Landgericht Braunschweig
Beschl. v. 03.07.2001, Az.: 8 T 771/01 (508)

Unzulässigkeit eines gegen die Ablehnung der Neufestsetzung des Verkehrswertes gerichteten Beschlusses; Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Beschwerde gegen einen Beschluss im Zwangsversteigerungsverfahren; Anforderungen an die Festsetzung des Wertes eines Grundstücks im Rahmen einer Zwangsversteigerung; Berücksichtigung von werterhöhenden Renovierungsmaßnahmen bei der Festsetzung des Grundstückswertes

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
03.07.2001
Aktenzeichen
8 T 771/01 (508)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 31113
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGBRAUN:2001:0703.8T771.01.508.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Helmstedt - 22.05.2001 - AZ: 8 K 24/00

Fundstellen

  • KTS 2002, 305
  • Rpfleger 2001, 611-612

Verfahrensgegenstand

Das im Grundbuch von Königslutter Bd. , Bl. unter lfd.Nr. 1 des Bestandsverzeichnisses eingetragene Grundstück, Gemarkung , Flur , Flurstück , Hof- und Gebäudefläche, , zur Größe von 1029 qm

In dem Zwangsversteigerungsverfahren ...
hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig
am 03.07.2001
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ,
die Richterin am Landgericht und
die Richterin
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Helmstedt vom 22.05.2001- 8 K 24/00 - wird als unzulässig verworfen.

Der Schuldner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 50.000,-- DM

Gründe

1

I.

Anläßlich der Zwangsversteigerung des im Rubrum näher bezeichneten Grundstücks hat das Vollstreckungsgericht durch Beschluss vom 07.12.2000 - 8 K 24/00 - den Grundstückswert entsprechend dem eingeholten Wertgutachten und nach Anhörung der Beteiligten auf 419.000,-- DM festgesetzt. Der Beschluss ist seinerzeit nicht angefochten worden.

2

Kurz vor dem auf den 22.05.2001 anberaumten Versteigerungstermin, am 18.05.2001, hat der Verfahrensbevollmächtigte des Eigentümers beantragt, wegen nach der Wertfestsetzung durchgeführte Renovierungsarbeiten mit behaupteter Werterhöhung von 50.000,-- DM den Versteigerungstermin aufzuheben.

3

Nach Erörterung des Terminsaufhebungsantrages im Versteigerungstermin am 22.05.2001 hat der Verfahrensbevollmächtigte des Eigentümers noch im Termin beantragt, den Verkehrswert unter Berücksichtigung der werterhöhenden Maßnahmen neu festzusetzen.

4

Daraufhin hat das Amtsgericht Helmstedt nach kurzer Unterbrechung den Antrag des Eigentümers auf Abänderung des festgesetzten Verkehrswertes durch Beschluss - 8 K 24/00 - im Termin abgelehnt.

5

Gegen diesen, dem Verfahrensbevollmächtigten des Eigentümers am 02.06.2001 zugestellten, Beschluss richtet sich dessen als "Beschwerde" bezeichnetes Rechtsmittel vom 18.06.2001.

6

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten Bezug genommen.

7

II.

Das vom Eigentümer eingelegte Rechtsmittel ist unzulässig. Es ist weder als sofortige Beschwerde (s. dazu unter 1.) noch als einfache Beschwerde (s. dazu unter 2.) statthaft.

8

1.

Ein sofortiges Beschwerderecht ergibt sich nicht aus einer Analogie zu § 74 a Abs. 5 S. 3, 1. Halbsatz ZVG. Die Kammer folgt insoweit nicht der zum Teil vertretenen Ansicht (vgl. LG Kassel, Rpfleger 1984, 474; OLG Hamm, OLGZ 1993, 354, 356; LG Coburg, Rpfleger 1999, 553, 554), nach der § 74 a Abs. 5 S. 3 1. Halbsatz ZVG nicht nur auf die erstmalige Festsetzung des Verkehrswertes Anwendung findet, sondern auch im Verfahren über eine etwaige Änderung des relativ rechtskräftig festgesetzten Verkehrswertes.

9

Die Kammer schließt sich vielmehr der Meinung (vgl. Storz, Anm. zu LG Kassel, Rpfleger 1984, 474, 475; Storz, Praxis des Zwangsversteigerungsverfahrens, 8. Auflage, München 2000, C Anm. 2.4.2., S. 356; Zeller/Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz, 16. Aufl., München 1999, § 74 a Rn 7.20 Buchst. b, Rn. 9.1) an, derzufolge lediglich der Beschluss über die Festsetzung eines veränderten neuen Verkehrswertes analog § 74 a Abs. 5 S. 3 1. Halbsatz ZVG der sofortigen Beschwerde unterliegt, nicht hingegen der - auch hier angefochtene - Beschluss, welcher einen Neufestsetzungsantrag ablehnt.

10

Entgegen der erstgenannten Ansicht, die eine sofortige Beschwerde in jedem Fall für zulässig hält, spricht gerade nicht der Wortlaut des § 74 a Abs. 5 S. 3 1. Halbsatz ZVG für ein Beschwerderecht bei der Ablehnung der Neufestsetzung. Es heißt in der Vorschrift ausdrücklich "Beschluss über die Festsetzung des Grundstückswertes". Bei einer ablehnenden Entscheidung über einen Änderungsantrag wird gerade kein Wert festgesetzt.

11

Abgesehen davon führt auch eine teleologische Auslegung nicht zu einem anderen Ergebnis:

12

Zu berücksichtigen ist, daß beim unmittelbaren Anwendungsfall des § 74 a Abs. 5 S. 3, 1 Halbsatz ZVG, der Wert erstmalig für alle Beteiligten festgesetzt wird. Denk-notwendig ausgeschlossen ist zu diesem Zeitpunkt eine Ablehnung der Festsetzung des Verkehrswertes, weil die Wertfestsetzung zur Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens unabdingbar ist. Wenn aber eine ablehnende Entscheidung auf der Stufe der erstmaligen Wertfestsetzung ausscheidet, so kann es Sinn und Zweck nur gebieten, im Falle der Abänderungsentscheidung, mit der ein neuer Wert festgesetzt wird, das Beschwerdeverfahren in Analogie zu § 74 a Abs. 5 S. 3, 1. Halbsatz ZVG, zu eröffnen, nicht hingegen auch bei der Ablehnung der Abänderung des Verkehrswertes. Hierfür sprechen insbesondere auch praktische Erwägungen:

13

Eröffnet man gegen die ablehnende Entscheidung ein Rechtsmittel, so hätte es jeder Beteiligte in der Hand, das Zwangsversteigerungsverfahren nach erstmaliger Festsetzung des Wertes nach Belieben zu verzögern (vgl. Storz, Anm. zu LG Kassel, Rpfleger 1984, 474, 475). Deutlich zu Tage tritt diese Konsequenz insbesondere am vorliegenden Fall:

14

Hier beantragt der Verfahrensbevollmächtigte des Eigentümers kurz vor dem anberaumten Versteigerungstermin Terminsaufhebung und stellt erst im Termin selbst einen Abänderungsantrag. Ließe man ein Rechtsmittel in dieser Verfahrenssituation zu, so könnte jeder Beteiligte beliebig werterhöhende Massnahmen behaupten und einen Abänderungsantrag stellen und so das nicht mit unerheblichen Aufwand organisierte Versteigerungsverfahren blockieren. Das kann vornehmlich unter prozeßökonomischen Gesichtspunkten nicht Sinn und Zweck des Zwangsversteigerungsverfahrens sein.

15

Auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtschutzbedürfnisses fehlt es nach Ansicht der Kammer an einem sofortigen Beschwerderecht. Der ablehnende Beschluss kann nämlich, entgegen § 74 a Abs. 5 S. 4 ZVG, mit der Zuschlagsbeschwerde gem. §§ 100, 83 ZVG, 83 Nr. 5, angefochten werden, wenn seit der ersten Wertfestsetzung aufgrund neuer Tatsachen werterhöhende, bzw. wertmindernde Umstände eingetreten sind (vgl. Storz, Praxis des Zwangsversteigerungsverfahrens a.a.O. C Anmerkung 2.4.2., S. 356; Zöller/Stöber, a.a.O. § 74 a Rn 9.11,9.13).

16

Ein Rechtschutzbedürfnis scheitert auch unter dem Aspekt der Schutzwürdigkeit des Eigentümers. Der Eigentümer hat hier in Kenntnis der Eröffnung des Zwangsversteigerungsverfahrens und in Kenntnis des auf 419.000,-- DM festgesetzten Verkehrswertes - also sehenen Auges - Renovierungsarbeiten am Grundstück durchgeführt, die nach seiner Behauptung werterhöhend gewesen seien.

17

2.

Auch eine einfache Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluss ist nicht statthaft. Gegen welche Entscheidungen im Zwangsversteigerungsrecht eine einfache Beschwerde zulässig ist, folgt abschließend aus § 95 ZVG. In diesem Katalog wird die Beschwerde gegen die Ablehnung der Änderung des festgesetzten Verkehrswertes gerade nicht aufgeführt.

18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

19

Der Beschwerdewert bemißt sich am Interesse des Beschwerdeführersan der Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Dabei hat die Kammer den vom Beschwerdeführer behaupteten Wert der durchgeführten Renovierungsmassnahmen zugrunde gelegt.