Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 20.02.2003, Az.: 12 A 4604/99
Abschiebungshindernis; Bosniake; Bosnien-Herzegowina; ethnische Minderheit; inländische Fluchtalternative; Kausalität; Kosovo; Politmalus; Sandzak; SDA; Serbien; Strafverfahren
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 20.02.2003
- Aktenzeichen
- 12 A 4604/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 47922
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 51 Abs 1 AuslG
Tatbestand:
Der im Februar 1960 in Tutin (Serbien außerhalb Kosovo) geborene Kläger ist jugoslawischer Staatsangehöriger und nach eigenen Angaben Angehöriger der Gruppe der Muslime aus dem Sandzak. Er reiste im Oktober 1999 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein.
Der Kläger stellte am 4. November 1999 einen Asylantrag. Zur Begründung machte er bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 4. November 1999 im Wesentlichen geltend, er habe mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern in Tutin gelebt. Er sei am 8. August 1999 im Zusammenhang mit einer Unterschriftenaktion für den Rücktritt von Milosevic festgenommen worden und nach dem Verhör sollte er in das Gefängnis von Novi Pazar gebracht werden. Während einer vorherigen Untersuchung in einem Krankenhaus sei ihm aber die Flucht gelungen. Zunächst habe er sich in der Nähe des Hauses seiner Mutter versteckt gehalten und sei dann im Oktober 1999 in die Bundesrepublik Deutschland geflohen. Er sei bereits im Jahre 1993 mit 24 anderen Muslimen aus dem Sandzak, jeweils Mitglieder der SDA, verhaftet worden. Dabei seien sie geschlagen und gefoltert worden. Er sei nach einer Untersuchungshaft von 10 Monaten zu 2 Jahren Haft verurteilt worden. Da das Urteil aufgehoben worden sei, sei das Verfahren immer noch anhängig.
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lehnte mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 24. November 1999, zugestellt am 29. November 1999, den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen und forderte den Kläger unter Fristsetzung und Androhung der Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien zur Ausreise auf. Zur Begründung machte es im Wesentlichen geltend, dass der Kläger eine politische Verfolgung im Zusammenhang mit seiner Ausreise im Oktober 1999 nicht "dargetan" habe. Insbesondere sei das 1993 begonnene Strafverfahren nicht "ausreiseveranlassend" und damit kausal für die Flucht im Oktober 1999 gewesen. Auch sei das Vorbringen nicht glaubhaft, weil inhaltlich widersprüchlich und in allgemeinen Statements gehalten.
Der Kläger hat am 13. Dezember 1999 Klage erhoben. Er wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen. Er verweist auf zahlreiche Zeitungsberichte über das weiterhin anhängige Strafverfahren in Novi Pazar. Hierbei handele es sich um einen politischen Prozess. Er habe die ihm vorgeworfenen Handlungen nicht begangen. Er fürchte weiterhin allein wegen seiner Mitgliedschaft in der SDA und als Angehöriger der Muslime aus dem Sandzak zu Unrecht verurteilt zu werden. Das Verfahren sei weder eingestellt noch sei er begnadigt worden; eine Amnestie sei auch noch nicht ausgesprochen worden.
Der Kläger hat zunächst schriftsätzlich beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen der §§ 51 und 53 AuslG vorliegen. Später hat er die Klage zurückgenommen, soweit er die Verpflichtung der Beklagten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, begehrte.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 24. November 1999 zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, hilfsweise des § 53 AuslG vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf die Begründung des angefochtenen Bescheides.
Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört worden. Hinsichtlich der Ergebnisses der Anhörung wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 18. Dezember 2001 und vom 20. Februar 2002 verwiesen.
Ferner hat das Gericht mit Beschluss vom 17. Januar 2002 Beweis erhoben durch Einholung von Auskünften / fachlicher Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes, amnesty international (Sektion Deutschland) und des UNHCR. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf die Äußerungen des UNHCR vom 28. Januar 2002 (Bl. 121 der Akte), des Auswärtigen Amtes vom 2. Juli 2002 (Bl. 125 a bis 125 c der Akte), vom 17. September 2002 (Bl. 143 der Akte) und vom 18. November 2002 (Bl. 154 f. der Akte) sowie von amnesty international vom 19. November 2002 (Bl. 156 ff. der Akte).
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge sowie der in der Erkenntnismittelliste (Bl. 194 ff. der Akte) aufgeführten sowie der weiteren in das Verfahren eingeführten Unterlagen Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Das Verfahren war gemäß § 92 Abs. 3 S. 1 VwGO einzustellen, soweit der Kläger seine Klage in Bezug auf die zunächst auch begehrte Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16 a Abs. 1 GG) zurückgenommen hat.
Im Übrigen ist die Klage, über die nach Übertragungsbeschluss der Kammer durch den Einzelrichter entschieden werden konnte, zulässig und begründet. Der Kläger hat Anspruch auf die Verpflichtung der Beklagten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich einer Abschiebung nach Serbien und Montenegro (vormals Bundesrepublik Jugoslawien) vorliegen; insoweit ist die Ablehnung rechtswidrig und verletzt die Rechte des Klägers, § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO (1.). Hieraus folgt zugleich die Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung (Nr. 4 des angefochtenen Bescheides), so dass der angefochtene Bescheid auch insoweit aufzuheben ist, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO (2.).
1. a. Nach § 51 Abs.1 AuslG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Diese Voraussetzungen sind deckungsgleich mit denen des Asylgrundrechts, soweit es die Verfolgungshandlung, das geschützte Rechtsgut und den politischen Charakter der Verfolgung betrifft. Auch hinsichtlich der Frage, ob die Gefahr politischer Verfolgung droht, kommen beide Regelungen zu keinen unterschiedlichen Ergebnissen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1992 - 9 C 59.91 -, NVwZ 1992, 892 und Urteil vom 18. Januar 1994 - 9 C 48.92 -, BVerwGE 95, 42).
Nach Art. 16 a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Politisch verfolgt ist, wer in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen - wie etwa auch die ethnische Herkunft oder Volkszugehörigkeit -, gezielt intensive und ihn aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzende Rechtsverletzungen erlitten hat oder wenn diese unmittelbar drohten oder noch drohen. Eine notwendige Voraussetzung dafür, dass eine Verfolgung sich als eine politische darstellt, liegt darin, dass sie im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen um die Gestaltung und die Eigenart der allgemeinen Ordnung des Zusammenlebens von Menschen und Menschengruppen steht, also - im Unterschied etwa zu einer privaten Verfolgung - einen öffentlichen Bezug hat und von einem Träger überlegener, in der Regel hoheitlicher Macht ausgeht, der der Verletzte unterworfen ist. Politische Verfolgung ist somit grundsätzlich staatliche Verfolgung (BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86, 2 BvR 1000/86, 2 BvR 961/86 -, BVerfGE 80, 315; BVerfG, Beschluss vom 10. August 2000 - 2 BvR 260/98 und 2 BvR 1353/98 -, NVwZ 2000, 1165).
Maßgeblich für die Bewertung einer Maßnahme als politische Verfolgung ist, dass der Schutzsuchende einerseits in ein übergreifendes, das Zusammenleben in der konkreten Gemeinschaft durch Befehl und Zwang ordnendes Herrschaftsgefüge eingebunden ist, welches den ihm Unterworfenen in der Regel Schutz gewährt, andererseits aber wegen asylerheblicher Merkmale von diesem Schutz ausgenommen und durch gezielt zugefügte Rechtsverletzungen aus der konkreten Gemeinschaft ausgeschlossen wird, was ihn in eine ausweglose Lage bringt, der er sich nur durch die Flucht entziehen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. August 2000, a.a.O.).
Auch Maßnahmen der staatlichen Selbstverteidigung können asylrechtsbegründend sein. Da auch die Betätigung einer politischen Überzeugung im Schutzbereich des Asylgrundrechts liegt, kann eine staatliche Verfolgung von Taten, die aus sich heraus die Umsetzung politischer Überzeugung darstellten - insbesondere separatistische Aktivitäten - grundsätzlich politische Verfolgung sein, und zwar auch dann, wenn der Staat hierdurch das Rechtsgut des eigenen Bestandes oder seiner politischen Identität verteidigt. Eine Strafverfolgung ist im Hinblick hierauf aber dann keine politische Verfolgung, wenn der Staat Handlungen verfolgt, die sich gegen die Rechtsgüter seiner Bürger richten (kriminelles Unrecht). Ferner stellt sich die Verfolgung von Taten, die sich gegen politische Rechtsgüter richten, dennoch nicht als politische Verfolgung dar, wenn derartige Umstände darauf schließen lassen, dass sie nicht der mit dem Delikt betätigten politischen Überzeugung als solcher gilt, sondern einer in solchen Taten zum Ausdruck kommenden zusätzlichen kriminellen Komponente, deren Strafwürdigkeit der Staatenpraxis geläufig ist (BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989, a.a.O.). Daneben kann die Verfolgung von Straftaten, die nach dem Vorangegangenen nicht politische Verfolgung darstellt, in politische Verfolgung umschlagen, wenn objektive Umstände darauf schließen lassen, dass der Betroffene gleichwohl wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt wird. Dies ist insbesondere dann zu vermuten, wenn er eine Behandlung erleidet, die härter ist als die sonst zur Verfolgung ähnlicher - nicht politischer - Straftaten von vergleichbarer Gefährlichkeit im Verfolgerstaat übliche (BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989, a.a.O.). Demgemäß kann sich eine politische Zielrichtung der Verfolgerstaates u.a. aus dem Straftatbestand, der Höhe und Ungewissheit der Strafe, der Strafzumessung (sog. Politmalus - vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 1988 - 9 C 278.86 -, BVerwGE 79, 143; Urteil vom 10. Januar 1995 - 9 C 276.94 -, NVwZ 1996, 86, Beschluss vom 6. September 1995 - 9 B 250.95 -, juris) oder aus der Behandlung durch die Strafverfolgungs- und Vollzugsorgane ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. April 1983 - 1 BvR 866/82, 1 BvR 890/82 -, BVerfGE 64, 46). Indizien für eine politische Verfolgung können auch ein manipuliertes Strafurteil oder manipulierte Beweise durch die Ermittlungsbehörden sein (BVerfG, Beschluss vom 23. Februar 1983 - 1 BvR 990/82 -, BVerfGE 63, 197).
Die sowohl bei einer individuellen als auch einer landesweiten bzw. regional begrenzten Gruppenverfolgung entscheidende Frage, ob eine Verfolgungsgefahr für die absehbare Zukunft besteht, muss aufgrund einer Prognose beurteilt werden, die - ausgehend von den Verhältnissen im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung - die Wahrscheinlichkeit künftiger Geschehensabläufe bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr des Betroffenen in seinen Heimatstaat zum Gegenstand hat (BVerwG, Urteile vom 3. Dezember 1985 - 9 C 22.85 -, NVwZ 1986, 760 und vom 5. November 1991 - 9 C 118.90 -, BVerwGE 89, 162). Für die Beurteilung, ob ein Asylsuchender asylberechtigt ist, gelten unterschiedliche Maßstäbe je nachdem, ob er seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt in die Bundesrepublik gekommen ist.
Der hierbei jeweils anzulegende Maßstab hängt davon ab, ob eine Vorverfolgung angenommen werden kann oder nicht. Hat der Betroffene seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen, ist festzustellen, dass er im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist. Derartig vorverfolgt Ausgereisten ist eine Rückkehr aufgrund veränderter Umstände nur zuzumuten, wenn die Gefahr, erneut mit Verfolgungsmaßnahmen überzogen zu werden, mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann (sog. herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab) - BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147, 181, 182/80 -, BVerfGE 54, 341, 357; BVerwG, Urteile vom 25. September 1984 - 9 C 17.84 -, BVerwGE 70, 169 und vom 18. Februar 1997 - 9 C 9.96 -, BVerwGE 104, 97).
Eine Vorverfolgung setzt nach dem Zufluchtgedanken grundsätzlich einen kausalen Zusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht voraus. Als Vorverfolgter kann ein Asylsuchender nur dann ausgereist sein, wenn er auf der Flucht vor unmittelbar bevorstehender oder eingetretener politischer Verfolgung seinen Heimatstaat verlassen hat, also aus einer dadurch hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Januar 1999 - 2 BvR 86/97 -, NVwZ-Beilage 1999, 81; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1990 - 9 C 60.89 -, BVerwGE 87, 52 und Beschluss vom 8. Februar 2000 - 9 B 4.00 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 229). Der für die Annahme einer Vorverfolgung erforderliche kausale Zusammenhang der Flucht mit der erlittenen Verfolgung kann indes nur dann unterbrochen sein, wenn die Verfolgung vor der Flucht ihr Ende gefunden hat und der Betroffene fortan nicht weiter behelligt worden ist (BVerfG, Beschluss vom 22. Januar 1999, a.a.O.; BVerwG, Beschluss vom 8. Februar 2000, a.a.O.).
Ergibt die rückschauende Betrachtung, dass der Asylsuchende vor regionaler politischer Verfolgung geflohen ist, so bedarf es der weiteren Feststellung, dass der Asylsuchende landesweit in einer ausweglosen Lage war. Ist er wegen bestehender oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung ausgereist und war ihm ein Ausweichen innerhalb seines Heimatstaates unzumutbar, ist er asylberechtigt, es sei denn, er kann in seinem eigenen Staat wieder Schutz finden. Demnach muss sein Asylantrag Erfolg haben, wenn die fluchtbegründenden Umstände im Zeitpunkt der Entscheidung ohne wesentliche Änderung fortbestehen. Ist die Verfolgungsgefahr zwischenzeitlich beendet, kommt es darauf an, ob der Asylsuchende vor erneuter Verfolgung hinreichend sicher sein kann. Bei fortbestehender regional begrenzter politischer Verfolgung muss der vor Verfolgung Geflohene in diesen Landesteilen nicht nur vor politischer Verfolgung, sondern auch vor denjenigen Nachteilen und Gefahren hinreichend sicher sein, die ihm im Zeitpunkt seiner Flucht ein Ausweichen unzumutbar machten, und ihm dürfen auch keine sonstigen Nachteile und Gefahren drohen, durch die er in eine ausweglose Lage geriete (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989, a.a.O.).
Demgegenüber kommt dem Schutzbegehren eines unverfolgt Ausgereisten grundsätzlich nur dann Erfolg zu, wenn ihm im Falle einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nunmehr aufgrund von beachtlichen Nachfluchttatbeständen politische Verfolgung droht (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 - 9 C 1.94 -, BVerwGE 96, 200 und Beschluss vom 3. März 2000 - 9 B 620.99 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 231). Droht diese Gefahr nur in einem Teil des Heimatstaates, so kann der Betroffene auf Gebiete verwiesen werden, in denen er vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist, es sei denn, es drohen dort andere nach den oben dargelegten Grundsätzen unzumutbare Nachteile oder Gefahren (BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989, a.a.O.).
Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Grundsätze der inländischen Fluchtalternative ist, dass die als Ausweichmöglichkeit in Betracht zu ziehenden Orte oder Regionen noch zum Territorium des Verfolgers zählen. Verliert der Staat in einer Region die Gebietsherrschaft endgültig, wird sie asylrechtlich zum Ausland und kann nicht mehr inländische Fluchtalternative sein. Verliert ein Staat dagegen nur in einer seiner Regionen u.a. wegen des Eingreifens fremder Mächte dort vorübergehend seine effektive Gebiets- und Verfolgungsmacht und besteht an diesem Ort der Fluchtalternative eine andere staatliche oder staatsähnliche Friedensordnung, kommt dort die inländische Fluchtalternative in Betracht. Diese setzt voraus, dass die Zurückkehrenden dort - nach dem sog. herabgestuften Prognosemaßstab - hinreichend sicher vor politischer Verfolgung leben können und dass ihnen dort - nach dem allgemeinen Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit - auch keine anderen unzumutbaren Nachteile drohen, die an ihrem Herkunftsort so nicht bestünden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 1998 - 9 C 17.98 -, BVerwGE 108, 84; Urteil vom 5. Oktober 1999 - 9 C 15.99 -, InfAuslR 2000, 32).
Haben die Betroffenen vor der Ausreise in dieser Region gelebt, sind Herkunfts- und Zufluchtsort also identisch, ist diese Notlage allerdings nicht verfolgungsbedingt. Dem liegt zugrunde, dass einem regional Verfolgten zwar nicht zugemutet werden darf, sich in eine existenzielle Notlage zu begeben, um der Verfolgung zu entgehen, dass er aber andererseits dann, wenn er dieser Notlage schon an seinem Herkunftsort ausgesetzt war, durch die Wohnsitznahme an einem verfolgungssicheren Ort keine verfolgungsbedingte und deshalb unzumutbare Verschlechterung seiner Lebensumstände erleidet. Es ist trotz dieser Gefahren dann von einer Fluchtalternative auszugehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Oktober 1999, a.a.O. und Urteil vom 9. September 1997 - 9 C 43.96 -, BVerwGE 105, 204; Nds. OVG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 12 L 748/99 - und Beschluss vom 1. März 2002 - 8 LB 15/02 -, V.n.b.; vgl. auch: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30. März 2000 - A 14 S 431/98 -, V.n.b.).
b. Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Kläger vorverfolgt geflohen (aa.) und die Gefahr einer erneuten politischen Verfolgung im Heimatstaat ist nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen (bb.), insbesondere besteht auch derzeit keine inländische Fluchtalternative (cc.).
aa. Der Kläger hat seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener politischer Verfolgung verlassen.
Dabei ist das Gericht indes davon überzeugt, dass nicht im Hinblick auf die geltend gemachte Verhaftung im August 1999 eine politische Vorverfolgung des Klägers anzunehmen ist. Das Gericht ist in Übereinstimmung mit dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vielmehr davon überzeugt, dass das Vorbringen des Klägers über die Verhaftung im August 1999 nicht glaubhaft ist.
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass ein Asylbewerber aufgrund der ihm obliegenden Mitwirkungspflichten gehalten ist, die in seine Sphäre fallenden Umstände substantiiert und in sich stimmig zu schildern (BVerwG, Beschluss vom 30. Oktober 1990 - 9 C 72.89 -, Buchholz 402.25 zu § 1 AsylVfG Nr.135 ).
Das Gericht muss sich die feste Überzeugung vom Wahrheitsgehalt des Vorbringens verschaffen. Dabei sollte allerdings der Beweiswert einer Aussage im Rahmen des Möglichen wohlwollend beurteilt werden. Andererseits kann dem Asylbewerber bei erheblichen Widersprüchen und Steigerungen im Sachvortrag nur geglaubt werden, wenn diese Unstimmigkeiten überzeugend aufgelöst werden (BVerwG, Urteil vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 -, BVerwGE 71, 180, 181; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 29. Januar 1991 - 2 BvR 1384/90 -, InfAuslR 1991, 171, 175 ).
Das Vorbringen des Klägers im Zusammenhang mit der geltend gemachten Verhaftung im August 1999 ist allgemein gehalten und nicht überzeugend. Das Vorbringen des Klägers in der informatorischen Anhörung am 18. Dezember 2001 steht in wesentlichen Einzelpunkten im Widerspruch zum Vorbringen bei der Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom November 1999. Insoweit ist insbesondere das Datum der Verhaftung, das Geschehen beim ersten Verhör und am Folgetag, der zeitliche Ablauf der Flucht sowie die Herkunft des Geldes für die Bezahlung des Schleusers zu nennen. Die sich ergebenden Widersprüche konnte der Kläger nicht für das Gericht überzeugend auflösen. Es mag zwar zutreffend sein, dass infolge des Zeitablaufes Details im Randgeschehen verschwimmen und der Betroffene hieran keine aktuelle Erinnerung mehr hat. Hinsichtlich konkreter fluchtauslösender Ereignisse und im Zusammenhang mit der Flucht stehende nähere Umstände wie Ausreiseweg, Finanzierung der Flucht bestehen durchgreifende Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Vorbringens, wenn bestimmte Geschehensabläufe in wesentlicher Beziehung widersprüchlich sind und der Betroffene die Widersprüchlichkeit nicht nachvollziehbar auszuräumen vermag. Vorliegend hat der Kläger die Widersprüchlichkeiten zum Zeitpunkt der Verhaftung, betreffend Geschehnisse beim Verhör in Tutin, Finanzierung der Flucht und Ausreiseweg ausweichend beantwortet und nicht überzeugend aufgelöst. Auch ist weder dem Auswärtigen Amt (Auskunft vom 2. Juli 2002) noch ai (Auskunft vom 19. November 2002) bekannt, dass der Kläger hinsichtlich der Verhaftung vom August 1999 und seiner Flucht in Serbien per Haftbefehl gesucht worden ist oder noch gesucht wird. Auch das Vorbringen der Ehefrau des Klägers bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 25. November 1999 (Bl. 29 bis 39 Beiakte D) führt zu keiner für den Kläger günstigeren Beurteilung. Zwar bestätigt die Ehefrau des Klägers das Geschehen einer Verhaftung in Tutin. Indes treten hinsichtlich der näheren Gegebenheiten Unstimmigkeiten auf, die die Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Klägers nicht stützen. So führte der Kläger aus, ein Polizeifahrzeug hätte sie gestoppt und ein zivil gekleideter Polizist sei dann auf ihn zugetreten, habe eine Waffe auf ihn gerichtet und ihn aufgefordert, keinen Widerstand zu leisten und auszusteigen; als er ausgestiegen sei, habe der Polizist ihn mit der Pistole auf die linke Gesichtshälfte geschlagen, so dass er geblutet habe und das ganze Gesicht sei voll Blut gewesen (vgl. Bl. 7 f. der Niederschrift des Anhörung des Klägers). Demgegenüber führte die Ehefrau aus, dass zwei Polizeifahrzeuge ihren Wagen gestoppt hätten. Der Polizist, der zum Kläger gegangen sei und ihn aufgefordert habe, aus das Fahrzeug zu steigen, habe den Kläger aufgefordert, noch einmal zu erklären, was er bei dem Fernsehauftritt gesagt habe. Von einem Schlag mit der Pistole und einer stark blutenden Verletzung berichtet die Ehefrau des Klägers indes nicht. Erst später führte sie aus, dass mehrere Polizisten auf dem Polizeirevier auf ihren Ehemann eingeschlagen hätten und dass er auf der linken Gesichtshälfte Blut gehabt hätte (vgl. Bl. 3 der Niederschrift der Anhörung der Ehefrau des Klägers). Zum Zeitpunkt führt sie aus, dass sie es nicht mehr so genau wisse; vielleicht könne es der 8. August 1999 - in Übereinstimmung mit dem Vortrag ihres Ehemannes - gewesen sein, ohne dies näher zu begründen oder zu konkretisieren. Ein Zusammengang zu der vom Kläger angeführten Hochzeit des Sohnes eines Freundes wird nicht dargelegt.
Indes ist der Kläger hinsichtlich des weiterhin anhängigen Prozesses in Novi Pazar vorverfolgt geflohen ist. Der Kläger ist im Oktober 1999 vor bereits eingesetzter, noch andauernder politischer Verfolgung geflohen. Das Gericht ist aufgrund der vom Kläger eingereichten Unterlagen und der Auskünfte des Auswärtigen Amtes und von amnesty international davon überzeugt, dass der Kläger örtlicher Sekretär der SDA in Tutin gewesen ist, Angeklagter in dem weiterhin anhängigen Strafverfahren in Novi Pazar (Az. K 63/93) ist und in diesem Zusammengang in der Zeit vom Juni 1993 bis April 1994 sich in Haft befunden hat.
Die Strafverfolgung des Klägers ist nach den o.a. Grundsätzen auch als politische Verfolgung zu bewerten.
Aufgrund der Ausführungen von ai in den Auskünften vom 24. Februar 1999 an VG Aachen und vom 24. August 2000 an LG Trier geht das Gericht davon aus, dass seit dem Beginn des Krieges in Bosnien-Herzegowina 1992 in stärkerem Maße eine Verfolgung von SDA-Mitgliedern gekommen ist. Das Vorgehen erreichte 1994 seinen Höhepunkt. Dabei kam es zu erheblichen gewaltsamen Übergriffen und Menschenrechtsverletzungen von staatlicher Seite. Mitglieder der SDA sind oft willkürlich separatistischer Aktivitäten beschuldigt und bei Verhören misshandelt und gefoltert worden. Zahlreiche Geständnisse sind unter Folter erpresst worden. Auch sind Beschuldigungen allein wegen der Mitgliedschaft in der SDA erhoben worden. In dem Strafverfahren in Novi Pazar sind die 24 Angeklagten ausnahmslos Mitglieder der SDA gewesen. Sämtliche Angeklagten haben den Vorwurf erhoben, zu unwahren Geständnissen gezwungen worden zu sein, insbesondere geschlagen und Elektroschocks ausgesetzt gewesen zu sein. Von 1991 bis 1996 waren Mitglieder das SDA staatlichen Repressionen ausgesetzt. Bis Ende 1996 hätten Mitglieder aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der SDA mit hoher Wahrscheinlichkeit mit staatlichen Verfolgungsmaßnahmen rechnen müssen. Nach 1996 nahmen die Übergriffe und Menschenrechtsverletzungen wieder etwas an Intensität ab. Seither besteht diese Gefährdungssituation nicht mehr in diesem Maße fort. Auch in der Auskunft von ai vom 19. November 2002 wird bestätigt, dass in den Jahren 1995 und 1996 eine diskriminierende Strafverfolgung von Mitgliedern der SDA erfolgt sei und das dieser Umstand auch bei der Wahl der Ermittlungsmethoden (z.B. Folter) und bei der Anklageerhebung durchaus eine Rolle gespielt habe.
Dies wird bestätigt durch die Lageberichte des Auswärtigen Amtes. Dort wird ausgeführt, dass u.a. gegen Sandzak-Moslems "politische Prozesse" durchgeführt worden seien. Als Beleg wird das o.a. Verfahren gegen den Kläger (Az. K 63/93) in Novi Pazar genannt. In der Vergangenheit seien Angehörige u.a. der Sandzak-Moslems von den Sicherheitskräften schlechter als Serben behandelt worden. Auch im Zusammenhang mit der Kosovo-Krise seien zahlreiche Kosovo-Albaner aus politischen Gründe zu überhöhten Strafen verurteilt worden (vgl. zuletzt Lagebericht vom 16. Oktober 2002).
Dem steht nicht entgegen, dass das erstinstanzliche Strafurteil vom Obersten Gerichtshof in Serbien mit Beschluss vom März 1996 aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an das Ausgangsgericht zurückverwiesen worden ist. Nach den vom Kläger eingereichten Übersetzungen, an deren Richtigkeit keine begründeten Zweifel bestehen, wurde das Urteil gegen den Kläger u.a. aufgehoben, weil die Erwägungen des Gerichts in Novi Pazar widersprüchlich und unverständlich seien und aufgrund der Feststellungen des Ausgangsgerichts sich nicht feststellen lasse, ob der Kläger überhaupt der Gruppe der übrigen Angeklagten zugehört habe. Ferner sei die Beweisführung des Ausgangsgerichts unzureichend (Übersetzung von S. 8 f. des Entscheidungsabdrucks). Hierin kann zwar eine hinreichende Kontrolle des erstinstanzlichen Strafverfahrens gesehen werden, dies schließt zugleich aber nicht aus, dass in einem erneuten Strafverfahren die zuvor dargelegten, an die Zugehörigkeit zur SDA und zu den Muslimen aus dem Sandzak anknüpfenden Benachteiligungen im Strafverfahren sowie Strafschärfungen erneut vorgenommen werden. Nach den o.a. Erkenntnissen von ai und Auswärtigen Amt bestand die hohe Wahrscheinlichkeit, dass Mitglieder der SDA entsprechend politisch verfolgt wurden.
Der Kläger ist nach Überzeugung des Gerichts auch wegen dieser politischen Verfolgung geflohen. Die Verfolgung des Klägers war nämlich im Zeitpunkt der Ausreise (Oktober 1999) noch nicht beendet. Das Strafverfahren ist weiterhin anhängig und wird fortgeführt. Der Umstand, dass das erstinstanzliche Urteil des Landgerichtes Novi Pazar vom Obersten Gerichtshof Serbiens mit Urteil vom 26. März 1996 aufgehoben worden ist und dass bis zur Ausreise nahezu dreieinhalb Jahre vergangen sind, rechtfertigt nicht die Annahme, dass die Flucht des Klägers nicht im Zusammenhang mit dieser Verfolgung stünde. Zwar muss die Ausreise sich bei objektiver Betrachtung nach dem äußeren Erscheinungsbild als eine durch politische Verfolgung veranlasste Flucht darstellen, wobei dem zwischen Verfolgung und Ausreise verstrichenen Zeitraum entscheidende Bedeutung beizumessen ist. Je länger der Ausländer nach erlittener Verfolgung in seinem Heimatstaat verbleibt, umso mehr verbraucht sich der objektive äußere Zusammenhang zwischen Verfolgung und Ausreise. Welche Zeitspanne in dieser Hinsicht maßgebend ist, hängt von den jeweiligen Verhältnissen des Einzelfalles ab. Jedenfalls kann ein Ausländer, der nach einer beendeten politischen Verfolgung über mehrere Jahre hinweg in seinem Heimatstaat verbleiben ist, ohne dort erneut von politischer Verfolgung betroffen zu sein, nicht mehr als verfolgt ausgereist angesehen werden (BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1990 - 9 C 60.89 -, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 23. Juli 1991 - 9 C 154.90 -, BVerwGE, 88, 367; VG Berlin, Urteil vom 20. März 2000 - 34 X 402.95 -, juris). Der kausale Zusammenhang zwischen Flucht und erlittener Verfolgung ist aber nur dann unterbrochen, wenn die Verfolgung vor der Flucht ihr Ende gefunden hat und der Betroffene seither nicht weiter behelligt worden ist (BVerfG, Beschluss vom 22. Januar 1999 - 2 BvR 86/97 -, a.a.O.; BVerwG, Beschluss vom 8. Februar 2000 - 9 B 4.00 -, a.a.O.). Dies ist vorliegend zu verneinen, da das Strafverfahren im Oktober 1999 weiterhin nicht eingestellt gewesen ist und der Kläger zum damaligen Zeitpunkt weiterhin nachvollziehbar befürchtete, dass er erneut verurteilt werde. Insoweit führt das Auswärtige Amt unter dem 18. November 2002 aus, dass die Angeklagten in dem o.a. Strafverfahren in Teilen der serbischen Öffentlichkeit weiterhin als "Terroristen" betrachtet würden.
Dem Kläger stand im Zeitpunkt der Ausreise auch keine inländische Fluchtalternative zur Verfügung. Er musste im Oktober 1999 davon ausgehen, dass er landesweit der Strafverfolgung ausgesetzt ist. Es war ihm damals nicht zumutbar, vor der Vorfolgung durch Flucht in den Kosovo auszuweichen, so dass er sich landesweit in einer ausweglosen Lage befunden hat. Der Kosovo hätte als Fluchtalternative für den Kläger nur dann offengestanden, wenn er dort nicht nur vor politischer Verfolgung hinreichend sicher gewesen ist, sondern ihm dort auch keine anderen Nachteile und Gefahren gedroht haben, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutsbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen, sofern diese existentielle Gefährdung am Herkunftsort so nicht bestünde. Aufgrund der Situation für Angehörige ethnischer Minderheiten im Kosovo im Sommer/Herbst 1999 im Zusammenhang mit der Errichtung der internationalen Verwaltung (UNMIK und FKOR) seit Juni 1999 war es dem Kläger aufgrund existentieller Gefährdungen als Angehöriger einer nichtalbanischen Minderheit nicht zumutbar, dorthin zu fliehen. Mit dem Einrücken der KFOR in den Kosovo erfolgt eine massive Rückkehrbewegung der Kosovo-Flüchtlinge in den Kosovo. Begleitet wurde diese Rückkehrbewegung der Kosovo-Albaner von zahlreichen gewalttätigen Übergriffen vor allem gegenüber im Kosovo verbliebenen Angehörigen ethnischer Minderheiten, vor allem Serben und Roma. So kam es im Spätsommer/Herbst 1999 zu massiven Übergriffen von Zivilisten gegenüber Mitgliedern ethnischer Minderheiten (vgl. Lageberichte des Auswärtigen Amtes zum Kosovo - zuletzt vom 27. November 2002). Es erfolgten auch gezielte Vertreibungen und zahlreiche Ermordungen. Insoweit wird von einer "kollektiven pogromartigen Verfolgung" gesprochen; erst Ende Oktober 1999 bekam die KFOR die militärische Situation im Griff (SFH, Lageübersicht Oktober 1999). Diese Lage traf auch für die Angehörigen der Kosovo-Bosniaken (Gruppe der muslimischen Slawen) zu. Die SFH führt hierzu aus, dass seit September 1999 auch Kosovo-Bosniaken im zunehmenden Maße Opfer von Übergriffen der albanischen Bevölkerungsmehrheit geworden seien. Diese Gruppe werde allein aufgrund ihrer serbischen Sprache verfolgt (SFH, Lageübersicht Oktober 1999). Auch das Auswärtige Amt führt in seinem ad hoc-Bericht vom 8. Dezember 1999 aus, dass vor allem die slawischen Muslime gefährdet gewesen seien.
bb. Auch derzeit kann die Gefahr einer erneuten politischen Verfolgung des Klägers in Serbien und Montenegro nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen werden.
Zwar geht das Gericht aufgrund der in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel davon aus, dass nach dem grundlegenden politischen Wandel im Herbst 2000 eine politische Verfolgung der Sandzak-Muslime und der Mitglieder der SDA in Serbien und Montenegro mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nicht (mehr) zu befürchten ist. Hierzu führte das Nds. Oberverwaltungsgericht bereits im Urteil vom 22. September 2000 - 8 L 2672/95 - (V.n.b.) aus:
„Während des Kosovo-Konfliktes im Jahre 1999 sind zwar erneut Sandzak-Muslime zu Tode gekommen und vertrieben worden. So haben Angehörige der Reserveeinheiten der jugoslawischen Armee, die während des NATO-Einsatzes in großer Anzahl in den an das Kosovo grenzenden Gebieten Montenegros stationiert waren, im April 1999 die Bewohner des Dorfes Besnik in der Nähe von Rozaje vertrieben und in Kaluderski Laz acht Personen getötet. Daraufhin sind viele Sandzak-Muslime, vor allem aus der Gegend um Rozaje, aus Angst davor geflohen, dass sich der Kosovo-Konflikt auf den Sandzak ausweiten könnte. Auch später wurde über einige Zwischenfälle in diesem Gebiet berichtet. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass es in anderen ländlichen Gebieten ähnliche Vorkommnisse gegeben hat. Ferner verließen viele jüngere männliche Muslime den Sandzak, um sich dem Wehrdienst, den Schikanen und auch Zwangsrekrutierungen durch die Reserveeinheiten der jugoslawischen Volksarmee zu entziehen. Der Großteil der Flüchtlinge aus dem montenegrinischen Teil des Sandzak ist jedoch bereits Ende Juni und im Juli 1999 in den Sandzak zurückgekehrt. Die Sandzak-Muslime, die sich nach wie vor in Bosnien-Herzegowina aufhalten, sind zum einen die, die eine Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung oder Desertion im serbischen Teil des Sandzak befürchten müssen, und zum anderen die, die sich um eine Weiterwanderung in ein Drittland bemühen. Aufgrund der politischen Spannungen in Montenegro befürchten vor allem wehrpflichtige Sandzak-Muslime eine erneute Mobilmachung und haben deshalb Angst davor, in den Sandzak zurückzukehren (vgl. zum Vorstehenden: UNHCR v. 12.1.2000 an VG Wiesbaden u.v. 18.4.2000 an VG Aachen).
Nach alledem kann davon ausgegangen werden, dass die Beendigung des Kosovo-Konfliktes auch zu einer gewissen Beruhigung und Entspannung der politischen und der Verfolgungslage im Sandzak geführt hat, zumal keine größeren Reserveeinheiten der jugoslawischen Volksarmee im Sandzak verblieben sind (UNHCR v. 12.1.2000 an VG Wiesbaden u.v. 18.4.2000 an VG Aachen).
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (Berichte v. 6. u. 22.3.2000 an VG Kassel), die allerdings nur über spärliches Informationsmaterial über die Entwicklung der Menschenrechtslage aus jüngerer Zeit verfügt, und die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Kosovo-Lageanalyse - März 2000, S. 41 - 43) halten die politische Lage im Sandzak zwar nach wie vor für besorgniserregend, weil die von Staatspräsident Milosevic betriebene Serbisierungspolitik fortgesetzt werde und die von ihm geschürten politischen Spannungen mit Montenegro zu erneuten kriegerischen Auseinandersetzungen in dieser Region führen könnten. Diese Befürchtungen, die eher im Bereich der politischen Spekulation anzusiedeln sind, lassen jedoch gegenwärtig mangels verwertbarer Tatsachen eine hinreichend sichere Verfolgungsprognose nicht zu.“
Aufgrund der Entwicklung in Serbien und Montenegro seit Herbst 2000 ist nicht mehr damit zu rechnen, dass Angehörige ethnischer Minderheiten mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politisch verfolgt werden. Seit den Präsidentschaftswahlen vom 24. September 2000 ist in Serbien und Montenegro ein politischen Wandel eingeleitet worden, der bei der serbischen Parlamentswahl seine Bestätigung gefunden hat. Die bisherige demokratische Oppositionsbewegung erzielte eine Mehrheit von nahezu 2/3 der abgeordneten Mandate. Der mehr als zweijährige Demokratisierungsprozess hat auch den staatlichen Schutz der Minderheiten in Jugoslawien gefördert (Lageberichte des Auswärtigen Amtes vom 8. Mai 2001, 6. Februar 2002 und 16. Oktober 2002).
Angesichts der langjährigen Übergriffe und der festzustellenden langsamen Umstrukturierung von Staat und Gesellschaft wird der Reformprozess sowie die Verwirklichung des Schutzes der Minderheiten nach internationalen Maßstäben noch einige Zeit in Anspruch nehmen (vgl. zuletzt Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Oktober 2002). Die Gesellschaft für bedrohte Völker weist auf weiterhin bestehende Benachteiligungen und Diskriminierungen der Sandzak-Muslime bzw. Muslime hin (fehlende Anerkennung in den Verfassungen; Diskriminierungen im Bildungs- und Schulwesen; Unterrepräsentanz im öffentlichen Dienst; vgl. GfbV an VG Oldenburg vom 9. Mai 2001).
Auch ai berichtet im Jahresbericht 2002, dass es erneut zu rassistischen Übergriffen gegenüber Angehörigen von ethnischen Minderheiten gekommen sei und die Verantwortlichen nur selten vor Gericht gebracht worden seien; zugleich wird aber bestätigt, dass es im Zusammenhang mit einem Überfall auf Roma zu einer Verurteilung gekommen sei. Ferner seien zahlreiche Schadenersatzklagen im Zusammenhang mit Übergriffen vor September 2000 erfolgreich gewesen. Von gezielten staatlichen Repressionen und Übergriffen auf Angehörige ethnischer Minderheiten wird nicht mehr berichtet (vgl. ai, Jahresbericht 2002). In der Auskunft vom 19. November 2002 bestätigt ai weiter, dass seit dem Regierungswechsel 2000 sich die Menschenrechtslage im Allgemeinen und die Lage der Sandzak-Muslime im Besonderen weiter verbessert habe, auch wenn vereinzelte Diskriminierungen durch staatliche Stellen nicht ausgeschlossen werden können.
Das Auswärtige Amt führt in den genannten Lageberichten aus, dass die Regierungen der bisherigen Bundesrepublik Jugoslawien sowie der Teilrepubliken Serbien und Montenegro bereits jetzt keine gezielten und systematischen Unterdrückungsaktionen gegen bestimmte Gruppen ausübten, weder nach Merkmalen von ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Nationalität noch politischer Überzeugung. Die Lage der Minderheiten in der Bundesrepublik Jugoslawien entspreche aber dennoch nicht internationalen Standards. Betroffen seien vor allem die Sandzak-Muslime, Roma und Minderheiten in der Vojvodina. Indes habe sich die Lage der bisher besonders benachteiligten Minderheiten, u.a. der Angehörigen der Sandzak-Muslime oder der Albaner, deutlich verbessert. Die Lage der Muslime aus dem Sandzak habe seit tendenziell zum Besseren entwickelt; vor allem in ihrer politischen Repräsentanz. Ein Großteil der infolge der NATO-Luftangriffe geflohenen Sandzak-Muslime seien seit Beendigung der Luftangriffe in den Sandzak zurückgekehrt. Massive Verletzungen von Menschenrechten würden seit dem politischen Wandel im Herbst 2000 nicht mehr gemeldet. Zwischenzeitlich sei ein Gesetz zum Schutz der nationalen Minderheiten verabschiedet worden, das den Minderheitenschutz entsprechend den internationalen Standards gewährleisten soll (AA an VG Wiesbaden vom 13. November 2001; AA an VG Oldenburg vom 4. Juli 2001 und AA an VG Aachen vom 8. Mai 2002). Insbesondere sich die Haltung gegenüber Mitgliedern der SDA geändert. Die gegenwärtige Regierung unternehme nicht mehr offene oder verhüllte diskriminierende Handlungen gegenüber Parteimitgliedern der SDA, wie dies früher der Fall gewesen sei, als sie politisch motiviertem Druck und politisch motivierter Strafverfolgung ausgesetzt gewesen seien. Mitglieder der SDA und Moslems seien staatlichen Verfolgungsmaßnahmen nicht mehr ausgesetzt (vgl. AA an VG Augsburg vom 13. Juni 2001 und AA vom 2. Juli 2002).
Auch hinsichtlich der Strafverfolgungspraxis führt das Auswärtige Amt unter dem 2. Juli 2002 aus, dass in vergleichbaren Fällen bei der Anwendung der strafrechtlichen Bestimmungen nicht (mehr) zu einer Diskriminierung aufgrund Rasse, Religion oder der ethnischen Herkunft etc. gekommen sei.
Indes kann nach Überzeugung des Gerichts aufgrund der in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel im Hinblick auf die besondere Situation des Klägers nicht mit hinreichender Sicherheit die Gefahr ausgeschlossen werden, dass er im Falle seiner Rückkehr erneut mit Verfolgungsmaßnahmen überzogen werden wird. Hierfür sprechen folgende Gesichtspunkte:
Seit dem Regierungswechsel im Herbst 2000 werden gezielte staatliche Repressalien gegenüber Mitgliedern der SDA und Sandzak-Muslime nicht mehr berichtet. So führt das Auswärtige Amt in seiner Auskunft vom 2. Juli 2002 auch aus, dass es zu einer Diskriminierung von Angeklagten in vergleichbaren Strafverfahren gekommen sei. Demgegenüber führt das Auswärtige Amt im Lagebericht vom 16. Oktober 2002 aus, dass es auch nach Oktober 2000 zu vereinzelten Verurteilungen gekommen ist, die von Menschenrechtsorganisationen als diskriminierend betrachtet bzw. als politische Prozesse bezeichnet worden seien (es handelte sich um Strafverfahren gegen Kosovo-Albaner), wobei sie - wie im Falle des Klägers - vor dem Regierungswechsel in Haft genommen waren. Auch Zusagen der neuen Regierung, Strafverfahren gegen Kosovo-Albaner zügig wieder aufzunehmen, seien nur bedingt eingehalten worden. Im Frühjahr 2001 seien durch serbische Gerichte sieben neue Verurteilungen wegen des Straftatbestandes Terrorismus gegen Albaner erfolgt, denen Straftaten in Südserbien bzw. Kosovo zur Last gelegt worden seien. Wenigstens in zwei Fällen sprächen Beobachter von "inszenierten Prozessen" (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Oktober 2002 - II 1.4 und III 3.1). Dabei ist zu berücksichtigen, dass zwar der Grundsatz der Gewaltenteilung formal in der jugoslawischen Verfassung verankert ist. In der Verfassungswirklichkeit war vor dem Regierungswechsel im Oktober 2002 insbesondere die Gerichtsbarkeit von den herrschenden politischen oder wirtschaftlichen Kreisen kontrolliert. Zwar sind seit dem Regierungswechsel erste Ansätze einer grundlegenden Änderung der Verfassungswirklichkeit zu erkennen, wobei es sich aber nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes erst um den Beginn eines langwierigen Prozesses handelt. So ist in der Praxis die Unabhängigkeit der Gerichte auch immer noch nicht durchgängig gewährleistet. Die Justiz zeigt sich immer noch unkritisch und häufig wieder regierungstreu (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Oktober 2002 - I 3.2). Auch ai führt in seines Auskunft aus, dass sich zwar die Lage für die muslimische Minderheit im Sandzak seit dem Regierungswechsel weiter verbessert hat, jedoch werden nach wie vor zahlreiche Fälle von Folter und Misshandlungen bei der Polizei berichtet. Vereinzelte Diskriminierungen können daher nicht ausgeschlossen werden (vgl. ai vom 19. November 2002).
Auch wenn dem Kläger nicht Terrorismus gemäß Art. 125 jug. StGB, sondern Vorbereitung zur Gefährdung der territorialen Ganzheit (Art. 116, 138 jug. StGB) und wegen Verstoßes gegen Art. 33 des Gesetzes über Waffen und Munition vorgeworfen wird, kann demgemäß derzeit noch nicht mit hinreichender Sicherheit die Gefahr einer erneuten politischen Verfolgung des Klägers durch Fortführung des weiterhin anhängigen Straferfahrens ausgeschlossen werden. Die Situation in Serbien und Montenegro ist - wie die Verfahren gegen Albaner zeigen - noch nicht hinreichend gefestigt und stabilisiert, dass eine entsprechende Gefährdung zukünftig auszuschließen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in Teilen der serbischen Bevölkerung die Angeklagten weiterhin als "Terroristen" angesehen werden (AA vom 18. November 2002). Allein der Umstand, dass sich die übrigen Angeklagten in Serbien frei bewegen können, insbesondere über Reisepässe verfügen, und derzeit keinen sonstigen Restriktionen ausgesetzt sind, rechtfertigt keine abweichende Entscheidung.
cc. Der Kläger kann auch derzeit nicht in anderen Teilen seines Heimatstaates eine zumutbare Zuflucht finden (inländische Fluchtalternative), so dass er sich weiterhin landesweit in einer ausweglosen Lage befindet. Die Voraussetzungen für eine inländische Fluchtalternative, nämlich zum einen, dass in den in Betracht kommenden Gebieten der Betroffenen vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und zum anderen ihm dort auch keine anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutsbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen, sofern die existenzielle Gefährdung am Herkunftsort so nicht bestünde, liegen zugunsten des Klägers nicht vor.
Zunächst kann nach Überzeugung des Gerichts nicht davon ausgegangen werden, dass auf dem Territorium des von der internationalen Staatengemeinschaft derzeit verwalteten Kosovo ebenfalls mit hinreichender Sicherheit die Gefahr ausgeschlossen werden kann, dass der Kläger erneut politisch verfolgt wird. Zwar ist davon auszugehen, dass Organe von Serbien und Montenegro im Kosovo keine effektive Gebietsgewalt mehr haben, sonder dass der Kosovo unter internationaler Verwaltung (UNMIK und KFOR) steht (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 27. November 2002). Eine unmittelbare politische Verfolgung seitens der internationalen Verwaltung ist auszuschließen. Das Gericht geht aber davon aus, dass auch die internationale Verwaltung aus Serbien und Montenegro (außerhalb des Kosovo) in den Kosovo geflohene Straftäter (allgemeine Kriminelle) den serbischen Strafverfolgungsbehörden auf Ersuchen ausgeliefert wird, sofern diese erkennbar keinen politischen Hintergrund haben. Dementsprechend mag es nahe liegen und Überwiegendes dafür sprechen, dass die internationale Verwaltung des Kosovo einem Auslieferungsersuchen der Strafverfolgungsbehörden von Serbien und Montenegro im Falle des Klägers nicht entsprechen wird. Indes kann dies mit der gebotenen Sicherheit auch nicht ausgeschlossen werden.
Daneben kann der Kläger nicht auf den Kosovo als verfolgungssicheres Gebiet verwiesen werden, weil ihm andere Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere eine asylerheblichen Rechtsgutsbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen, durch die er in eine ausweglose Lage geriete. Es kann dem Kläger als Angehöriger einer nicht-albanischen Minderheit zugemutet werden, in den Kosovo Zuflucht zu suchen. Die Kammer hat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass die Situation der Angehörigen ethnischer Minderheiten im Kosovo weiterhin sehr prekär ist:
So verweist der UNHCR in seiner Stellungnahme vom 8. Mai 2002 an VG Kassel und in seinen Positionspapieren vom April 2002 und Januar 2003 darauf verweist, dass die Sicherheit der nicht zur Gruppe der Kosovo-Albaner gehörenden Bewohner des Kosovo weiterhin ernsthaft bedroht sei. Wie andere Minderheiten lebten sie in konzentrierten Gemeinden oder Enklaven; aus Angst vor Übergriffen ist deren Bewegungsfreiheit außerhalb ihrer Herkunftsorte stark eingeschränkt, so dass KFOR-Sicherheitseskorten benötigt werden, um bestimmte Gebiete zu verlassen. Diese Gefahren verhinderten auch einen gleichberechtigten Zugang zu Sozialleistungen, Gesundheitsversorgung, Bildung, Arbeitsmarkt und Wohnraum. In manchen Gemeinschaften sei ein Maß an Stabilität erreicht worden, bei dem gewaltsame Anschläge selten seien, während andere weiterhin unerbittlicher Gewalt und Einschüchterungsversuchen ausgesetzt seien. Bei diesen ethnisch-motivierten Angriffen seien in einigen Fällen Menschen zu Tode gekommen. Auch im Positionspapier vom Januar 2003 führt der UNHCR zur Situation von Angehörigen der Bosniaken (serbisch sprechende, muslimische Slawen) aus, dass sich die Sicherheitslage zwar verbessert habe und stabiler geworden sei. Dennoch seien Angehörige der Gemeinschaft weiterhin mit Einschüchterungen, Schikanierungen und Diskriminierungen konfrontiert. So seien sie in der Gemeinde Mitrovica schwerwiegenden gewaltsamen Zwischenfällen ausgesetzt gewesen. Die aus dem Gebrauch der serbischen Sprache resultierende Gefährdung verhindere den gleichberechtigten Zugang zu den Sozialeinrichtungen.
Auch die OSCE in Zusammenarbeit mit dem UNHCR (Beurteilung der Situation der ethnischen Minderheiten für den Zeitraum vom September 2001 bis April 2002) führt aus, dass (nur) eine graduelle Verbesserung der Sicherheitslage festzustellen sei. Auch gebe es einen Aufwärtstrend bei der Mobilität der Angehörigen von Minderheiten. Dennoch komme es weiterhin täglich zu Einschüchterungen und Schikanierungen sowie gelegentlich, wenn auch weniger häufig als früher, zu außerordentlich gewaltsamen, ethnisch motivierten Angriffen, die "manchmal" tödlich endeten.
Entsprechend merkt die Schweizer Flüchtlingshilfe an, dass zwar die Zahl der gewaltsamen Zwischenfälle gegenüber den Minderheitenangehörigen im Jahr 2001 zurückgegangen sei, doch könne ihre Sicherheitssituation nicht als stabil bezeichnet werden. Es gebe nach wie vor Morde, Angriffe und Belästigungen. Solche Vorkommnisse reichten aus, um die Minderheiten zu verunsichern und von einer Rückkehr abzuschrecken. Ebenso sei eine wesentliche Besserung der allgemeinen sozialen und wirtschaftlichen Situation nicht festzustellen.
Dies wird im Wesentlichen durch die Auskunft des Auswärtigen Amtes (Lagebericht vom 27. November 2002) bestätigt: Hiernach habe sich zwar die Sicherheitslage für Angehörige ethnischer Minderheiten seit den massiven Übergriffen im Spätsommer/Herbst 1999 wesentlich gebessert, indes müsse die Sicherheitslage weiter als schwierig und instabil bezeichnet werden. Sie würden weiterhin in unterschiedlicher Stärke diskriminiert bis hin zu Bedrohungen ihres Lebens und ihrer körperlichen Unversehrtheit. Sie hätten insbesondere keine ausreichende Bewegungsfreiheit und es bestünden Gefahren für ihre körperliche Unversehrtheit, insbesondere für serbisch sprechende Angehörige von Minderheiten.
Zwar führt eine Gesamtschau der Erkenntnismittel in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung der Kammer zu dem Ergebnis, dass eine extreme allgemeine Gefahrenlage, die bei verfassungskonformer Auslegung und Anwendung des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG im Rahmen der Feststellung zu § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG zu berücksichtigen wäre, im Kosovo für Angehörige der ethnischer Minderheiten nicht besteht. Indes ist eine inländische Fluchtalternative aufgrund sonstiger Gefahren und Nachteile nicht erst dann unzumutbar, wenn eine Extremgefahr im vorgenannten Sinne vorliegt. Es spricht nach der Überzeugung des Gerichts Überwiegendes dafür, dass für Angehörige ethnischer Minderheiten im Kosovo - insbesondere Bosniaken - weiterhin erhebliche konkrete Gefahren für Leib und Leben und vor allem für deren Freiheit im Sinne des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG bestehen, so dass eine zumutbare Fluchtalternative nicht besteht.
Auch besteht diese Gefährdung für den Kläger an seinem Herkunftsort (Tutin) nicht in vergleichbarer Weise, so dass diese beachtlich ist.
Es ist nicht ersichtlich, dass die Ausschlussgründe des § 51 Abs.3 AuslG vorliegen.
Über den hilfsweise gestellten Antrag auf Verpflichtung der Beklagten festzustellen, dass Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG vorliegen, war nicht mehr zu entscheiden.
2. Die Abschiebungsandrohung (Nr. 4 des angefochtenen Bescheides) ist demgemäß rechtswidrig und aufzuheben. Die Abschiebungsandrohung ist wegen des Vorliegens eines Abschiebungshindernisses gemäß § 51 Abs. 1 AuslG nicht nur rechtswidrig, soweit dem Kläger die Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien angedroht worden ist (§§ 50 Abs. 3 S. 2 AuslG, 34 Abs. 1 S. 1 AsylVfG). Indes genügt die Abschiebungsandrohung nicht § 51 Abs. 4 AuslG, wonach bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nicht davon abgesehen werden kann, eine angemessene (nicht notwendiger Weise mit der Frist des § 38 Abs. 1 AsylVfG identische) Ausreisefrist zu setzen und die Staaten ausdrücklich zu benennen, in die die Abschiebung erfolgen darf. Diesen Erfordernissen würde eine sich nur auf die Bezeichnung des Staates, in den der Kläger nicht abgeschoben werden darf - vorliegend Serbien und Montenegro - bezogene Teilaufhebung der Abschiebungsandrohung nicht hinreichend gerecht werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Februar 1997 - A 14 S 3083/98 - AuAS 1997, 115; OVG Saarland, Urteil vom 25. Oktober 2000 - 9 R 13/98 -, V.n.b.; VG Freiburg, Urteil vom 13. Juni 2001 - A 1 K 10803/97 -, V.n.b.; vgl. auch BVerfG (1. Kammer), Beschluss vom 27. Dezember 2000 - 2 BvR 2205/99 -, NVwZ-Beilage 2001, 25).