Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 13.02.2003, Az.: 13 A 3543/01
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 13.02.2003
- Aktenzeichen
- 13 A 3543/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 40727
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2003:0213.13A3543.01.0A
Tatbestand:
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger begehrt die Gewährung eines Barbetrages rückwirkend zum 12. Januar 2001 und wendet sich gegen die Festsetzung eines Kostenbeitrages.
Der Kläger beantragte am 12. Januar 2001 beim Beklagten die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt. Mit Bescheid vom 10. April 2001 gewährte der Beklagte dem Kläger für die Dauer seines Heimaufenthaltes für die Zeit ab 1. April 2001 einen Barbetrag nach § 21 Abs. 3 BSHG in Höhe von 245,30 DM monatlich und setzte einen Kostenbeitrag gemäß §§ 84, 85 BSHG in Höhe von 1.360,75 DM monatlich fest.
Den gegen diesen Bescheid am 4. Mai 2001 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2001 zurück.
Am 24. Oktober 2001 hat Herr ... , der Bruder des Klägers, Klage erhoben. Er hat geltend gemacht:
Der Kläger habe Anspruch auf Bewilligung des Barbetrages rückwirkend zum 12. Januar 2001. Die Festsetzung eines Kostenbeitrages sei rechtswidrig, weil der Kläger weder über einzusetzendes Einkommen noch über verwertbares Vermögen verfüge. Zwar treffe es zu, dass Eigentümer des Hausgrundstücks in sei. Bei diesem Hausgrundstück handele es sich jedoch nicht um verwertbares Vermögen, da der Verkehrswert nach dem Gutachten des Dipl.-Ing. vom 8. Januar 2001 nur 1.500,00 DM betrage.
Mit Schriftsatz vom 9. August 2002 (Eingang bei Gericht am 12. August 2002) erklärt, dass nunmehr sein Bruder, [Herr ...] , Kläger in diesem Verfahren sein solle.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Beklagten zu verpflichten, ihm für den Zeitraum vom 12. Januar 2001 bis 31. März 2001 einen Barbetrag in Höhe von 245, 30 DM monatlich zu gewähren und den Bescheid vom 10. April 2001, in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2001 erhalten hat, aufzuheben, soweit er diesem Begehren entgegen steht sowie
den Bescheid vom 10. April 2001, in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2001 erhalten hat, aufzuheben, soweit der Beklagte einen Kostenbeitrag festsetzt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Kläger habe mit seinem Widerspruch den Zeitpunkt des Einsetzens der Leistungen nicht angegriffen. Auch sei er nach §§ 84, 85 BSHG zu einem Kostenbeitrag heranzuziehen, da er über verwertbares Vermögen in Form des Hausgrundstückes in verfüge. In der Klageschrift und im Schriftsatz vom 16. Mai 2002 werde Herr als Kläger benannt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid entschieden werden konnte, hat keinen Erfolg. Sie ist unzulässig, weil der am 12. August 2002 neu in den Rechtsstreit eingetretene Kläger die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht gewahrt hat.
Die Klageerhebung am 24. Oktober 2001 durch Herrn ... wirkt nicht fristwahrend zugunsten des jetzigen Klägers. Die Fristwahrung durch den ursprünglichen Kläger kommt ihm nicht zugute, da die Klagefrist grundsätzlich in der Person des Klägers gewahrt sein muss (BVerwG, Urteil vom 3. Juli 1987, Az.: 4 C 12/84, NJW 1988, 1228; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Auflage, § 74, Rn. 7). Insoweit unterscheidet sich der Parteiwechsel auf der Klägerseite, den der Kläger mit Schriftsatz vom 9. August 2002 erklärt hat, von der Auswechselung der beklagten Körperschaft wesentlich. Beim Wechsel des Klägers ist am Grundsatz des § 261 Abs. 2 ZPO festzuhalten mit der Folge, dass die Rechtshängigkeit der Klage des neuen Klägers erst mit Vornahme des Parteiwechsels eintritt und nicht rückwirkend die inzwischen abgelaufene Klagefrist hemmen kann, weil durch die Auswechselung des Klägers der ursprüngliche Streitgegenstand nicht identisch fortbesteht, sondern inhaltlich wesentlich umgestaltet wird (VG Freiburg, Urteil vom 26. Oktober 1984, Az.: 7 K 37/84, NVwZ 1985, 444). Während zunächst das Bestehen von Ansprüchen des Herrn Gegenstand dieses Verfahrens waren, ist nunmehr im Streit, ob Herr einen Anspruch auf die Gewährung eines Barbetrages ab 12. Januar 2001 hat.
Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass die Einhaltung der Klagefrist durch den ursprünglichen Kläger dem jetzigen Kläger zugute kommt, liegt nicht vor. Ausnahmen kommen nur für die Fälle der notwendigen Streitgenossenschaft des § 62 ZPO und der Rechtsnachfolge im Sinne des § 265 ZPO in Betracht (Rennert in Eyermann, VwGO, 11. Auflage, 2000, § 74, Rn. 10). Die Voraussetzungen der genannten Normen liegen jedoch nicht vor. Weder sind der Kläger und sein Bruder notwendige Streitgenossen im Sinne des § 62 ZPO, noch ist der Kläger Rechtsnachfolger seines Bruders im Sinne des § 265 ZPO.
Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Klageschrift vom 24. Oktober 2001 auch nicht dahingehend auszulegen oder umzudeuten, dass er bereits zum damaligen Zeitpunkt Kläger in diesem Verfahren war. Bei der Auslegung von Anträgen und Rechtsbehelfen sind ebenso wie bei der Auslegung von Prozesshandlungen die für die Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen geltenden Rechtsgrundsätze des bürgerlichen Rechts (§§ 133, 157 BGB) anzuwenden. Danach kommt es nicht auf den inneren Willen der erklärenden Partei, sondern darauf an, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtungsweise zu verstehen ist. Dabei tritt der Wortlaut hinter Sinn und Zweck der Erklärung zurück. Maßgebend ist der geäußerte Wille des Erklärenden, wie er aus der Erklärung und sonstigen Umständen für den Erklärungsempfänger erkennbar wird. Maßgeblich für den Inhalt eines Antrages oder Rechtsbehelfs ist daher, wie der Empfänger ihn unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände nach Treu und Glauben zu verstehen hat. Dabei muss sich die Auslegung auf den Schriftsatz in seiner Gesamtheit und auf das mit ihm erkennbar verfolgte Rechtsschutzziel beziehen. Dies gilt im Grundsatz auch für anwaltliche Anträge und Rechtsbehelfe, soweit diese auslegungsfähig und - bedürftig sind. Nur die Umdeutung nicht auslegungsfähiger, weil eindeutiger Prozesserklärungen von Rechtsanwälten ist nach der ständigen Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausgeschlossen (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2001, Az.: 8 C 17/01, NJW 2002, 1137 m. w. N.).
Die Klageschrift benennt ausschließlich R... als Kläger. Eine nähere Begründung, aus der das Gericht hätte schließen können, dass R... nicht Kläger sein soll, enthält die Klageschrift nicht. Eine dahingehende Auslegung widerspräche auch dem Schriftsatz vom 16. Mai 2002 (Bl. 14 der Gerichtsakte). In diesem Schriftsatz wird R... als Kläger im "Kurzrubrum" aufgeführt. Auch im Schriftsatz vom 29. Juli 2002 (Bl. 25 der Gerichtsakte) wird mehrfach zwischen P... und dem Kläger unterschieden. Offenbar ging P.. also selbst davon aus, dass zum damaligen Zeitpunkt nicht er, sondern sein Bruder, R.. , Kläger gewesen ist.