Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 07.03.2013, Az.: 16 U 147/12
Kündigung; Pauschalbauvertrag; wichtiger Grund
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 07.03.2013
- Aktenzeichen
- 16 U 147/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 64328
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG - 24.10.2012 - AZ: 12 O 250/10
Rechtsgrundlagen
- § 314 Abs 3 BGB
- $ 649 S 2 BGB
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Beginnt der Auftragnehmer mit den Bauarbeiten, obwohl noch keine Baugenehmigung vorliegt, kann der Auftraggeber den Vertrag aus wichtigem Grund kündigen. Gleiches gilt, wenn der Auftraggeber den Hausbau durch ein KfW-Förderprogramm finanzieren will und der Auftragnehmer die Bauarbeiten bereits vor Antragstellung aufnimmt.
2. Wird ein Pauschalpreisvertrag vorzeitig (hier: durch Kündigung) beendet, hat der Auftragnehmer bei der Abrechnung die erbrachten Leistungen vorzutragen, diese von dem nicht ausgeführten Teil abzugrenzen und das Verhältnis der bewirkten Leistungen zur vereinbarten Gesamtleistung sowie des Preisansatzes für die Teilleistung zum Pauschalpreis darzulegen.
Tenor:
Die Berufungen beider Parteien gegen das am 24.10.2012 verkündete Urteil des Landgerichts Hannover werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin mit 90 %, die Beklagten mit 10 %.
Das angefochtene Urteil und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die jeweils vollstreckende Partei Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Berufungswert: 58.439 €, davon entfallen auf die Berufung der Beklagten 5.920,00 €.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt Werklohn abzüglich ersparter Aufwendungen aus einem Hausbauvertrag nach Kündigung seitens der Beklagten.
Die Parteien schlossen am 03.06.2007 einen Vertrag über die Errichtung eines Einfamilienhauses zu einem Brutto-Festpreis von 296.000 € (Bl 2 ff Anlagenband Klägerin).
Bereits kurz nach Beginn der Arbeiten kam es zwischen den Parteien zu Unstimmigkeiten, die schließlich zur außerordentlichen Kündigung des Vertrages durch die Beklagten mit Schreiben vom 04.10.2007 (Anlage B 8) führten. Die Klägerin wies die für die Kündigung angeführten Gründe zurück und verlangte in erster Instanz Werklohn für die Herstellung des Bauantrages von 2 % (nach dem Zahlungsplan des Bauvertrages) = 5.920,00 € brutto, weitere 5.147,00 € für zusätzlich vereinbarte Malerarbeiten sowie für nicht ausgeführte Leistungen infolge der Kündigung unter Abzug ersparter Aufwendungen 62.429,50 €.
Das Landgericht hat der Klage nur in Höhe von 5.920,00 € (für Erstellung des Bauantrages) nebst Zinsen stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Malerarbeiten seien im Festpreis eingeschlossen und könnten nicht gesondert verlangt werden. Das Landgericht hat offen gelassen, ob die Beklagten zur außerordentlichen Kündigung berechtigt waren. Die Klägerin habe jedenfalls einen weiteren Anspruch aus § 649 Satz 2 BGB nicht hinreichend dargetan. Es fehle bereits an einer Kalkulation der einzelnen Leistungen. Auch die weiteren Berechnungen der Klägerin (Bl 162 d. A.) und die Berechnung nach umbautem Raum aufgrund von Erfahrungswerten (Bl 209 f) sowie die - hilfsweise - Berechnung nach DIN 276 genügten nicht den Anforderungen.
Gegen dieses Urteil, auf das wegen weiterer Einzelheiten gemäß § 540 ZPO Bezug genommen wird, richten sich die Berufungen beider Parteien. Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung eine weitere Forderung in Höhe von 52.519,75 € (Vergütung nicht erbrachter Leistungen netto), während die Beklagten mit ihrer Berufung die vollständige Abweisung der Klage erstreben.
Die Klägerin wendet sich gegen die Abweisung ihres Anspruchs aus § 649 Satz 2 BGB. Es liege nur eine sog. freie Kündigung vor, so dass die Klägerin Anspruch auf Vergütung der nicht erbrachten Leistungen unter Abzug ersparter Aufwendungen habe. Diesen Anspruch habe sie auch hinreichend unter Darstellung der einzelnen Gewerke dargetan, so dass die Beklagten in der Lage gewesen seien, dazu vorzutragen. Abweichend zur ersten Instanz begehrt die Klägerin in der Berufung lediglich noch den um die Umsatzsteuer verminderten Betrag von 52.519,75 €. Lediglich hilfsweise hätte das Gericht aufgrund der Schätzung nach HOAI mindestens einen Anspruch in Höhe von 16.554,63 € zusprechen müssen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung weiterer 52.519,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 5.5.2008 zu verurteilen
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen,
und unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagten rügen, dass das Landgericht die Frage der Kündigung aus wichtigem Grund unbeantwortet gelassen hat. Nach ihrer Auffassung lägen ausreichende Gründe für eine außerordentliche Kündigung des Bauvertrages vor. Die Klägerin habe vor Erteilung der Baugenehmigung bereits mit den Bauarbeiten begonnen, obwohl ihr bekannt gewesen sei, dass für den Erhalt der KfW-Förderung mit den Arbeiten erst nach Antragstellung begonnen werden dürfe. Deshalb sei die Klägerin auch durch die Beklagten mehrmals aufgefordert worden, die Voraussetzungen für die KfW-Förderung zu bestätigen. Das Landgericht habe dies als hinreichenden Kündigungsgrund ebenso gesehen und lediglich Bedenken geäußert, dass die Kündigung erst Monate später erfolgt sei. Dem könne aber nicht gefolgt werden, denn die Beklagten hätten die Kündigung aus wichtigem Grund erst als „ultima ratio“ angesehen und den Vertrag dann innerhalb von zwei Monate ab Kenntnis vom Beginn der Arbeiten gekündigt. Dies sei mithin rechtzeitig und wirksam. Entgegen der Auffassung des Landgerichts in seinem Hinweis vom 17.02.2012 (Bl. 146 f.) hätten sich die Beklagten auch nicht anschließend mit dem Vorgehen der Klägerin arrangiert.
Ein Honorar für die Stellung des Bauantrages stehe der Klägerin nicht zu, weil ihre Leistung mangelhaft sei.
Mit den von der Klägerin vorgelegten Angeboten sei die vertragsgemäße Leistung nicht zu erreichen gewesen. Sonderwünsche der Beklagten zur Garage und Gaube seien nicht berücksichtigt. Auch die zugesagten energetischen Voraussetzungen für eine KfW-Förderung als Passivhaus seien nicht eingehalten. Die von der Klägerin genannten ersparten Aufwendungen seien unzutreffend, weil die tatsächlichen Kosten weit höher gelegen hätten. Unberücksichtigt blieben dabei Kosten für Planung, Bauregie, Koordination, statische Berechnung sowie die Vertriebsprovision der Klägerin. Dementsprechend habe das Landgericht auch auf die Unschlüssigkeit der Forderung hingewiesen.
II.
Die Rechtsmittel beider Parteien haben im Ergebnis keinen Erfolg.
1. Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen die Entscheidung, soweit das Landgericht der Klägerin für die Erstellung des Bauantrages 5.920,00 € zugesprochen hat.
Die Berufung der Beklagten ist insoweit unbegründet, wobei es hier nicht darauf ankommt, ob eine Kündigung des Bauvertrages aus wichtigem Grund berechtigt gewesen ist, denn auch dann hätte die Klägerin jedenfalls einen Anspruch auf Vergütung der bis zur Kündigung erbrachten Leistungen.
Nach der Rechtsprechung des BGH (VII ZR 394/02) hat der Auftragnehmer zur Abrechnung eines vorzeitig beendeten Pauschalpreisvertrages - wie hier - die erbrachten Leistungen vorzutragen, diese von dem nicht ausgeführten Teil abzugrenzen und das Verhältnis der bewirkten Leistungen zur vereinbarten Gesamtleistung sowie des Preisansatzes für die Teilleistung zum Pauschalpreis darzulegen. Die Abrechnung muss auf der Grundlage des Vertrages erfolgen und den Besteller in die Lage versetzen, sich sachgerecht zu verteidigen (Urteil vom 4. Juli 2002 - VII ZR 103/01, BauR 2003, 1588 = NZBau 2002, 614 = ZfBR 2002, 787; Urteil vom 25. Juli 2002 - VII ZR 263/01, BauR 2002, 1695 = NZBau 2002, 613 = ZfBR 2002, 789; Urteil vom 13. Mai 2004 - VII ZR 424/02, BauR 2004, 1441 = NZBau 2004, 549 = ZfBR 2004, 687).
Dem ist die Klägerin hinreichend nachgekommen, denn sie hat mit Schriftsatz vom 12.03.2012 die nach der Rechtsprechung geforderten Angaben dargelegt, so dass die Beklagten in der Lage waren, sich auf diesem Vortrag hin sachgerecht zu verteidigen. Die Klägerin verlangt in der Höhe indessen nur die nach dem Bauvertrag vereinbarte erste Zahlungsrate von 2% der Auftragssumme. Darauf allerdings kann es im Falle der Kündigung nicht (mehr) ankommen (BGH VII ZR 82/96), denn der Zahlungsplan entspricht nicht notwendig dem Wert der erbrachten Teilleistung im Verhältnis zur Gesamtleistung. Dies ist aber hier unschädlich, denn die Klägerin hat mit Vorlage der Rechnung des Architekten den für die Erstellung der Genehmigungsplanung erforderlichen Aufwand konkret dargetan. Der Rechnungsbetrag von 6.055,92 € liegt über dem von der Klägerin für die Teilleistung geforderten Betrag von 5.920,00 €, so dass die Beklagten hierdurch nicht benachteiligt werden können.
Die Leistung hat die Klägerin auch hinreichend erbracht, weil sie die zunächst als fehlend von den Beklagten gerügten Bauantragsunterlagen nachgereicht hat.
Soweit die Beklagten sich darauf berufen, die Planung sei mangelhaft, fehlt es dazu an einem hinreichend substantiierten Vortrag. Dass die Baugenehmigung nicht erteilt worden ist, beruhte darauf, dass die Beklagten selbst den Antrag zurückgenommen hatten. Im Übrigen ist nicht erkennbar, aufgrund welcher konkreten Einwendungen die Planung nicht genehmigungsfähig gewesen sein sollte.
Dass die Planung für die Beklagten infolge der Kündigung wertlos gewesen ist, haben die Beklagten selbst nicht behauptet.
2. Berufung der Klägerin
Einen Anspruch aus § 649 Satz 2 BGB für die infolge der Kündigung nicht erbrachten Leistungen hat die Klägerin nicht, denn die Kündigung war aus wichtigem Grund gerechtfertigt.
Ein wichtiger Grund für eine Kündigung liegt u.a. vor bei einer schweren Vertragsverletzung, die eine Fortsetzung des Vertrages unzumutbar erscheinen lässt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend zu bejahen.
Die Klägerin hatte bereits am 2.8.2007 mit den Arbeiten auf dem Baugrundstück begonnen. Das ergibt sich aus einem eigenen Schreiben der Klägerin vom 07.08.2007 (Anlage B 14), in dem sie selbst den Beginn der Arbeiten als nicht vertragswidrig bezeichnet. Dabei führt sie aus, die Arbeiten hätten am 02.08.2007 begonnen und die Baustelle sei weitestgehend eingerichtet. Die Erdarbeiten hätten begonnen. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus den von den Beklagten vorgelegten Lichtbildern (Anlage B 15). Zu diesem Zeitpunkt war allerdings die Baugenehmigung noch nicht erteilt und unter dem 13.8. forderte die Region H. insoweit noch fehlende Unterlagen nach. Soweit die Klägerin einen Beginn der Bauarbeiten in Abrede stellt, kann sie damit nicht gehört werden. Sie muss sich an ihrem eigenen Schreiben festhalten lassen, in dem sie selbst den Beginn der Arbeiten (s. o.) beschrieben hat. Im Übrigen ist offenbar auch aus diesem Grunde auf die Anzeige der Beklagten hin ein Bußgeld verhängt worden, nachdem die Klägerin den zunächst eingelegten Einspruch dagegen zurückgenommen hat. Bereits hierin liegt eine schwerwiegende Vertragsverletzung, die die Kündigung aus wichtigem Grund rechtfertigen kann (dazu KG, 27 U 6163/94, IBR 1997, 209).
Es kommt hinzu, dass die Beklagten den Hausbau teilweise durch ein KfW-Förderprogramm finanzieren wollten, was der Klägerin ebenfalls bekannt war. Fördermittel werden allerdings bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen nur dann zugesagt, wenn mit den Arbeiten nicht vor Antragstellung begonnen worden ist. Dies ergibt sich aus den im Internet zur Verfügung stehenden Informationen der KfW Bankengruppe und ist überdies gerichtsbekannt. Das Bestreiten der Klägerin ist demgegenüber ohne ausreichende Substanz.
Mit dem oben beschriebenen Baubeginn hat die Klägerin somit eine weitere Vertragsverletzung begangen und hierdurch die Förderung durch die KfW zumindest gefährdet und in Frage gestellt, denn zum Zeitpunkt des Arbeitsbeginns waren noch nicht einmal die Antragsunterlagen erstellt, so dass eine Antragstellung noch nicht möglich gewesen ist.
Eine Fortsetzung des Vertrages war damit unter Würdigung aller Umstände für die Beklagten nicht (mehr) zumutbar. Dies belegt auch der weiter geführte Schriftverkehr zwischen den Parteien. Daran vermag auch die gemeinsame Besprechung am 6.9.2007 nichts zu ändern, denn diese hat offensichtlich nicht zu einer Einigung geführt, was auch durch die zwei unterschiedlichen Protokollentwürfe (Anlagenband Kl. Bl 140) anschaulich belegt wird.
Die Klägerin ist auch hinreichend abgemahnt worden mit Schreiben der Beklagten vom 13.08.2007 sowie nochmals durch deren Verfahrensbevollmächtigten mit Schreiben vom 13.9. und 26.09.2007 (Anlagen B 4 ff). Vor diesem Hintergrund kann die schließlich unter dem 04.10.2007 erfolgte Kündigung aus wichtigem Grund nicht als verspätet angesehen werden. Ebenso kann es den Beklagten nicht vorgehalten werden, dass sie zunächst unter Fristsetzungen noch von einer vorherigen Kündigungserklärung Abstand genommen hatten, um den Vertrag möglicher Weise noch zu „retten“. Die Reaktionen der Klägerin waren jedenfalls nicht dergestalt, dass die Fortsetzung des Vertrages trotz der oben festgestellten Vertragswidrigkeiten für die Beklagten noch zumutbar war. Der Zeitraum von knapp zwei Monaten bis zur Kündigungserklärung ist auch unter Berücksichtigung der Regelung in § 314 Abs. 3 BGB, die für Dauerschuldverhältnisse gilt, nicht unangemessen lang, zumal sich die Klägerin angesichts der mehrfachen Schreiben der Beklagten bzw. ihres Bevollmächtigten Rechtsanwalts nicht darauf einrichten konnte, dass die Beklagten von einer Kündigung absehen würden.
Infolge der danach wirksamen Kündigung aus wichtigem Grund steht der Klägerin kein Anspruch auf Vergütung der nicht ausgeführten Leistungen zu.
3. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 92, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.