Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 18.02.2003, Az.: 12 A 2043/01
Ermessen; Europäischer Sozialfond; Förderung; Subventionen; Verschulden; Verwendungszweck; Zuwendung; Zweckverfehlung
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 18.02.2003
- Aktenzeichen
- 12 A 2043/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 47928
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 49 Abs 3 VwVfG
- § 49a Abs 1 VwVfG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Das Ermessen kann bei Nichterreichung des mit der Gewährung von Zuwendungen verfolgten Zwecks im Regelfall nur durch eine Entscheidung für den Widerruf fehlerfrei ausgeübt werden (intendiertes Ermessen).
2. Eine Zweckverfehlung liegt auch dann vor, wenn der Zwendungsempfänger die Zuwendung entgegen der im Bescheid enthaltenen Zweckbestimmung für andere grundsätzlich ebenfalls positiv zu bewertende Zwecke verwendet.
Tatbestand:
I. Die Beteiligten streiten über den Widerruf und die Rückforderung einer Zuwendung (Projektförderung) aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds.
Mit Antrag vom 25. März 1997 beantragte der Kläger Fördermittel aus dem Europäischen Sozialfonds für die Weiterbildung für Handwerker der KMU für alternative Energie-Konzepte. In dem Durchführungszeitraum vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 1999 sollten jeweils acht Teilnehmer in zwei berufsbegleitenden Fortbildungen arbeiten. Nach der dem Antrag beigefügten Projektkonzeption sollte der Projektverlauf in drei Phasen erfolgen. In der Phase II fänden die Fortbildungskurse für je acht Teilnehmer jeweils über neun Monate berufsbegleitend statt. Es seien jeweils 640 Unterrichtsstunden zu absolvieren. In überarbeiteten Anträgen wurden für die beiden berufsbegleitenden Fortbildungen je 11 Teilnehmer und jeweils 650 Zeitstunden angegeben (zuletzt im ergänzenden Antrag vom 15. Dezember 1997).
Daraufhin bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Zuwendung aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds bis zur Höhe von 218.486 DM. In dem Bescheid heißt es, dass die Mittel zweckgebunden seien und sie im Rahmen der Projektförderung ausschließlich zur Durchführung der Maßnahme "Weiterbildung für Handwerker der KMU für alternative Energie-Konzepte“ gewährt würden. Abweichungen bei der Durchführung und im Inhalt des Projektes (z. B. jährliche Teilnehmerstunden, Teilnehmerwechsel, Verteilung der Mittel auf die Jahre) oder Änderung des Finanzierungsplanes seien unverzüglich anzuzeigen. Die Bemessung der auszuzahlenden Zuwendung hänge maßgeblich von den tatsächlich geleisteten Stunden der förderfähigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer ab.
Da sich schon im Jahre 1998 die Durchführung der Kurse als schwierig gestaltete, teilte der Kläger der Beklagten mit, dass die Weiterbildung über das Internet, über Praktika und Wochenendkurse erfolgen solle. Er stellte deshalb unter dem 15. Januar 1999 einen Änderungsantrag und beantragte eine Verlängerung des Projektes bis Juni 2000 und eine Verschiebung der Mittel innerhalb des Projektes. Es sollten Praktika und Seminare dreimal mit jeweils 12 Teilnehmern durchgeführt werden (4644 Teilnehmerstunden). Die Internetkurse sollten fünfmal mit jeweils 15 Teilnehmern durchgeführt werden (9750 Teilnehmerstunden). Im Änderungsantrag vom 25. Februar 1999 wurden die Zeitstunden auf insgesamt 14394 festgelegt, davon in 1998 auf 12, in 1999 auf 8934 und in 2000 auf 5448 Zeitstunden. Auf die Aufforderung der Beklagten, die Anzahl der Teilnehmer anzugeben, gab der Kläger im wiederum geänderten Antrag vom 26. April 1999 die Zahl der Teilnehmer für 1998 mit 12, für das Jahr 1999 mit 47 und für das Jahr 2000 mit 52 an.
Die Beklagte änderte sodann mit Änderungsbescheid vom 18. November 1999 den Bewilligungsbescheid vom 17. Dezember 1997 ab. Danach sollte das Projekt in der Zeit vom 1. Januar 1998 bis 30. Juni 2000 durchgeführt werden. In diesem Zeitraum könnten Ausgaben für das Projekt im Rahmen des für verbindlich erklärten Antrages geleistet werden, für die die Zuwendung verwendet oder abgerechnet werden könne. Sofern das Projekt nicht durchgeführt werde, liege das gesamte Finanzierungsrisiko beim Antragsteller.
Unter dem 14. Juni 2000 beantragte der Kläger gleichzeitig mit der Vorlage des Zwischenberichtes eine Verlängerung des Projektes bis 31. Dezember 2000 und führte zur Begründung an: Die Gestaltung der Internetkurse sei schwieriger als vorgesehen. Die benötigte Teilnehmerzahl werde voraussichtlich im Verlaufe des nächsten Jahres erreicht werden. Im geänderten Antrag wurden insgesamt 111 Teilnehmer angegeben (für 1998 insgesamt 12, für 1999 dann 5 und für 2000 insgesamt 94). Mit Bescheid vom 18. August 2000 änderte die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 17. Dezember 1997 erneut ab und verlängerte den Bewilligungszeitraum bis zum 31. Dezember 2000.
Nachdem der Kläger im Verwendungsnachweis vom 5. März 2001 angegeben hatte, dass in den Projektjahren 1998 bis 2000 lediglich 156 Teilnehmerstunden geleistet worden seien, widerrief die Beklagte nach erfolgter Anhörung den Bewilligungsbescheid vom 17. Dezember 1997 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 18. August 2000 und forderte die gezahlte Zuwendung in Höhe von 218486 DM zurück. Zur Begründung führte sie aus: Nach dem der Bewilligung zugrunde liegenden Projektantrag sei die Durchführung von Fortbildungskursen mit Handwerkern mit einem Stundenaufkommen von insgesamt 14300 Teilnehmerstunden beantragt worden. Da während des gesamten Projektzeitraumes lediglich 156 Teilnehmerstunden geleistet worden seien, sei die zugeflossene Zuwendung für die Anpassung von Arbeitnehmern an den industriellen Wandel nicht verwandt worden. Damit sei wegen der nicht durchgeführten Fortbildung von Handwerkern der Zweck der Zuwendung nicht erreicht worden..
Zur Begründung seines hiergegen eingelegten Widerspruchs führte der Kläger an: Es könne ihm nicht angelastet werden, dass sich so wenig Personen für eine Teilnahme entschieden hätten, da er sich ausreichend um Teilnehmer bemüht habe. Er habe ein ausreichendes Konzept für die Fortbildungen entwickelt und im Laufe des Verfahrens sogar verbessert. Im weiteren Verlauf sei ein Lehrgang für das Internet umgearbeitet worden. Dies sei nur durch den Einsatz erheblich eigener Mittel möglich gewesen. Dieser Internetlehrgang könne noch ausgebaut werden. Das Projekt sei zu einem durchaus erfolgreichen und vielversprechenden Abschluss gebracht worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Mai 2001 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und wies auf den untrennbaren Zusammenhang zwischen den zuwendungsfähigen Ausgaben und den erbrachten Teilnehmerstunden einerseits und die sich hieraus ergebende Höhe der zustehenden Zuwendung andererseits hin. Im Laufe des Zuwendungszeitraumes habe der Kläger zwar wiederholt über die Stundenentwicklung des Projektes berichtet. Er sei aber mehrfach darauf hingewiesen worden, dass die fehlenden Teilnehmerstunden nachgeholt werden müssten.
Der Kläger hat am 22. Juni 2001 Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus: Das genehmigte Projekt habe nicht ausschließlich in der Durchführung einer Weiterbildung bestanden. Es habe auch die Planung der Bildungsmaßnahme, die Entwicklung eines Curriculums, die Teilnehmerwerbung und die Durchführung der Weiterbildung beinhaltet. Den Schwierigkeiten, Teilnehmer für die Teilnahme an den berufsbegleitenden Maßnahmen zu finden, habe er in Veränderungen der Konzeption Rechnung getragen. Diese Änderung sei von der Beklagten genehmigt worden. Er habe alles getan, um das Projekt erfolgreich zu gestalten. Das Verhalten der angesprochenen Teilnehmer sei nur begrenzt vom Anbieter, also von ihm, zu beeinflussen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 29. März 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2001 aufzuheben.
Die Beklagte tritt den Ausführungen des Klägers entgegen und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
II. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 29. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2001 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Der Widerruf der Zuwendung stützt sich auf § 49 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG (i.V.m. § 1 NVwVfG), die Erstattungsregelung und Rückforderung auf § 49 a Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 NVwVfG - VwVfG -. Nach § 49 Abs. 3 VwVfG kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn die Leistungen nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird. Diese Voraussetzungen liegen - wie den Ausführungen der angefochtenen Bescheide zu entnehmen ist - vor wie auch die Voraussetzungen des § 49 a VwVfG, wonach bereits erbrachte Leistungen zu erstatten sind, soweit ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen worden ist. Zur weiteren Begründung wird auf die Ausführungen im Beschluss der Kammer vom 3. Dezember 2001 zum Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe verwiesen.
Im Hinblick auf die Hinweise des Klägers nach Erlass dieses Beschlusses und die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung ist noch auszuführen:
Im Bewilligungsbescheid vom 17. Dezember 1997 wird ausdrücklich festgehalten, dass die Mittel zweckgebunden und im Rahmen der Projektförderung ausschließlich zur Durchführung der Maßnahme „Weiterbildung für Handwerker der KMU für alternative Energie-Konzepte“ gewährt wird. Durch Unterstreichung wird besonders betont, dass im Falle von Abweichungen bei der Durchführung und dem Inhalt des Projektes (z.B. jährliche Teilnehmerstunden, Teilnehmerwechsel, Verteilung der Mittel auf die Jahre) Anzeigepflichten bestünden. Weiter wird in dem Bescheid betont, dass das gesamte Finanzierungsrisiko beim Antragsteller liege, sofern das Projekt nicht durchgeführt werde. Durch Unterstreichung wird wiederum hervorgehoben, dass die Bemessung der auszuzahlenden Zuwendungen maßgeblich von den tatsächlich geleisteten Stunden der förderfähigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer abhänge. Entgegen der Auffassung des Klägers bestand der Zweck der Maße also gerade nicht in der Ausarbeitung eines Konzeptes oder der Bereitstellung einer Fördermaßnahme. In dem Bewilligungsbescheid i.V.m. der Antragstellung und der der Zuwendung zugrunde liegenden Richtlinien kommt hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass nicht Weiterbildungsstätten gefördert werden sollten mit der Erwartung der Zuwendungsbehörde, dass durch den Aufbau und den Betrieb einer solchen Stätte Arbeitskräfte ausgebildet werden. In einem solchen Fall läge keine Zweckverfehlung vor, wenn die Ausbildungsstätte zwar errichtet und betrieben wird, sich die Erwartung, dass hinreichend viele Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen von dem Angebot der Weiterbildung Gebrauch machen, aber nicht erfüllt. Gefördert werden sollten allein Maßnahmen zur Anpassung von Arbeitskräften an den industriellen Wandel und zur Sicherung der vom Strukturwandel bedrohten Arbeitsplätze und damit einzelne Personen. Dieser Zweck ist vom Antragsteller im Antrag auch aufgenommen und in den ergänzenden Anträgen korrigiert worden.
Der Kläger hat die Zuwendungen nicht für diesen in den Bewilligungsbescheiden bestimmten Zweck verwendet. In den angefochtenen Bescheiden wird zutreffend darauf hingewiesen, dass die gewährten Mittel nicht für die Weiterbildung für Handwerker verwendet worden sind. Die vorgesehenen Fortbildungsstunden sind tatsächlich nicht durchgeführt worden. Die prognostizierten Teilnehmerstunden sind bis auf wenige Ausnahmen zu fast 100 % nicht nachgewiesen worden.
Der Widerruf des Zuwendungsbescheides erfolgte auch nicht ermessensfehlerhaft. Auch insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen werden. Die Beklagte hat insbesondere die öffentlichen Interessen an einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung hervorgehoben und die im Einzelnen benannten privaten Interessen am Behaltendürfen der Leistungen berücksichtigt. Die Verwaltungspraxis, bei nicht zweckentsprechender Verwendung der Zuwendung den Bewilligungsbescheid ganz für die Vergangenheit zu widerrufen, ist rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 16. Dezember 1995 - 11 L 7985/95 -, Nds. Verwaltungsblätter 1998, 113; BVerwG, Urteil vom 16. Juni 1997 - 3 C 22/96 -, BVerwGE 105, 55 = NJW 1998, 2233 = DVBl. 1998, 145). Nach dieser grundlegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist in der Rechtsprechung geklärt, dass bei Verfehlung des mit der Gewährung von öffentlichen Zuschüssen verfolgten Zwecks im Regelfall das Ermessen nur durch eine Entscheidung für den Widerruf fehlerfrei ausgeübt werden kann. Deshalb bedarf es in Fällen dieser Art, in welchen der mit der Gewährung von Subventionen verfolgte Zweck nicht erfüllt wird, keiner Darlegung weiterer Ermessenserwägungen. Solche Erwägungen, die im Übrigen auch noch im Verwaltungsstreitverfahren ergänzt werden können, sind nur bei Vorliegen atypischer Gegebenheiten erforderlich. Einen von diesem Regelfall abweichenden atypischen Einzelfall hat der Kläger nicht darlegen können:
Es ist zunächst darauf hinzuweisen, dass ein Verschulden des Zuwendungsempfängers an der zweckwidrigen Verwendung für den Widerruf der Zuwendung nicht von Bedeutung ist. Es ist vielmehr allein maßgebend, dass der Zweck objektiv nicht erreicht oder nicht mehr erreicht werden kann. Eine Abweichung vom Regelfall stellt es auch nicht dar, dass die Zuwendung für andere grundsätzlich ebenfalls positiv zu bewertende Zwecke verwendet worden ist. Auch hierauf ist im angefochtenen Bescheid hingewiesen worden. Es ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den Hinweis des Klägers, er habe die Zuwendung zur Vorbereitung der Weiterbildungsmaßnahme verwendet, als nicht vorrangig gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit angesehen hat.
Eine auf kostenträchtige Vorbehaltung der Maßnahme liegt innerhalb des Rahmens eines Regelfalls, für den die gesetzlich intendierte Regelfolge gilt.
Auch soweit die Beklagte die bereits ausgezahlte Zuwendung zurückgefordert hat, begegnet der angefochtene Bescheid keinen rechtlichen Bedenken. Auch insoweit wird zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide wie auch auf die Ausführungen im Beschluss des Gerichts vom 3. Dezember 2001 Bezug genommen.
Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO liegen nicht vor.