungsgrund für spätere Zeiträume fortgefallen ist. Anderenfalls wären in der Sache nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlungen die unausweichliche Folge, wenn etwa derjenige Antragsteller, dessen Leistungsansprüche nach dem SGB II bis zur gerichtlichen Entscheidung durchgängig nicht voll befriedigt worden sind, u.U. für mehrere Monate eine Nachzahlung erhielte, während derjenige Antragsteller, dessen Leistungsansprüche nach dem SGB II erst ab einem späteren, deutlich nach Anbringung des gerichtlichen Eilantrags liegenden Zeitpunkt voll befriedigt worden sind oder der - wie der Antragsteller zu 1. - z.B. durch Eigenbemühungen deutlich nach Anbringung des gerichtlichen Eilantrags aus dem Leistungsbezug herausgefallen ist, für den gesamten Zeitraum auf das ggf. mehrere Jahre dauernde Hauptsacheverfahren verwiesen wird. Hiernach könnten die Antragsteller Leistungsansprüche für den Zeitraum zwischen dem 26. September 2007 und dem 30. November 2007 trotz der zwischenzeitlichen Änderung der Verhältnisse auch weiterhin im gerichtlichen Eilrechtsschutz verfolgen, da sie ihren Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes durch eine lediglich auf die Zukunft wirkende Änderung der Verhältnisse nach dem Maßstab des Art. 19 Abs. 4 GG nicht verlieren.
b)
Diese grundsätzliche Möglichkeit der nachfolgenden Rechtsverfolgung im Eilverfahren nach Anbringung des gerichtlichen Eilantrags aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes bedarf allerdings einer wichtigen Einschränkung, wie anhand des vorliegenden Falles deutlich wird. Die auf den Zeitpunkt des Eingang des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei Gericht abstellende Sichtweise, die für nachfolgende Zeiten vom Fortbestehen eines einmal gegebenen Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrundes unabhängig von der Situation am Tag der (letztinstanzlichen) Entscheidung ausgeht, mit der Folge, dass insoweit im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auch Leistungen für die Vergangenheit gewährt werden können, ist nur insoweit geboten und gerechtfertigt, als ein Antragsteller seiner gesetzlichen Obliegenheit zur Glaubhaftmachung (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)) der tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen nachgekommen ist. Diese Obliegenheit besteht unabhängig von dem auch im Eilverfahren geltenden Grundsatz der Amtsermittlung. Es besteht aus verfassungsrechtlichen Gründen unter Berücksichtigung des Art. 19 Abs. 4 GG kein Anlass, auch demjenigen Antragsteller rückwirkend Leistungen im einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren, der seiner Obliegenheit zur Glaubhaftmachung nicht oder nur unzureichend nachgekommen ist. Zwar ist das Gericht gehalten, die Glaubhaftmachung geltend gemachter Ansprüche ebenso wie des dazugehörigen Anordnungsgrundes im Wege der Amtsermittlung zu fördern; Leistungen sind in solchen Fällen nachträglicher Glaubhaftmachung jedoch regelmäßig nicht rückwirkend für Zeiten zu gewähren, in denen die Glaubhaftmachung noch ausstand.
Ähnlich wie im Recht der Prozesskostenhilfe keine "Bewilligungsreife" vor der vollständigen Angabe aller Tatsachen nebst vollständigem Vorliegen aller erforderlichen Belege besteht, kommt vor vollständiger Glaubhaftmachung aller maßgeblichen Tatsachen eine auf die gerichtliche Antragstellung zurückwirkende Bewilligung von Leistungen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht in Betracht. Insoweit ist aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG eine erweiternde Auslegung der Vorschriften über die Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG nicht geboten. Der Erlass einer solchen Anordnung ist nach dem Gesetzeswortlaut nur möglich, so weit eine solche Regelung "zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint". Wenn - mangels Glaubhaftmachung - rechtsstaatliche Bedenken hinsichtlich der Frage nach der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht bestehen, ist für eine nachgehende Bewilligung von Leistungen, für die im Entscheidungszeitpunkt kein Eilbedürfnis mehr besteht, kein Raum.
Der Senat nimmt vor dem Hintergrund des § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG in Abwägung mit den verfassungsrechtlich geschützten Interessen der Antragsteller (hier aus Art. 1 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 GG) demnach folgende Abgrenzung vor: Eine beantragte einstweilige Regelung ist auch insoweit zur Abwendung wesentlicher Nachteile "nötig" gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG, als sie solche Zeiträume betrifft, die zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung bereits vergangen sind, aber zeitlich nach Eingang des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei Gericht liegen. Dies setzt allerdings grundsätzlich die vollständige Glaubhaftmachung aller maßgeblichen Tatsachen voraus. Sofern die Glaubhaftmachung zunächst fehlt oder unvollständig ist, aber - ggf. auf Anforderung des Gerichts - alsbald nachgeholt wird und die Bedarfslage im Wesentlichen unverändert fortbesteht, kann das Gericht - gestützt auf Gründe des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG - gehalten sein, eine auf den Zeitpunkt des Antragseingangs bei Gericht rückwirkende Bewilligung vornehmen. Dies setzt aber voraus, dass der Antragsteller nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten alles unternommen hat, um das tatsächliche Bestehen von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch alsbald glaubhaft zu machen. Diese Rückwirkung wird insbesondere dann in Betracht kommen, wenn das Gericht zur Glaubhaftmachung noch die Vorlage der Verwaltungsakten und die Stellungnahme des Antragsgegners abwartet.
Kommt es hingegen aufgrund von Umständen, die in der Sphäre des Antragstellers liegen, zu wesentlichen Verzögerungen der Glaubhaftmachung oder bestehen gar für längere Zeiträume hinsichtlich der Tatsachengrundlagen Unklarheiten, die vom Antragsteller verursacht oder wenigstens mitverursacht sind, gebietet der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes eine Rückwirkung auf Zeitpunkt des Antragseingangs bei Gericht regelmäßig nicht mehr.
c)
Dies bedeutet bezogen auf den vorliegenden Fall, dass eine einstweilige Anordnung nicht zu ergehen hat. Spätestens seit Jahresbeginn 2008 ist eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten. Bis zu diesem Zeitpunkt waren aber nicht alle maßgeblichen Tatsachen des Leistungsanspruchs und des Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht. Vielmehr bestanden bis dahin Zweifel an der Leistungsberechtigung der Antragsteller, die in der gerichtlichen Aufklärungsverfügung vom 8. Januar 2008 zum Ausdruck gekommen sind. Die Antragsteller müssen sich hierbei insbesondere zurechnen lassen, dass der Antragsteller zu 1. zunächst die - wenn auch im Rahmen einer Abwicklung - über den 31. August 2007 fortbestehende Geschäftstätigkeit bei ebay verschwiegen hatte. Insbesondere aus diesem Grunde bestand gegebener Anlass dazu, die Angaben des Antragstellers zu 1. zunächst kritisch zu hinterfragen und seine Angaben insgesamt als nicht glaubhaft zu werten. Solche zumindest unklaren Angaben und weitere fortbestehende Unklarheiten - etwa zur konkreten Höhe der Einkünfte der Antragstellerin zu 2., ferner zum Verbleib ggf. noch vorhandener Handelsware u.a.; insgesamt ergibt die Aktenlage nicht das Bild, dass die Antragsteller im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Antragstellung uneingeschränktes Interesse daran gehabt hätten, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse bis ins Detail offenzulegen - haben zu Zweifeln geführt, die u.a. die Vernehmung der Zeugin E. erforderlich gemacht haben. Erst aufgrund der Angaben, die nach der gerichtlichen Anfrage vom 8. Januar 2008 gemacht worden sind, und erst aufgrund der glaubhaften Aussagen der Zeugin E. im Termin vom 19. Februar 2008 ist eine Tatsachengrundlage festgestellt, die es ermöglicht, die tatsächliche Hilfebedürftigkeit der Antragsteller zwischen dem 26. September 2007 und dem 30. November 2007 für überwiegend wahrscheinlich zu erachten. Für eine auf 2007 zurückwirkende Leistungsgewährung im einstweiligen Rechtsschutz besteht folglich nach den konkreten Zusammenhängen kein Anlass. Der Rechtsfrage hinsichtlich der Auslegung des § 2 Abs. 2 Sätze 2 und 3 Alg II-V in der vom 1. Oktober 2005 bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung (vgl. hierzu Beschluss L 13 B 174/07 AS vom heutigen Tage) muss somit im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht nachgegangen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.