Landgericht Braunschweig
Beschl. v. 29.01.2001, Az.: 8 T 947/00 (588)
Rechtmäßigkeit eines Beschlusses über die Vergütung eines vorläufigen Insolvenzverwalters; Berechnung der Vergütung durch Festsetzung der Regelvergütung inklusive aller zu berücksichtigenden Erhöhungsfaktoren und der Bildung eines Prozentsatzes dieser Vergütung; Rechtmäßige Berücksichtigung von Erhöhungsfaktoren; Poolmäßige Entschädigung der Lieferanten, große Anzahl von Gläubigern und Arbeitnehmern, Vermehrung der Masse, Auslandsberührung und Vorhandensein einer zweiten Betriebsstätte als Erhöhungsfaktoren; Dauer der vorläufigen Verwaltung, Vornahme einer Inventur und über dem Normalfall liegender Umsatz des insolventen Betriebes als Erhöhungsfaktoren
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 29.01.2001
- Aktenzeichen
- 8 T 947/00 (588)
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 29278
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGBRAUN:2001:0129.8T947.00.588.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Braunschweig - 28.08.2000 - AZ: 273 IN 211/99
Rechtsgrundlagen
- § 2 InsVV
- § 11 Abs. 1 InsVV
- § 3 Abs. 1 a InsVV
- § 3 Abs. 1 c InsVV
Fundstellen
- KTS 2001, 442
- NZI 2001, 20
- Rpfleger 2001, 315-317
- ZInsO 2001, 552-555 (Volltext mit red. LS)
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Maßgebliche Grundlage für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ist das mit Aus- und Absonderungsrechten zu berechnende Vermögen, das er im Zeitpunkt der Beendigung der vorläufigen Verwaltung verwaltet hat.
- 2.
Für die sich nach Art und Umfang der Tätigkeit ergebende Regelvergütung ist zunächst ein angemessener Bruchteil zu bestimmen, bevor sodann weitere individuelle zu bestimmende Erhöhungsfaktoren zu berücksichtigen sind.
- 3.
Bei der Bestimmung von Erhöhungsfaktoren sind diese grds. als regelmäßiger Bruchteil i.H.v. 25 % zu bestimmen. Ist daher für einen Insolvenzverwalter ein Zuschlag von 0,5 Regelsätzen angemessen, so beträgt dieser Faktor für den vorläufigen Insolvenzverwalter 0,125. Hat der vorläufige Insolvenzverwalter jedoch einen Sachverhalt abschließend geregelt, findet eine Quotelung nicht statt.
- 4.
Anerkannte Erhöhungsfaktoren sind u.a. der Abschluss einer Poolvereinbarung und eines Sicherheitsabgrenzungsvertrags (Faktor 0,5), eine große Gläubigerzahl (hier: 597, Faktor 0,125); große Zahl von Arbeitsverhältnissen (hier: 500, Faktor 0,125); Mehrung einer großen Masse mit erheblichem Aufwand (Faktor 0,5); zwei Betriebsstätten (Faktor 0,6257); Sanierungsbemühungen (Faktor 0,25); konzernrechtliche Verflechtung (Faktor 0,0625); schwierige Rechtsfragen (Faktor 0,0625); Auslandsberührung (Faktor 0,0625).
In dem Insolvenzverfahren
hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...
die Richterin am Landgericht und
die Richterin am Landgericht ...
am 29. Januar 2001
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 28.08.2000 - 273 IN 211/99 - abgeändert.
Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters wird festgesetzt auf 3,640,500,00 DM zuzüglich 582.480,00 DM Mehrwertsteuer, insgesamt 4.222,980,00 DM.
Dem Insolvenzverwalter Rechtsanwalt ... gestattet, den festgesetzten Betrag nach Rechtskraft des Beschlusses der Insolvenzmasse zu entnehmen.
Die weiter gehende sofortige Beschwerde und der weiter gehende Vergütungsantrag werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller 3/5; 2/5 fallen der Masse zur Last.
Beschwerdewert: 2.593.757,10 DM.
Gründe
Durch Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 25.10.1999 wurde der Antragsteller zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firm; ... Braunschweig bestellt. Durch weiteren Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 28.10.1999 wurde dem Antragsteller die Ermächtigung erteilt, Forderungen der Schuldnerin einzuziehen. Am 01.01.2000 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet, der Antragsteller wurde nunmehr zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schriftsatz vom 03.04.2000 beantragte der Antragsteller, die Vergütung für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter gemäß § 11 InsVV auf 5.024.535,00 DM zuzüglich Mehrwertsteuer festzusetzen. Ausgehend von einer Masse in Höhe von 145,25 Millionen DM begehrt der Antragsteller den 2,82-fachen Satz der sich aus der Masse ergebenden Regelvergütung in Höhe von 1.781.750,00 DM. Den Vergütungssatz errechnet er aus einem angemessenen Bruchteil der Regelvergütung mit § 11 InsVV in Höhe von 0,25 zuzüglich diverser Erhöhungsfaktoren. Er beantragt die Berücksichtigung folgender Erhöhungsfaktoren:
Erhöhungsgrund | Faktor 1/1 | Faktor 1/4 |
---|---|---|
Hoher Anteil an Aus- und Absonderungsrechten | 1,25 | 0,32 |
Erfordernis einer Inventur | 0,5 | 0,13 |
hohe Gläubigerzahl | 2,0 | 0,5 |
Bearbeitung einer hohen Anzahl von Arbeitsverhältnissen | 0,5 | 0,13 |
Interessenausgleich mit dem Betriebsrat | 0,25 | 0,07 |
Beitreibung von Außenständen | 1,0 | 0,25 |
Umsatz | 0,25 | 0,07 |
zwei Betriebsstätten | 0,25 | 0,07 |
Dauer des vorläufigen Insolvenzverfahrens | 0,2 | 0,05 |
Sanierungsbemühungen im vorläufigen Insolvenzverfahren | 2,0 | 0,5 |
schwierige konzernrechtliche Verflechtungen der Schuldnerin | 0,25 | 0,07 |
rechtliche Probleme mit dem Verschmelzungsvertrag bzgl. der Niederlassung in Hürth | 0,5 | 0,13 |
Bearbeitung einer Beteiligung der Niederlassung in Hürth, an einer weiteren ausländischen Firma | 0,25 | 0,07 |
rechtliche Schwierigkeiten mit dem Mietvertrag eines Betriebsgrundstücks in Hürth | 0,25 | 0,07 |
Verwertungsmaßnahmen | 0,25 | 0,07 |
Auslandsberührung | 0,25 | 0,07 |
Summe Zuschlagsfaktoren | 9,95 | 2,57 |
zuzügl. Regelvergütung | 1,0 | 0,25 |
Summe | 2,82 |
Durch Beschluss vom 28.08.2000 setzte das Amtsgericht die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters auf 2.788.537,50 DM zuzüglich Mehrwertsteuer fest. Das Amtsgericht legte unter Außerachtlassung eines Grundstücks in Hürth eine Masse von 143.000.000,00 DM zu Grunde, aus der sich eine Regelvergütung in Höhe von 1.770.500,00 DM ergibt. Das Amtsgericht berücksichtigt folgende Erhöhungsfaktoren:
Die Bearbeitung der Aus- und Absonderungsrechte und die
poolmäßige Entschädigung der Lieferanten | 0,7 |
---|---|
Tätigkeiten zur Massemehrung und die Führung der Tabelle bei einer erheblich hoher Anzahl von Gläubigern | 0,5 |
Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Bearbeitung von arbeitsrechtlichen Fragen | 0,25 |
Arbeitsaufwand im Zusammenhang mit mehreren Betriebsstätten | 0,25 |
Bemühungen zur Sanierung des Unternehmens | 0,2 |
Auslandsberührung | 0,25 |
Summe der Zuschlagsfaktoren | 2,15 |
zuzüglich Regelsatz | 1,0 |
Summe | 3,15 |
Aus dem vollen Regelsatz sowie den Erhöhungsfaktoren in Höhe von Insgesamt 2,15 berechnete das Amtsgericht die fiktive Vergütung des Insolvenzverwalters mit 5.577,057 (1.770.500,- DM x 3,15) und bildete hiervon einen angemessenen Bruchteil gemäß § 11 InsVV in Höhe von 50 %.
Gegen den ihm am 06.09.2000 zugestellten Beschluss legte der Antragsteller mit Schriftsatz vorn 13.09.2000, bei Gericht eingegangen am 14,09,2000, sofortige Beschwerde ein, mit der er die nicht hinreichende Berücksichtigung der Erschwernisse der Tätigkeit rügt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.
Die sofortige Beschwerde des Insolvenzverwalters ist gemäß §§ 11 Abs. 1 RpflG, 6, 64 Abs. 3 InsO, 567 Abs. 2, 577 ZPO zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt, und hat in der Sache teilweise Erfolg. Die nach § 11 Abs. 1 Satz 1 InsVV besonders zu vergütende Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters soll in der Regel einen angemessenen Bruchteil der sich aus §§ 2, 3 InsVV ergebenden Vergütung des Insolvenzverwalters nicht überschreiten. Art, Dauer und Umfang der Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters sind bei der Festsetzung der Vergütung zu berücksichtigen,
Der Vergütung ist im vorliegenden Fall eine Masse in Höhe von 152.950.000,00 DM zugrundezulegen, Soweit das Amtsgericht ein Grundstück in Hürth im Wert von 2,3 Millionen DM unberücksichtigt gelassen hat, weil dies im Eigentum der Firma ... stand und mangels Genehmigung des Verschmelzungsvertrages nicht in das Eigentum der Schuldnerin übergegangen ist, begegnet diese Bewertung keinen Bedenken und wird auch vom Antragsteller nicht angegriffen. Der Masse hinzuzusetzen ist jedoch der Warenbestand in Höhe von 10.000.000,00 DM. Dieser Warenbestand ist bislang sowohl im Antrag als auch im angefochtenen Beschluss außer Betracht geblieben, da die Waren mit Aussonderungsrechten belegt waren. Zwar umfasst die für die Vergütung des Insolvenzverwalters maßgebliche Teilungsmasse nicht die mit Aussonderrungsrechten belasteten Gegenstände und die mit Absonderungsrechten belegten Gegenstände nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 1 InsVV. Für die Vergütung des vorläufigen Verwalters ist jedoch allgemein anerkannt, dass nicht die Teilungsmasse maßgeblich ist, welche bei Beendigung seiner Tätigkeit noch nicht bekannt ist, sondern vielmehr das Vermögen, welches der Insolvenzverwalter im Zeitpunkt der Beendigung der vorläufigen Verwaltung verwaltet hat (vgl. OLG Köln NZI 2000, 585; OLG Zweibrücken JurBüro 2000, 605; OLG Jena NZI 2000, 533). Zu diesem Vermögen gehören auch die Gegenstände, die mit Aus- und Absonderungsrechten belastet sind (OLG Jena NZI 2000, 533; BayObLG NZI 2001, 26). Diese Bewertung trägt der besonderen, vom endgültigen Verwalter unterschiedenen Aufgabe des vorläufigen Verwalters Rechnung. Sie besteht in erster Linie darin, das Vermögen des Schuldners in Besitz zu nehmen und zu sichern. Diese Aufgabe bezieht sich auch auf mit Aus- oder Absonderungsrechten belastete Gegenstände, und zwar unabhängig davon, ob sie später verwertet werden oder ob hierbei ein Überschuss in die Masse fließt (vgl. OLG Jena NZI 2000, 534). Die gegenteilige Ansicht, nach der auch für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit einem Absonderungsrecht belasteten Gegenstände nur unter den Voraussetzungen des analog anwendbaren § 1 InsVV zu berücksichtigen sind (OLG Zweibrücken JurBüro 2000, 605) führt darüber hinaus zu unpraktikablen Ergebnissen, weil sie eine Prognose hinsichtlich der Verwertungsmöglichkeiten durch den endgültigen Insolvenzverwalter verlangt. Auch im hierzu entscheidenden Fall wäre, folgte man dieser Ansicht, hinsichtlich der mit Absonderungsrechten belasteten Gegenstände weiterer detaillierter Vortrag zu fordern, inwieweit eine Verwertung bereits stattgefunden hat bzw. zu erwarten ist. Die Kammer legt jedoch mit der wohl überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum (vgl. weitere Nachweise bei OLG Zweibrücken, JurBüro 2000, 607) für die Berechnung der maßgeblichen Masse auch die mit Aus- bzw. Absonderungsrechten belegten Gegenstände zu Grunde.
Gemäß § 2 InsVV ergibt sich aus einer Masse von 152,95 Millionen DM folgende Regelvergütung:
40 % aus | 50.000,00 DM | 20.000,00 DM |
---|---|---|
25 % aus | 50.000,00 DM | 12.500,00 DM |
7 % aus | 400.000,00 DM | 28.000,00 DM |
3 % aus | 500.000,00 DM | 15.000,00 DM |
2 % aus | 49.000.000,00 DM | 980.000,00 DM |
1 % aus | 50.000.000,00 DM | 500.000,00 DM |
0,5 % aus | 52.950.000,00 DM | 264.750,00 DM |
Summe: | 1.820.250,00 DM |
Von der Regelvergütung ist zunächst gemäß § 11 NW ein angemessener Bruchteil für die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters zu bilden, anschließend ist zu prüfen, welche Erhöhungsfaktoren gemäß § 3 InsVV zu berücksichtigen sind. Nur diese Reihenfolge erlaubt es, für jeden Erhöhungsgrund zu prüfen, ob es sich um ein Merkmal des gesamten Verfahrens handelt, sodass auch in Bezug auf den Erhöhungsfaktor die Bildung eines angemessenen Bruchteils gerechtfertigt ist, oder ob Erschwernisse oder Zusatzarbeiten allein während der Zeit der vorläufigen Verwaltung angefallen sind, sodass eine Quotelung des Erhöhungsfaktors nicht angemessen wäre. Eine solche individuelle Prüfung der Erhöhungsfaktoren erscheint erforderlich, um die vom vorläufigen Insolvenzverwalter geleistete Arbeit, für die er eine gerechte Vergütung erhalten soll, angemessen zu bewerten. Der vom Amtsgericht gewählte Weg, zunächst der Regelvergütung, wie sie sich für den endgültigen Insolvenzverwalter ergeben würde, alle zu berücksichtigenden Erhöhungsfaktoren hinzuzurechnen und erst danach eine Prozentsatz nach § 11 InsVV zu bilden - der hier, weil der vorläufige Insolvenzverwalter einige Fragen abschließend geregelt hatte, auf 50 % festgesetzt wurde -, erscheint demgegenüber zu pauschal. Die Regelvergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters nach § 11 Abs. 1 InsVV ist, auch unter Berücksichtigung der Dauer der vorläufigen Verwaltung und der Erteilung der Verfügungsbefugnis, so wie beantragt, mit 25 % zutreffend bemessen.
Zu berücksichtigen sind folgende in § 3 InsVV genannte und nicht genannte Erhöhungsfaktoren:
Für die abschließende Regelung der mit Ab- bzw. Aussonderungsrechten belegten Vermögensgegenstände durch Bildung eines Lieferanten-Pools, sowie durch den Abschluss der Rahmenvereinbarung über die Abgrenzung der Sicherheiten am Umlaufvermögen vom 07.12.1999 ist ein Erhöhungsfaktor 0,5 gerechtfertigt. Dabei handelt es sich nicht um den in § 3 Abs. 1 a InsVV genannten Erhöhungsgrund, denn dieser soll einen Ausgleich dafür bieten, dass der Insolvenzverwalter erhebliche Arbeit aus einer Tätigkeit aufgewendet hat, die sich nicht in der Insolvenzmasse niedergeschlagen hat (vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV/VergVO, 2. Auflage, § 3 Rdnr. 9). Soweit jedoch nach der hier vertretenen Ansicht für die Berechnung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters auch die mit Aus- bzw. Absonderungsrechten belegten Gegenstände zur Berechnung der Masse hinzugezogen werden, ist eine Erhöhung gemäß § 3 Abs. 1 a nicht gerechtfertigt. Als ungenannter Erhöhungsgrund kommt jedoch der Abschluss der Poolvereinbarung und des Sicherheitenabgrenzungsvertrages in Betracht. Vor allem die mit der umfassenden vertraglichen Regelung übernommene Verantwortung rechtfertigt es, eine Erhöhung der Vergütung um den Faktor 0,5 vorzunehmen. Da der vorläufige Insolvenzverwalter hier eine abschließende Regelung getroffen hat, ist eine Kürzung dieses Erhöhungsfaktors nicht angemessen.
Erhöhend wirkt sich ferner die große Gläubigerzahl aus. Die vom Antragsteller vorgetragene Anzahl von 597 Gläubigern zuzüglich 2.577 kreditorischen Debitoren liegt erheblich über der als Normalfall angenommenen Anzahl von 100 Gläubigern. Hierfür erscheint ein Erhöhungsfaktor von 0,5 als angemessen. Eine Erhöhung von bis zu 0,5 wird auch in der Literatur vorgeschlagen (vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster, a.a.O., § 3 Rdnr. 33). Bis zu diesem Faktor erscheint es auch angemessen, für je 100 Gläubiger über dem angenommenen Normalwert eine Steigerung um den Faktor 0,1 vorzunehmen. Jedoch erscheint es nicht mehr angemessen, auch über den Erhöhungsfaktor 0,5 hinaus eine lineare Erhöhung bis zu dem von dem Antragsteller geltend gemachten Faktor 2,0 vorzunehmen. Es ist davon auszugehen, dass bei einer sehr großen Anzahl von Gläubigern zunehmend gleich gelagerte Fälle auftreten, die einer automatisierten Bearbeitung zugänglich sind. Soweit es sich um gesicherte Gläubiger handelte, dürfte ein Großteil der mit diesen zu verhandelnden Probleme durch den abgeschlossenen Sicherheitenabgrenzungsvertrag gelöst worden sein, für den eine zusätzliche Vergütungserhöhung bewilligt wird. Ein Erhöhungsfaktor 0,5 erscheint daher auch unter Berücksichtigung des erforderlichen umfangreichen Schriftwechsels als ausreichend. Da die große Gläubigerzahl einerseits ein Merkmal ist. das dem gesamten Insolvenzverfahren anhaftet, andererseits dem vorläufigen Insolvenzverwalter nicht die Führung der Insolvenztabelle, sondern lediglich die vorbereitende Gläubigerbuchhaltung oblag, ist nach § 11 Abs. 1 InsVV ein angemessener Bruchteil zu bilden; dieser liegt, wie bei der Regelvergütung, bei 25 %, sodass insgesamt eine Erhöhung um den Faktor 0,125 gerechtfertigt ist.
Erhöhend wirkt sich weiter die große Anzahl an Arbeitnehmern aus. Die Anzahl von 500 Arbeitsverhältnissen liegt erheblich über der für den Normalfall angenommenen Anzahl von 20 Arbeitsverhältnissen. Hierfür ist, wie vom Antragsteller geltend gemacht, eine Erhöhung um den Faktor 0,5 angemessen. Diese Erhöhung berücksichtigt die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes, die Erforderlichkeit von Informationsveranstaltungen, den Abschluss von Aufhebungsverträgen und den vorgenommenen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat. Auch insoweit ist nach § 11 InsVV ein angemessener Bruchteil zu bilden, der mit 25 % zutreffend bewertet ist, sodass sich insgesamt eine Erhöhung um den Faktor 0,125 ergibt.
Eine weitere Erhöhung ist gemäß § 3 Abs. 1 c InsVV gerechtfertigt, weil der Verwalter eine ohnehin große Masse mit erheblichem Arbeitsaufwand vermehrt hat. Der Antragsteller hat vorgetragen, dass er bereits während der vorläufigen Verwaltung von Forderungen in Höhe von 100 Millionen DM Forderungen in Höhe von 50 Millionen DM eingezogen hat und zudem durch die Veräußerung einer im Zollager des Flughafens Hannover lagernden Warenlieferung der Masse 180.000,- DM zugeführt hat. Dem Antragsteller ist eine Erhöhung zu gewähren, da der mit der Forderungseinziehung verbundene Arbeitsaufwand auf Grund der Degression andernfalls nicht angemessen vergütet wäre. Hierfür ist eine Erhöhung um den Faktor 0,5 angemessen. Die vom Antragsteller alternativ vorgelegte Berechnung, nachdem ihm für den eingezogenen Betrag von 50 Millionen DM ein gesonderter Vergütungsanspruch in Höhe von 5,59 Millionen DM, berechnet nach einem Vergütungssatz von 11,2 % zustehen würde, überzeugt nicht. Zum einen sieht § 3 Abs. 1 c InsVV keinen eigenständigen Vergütungsanspruch vor, sondern lediglich eine Erhöhung nach § 2 InsVV berechneten Regelvergütung. Zum anderen ergibt sich aus § 3 Abs. 1 c InsVV nicht, dass der Insolvenzverwalter so gestellt werden soll, als gäbe es eine Degression nicht. Ein Ausgleich soll dem Insolvenzverwalter vielmehr nur dafür gewährt werden, dass auf Grund der Degression die auf die Massemehrung entfallende Tätigkeit nicht angemessen vergütet ist. Auf Grund der Degression würde auf den erwirtschafteten betrag von 50,180,000,- DM bei einem Prozentsatz von 0,5 % eine Vergütung von 250.900,00 DM entfallen. Diese Vergütung dürfte für die auf die Massemehrung entfallende Tätigkeit nicht angemessen sein. Bei einer Erhöhung des Regelsatzes um den Faktor 0,5 wird die hierauf entfallende Vergütung jedoch um 910.375,00 DM auf 1,161.275,00 DM angehoben. Hierdurch sind auch die vom Antragsteller vorgetragenen umfangreichen Tätigkeiten, wie die nach entsprechender Schulung der Mitarbeiter durchgeführten Telefonaktionen bei 10.000 Schuldnern angemessen vergütet. Eine weitere Kürzung des Erhöhungsfaktors 0,5 ist nicht angemessen, da die geltend gemachten Tätigkeiten während der vorläufigen Verwaltung durchgeführt wurden.
Eine weitere Erhöhung ergibt sich aus dem Vorhandensein einer zweiten Betriebsstätte (vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster, a. a. 0., § 3 Rdnr, 55), Insoweit ist eine Erhöhung, wie beantragt, um den Faktor 0,25 angemessen, Hiervon ist gemäß § 11 Abs. 1 InsVV ein Bruchteil zu bilden, der mit 25 % angemessen bewertet ist, sodass sich insgesamt eine Erhöhung um den Faktor 0,6257 ergibt,
Weiter rechtfertigt sich eine Erhöhung aus den während der vorläufigen Verwaltung vorgenommenen Sanierungsbemühungen, Der Antragsteller hat dargelegt, er habe ernsthafte Übernahmeverhandlungen mit zwei großen Mitbewerbern der Schuldnerin geführt, die die Bonität und die rechtlichen Verpflichtungen der Schuldnerin überprüft hatten, Es ist nachvollziehbar, dass es einen erheblichen Arbeitsaufwand darstellt, den Interessenten alle erforderlichen Unterlagen vorzulegen und gegebenenfalls zu erläutern, Für den zusätzlichen Arbeitsaufwand ist eine Erhöhung um den Faktor 0,25 angemessen, Ein Bruchteil nach § 11 Abs. 1 InsVV ist nicht zu bilden, da die Sanierungsverhandlungen abschließend während der vorläufigen Insolvenzverwaltung geführt wurden.
Eine weitere Erhöhung rechtfertigt sich aus den konzernrechtlichen Verflechtungen der Schuldnerin, Hieraus ergeben sich Abwicklungsprobleme, die der vergütungsrechtliche Normalfall nicht erfasst (vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster, a, a. 0., § 3, Rdnr, 37). Im hier zu entscheidenden Fall hat der Antragsteller dargelegt, dass komplizierte Ermittlungen notwendig waren, um überhaupt die Gesellschafter der Schuldnerin festzustellen. Der geltend gemachte Erhöhungsfaktor von 0,25 ist daher gerechtfertigt, nach § 11 Abs. 1 InsVV ist ein angemessener Bruchteil in Höhe von 25 % zu bilden, sodass sich insgesamt eine Erhöhung um den Faktor 0,0625 ergibt.
Eine weitere Erhöhung ergibt sich aus weiteren rechtlichen Problemen, die die Verwaltung erschweren, Hierbei handelt es sich um Probleme, die einerseits daraus entstanden, dass der Verschmelzungsvertrag mit der Firma in Hürth nicht genehmigt wurde, zum anderen um Probleme mit einem angemieteten Grundstück in Hürth. Zwar ist in der Regel die Bearbeitung schwieriger Rechtsfragen kein Erhöhungsgrund, vielmehr kann der Insolvenzverwalter einen Rechtsanwalt mit der Klärung der Fragen beauftragen oder die Übernahme dieser Aufgaben als Rechtsanwalt selbstständig abrechnen (vgl. auch Haarmeyer/Wutzke/Förster, a.a.O., § 3 Rdnr. 50). Jedoch kommt nach Auffassung der Kammer eine Berücksichtigung als Erhöhungsgrund für den Fall in Betracht, in dem nicht allein die Lösung eines bestimmten Rechtsproblems erforderlich ist, sondern die Rechtsprobleme die Abwicklungsarbeit als solche erschweren. Dies wurde hier dargelegt. Die vorgetragenen Erschwernisse rechtfertigen eine Erhöhung um den Faktor 0,25; nach Bildung eines angemessenen Bruchteils nach § 11 Abs. 1 InsVV ergibt sich eine Erhöhung um den Faktor 0,0625.
Schließlich rechtfertigt die Auslandsberührung des Falles eine Erhöhung. Die Auslandsberührung erschwerte die Verwaltung, da Urkunden in fremder Sprache zu lesen und zu bewerten sowie Verhandlungen in fremder Sprache zu führen waren. Eine Erhöhung ist im beantragten Umfang mit dem Faktor 0,25 angemessen; der Bildung eines angemessenen Bruchteils nach § 11 Abs. 1 InsVV von 25 % ergibt sich ein Erhöhungsfaktor von 0,0625.
Weitere Erhöhungsfaktoren sind nicht zu berücksichtigen.
Eine Erhöhung rechtfertigt sich nicht aus dem Umstand, dass eine Inventur durchzuführen war. Eine Inventur ist in jedem Insolvenzfall eines produzierenden oder Handel treibenden Unternehmens erforderlich, demgemäß ist das Erfordernis einer umfangreichen Inventur auch in der Kommentarliteratur nicht ais Erhöhungsgrund erwähnt. Zudem ist die Durchführung einer Inventur eine relativ einfache Tätigkeit, die keine insolvenzrechtlichen Kenntnisse erfordert, sodass der Insolvenzverwalter hierfür ohne weiteres die Arbeitnehmer der Schuldnerin einsetzen konnte.
Ein Erhöhungsgrund ergibt sich ferner nicht aus dem Umsatz als solchen. Zwar liegt der Umsatz der Schuldnerin mit 1 Milliarde erheblich über dem Normalfall. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass sich hieraus gesonderte Probleme der Abwicklung ergeben haben.
Die Dauer der vorläufigen Verwaltung rechtfertigt für sich allein ebenfalls keine Vergütungserhöhung (vgl. auch Haarmeyer/Wutzke/Förster, a.a.O., § 3 Rdnr. 42). Die Tätigkeiten des vorläufigen Insolvenzverwalters, die die verlängerte Dauer der vorläufigen Verwaltung verursacht haben, haben unter verschiedenen Gesichtspunkten gebührenerhöhend Berücksichtigung gefunden.
Eine gesonderte Erhöhung rechtfertigt sich auch nicht aus der Tatsache, dass die Niederlassung in Hürth ihrerseits an einer holländischen Gesellschaft beteiligt war. Dieser Umstand ist unter dem Gesichtspunkt der konzernrechtlichen Verflechtungen, der Sanierungsbemühungen und der Auslandsberührung mit berücksichtigt.
Insgesamt ergibt sich folgender Vergütungssatz für die vorläufige Insolvenzverwaltervergütung:
Regelvergütung | 0,25 |
---|---|
Erhöhungsfaktoren: | |
Sicherheiten-Abgrenzungsvertrag | 0,5 |
Große Gläubigerzahlen | 0,125 (25 % von 0,5) |
Große Arbeitnehmeranzahl | 0,125 (25 % von 0,5) |
Massemehrung | 0,5 |
zweite Betriebsstätte | 0,0625 (25 % von 0,25) |
Sanierungsbemühungen | 0,25 |
konzernrechtliche Verflechtungen | 0,0625 (25 % von 0,25) |
besondere rechtliche Probleme | 0,0625 (25 % von 0,25) |
Auslandsberührung | 0,0625 (25 % von 0,25) |
Summe: | 2,0 |
Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters war daher auf den 2,0-fachen Satz der Regelvergütung in Höhe von 1.820.250,00 DM, somit auf 3.640.500,00 DM festzusetzen. Gemäß § 7 InsVV war die gesetzliche Mehrwertsteuer in Höhe von 582.480,00 DM hinzuzusetzen, somit die Vergütung insgesamt auf 4.222.980,00 DM festzusetzen.
Die weiter gehende sofortige Beschwerde und der weiter gehende Vergütungsantrag waren zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§4 InsO, 91, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Beschwerdewert: 2.593.757,10 DM.
Der Beschwerdewert entspricht der Differenz zwischen der beantragten und der im angefochtenen Beschluss bewilligten Vergütung einschließlich Mehrwertsteuer.