Landgericht Braunschweig
Urt. v. 26.09.2001, Az.: 9 O 1698/01 (466)

Erforderlichkeit eines Mindestmaßes an Branchenähnlichkeit für ein markenverletzendes Handeln im Rahmen von Internet-Domains; Aufgabe eine Homepage als Werbemittel und Vertriebsmittel in Abgrenzung zu einer selbstständigen Dienstleistung; Nichtvorliegen einer über die Dienstleistungspalette und Produktpalette hinausgehenden Angebotes auf der Homepage; Nichtbestehen einer Ähnlichkeit zwischen einer Reisevermittlung einerseits und einem Angebot für Informationsverarbeitung andererseits; Nichterkennbarkeit einer gedanklichen Verknüpfung zwischen den Angeboten als Grundlage für eine Verwechslungsgefahr bei gleichnamigen Domains

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
26.09.2001
Aktenzeichen
9 O 1698/01 (466)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 31115
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGBRAUN:2001:0926.9O1698.01.466.0A

In dem Rechtsstreit ...
hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig
im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzendfrist bis zum 03.09.2001
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...,
den Richter am Landgericht ... und
die Richterin ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.400,00 DM, die auch in Form einer selbstschuldnerischen, unwiderruflichen, unbefristeten und unbedingten Bürgschaft eines als Zoll- oder Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstitutes erbracht werden darf, vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 50.000,00 DM.

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Benutzung von zwei Internet-Domains wegen Marken- und Namensverletzung in Anspruch.

2

Die Klägerin betreibt unter der Firma . ein Reisebüro, dessen Tätigkeitsschwerpunkt in der Vermittlung von Reisen nach Skandinavien besteht.

3

Die Klägerin ist ferner Inhaberin der am 18.08.1982 angemeldeten und am 06.04.1983 in das Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamtes eingetragenen Wort-/Bildmarke .. Unter dem 18.02.1992 wurde die Schutzdauer dieser Marke für weitere 10 Jahre verlängert. Die Marke ist für die Dienstleistungen Vermittlung von Mietverträgen über Ferienhäuser in den nordeuropäischen Reiseländern, insbesondere Dänemark, Schweden und Norwegen; Vermittlung und Veranstaltung von Reisen und Vermittlung von Verkehrleistungen eingetragen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Marke wird auf Bl. 8-12 d.A. Bezug genommen.

4

Bei der Beklagten handelt es sich um ein Systemhaus für digitale und analoge Informationsverarbeitung. Als Dienstleistung bietet sie u.a. das Scannen an. Wegen der weiteren Einzelheiten der Dienstleistungen sowie des Produktangebots der Beklagten wird auf die Anlage B 1 (Bl. 24 f. d.A.) verwiesen.

5

Seit dem Jahr 2000 tritt die Beklagte unter den Domain-Namen "..." und "..." im Internet auf.

6

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte verletze dadurch - trotz fehlender Branchennähe bzw. fehlendem Wettbewerbsverhältnis - sowohl ihr Marken- als auch ihr Namensrecht. Da eine Internetadresse - ungeachtet der Branche - immer nur einmal vergeben werden könne, liege eine Beeinträchtigung des Namensträger schon dann vor, wenn sein Name überhaupt von einem anderen verwendet und er selbst damit gehindert werde, seinen eigenen Namen zur Bezeichnung seiner Internetadresse zu verwenden.

7

Die Klägerin beantragt,

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr unter den Domains "..." oder "..." im Internet aufzutreten.

8

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Die Beklagte meint dagegen, dass ein Unterlassungsanspruch gerade an der fehlenden Branchennähe sowie am fehlenden Wettbewerbsverhältnis scheitere. Markenrechtlich bestehe keine Verwechslungsgefahr. Namensrechtlich sei schon zweifelhaft, ob überhaupt ein namensmäßiger Gebrauch durch die Beklagte vorläge, weil die Beklagte die angegriffenen Domain-Namen lediglich für einen Teil ihrer angebotenen Dienstleistungen - das Scannen - beschreibend verwende. Zumindest sei aber kein unbefugter Namensgebrauch festzustellen, weil die Beklagte an der Nutzung der Domänen ein berechtigtes Interesse habe.

10

Das Gericht hat mit Zustimmung der Parteien die Entscheidung im schriftlichen Verfahren angeordnet.

11

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

12

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

13

1.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch darauf, daß die Beklagte es unterläßt, unter den Domains "..." oder "..." im Internet aufzutreten.

14

a)

Ein Unterlassungsanspruch läßt sich nicht auf die markenrechtlichen Anspruchsgrundlagen von § 14 Abs. 4, Abs. 2 Nr. 2 sowie § 15 Abs. 4, Abs. 2 MarkenG stützen, weil keine Verwechslungsgefahr besteht.

15

Entgegen der Ansicht der Klägerin erfordert ein markenverletzendes Handeln im Sinne der vorbezeichneten Vorschriften auch in Bezug auf Internet-Domains ein Mindesmaß an Branchenähnlichkeit (vgl. OLG Braunschweig, Urteil vom 19.07.2001, 2 U 167/00, Seite 16 f. ). Eine gegenteilige Sichtweise verkennt den regulären Charakter einer Homepage als Werbe- und Vertriebsmittel für übergeordnete Waren oder Dienstleistungen; grundsätzlich ist es nämlich gerade nicht so, daß die Homepage, die unter der Domain aufgerufen werden kann, selbst die verwechslungsfähige Ware oder Dienstleistung darstellt (vgl. OLG Braun- schweig, a.a.O., Seite 16). Nur ausnahmsweise, wenn sie über Produkt- und Unternehmensinformationen des Anbieters hinaus den Abruf eigenständiger Unterhaltungs-, Recherche- oder Kommunikationsvermittlungsleistungen ermölicht, ist die Homepage selbständige Dienstleistung (vgl. Ingerl/Rohnke, Marken- gesetz, § 14 Rdnr. 242).

16

Ausweislich der von den Beklagten als Anlage B 1 (Bl. 24 f. d.A.) vorgelegten Kopie der Homepage der Beklagten wird dort ein Überblick über die von den Beklagten angebotenen Dienstleistungen sowie Produkte gegeben. Es wird gerade kein über die Dienstleistungs- und Produktpalette hinausgehendes Angebot im Internet durch die Beklagten unterbreitet, so dass die Homepage nicht als eigenständige Dienstleistung zu werten ist.

17

Zwischen den von der Klägerin angebotenen Dienstleistungen - Vermittlung von Reisen nach Skandinavien - und denjenigen der Beklagten - Scannen, Vektorisieren, Verfilmen, Archivieren, Plotten, Vervielfältigen, Technischer Service, Systemberatung und Integration sowie Beleg- und Archivierungsanalyse - besteht offensichtlich und unstreitig keine Ähnlichkeit. Gleiches gilt in Bezug auf die Reisebranche der Klägerin und der Informations- und Datenverarbeitungsbranche der Beklagten. Der durchschnittliche verständige Internetbenutzer wird daher keine für die Bejahung einer Verwechslungsgefahr erforderliche gedankliche Verknüpfung zwischen den Parteien herstellen.

18

Sofern die Klägerin eine Verletzung darauf stützt, daß ein Domain-Name nur jeweils einmal, und zwar unabhängig von der Branche, vergeben werde könne, übersieht sie die gesetzgeberische Entscheidung im Bereich des Markengesetzes, nach der jede Gleichnamigkeit gerade nicht zu einer Verwechslungsgefahr führen soll, sondern vielmehr weitere Umstände voraussetzt (vgl. OLG Braunschweig, a.a.O., Seite 16). Eine möglicherweise anfängliche Verwechslungsgefahr, die allein auf Grund des ähnlichen oder gleichlautenden Namens entsteht, ist demnach bewusst hinzunehmen.

19

b)

Aus den vorbezeichneten Gründen kommt auch ein Unterlassungsanspruch gem. § 12 Satz 2 BGB nicht in Betracht. Denn auch diese Anspruchsgrundlage setzt voraus, daß die Gefahr einer Identitäts- oder Zuordnungsverwirrung entsteht (vgl. Palandt-Heinrich, § 12 Rdnr. 20, 22). Deshalb kann auch dahinstehen, ob überhaupt eine namensmäßige Benutzung, und nicht nur eine rein beschreibende Verwendung, durch die Beklagte vorliegt und ob die Regelung des § 12 BGB nicht durch die spezielleren Vorschriften des Markengesetzes verdrängt wird.

20

c)

Gleiches gilt für etwaige Unterlassungsansprüche aus §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1 BGB, § 826 BGB sowie §§ 1, 3 UWG, wobei es hinsichtlich der wettbewerbsrechtlichen Anspruchsgrundlagen schon an einem Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien fehlt.

21

2.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO; diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.

22

II.

Der Streitwert bemisst sich gemäß § 12 b Abs. 1 GKG. Die Streitwertangabe der Klägerin, die nach Ansicht der Kammer nicht zu beanstanden ist, wirkt dabei indiziell.