Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 14.02.2003, Az.: 6 A 3712/00

allgemeine Leistungsklage; Beamtenrecht; Bezüge/Ruhegehalt; Dienstunfähigkeit; Fortführungsanordnung; kein nötiger Sofortverzug; Ruhestand; Verfahrenshandlung; Versetzung; Vorverfahren; Zurruhesetzung

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
14.02.2003
Aktenzeichen
6 A 3712/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 47924
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Nach rechtskräftigem Abschluss des Zurruhesetzungsverfahrens kann die Auszahlung der Differenz zwischen den amtsangemessenen Bezügen und das (vorläufige) Ruhegehalt auch dann nicht vom Dienstherrn herausverlangt werden, wenn für die Zurruhesetzungsverfügung nicht die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

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I. Der Kläger begehrt von der Beklagten die Bezahlung von nach seiner Meinung ausstehenden Bezügen.

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Der im ... geborene Kläger trat im April 1971 in den Dienst der Beklagten ein und wurde mit Wirkung vom 21. März 1979 zum Steuerobersekretär befördert. Am 9. November 1979 wurde ihm die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit verliehen.

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Nachdem der Kläger 1983/1985 und 1996/1997 sehr lange erkrankt und zu anderen Zeiten für einige Monate und kurzzeitig erkrankt war, veranlasste der Vorsteher des Finanzamtes, in dem der Kläger bedienstet war, seine amtsärztliche Untersuchung zur Überprüfung seiner Dienstfähigkeit. Nachdem der Amtsarzt unter dem 1. Juli 1997 die Dienstunfähigkeit des Klägers festgestellt und dem sich der Vorsteher des Finanzamts am 3. Juli 1997 angeschlossen hatte, leitete der Beklagte das Verfahren zur Versetzung des Klägers in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit ein. Dem widersprach der Kläger.

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Mit Schreiben vom 19. März 1998 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass das Verfahren über die Versetzung in den Ruhestand fortgeführt werden solle und mit dem Ende der drei Monate, die der Bekanntgabe dieser Anordnung folgten, bis zur Entscheidung über die Versetzung in den Ruhestand seine Bezüge insoweit einzubehalten seien, als sie das Ruhegehalt überstiegen.

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Nachdem der von der Beklagten bestimmte Untersuchungsführer die untersuchenden Ärzte, Kollegen des Klägers und den Kläger selbst angehört hatte und einen abschließenden Entscheidungsvorschlag unter dem 29. Juli 1998 erstellt hatte, erklärte der unmittelbare Dienstvorgesetzte des Klägers am 14. September 1998, dass er diesen für dauernd unfähig halte, seine Dienstpflichten zu erfüllen. Daraufhin versetzte die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 1. Oktober 1998 mit Ablauf des 30. Juni 1998 in den Ruhestand. Nach erfolglosem Vorverfahren erhob der Kläger gegen diesen Bescheid Anfechtungsklage, die mit Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 6. Kammer - vom 29. November 2000 (Az.: 6 A 1155/99) abgewiesen wurde. Der dagegen vom Kläger gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung wurde mit Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. April 2002 abgelehnt (5 LA 620/01).

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Bereits am 5. Oktober 2000 hat der Kläger Klage erhoben und macht geltend: Zu Unrecht gewähre ihm die Beklagte ab dem 1. Oktober 1998 lediglich Bezüge in Höhe seines Ruhegehalts. Denn er habe gegen die Zurruhesetzungsverfügung die gebotenen Rechtsbehelfe ergriffen, so dass mangels der Anordnung einer sofortigen Vollziehung die Beklagte diese Anordnung nicht zur Grundlage einer Kürzung seiner Bezüge hätte machen dürfen, ohne dass endgültig die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Anordnung geklärt worden sei. Er habe daher Anspruch auf die fehlende Besoldung.

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Der Kläger beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, ihm 7.216,82 Euro nebst 4 v.H. Zinsen seit dem 2. Oktober 1998 zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie erwidert: Wenn schon in § 56 Abs. 4 Satz 1 des Niedersächsischen Beamtengesetzes die Regelung enthalten sei, dass 3 Monate nach der Fortführungsmitteilung eine Absenkung der Bezüge auf das Ruhegehalt erlaubt sei, so müsse dies erst Recht auch für spätere Zeiträume gelten, wenn diese Verfügung über die Versetzung in den Ruhestand in einem gerichtlichen Verfahren streitbefangen sei. Jedenfalls sei nach Bestandskraft der Verfügung, mit der der Kläger wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden sei, eine Nachzahlung der einbehaltenen Bezüge gesetzlich nicht vorgesehen. Darüber hinaus sei der Kläger sowohl während des Verwaltungs- als auch während des gerichtlichen Verfahrens über zahlreiche Monat erkrankt gewesen, so dass von einem Anbieten der Arbeitskraft keine Rede sein könne.

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Nachdem der Kläger zunächst ursprünglich auch die Verurteilung der Beklagten beantragt hatte, ihn  wieder als Steuerobersekretär weiter zu beschäftigen, sagte ihm die Beklagte mit Schreiben vom 6. Januar 2003 eine zu veranlassende Reaktivierung zu, da in einem amtsärztlichen Gutachten vom 10. Dezember 2002 die Fortdauer der Dienstunfähigkeit des Klägers verneint wurde. Daraufhin erklärten die Verfahrensbeteiligten insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Klage hat keinen Erfolg, weil sie unzulässig ist. Gemäß § 126 Abs. 3 Beamtenrechtsrahmengesetz - BRRG - und § 192 Abs. 3 Niedersächsisches Beamtengesetz - NBG - bedarf es in beamtenrechtlichen Klagen auch bei allgemeinen Leistungsklagen der Durchführung eines Vorverfahrens als Zulässigkeitsvoraussetzung einer verwaltungsgerichtlichen allgemeinen Leistungsklage. Der Kläger begehrt hier von der Beklagten die Nachzahlung von Bezügen, deren Höhe gesetzlich geregelt ist (vgl. § 2 Abs. 1 Bundesbesoldungsgesetz - BBesG -). Der Sinn dieser Regelung, vor Anrufung eines Gerichts ein Vorverfahren durchführen zu müssen, liegt darin, dass wegen des besonderen beamtenrechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses zwischen Dienstherrn und Beamten zunächst dem Dienstherrn Gelegenheit gegeben werden soll, sich mit dem Begehren des Beamten zu befassen, bevor Außenstehende wie das Gericht in diesen Bereich eingreifen (vgl. BVerwGE 114, 350, 354). Im vorliegenden Falle wurde ein derartiges Vorverfahren  nicht durchgeführt, so dass die Klage unzulässig ist.

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Selbst wenn man aber entgegen dem zuvor Gesagten zugunsten des Klägers unterstellen wollte, es sei ein Vorverfahren durchgeführt worden, so hat die Klage gleichfalls keinen Erfolg, weil sie unbegründet ist. Die Weigerung der Beklagten, dem Kläger ab dem 1. Juli 1998 höhere Bezüge als die seines Ruhegehalts zu zahlen, ist rechtmäßig. Nach § 56 Abs. 4 Satz 1 NBG sind mit dem Ende der 3 Monate, die dem Monat der Bekanntgabe der Anordnung über die Fortsetzung des Verfahrens für Versetzung in den Ruhestand folgen, bis zur Entscheidung über die Versetzung in den Ruhestand die Bezüge einzubehalten, die das Ruhegehalt übersteigen. Mit dieser Zustellung der Fortführungsanordnung - hier das Schreiben vom 19. März 1998 - beginnt ein förmliches Ermittlungsverfahren, das zugleich wegen der Absenkung der Bezüge auf das Ruhegehalt wichtige vermögensrechtliche Folgen hat. Dennoch wird diese Fortführungsanordnung nicht als Verwaltungsakt, sondern als Verfahrenshandlung im Sinne von § 44 a VwGO angesehen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 27. Juni 1991 entschieden (Az.: 2 C 26.89 - BVerwGE 88, 332 = DVBl. 1992, 98). Dem schließt sich der Einzelrichter an. Der Sinn dieser gesetzlichen Regelung liegt darin, dass die Vollziehbarkeit der Gehaltskürzung nicht durch Rechtsbehelfe i.S.d. § 80 VwGO aufgeschoben werden soll. Diese Fortführungsanordnung bleibt auch im Rahmen einer späteren Anfechtung der Zurruhesetzungsverfügung überprüfbar (vgl. Sommer/Konert/Sommer: Kommentar zum NBG, Frankfurt am Main 2001, § 56 Rdnr. 15). Auch die während des Ermittlungsverfahrens einbehaltenen Bezüge werden später nicht nachgezahlt, wenn das Verfahren mit der Versetzung in den Ruhestand endet. Dies ergibt sich eindeutig aus § 56 Abs. 5 Satz 4 Halbsatz 2 NBG. Diese Regelung bezweckt, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen der unter den Voraussetzungen des § 54 Abs. 1 NBG zwingenden Zurruhesetzung nicht durch Einwendungen, die sich in einem Ermittlungsverfahren als von vornherein unbegründet herausstellen, hinausgeschoben werden können (ähnlich zu § 44 Abs. 4 BBGBVerwG, Urteil vom 16. Oktober 1997 - 2 C 3.97 - Buchholz 232 Nr. 26). Da der Betroffene infolge der Einbehaltung nach Abs. 4 Satz 1 der Regelung mit einschneidenden Folgen rechnen musste, kommt insbesondere eine Nachzahlung dann nicht mehr in Betracht, wenn das Zurruhesetzungsverfahren - wie hier - rechtskräftig abgeschlossen worden ist.

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Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Soweit die Beteiligten übereinstimmend hinsichtlich des früheren Klageantrags zu 1) - der amtsangemessenen Weiterbeschäftigung - das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, entsprach es der Billigkeit im Sinne von § 161 Abs. 2 VwGO, die Kosten dem Kläger aufzuerlegen. Wie sich nämlich aus dem rechtskräftigen Urteil der Kammer vom 29. November 2000 ergibt, war die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit in der Sache zutreffend. Dass der Kläger nun mehr vielleicht wieder reaktiviert wird, ändert an dieser Betrachtung nichts. Im Übrigen scheint diese mögliche Reaktivierung auch darauf zurückzuführen sein, dass der Kläger inzwischen verschiedene Behandlungen und Operationen durchgeführt hat, die auf seinen Gesundheitszustand positiven Einfluss hatten.

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Die Regelung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Gründe, die Berufung zuzulassen, sind weder vorgetragen  noch ersichtlich.