Landgericht Braunschweig
Urt. v. 17.04.2001, Az.: 6 O 125/01 (123)
Bestehen eines Anspruchs auf Rückzahlung unzulässiger Entnahmen vor Beendigung der Auseinandersetzung einer BGB-Gesellschaft
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 17.04.2001
- Aktenzeichen
- 6 O 125/01 (123)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 30576
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGBRAUN:2001:0417.6O125.01.123.0A
Rechtsgrundlage
- § 730 BGB
Fundstellen
- DB 2001, 1663-1664
- NJW-RR 2002, 243-244 (Volltext mit red. LS)
In dem Rechtsstreit
...
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig
auf die mündliche Verhandlung vom
20. März 2001
durch
den Richter am Landgericht ... als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.800,- DM abwenden, wenn der Beklagte nicht vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Der Streitwert beträgt 25.431,59 DM.
Tatbestand
Der Kläger verlangt vom Beklagten die Rückführung von Geldbeträgen, die dieser dem Konto einer von den Parteien betriebenen Gesellschaft entnommen hat.
Aufgrund eines schriftlichen Gesellschaftsvertrags aus dem Jahr 1990, auf den vorab wegen aller Einzelheiten ergänzend Bezug genommen wird, betrieben die Parteien seit dem 15.12.1990 unter der Firma ... eine Kfz - Reparaturwerkstatt. Die Gesellschaft sollte vom 31.12.1992 an mit halbjährlicher Kündigungsfrist kündbar sein. Im Fall der Kündigung sollte der verbleibende Gesellschafter das Gesellschaftsvermögen übernehmen und dem ausscheidenden Gesellschafter das zu ermittelnde Auseinandersetzungsguthaben auszahlen (Ziffer 07 des Vertrags). Das nach Ziffer 08 des Vertrags zu ermittelnde Guthaben sollte neun Monate nach Wirksamkeit der Kündigung ausgezahlt werden.
In den Jahren 1996 - 1999 beließen die Parteien ihre Gewinnanteile zum Teil in der Gesellschaft. Der vom Beklagten nicht entnommene Gewinnanteil betrug 25.431,59 DM.
Durch Schreiben vom 16.6.2000 kündigte der Beklagte den Gesellschaftsvertrag zum 31.12.2000. Das Auseinandersetzungsguthaben konnte bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung noch nicht vertragsgemäß ermittelt werden.
Am 30.9.2000 hob der Beklagte von dem bei der Volksbank Braunschweig bestehenden Gesellschaftskonto einen Betrag von 62.976,30 DM ab, in dem der genannte - ausschließlich streitige - Gewinnanteil der Vorjahre enthalten war. Der Kläger, der die Gesellschaft zumindest formal weiter betreibt - die Geschäfte tatsächlich allerdings über eine mittlerweile gegründete GmbH abwickelt -, verlangt die Rückerstattung des entnommenen Gewinnanteils an die Gesellschaft.
Der Kläger behauptet,
die Gewinnanteile der genannten Jahre seien "einverständlich" stehen gelassen und dem Gesellschaftsvermögen zugeführt worden.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, in das Gesellschaftsvermögen der ... 25.431,59 DM nebst 11% Zinsen seit dem 30.9.2000 auf das Gesellschaftskonto Nr. 906156 bei der Volksbank Braunschweig (BLZ 270 900 77) zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die gegenseitigen Schriftsätze nebst Anlagen und das Sitzungsproptokoll vom 16.3.2001 Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Kläger kann vom Beklagten nicht die Rückzahlung der entnommenen, rechnerisch unstreitig richtigen, Gewinnanteile verlangen, bevor nicht das gesamte Auseinandersetzungsguthaben errechnet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte - wie in seinem nachgelassenen Schriftsatz vom 28.3.2001 behauptet - durch anderweitige Zahlungen zu anderen Zwecken die Klagforderung im Rahmen der Gesamtauseinandersetzung teilweise ausgeglichen hat. Die verlangte Rückerstattung, die in der geltend gemachten Form nach wie vor verweigert wird, steht der vom Kläger fortgesetzten ehemaligen Gesellschaft vielmehr in keinem Fall zu.
Grundsätzlich können Einzelansprüche einer nach § 730 BGB auseinanderzusetzenden Gesellschaft nicht mehr einzeln geltend gemacht, sondern nur noch als entsprechende Rechnungsposten in die Auseinandersetzung eingestellt werden (z.B. Palandt - Sprau, BGB 60. Aufl. 2001, § 730 Rn. 8 m.w.N.). Das gilt insbesondere auch für unzulässige Entnahmen.
Dieser Grundsatz kommt hier zur Anwendung, weil sich aus dem Wortlaut und dem Sinn des schriftlichen Gesellschaftsvertrags nichts Abweichendes entnehmen läßt. Obgleich die ehemalige Gesellschaft von dem verbleibenden Gesellschafter fortgesetzt wir, ist das Vermögen dennoch auseinanderzusetzen.
Im vorliegenden Fall kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, die angeblich absprachewidrigen Entnahmen würden zur Tilgung von Gesellschaftsschulden benötigt. Denn unstreitig liegt der Sollstand des Gesellschaftskontos inzwischen weit unter dem Kreditlimit.
Unter diesen Umständen muß die Frage, ob der abgehobene Betrag dem Beklagten letztlich zusteht, im Rahmen der Gesamtauseinandersetzung geklärt werden. Das gilt insbesondere für die Frage, ob es eine Abrede zwischen den Parteien gegeben hat, die Gewinnanteile der Jahre 1996 - 1999 dem Gesellschaftsvermögen zuzuführen, oder ob der Beklagte aus dem Gesichtspunkt seiner Treuepflicht zu dieser Verwendung seiner Gewinnanteile verpflichtet war und ob eine derartige Verpflichtung auch jetzt noch fortbesteht. Die im Ergebnis anderslautende Entscheidung des OLG Köln (NJW - RR 1997, S. 160 f.), auf die sich der Kläger vorrangig beruft, steht dem nicht entgegen, weil sie Abhebungen eines bereits aus der Gesellschaft ausgeschiedenen Gesellschafters betraf und ausdrücklich auf die im Innenverhältnis nicht mehr gegebene Verfügungsbefugnis des verfügenden ehemaligen Gesellschafters abstellt. Der Beklagte war jedoch zur Zeit der streitigen Abhebung noch Gesellschafter und in seiner Verfügungsbefugnis über das Gesellschaftskonto nicht beschränkt. Die Tatsache, daß er den Gesellschaftsvertrag bereits gekündigt hatte und mit der Abhebung mutmaßlich das Ziel verfolgt hat, die Auseinandersetzung vorwegzunehmen, rechtfertigt es nicht, von dem oben genannten Grundsatz abzuweichen. Denn rechtlich stand die Abhebung der "stehen- gebliebenen" Gewinnanteile in keinem zwingenden Zusammenhang mit der Kündigung, sondern hätte auch bei Fortdauer der Gesellschaft erfolgen können. Deshalb rechtfertigt auch die nach dem Vertrag erst neun Monate nach dem Ausscheiden des Beklagten aus der Gesellschaft eintretende Fälligkeit der Auseinandersetzungsansprüche keine von dem genannten Grundsatz abweichende Verfahrensweise. Ob etwas anderes gelten würde, wenn der Beklagte Geldbeträge abgehoben hätte, die ihm nur aufgrund der nach seinem Ausscheiden erforderlichen Auseinandersetzung zustehen konnten, mag dahinstehen.
Eine Umdeutung des Klagantrags in einen Antrag auf Feststellung einer in der Auseinandersetzung zulasten des Beklagten zu berücksichtigenden Position kommt nicht in Betracht, weil nicht erkennbar ist, ob insoweit überhaupt ein entscheidungsbedürftiger Streit besteht; dem Kläger kommt es erkennbar darauf an, die Rückerstattung gerade jetzt zu erreichen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.