Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 14.02.2003, Az.: 6 A 4003/00

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
14.02.2003
Aktenzeichen
6 A 4003/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 40730
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2003:0214.6A4003.00.0A

Gründe

1

Aus den Entscheidungsgründen:

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I.

Der Kläger ist Landesbeamter auf Lebenszeit und begehrt eine Beihilfe zu Leistungen eines Zahnarztes, die dieser zugunsten der Ehefrau des Klägers erbracht hat. Der Bemessungssatz für Beihilfeleistungen für die Ehefrau des Klägers beträgt 70 v. H..

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Im Sommer 1999 stellte der die Ehefrau des Klägers behandelnde Zahnarzt fest, dass - u.a. - in deren rechten Oberkiefer der Zahn sechs fehlte, der Zahn sieben zerstört sei und der Zahn acht zwar vorhanden, aber nicht mehr erhaltungswürdig sei. Wegen der gebotenen Extraktion des Zahnes I/7 und der vorgesehenen weiteren Behandlung begab sich die Ehefrau des Klägers in die Behandlung des Kieferchirurgen Dr.... , der die entsprechenden Behandlungen vornahm. Mit Rechnung vom 30. Dezember 1999 diagnostizierte dieser die Zerstörung des Zahnes I/7, das Vorhandensein einer großen Zwischenlücke und nahm als Therapie u.a. die Einbringung eines Implantats anstelle des Zahnes sieben im rechten Oberkiefer vor. In seiner Rechnung entfielen auf die Vorbereitung und Einbringung des unteren Teils des Implantats 2.890,85 DM. Mit Beihilfeantrag vom 17. März 2000 beantragte der Kläger u.a. auch die Berücksichtigung dieser Leistungen bei der Beihilfe.

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Der Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 24. März 2000 mit der Begründung ab, dass dieser Teil der zahnärztlichen bzw. kieferchirurgischen Leistungen nicht beihilfefähig sei. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 29. Juni 2000 Widerspruch ein und führte u.a. zur Begründung aus, dass statt des Implantats bei Zahn I/7 nicht die Herstellung einer Brücke möglich gewesen sei, da der Zahn I/8 nicht mehr erhaltungswürdig sei.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 21. September 2000 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Er führte aus, dass nach den Regelungen der Beihilfevorschriften es an der vorgesehenen Indikation für die Übernahme von implantologischen Leistungen fehle, da es sich bei den Zähnen 7 und 8 der Ehefrau des Klägers nicht um eine sog. Freiendlücke handele. Daran ändere auch nichts der Umstand, dass der Zahn 8 nicht mehr erhaltungswürdig sei, denn tatsächlich sei er ja noch vorhanden.

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Am 27. Oktober 2000 hat der Kläger Klage erhoben. Er macht geltend: Bereits vor dem Sommer 1999 sei es bei seiner Ehefrau notwendig gewesen, im rechten Oberkiefer die Zähne 5 und 6 zu entfernen. Als sich im Sommer 1999 herausgestellt habe, dass auch der Zahn 7 hochkariös und seine Entfernung geboten sei, habe der behandelnde Zahnarzt zunächst erwogen, eine Brücke mit dem Zahn 8 als Brückenpfeiler einzurichten. Diese Möglichkeit habe aber verworfen werden müssen, weil der Zahn 8 nicht mehr erhaltungswürdig sei. Auch sei seiner Ehefrau nicht zumutbar gewesen, eine Prothese (bzw. Teilprothese) herzurichten. Daher entspreche es dem Sinn der Regelung der Beihilfevorschriften, wenn wegen der mangelnden Erhaltungswürdigkeit des letzten Zahnes auf dieser Seite des Oberkiefers im Wege der Beihilfe auch implantologische Leistungen übernommen würden. Es sei nämlich nicht einzusehen, dass erst der vollständige Verlust des Zahnes 8 abgewartet werden müsse, damit dann implantologische Leistungen wegen des Vorhandenseins einer nunmehr eingetretenen Freiendlücke Berücksichtigung finden könnten.

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Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger aus Anlass des Beihilfeantrages vom 17. März 2000 1.034,67 Euro zu gewähren und

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den Bescheid des Beklagten vom 24. März 2000 und dessen Widerspruchsbescheid vom 21. September 2000 aufzuheben, soweit sie dem entgegen stehen.

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Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Er macht geltend, dass nach den Beihilferegelungen von einer Freiendlücke keine Rede sein könne, da der Zahn 8 im rechten Oberkiefer noch vorhanden sein. Eine erweiternde Auslegung der Beihilfevorschriften sei ihm verwehrt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.

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II.

Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten des Zahnarztes Dr.... in dessen Rechnung vom 30. Dezember 1999, soweit dort Leistungen für die Freilegung und den Unterbau des Implantats im Bereich des Zahnes I/7 in Ansatz gebracht worden sind. Dabei hat der Kläger zutreffend im Termin zur mündlichen Verhandlung den ursprünglich insoweit in der Rechnung des Zahnarztes aufgeführten Betrag von 2.890,85 DM (= 1.478,07 Euro) um 30 v. H. reduziert (= 443,40 Euro), da ohnehin im Wege der Beihilfe zugunsten der Ehefrau des Klägers nicht der vollständige Rechnungsbetrag, sondern einen Geldbetrag nur im Umfang ihres Bemessungssatzes von der Beihilfestelle verlangt werden kann. Zutreffend ist aber der Beklagte davon ausgegangen, dass auch dieser Betrag nicht im Wege der Beihilfe übernommen werden kann, da im vorliegenden Fall die implantologischen Leistungen nicht beihilfefähig sind.

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Dazu im Einzelnen:

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Gemäß § 87 c Abs. 1 Niedersächsisches Beamtengesetz - NBG - sind auf die Beamten des Landes Niedersachsen die für Bundesamte geltenden Beihilfevorschriften anzuwenden. Maßgeblich sind dabei die zur Zeit der Entstehung der hier geltend gemachten Aufwendungen geltenden Fassungen des Beamten- und Beihilferechts (hier: NBG i.d.F. vom 5. Dezember 1985, Nds.GVBl. S. 493, geändert durch Gesetz vom 16. Dezember 1999, NdsGVBl. S. 421, sowie die Beihilfevorschriften - BhV - i.d.F. des Runderlasses des Ministers der Finanzen vom 25. März 1996, NdsMBl. S. 765, und den Hinweisen zu den BhV, NdsMBl. S. 783).

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Allerdings sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass auch die ab dem 1. Januar 2002 geltenden BhV und die dazu ergangenen Hinweise (vgl. NdsMBl. S. 145 ff.) zu der hier interessierenden Fragestellung keine anderen Formulierungen oder Hinweise enthalten.

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Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen für eine vom Zahnarzt vorgenommene Leistung. Voraussetzungen und Umfang der Beihilfefähigkeit richten sich nach Satz 2 der Vorschrift für zahnärztliche und kieferorthopädische Leistungen nach der Anlage 2. Dabei sind nach Anlage 2 Nr. 4 zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV die Aufwendungen für implantologische Leistungen einschließlich aller damit verbundenen zahnärztlichen Leistungen nur dann beihilfefähig, wenn eine der folgenden Indikationen vorliegt:

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a) Einzelzahnlücke, wenn beide benachbarten Zähne intakt und nicht überkronungsbedürftig sind,

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b) Freiendlücke, wenn mindestens die Zähne 8 und 7 fehlen,

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c) Fixierung einer Totalprothese.

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Davon kommt hier allein die Indikation b) in Betracht. Zutreffend wird in den angefochtenen Bescheiden davon ausgegangen, dass diese Indikation aber bei der Ehefrau des Klägers nicht bestand. Denn der Zahn I/8 ist bei der Ehefrau des Klägers noch vorhanden. Dass dieser noch vorhandene Zahn nach der - glaubhaften - Darstellung des Klägers nicht geeignet ist, eine Brücke zu tragen, ist dabei unerheblich. Denn bei Vorhandensein des Zahnes I/8 fehlt dieser Zahn nicht und mithin ist eine Freiendlücke im Sinne der Anlage 2 Nr. 4 Satz 1 b zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV nicht gegeben.

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Zu der Frage, ob eine Freiendlücke im Sinne der angesprochenen Vorschrift auch dann gegeben ist, wenn der letzte Zahn im betreffenden Bereich des Kiefers zwar noch vorhanden, aber als Träger einer Brücke untauglich ist, wurde in der obergerichtlichen Rechtsprechung, der sich der Einzelrichter anschließt, folgendes ausgeführt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Oktober 1999 - 4 S 1700/98 - zitiert nach juris, bestätigt durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. März 2000 - 2 B 3.00 -, zitiert nach Topka/Möhle, Kommentar zum Beihilferecht Niedersachsens, 5. Auflage, Stand: Juni 2002, § 6 Seite 76, 6): Nach dem eindeutigen Wortlaut der Beihilfevorschriften kann dann von einer Freiendlücke nicht mehr gesprochen werden, wenn ein Zahn 8 noch vorhanden ist. Der Begriff der Freiendlücke beschreibt im zahnärztlichen Sprachgebrauch eine Freilücke mit freiem Ende und ist mit diesem Inhalt klar und eindeutig. Zudem müssen die Zähne 8 und 7 fehlen, d.h. diese betreffenden Zähne müssen nicht vorhanden sein. Ein Zahn fehlt aber nicht, wenn er vorhanden, aber lediglich schadhaft ist. Eine Lücke in der Zahnreihe ist daher nur dann eine Freiendlücke im Sinne der genannten Bestimmung, wenn es keine Zähne 7 oder 8 mehr gibt, welche die Zahnreihe jenseits der Lücke fortsetzen.

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Der klare und eindeutige Wortlaut der in Rede stehenden Bestimmung entspricht auch der vom Vorschriftengeber angestrebten Handhabbarkeit und der damit zugleich bezweckten Begrenzung der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Implantate. Eine über den klaren Wortlaut und Zweck der Vorschrift hinausgehende erweiternde Auslegung der Vorschrift ist daher ausgeschlossen.

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Mit diesem Inhalt steht die Regelung auch mit höherrangigem Recht in Einklang. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass der Dienstherr damit seine Fürsorgepflicht verletzte. Denn mit der Regelung hat sich der Dienstherr im Rahmen des ihm bei der durch Erlass der Beihilfevorschriften erfolgen Konkretisierung seiner Fürsorgepflicht zustehenden Ermessens gehalten und hatte dadurch weder den Gleichbehandlungsgrundsatz noch die Fürsorgepflicht in ihrem Kern verletzt. Denn die Beihilfeleistungen sollen als ergänzende Hilfeleistung des Dienstherrn eben nicht einen lückenlosen Schutz gewähren und den betreffenden Beamten von jedweden finanziellen Aufwendungen freihalten. Vielmehr ist es dem Dienstherrn gestattet, in typisierender und generalisierender Weise eine angemessene Begrenzung der besonders kostenintensiven Aufwendungen der Zahnbehandlung insbesondere im Bereich der Prothetik vorzunehmen.

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Auch kann im vorliegenden Falle keine Rede davon sein, bei einer am Einzelfall orientierten Betrachtung sei die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht im Sinne des § 87 Abs. 1 NBG verletzt. Denn es erscheint durchaus zumutbar, dass der Kläger die Kosten der in Rede stehenden Behandlung - soweit sie nicht von seiner privaten Krankenversicherung übernommen werden - aus eigenen Mitteln aufbringt, da durch die hier streitigen Beträge keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, die Lebensführung für sich und seine Familie werde damit ernsthaft beeinträchtigt. Zum anderen macht es einen Sinn, wenn lediglich bei Freiendlücken implantologische Leistungen beihilfefähig sind. Denn tatsächlich ist - wie hier - der Zahn 8 noch vorhanden, sodass er - auch wenn er nicht erhaltungswürdig erscheint - solange er noch vorhanden ist, die Kaufunktion des Gesamtgebisses unterstützen kann.

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Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

26

Gründe, die Berufung zuzulassen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich (vgl. § 124 a VwGO). ...