Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 23.11.2004, Az.: 3 A 5/01
Beitrag; Beitragssatz; Entscheidungsspielraum; Erschwernisbeitrag; Gewässer; Gewässerunterhaltung; Haushalt; Haushaltsplan; Kalkulation; Kapitalisierung; Mitglied; Rücklagen; Schattenhaushalt; Verbandsbeitrag; Verbandsgebiet; Wasserverband; Wirtschaftlichkeitsprinzip; Zuschuss; Zuschussgeber; Zweckbestimmung
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 23.11.2004
- Aktenzeichen
- 3 A 5/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50809
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 29 Abs 1 WHG
- § 100 WG ND
- § 78 Abs 3 WVG
- § 67 Abs 2 WVVO
- § 73 Abs 1 WVVO
- § 95 GO ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Bildung von Rücklagen bei einem Verband ist zulässig. Die Bildung von Rücklagen ist dem Haushaltsrecht immanent, sie dient der sicheren Verfügbarkeit über Finanzmittel zu einem voraussehbaren Zeitpunkt und dient der Sicherung stetiger Aufgabenerfüllung.
Die Bildung von Rücklagen, die sich aus Verbandsbeiträgen ergeben, hat Grenzen. Diese ergeben sich im Hinblick auf Zweck und Höhe der Rücklagen, auch sind Rücklagen aufzulösen, wenn sie nicht mehr benötigt werden. Die Bildung und Beibehaltung von Rücklagen darf nicht zu einer Art "Schattenhaushalt" ausarten.
Bei der Bildung und Beibehaltung von Rücklagen, die nicht aus Beiträgen der Mitglieder gebildet werden, sondern sich aus Geldbeträgen Dritter ergeben, ist der Verband freier. Hierbei ist der Zweck der Zuwendungen in der Vordergrund zu stellen. Zuschüsse sind in der Regel so zu verwenden, wie es der Zuschussgeber bestimmt hat.
Die Haushaltsführung eines Verbandes und seine Rücklagenbildung kann vom Gericht überprüft werden. Die Rechtsprüfung des Gerichtes muss die Eigenverantwortlichkeit und die Grenzen des Gestaltungsspielraumes des Verbandes respektieren. Die Grenze ist erreicht, wenn sich der Verband ohne rechtfertigenden Grund nicht mehr an das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit hält und die Grenzen einer ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung offenkundig überschreitet.
Die Mitglieder haben einen Anspruch auf Auflösung von Rücklagen zu ihren Gunsten, wenn die Rücklagen aus ihren Beiträgen gebildet worden sind und unangemessen hoch sind oder nicht länger benötigt werden. Sind die Rücklagen nicht aus Beiträgen gebildet worden, sondern aus Zuwendungen Dritter, haben die Mitglieder ein subjektives Recht darauf, dass der Verband die Zuwendungen dem Zweck entsprechend verwendet.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Verbandsbeiträgen für das Jahr 2000.
Der Beklagte ist ein Wasserverband, der bei Inkrafttreten des Niedersächsischen Wassergesetzes im Jahre 1960 im Hinblick auf die Unterhaltung der Gewässer zweiter Ordnung ausgedehnt wurde (jetzt: § 100 Abs. 3 NWG). Sein Verbandsgebiet ist das Niederschlagsgebiet der Elbe vom Kateminer Mühlenbach bis zur Ilmenau und der Ilmenau unterhalb des Hasenburger Mühlenbaches ohne Luhe einschließlich des Deichvorlandes. Nach § 2 seiner Satzung hat der Verband im Gesamtgebiet vornehmlich die Aufgabe, die Gewässer zweiter Ordnung zu unterhalten; im sogenannten Altgebiet kommen weitere Aufgaben hinzu. Nach der Satzung sind Mitglieder des Verbandes die jeweiligen Grundstückseigentümer.
Der Kläger hat Grundeigentum im Verbandsgebiet des Beklagten. Die Grundstücke liegen im Gesamtgebiet, aber nicht im Altgebiet. Wegen der Beitragsveranlagungen werden seit mehr als 20 Jahren Prozesse geführt. In einem der letzten Verfahren hat die Kammer festgestellt, dass der Kläger Mitglied im beklagten Verband ist, und er keinen Anspruch auf Entlassung aus der Mitgliedschaft hat (Urteil v. 17.10.2000 - 3 A 1/00 -). Die Berufung gegen das Urteil blieb erfolglos (Nds. OVG, Urt. v. 31.3.2004 - 13 LB 47/03 -). Ein weiteres Verfahren über die Heranziehung zu Verbandsbeiträgen für die Jahre 1997 bis 1999 blieb ebenfalls ohne Erfolg. Nachdem die Kammer die Klage mit Urteil vom 17. Oktober 2000 abgewiesen hatte (3 A 222/97), wurde die Berufung mit Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 9. August 2000 zurückgewiesen (13 LB 21/03).
Mit Bescheid des Beklagten vom 10. Mai 2000 wurde der Kläger zu Verbandsbeiträgen in Höhe von 1.207,95 DM für das Jahr 2000 herangezogen. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2000 zurückgewiesen.
Der Kläger hat am 2. Januar 2001 Klage erhoben. Er trägt u.a. vor: Die Beiträge enthielten allgemeine Beiträge und Erschwernisbeiträge. Die Erhebung von Erschwernisbeiträgen sei rechtswidrig und unausgewogen. Die Beiträge würden für befestigte Flächen erhoben, jedoch entstehe durch versiegelte Flächen keine Erschwernis des Beklagten bei der ihm obliegenden Gewässerunterhaltung. Regenwasser werde in Regenrückhaltebecken geleitet und versickere und verdunste dort. Es sei auch fehlerhaft, wenn die Veranlagungsregeln insgesamt vom Vorstand aufgestellt und vom Ausschuss festgesetzt würden. Der Beklagte wende sein Satzungsrecht nicht unterschiedslos an. So werde die Gemeinde Wendisch Evern (aufgrund eines Urteils der Kammer vom 1. 6. 1993 - 3 A 127/89 -) beitragsfrei gestellt, auch in der Stadt Lüneburg seien Flächen beitragsfrei. Der Haushalt des Beklagten sei rechtswidrig. Schon in den 80er und 90er Jahren sei es zu Unregelmäßigkeiten gekommen. Nunmehr würden Beihilfen für Bedienstete des Verbandes eingestellt und durch Beiträge finanziert, ebenso Ruhegehaltsbezüge und Beiträge an den Wasserverbandstag in Hannover. Der Beklagte sammele Kapital an. 1974 seien es rund 231.000,00 DM gewesen, 1981 über 1 Million DM, 1991 4,2 Millionen DM, 2001 8,1 Millionen und 2002 8,8 Millionen DM. Diese Entwicklung von Kapitalvermögen sei rechtswidrig, hierzu fehle eine gesetzliche Grundlage.
Der Kläger beantragt,
den Beitragsbescheid des Beklagten für das Jahr 2000 vom 11. Mai 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2000 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er erwidert: Die Kammer und das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hätten festgestellt, dass der Kläger Mitglied sei. Die Klage gegen die Beiträge für die Jahre 1997 bis 1999 sei erfolglos geblieben. Die vom Kläger gegen seine Beitragsveranlagung vorgebrachten Argumente seien bereits sämtlich von den Gerichten geprüft und gewürdigt worden.
In der mündlichen Verhandlung wurde der Beklagte ausführlich zu den Rücklagen und der Einstellung der Zinsen für die verschiedenen Haushaltsjahre befragt. Wegen des Ergebnisses der Befragung wird auf das Terminsprotokoll Bezug genommen. Wegen der übrigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Beitragsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Eine Aufhebung des Bescheides gem. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO scheidet daher aus.
Hierzu ist auszuführen:
1. Der Kläger ist Mitglied im beklagten Verband.
Nach § 29 Abs. 1 WHG und § 100 NWG obliegt die Unterhaltung bestimmter Gewässer dem Beklagten als Unterhaltungsverband. Mitglieder des beklagten Verbandes sind u.a. die Eigentümer der im Verbandsgebiet gelegenen Grundstücke (§ 100 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Buchst. C NWG). Da die bloße Lage eines Grundstückes zum Niederschlagsgebiet zur Mitgliedschaft führt, ist der Kläger Mitglied des Beklagten. Die Mitgliedschaft des Klägers im beklagten Verband verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, und eine Entlassung des Klägers aus der Mitgliedschaft scheidet aus. Dies im Einzelnen hat die Kammer in ihrem Urteil vom 17. Oktober 2000 (3 A 1/00) ausgeführt, und das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat dieses Urteil im Ergebnis und in seiner Begründung bestätigt (Urt. v. 31.3.2004 - 13 LB 47/03 -). Hierauf wird verwiesen.
2. Der in § 32 Abs. 1 der Satzung des Beklagten vorgesehene Flächenmaßstab für die Beitragsverteilung entspricht dem Gesetz. Auch die Erhebung von Erschwernisbeiträgen und der vom Beklagten hierzu gewählte Maßstab in § 32 Abs. 3 der Satzung i.V.m. der Anlage 5 zur Satzung ist frei von Rechtsbedenken. Das hat die Kammer in ihrem Urteil vom 17. Oktober 2000, das zwischen den Beteiligten ergangen ist, im Einzelnen ausgeführt (3 A 122/97). Auch dieses Urteil ist vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht bestätigt worden, das die Maßstäbe als rechtmäßig angesehen hat (Beschl. v. 9.8.2004 - 3 A 222/97 -). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen in den Entscheidungen Bezug genommen.
3. Das übrige Vorbringen des Klägers - soweit es sich nicht auf die Rücklagenbildung und damit auf die Haushaltsführung des Beklagten bezieht - ist ebenfalls schon von der Kammer und vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht gewürdigt worden.
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat insbesondere darauf hingewiesen (Beschl. v. 9.8.2004 a.a.O.), dass der Kläger aus dem Umstand, dass die Gemeinde Deutsch Evern zu Erschwernisbeiträgen herangezogen wird, nichts für sich herleiten kann. Auf die Ausführungen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
Dass der Beklagte in Bezug auf das Stadtgebiet von Lüneburg die Beiträge fehlerhaft berechnet und die vom Kläger erhobenen Beiträge deshalb überhöht sind, ist nicht substantiiert vorgetragen worden.
4. Der dem Bescheid zugrundegelegte Beitragssatz ist rechtmäßig. Er ist nicht unter Verstoß gegen höherrangiges Haushaltsrecht kalkuliert worden. Der Beklagte hat durch die Bildung von Rücklagen nicht gegen haushaltsrechtliche Grundsätze verstoßen.
a) Allgemein ist davon auszugehen, dass der von einem Wasserverband gegenüber seinen Mitgliedern festgesetzte Beitragssatz nur rechtmäßig ist, wenn er ohne Verstoß gegen das Haushaltsrecht kalkuliert worden ist, und der einzelne Beitragspflichtige dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt ist.
Für die Beitragsberechnung gilt gem. § 102 i.V.m. § 101 Abs. 3 Satz 1 NWG das Recht der Wasser- und Bodenverbände, damit das Wasserverbandsgesetz - WVG -. Daraus folgt:
aa) Die vom einzelnen Mitglied zu erbringenden Geldbeiträge sind untrennbar mit dem Haushalt des Verbandes und seinem Haushaltsplan verbunden. Nach § 78 Abs. 3 WVG i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 2 WVVO ist der Haushaltsplan Grundlage für alle Einnahmen, wozu in erster Linie die von den Mitgliedern zu leistenden Geldbeiträge gehören. Die Abhängigkeit von Beiträgen und Haushaltsführung verdeutlicht auch der über § 78 Abs. 3 WVG weiter anwendbare § 78 WVVO, der lautet:
Die Mitglieder haben dem Wasser- und Bodenverband Beiträge zu leisten, wenn es zur Erfüllung seiner Aufgaben und seiner Verbindlichkeiten und zu ordentlichen Haushaltsführung erforderlich ist.
Nach § 78 Abs. 3 WVG i.V.m. § 64 WVVO ist der Verband zum wirtschaftlichen und sparsamen Haushalten bei der Erfüllung seiner Aufgaben verpflichtet. Das Haushaltsrecht fordert den schonenden Einsatz der durch Beiträge finanzierten Geldmittel für ein Verwaltungsziel. Diese Grundsätze muss der Verband im Interesse seiner Mitglieder beachten. Das Wirtschaftlichkeitsgebot bindet den Haushaltsgesetzgeber, d.h. bei einem Verband die Verbandsversammlung (§ 47 Abs. 1 Nr. 5 WVG) oder - anstelle der Verbandsversammlung - den Verbandsausschuss (§ 46 Abs. 1 WVG). Das Prinzip gilt nicht nur bei Umsetzung des Haushalts, sondern schon in der Phase der Auf- und Feststellung des Haushalts (BVerfGE 42,312,332).
bb) Das Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit verbietet die Bildung von Rücklagen bei einem Verband nicht.
§ 67 Abs. 2 WVVO sieht die Bildung sog. Tilgungsrücklagen ausdrücklich vor. Auch wenn weitere spezielle Vorschriften fehlen, wird man die Bildung anderer Rücklagen für zulässig halten müssen (vgl. Rapsch, Wasserverbandrecht, 1993, Rdnr. 316). Das allgemeine Haushaltsrecht sieht - in erster Linie allerdings im kommunalen Haushaltsrecht - die Bildung allgemeiner und besonderer Rücklagen vor. § 95 NGO erlaubt die Bildung von Rücklagen „in angemessener Höhe“ ebenso wie § 62 LHO, der weiter die Bildung einer Schuldentilgungsrücklage und einer allgemeinen Rücklage vorsieht. § 20 GemHVO trifft ebenfalls Bestimmungen über Rücklagenbildung, § 21 Abs. 2 GemHVO sieht für Sonderrücklagen vor, dass diese aufzulösen sind, wenn und soweit ihr Verwendungszweck entfällt. § 6 des Ausführungsgesetzes zum Wasserverbandsgesetz für Nordrhein-Westfalen sieht vor, dass der Verband zur Deckung vorhersehbarer größerer Ausgaben, die das durchschnittliche jährliche Ausgabenvolumen erheblich überschreiten, aus den laufenden Einkünften und Beiträgen Rücklagen in angemessener Höhe bilden soll. Die Bildung von Rücklagen ist dem Haushaltsrecht immanent. Die sichere Verfügbarkeit über Finanzmittel gerade zu einem voraussehbaren Zeitpunkt eines entsprechenden, sonst nicht abdeckbaren Bedarfes ist im Hinblick auf das Ziel der Erhaltung eines ausgewogenen Ausgabengerüstes gerechtfertigt. Dies dient der Sicherung stetiger Aufgabenerfüllung. Ohne die Möglichkeit des Rückgriffs auf zuvor gebildete Rücklagen können unabweisbare Ausgabenotwendigkeiten, denen nur durch überplanmäßige oder außerplanmäßige Ausgaben Rechnung getragen werden könnte, die kontinuierliche Aufgabenerfüllung gefährden.
Bei der Bildung von Rücklagen ist zu differenzieren zwischen solchen Rücklagen, die aus den Beiträgen der Mitglieder gebildet werden und solchen Rücklagen, die sich aus Zuwendungen und Ablösungen Dritter ergeben.
Die Bildung von Rücklagen, die sich aus Verbandsbeiträgen ergeben, hat Grenzen. Diese ergeben sich im Hinblick auf Zweck und Höhe. Auch sind Rücklagen gegebenenfalls aufzulösen. Beim Einsatz des Instrumentes der Rücklagenbildung ist einer Verbandsversammlung - wie jedem Haushaltsgesetzgeber - zwar ein erheblicher Spielraum eingeräumt, die Bildung und Beibehaltung von Rücklagen darf jedoch nicht zu einer Art „Schattenhaushalt“ ausarten. Rücklagen dürfen nicht Selbstzweck werden, sondern müssen durch sachliche Gründe, insbesondere das Ziel einer angemessenen Zukunftssicherung gerechtfertigt sein: Unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitsgebotes und Hinzuziehung der Rechtsgedanken der genannten Vorschriften wird man Rücklagen aus Beiträgen der Mitglieder rechtlich für zulässig halten können, die zur Tilgung von Krediten, zu besonderen Investitionen oder sonstiger vorhersehbarer Ausgaben erforderlich sind, wenn die Ausgaben den üblichen Rahmen des laufenden Haushalts erheblich überschreiten und anders nicht gedeckt werden können. Indes sind die Rücklagen in der Höhe angemessen zu bilden, d.h. in Höhe des voraussichtlichen vorhersehbaren Finanzbedarfs. Rücklagen, die überhöht sind, dürfen nicht gebildet werden. Die Bildung von Rücklagen in einer Höhe „auf Vorrat“ oder „auf bloßen Verdacht“ ist unzulässig, was die Vorsorge für Unwägbarkeiten nicht ausschließt. Rücklagen sind nicht hinnehmbar, wenn ihnen kein entsprechender erkennbarer Ausgabenbedarf gegenübersteht. Rücklagen aus Mitgliederbeiträgen sind aufzulösen, wenn ihr Zweck entfällt. Rücklagen dienen nach dem Gesetz der Deckung eines zukünftigen Finanzbedarfes. Wenn dieser Finanzbedarf nicht mehr gegeben ist, entfällt die Basis und der Bedarf für die Rücklage. Ein Verband ist keine auf Erzielung von Geldgewinn ausgerichtete juristische Person, die Rücklagen ohne Erforderlichkeit beibehalten könnte. Die Anhäufung von Vermögen auf Rücklagekonten, für welches eine haushaltsrechtliche Notwendigkeit nicht mehr zu erkennen ist, ist nicht gerechtfertigt. Wenn die Rücklagen aus Mitgliedsbeiträgen gebildet worden sind, sind damit die nicht mehr benötigten Rücklagen den Mitgliedern wieder gutzubringen. Die Rücklagen sind dann einzusetzen, um den aktuellen Beitragsbedarf zu drosseln (zur Zulässigkeit von Rücklagen, ihrer Höhe und der Pflicht zur Rückführung zugunsten der Beitragspflichtigen vergl. BVerwG, Urt. v. 26.6.1990 - 1 C 45.87 -, NVwZ 1990, 1167; NRWVerfGH, Urt. v. 2.9.2003 - VerfGH 6/02 - Juris; OVG NRW, Beschl. v. 5.2.1999 - 4 A 1168/96 - GewArch 1999, 205; Kirchhof, NVwZ 1983, 505; Wendt/Elicker, VerwArch 2004, 471).
Bei der Bildung und Beibehaltung von Rücklagen, die nicht aus Beiträgen der Mitglieder gebildet werden, sondern sich aus Geldbeträgen Dritter ergeben, ist der Verband freier. Hierbei ist der Zweck der Zuwendungen in der Vordergrund zu stellen. Zuschüsse sind in der Regel so zu verwenden, wie es der Zuschussgeber bestimmt hat. Sollen die Zuschüsse die beitragspflichtigen Mitglieder direkt entlasten, sind sie ihnen direkt zugute zu bringen. Zuschüsse können auch zur Deckung solcher Kosten bestimmt sein, die der Verband nicht auf seine Mitglieder abwälzen kann. Dann sind diese Zuwendungen Dritter haushaltstechnisch entsprechend zu sichern. Es ist haushaltsmäßig zu gewährleisten - ggf. eben durch Rücklagenbildung aus den Zuwendungen - dass die Mitglieder nicht mit Kosten belastet werden, die der Verband allein wegen der Interessen des Dritten (Zuschussgebers) erfüllt.
cc) Die Haushaltsführung eines Verbandes und seine Rücklagenbildung kann vom Gericht überprüft werden.
Der Prüfungsrahmen des Gerichtes ist allerdings eingeschränkt: Die Rechtsprüfung des Gerichtes muss die Eigenverantwortlichkeit und die Grenzen des Gestaltungsspielraumes des Verbandes respektieren. Bei der Beurteilung dessen, was der Verband im Einzelnen für erforderlich und welche Rücklagen - aus Mitgliedsbeiträgen oder aus Zuwendungen Dritter - er in welcher Höhe für angemessen hält, steht ihm ein weiter Entscheidungsspielraum zu. Die diesbezügliche Entscheidung unterliegt nur begrenzt der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Die Grenze ist erreicht, wenn sich der Verband ohne rechtfertigenden Grund nicht mehr an das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit hält und die Grenzen einer ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung offenkundig überschreitet. Damit darf die gerichtliche Kontrolle nicht kleinlich gestaltet und gehandhabt werden, das Gericht ist nicht im Amte eines „Sparkommissars“. Andererseits kann sich das Gericht aber einer effektiven Kontrolle des Haushaltes im rechtlichen und wirtschaftlichen Interesse der einzelnen Beitragsschuldner und im Interesse einer Selbstdisziplinierung des Verbandes nicht entziehen.
dd) Die Mitglieder eines Verbandes haben ein subjektives Recht auf Einhaltung eines gesetzmäßigen Haushaltes. Sie haben auch das Recht, dies gerichtlich durchzusetzen. Die Verbandsmitglieder können allerdings nicht gegen den Haushaltsplan unmittelbar vorgehen, denn die Festsetzung des Haushaltsplanes ist mangels Außenwirkung kein Verwaltungsakt, er ist auch keine sonstige Maßnahme, die gegenüber dem einzelnen Mitglied unmittelbare Wirkung hat. Rechtsmittel kann das einzelne Mitglied nur gegen den auf dem Haushaltsplan beruhenden Beitragsbescheid einlegen, so dass der Haushaltsplan mittelbar vom einzelnen Mitglied zur Überprüfung gestellt werden kann (vgl. Rapsch, Wasserverbandrecht, 1993, Rdnr. 318 Fußnote 193). Dies lässt sich letztlich aus § 28 Abs. 1 WVG ableiten, wonach die Verbandsmitglieder verpflichtet sind, dem Verband Beiträge zu leisten, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Wird diese Grenze, die die subjektiven Rechte des Mitgliedes an einer dem höheren Recht entsprechenden Beitragsgestaltung begründet, überschritten, ist die subjektive Beschwer i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO begründet, was den Beitragsbescheid angeht.
Die Mitglieder haben einen Anspruch auf Auflösung von Rücklagen zu ihren Gunsten, wenn die Rücklagen aus ihren Beiträgen gebildet worden sind und unangemessen hoch sind oder nicht länger benötigt werden. Sind die Rücklagen nicht aus Beiträgen gebildet worden, sondern aus Zuwendungen Dritter, haben die Mitglieder ein subjektives Recht darauf, dass der Verband die Zuwendungen dem Zweck entsprechend verwendet: Sollen die Zuschüsse den Beitragspflichtigen unmittelbar zugute kommen und den umlagefähigen Aufwand unmittelbar reduzieren, haben die Mitglieder einen Anspruch auf Erfüllung dieses Zuwendungszweckes. Dienen die Zuschüsse anderen Zwecken - etwa der Finanzierung von Verbandsaufgaben, die nicht aus Mitgliederinteressen erforderlich sind, sondern aus dem Interesse des Zuschussgebers als Dritten -, haben die Mitglieder ein subjektives Recht darauf, mit diesen Kosten aus Drittinteresse nicht belastet zu werden.
b) Daraus folgt für den vorliegenden Fall: Der Beklagte hat keine unzulässigen Rücklagen gebildet und auch seine Pflicht zur Auflösung von Rücklagen nicht verletzt. Die Rücklagenbildung führt nicht zu einer Art Schattenhaushalt, und die Rücklagen sind auch nicht zu einem Selbstzweck geworden. Die Bildung der Rücklagen ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt.
Allerdings haben die Rücklagen eine erhebliche Höhe erreicht. Der Kläger hat die Rücklagenentwicklung wie folgt dargestellt, ohne dass dies von dem Beklagten in Abrede gestellt worden ist (hier nur gerundete Zahlen):
1974 | 231 Tausend DM (TDM) |
1977 | 540 TDM |
1980 | 945 TDM |
1981 | 1,056 MioDM |
1982 | 1,231 MioDM |
1991 | 4,225 MioDM |
2001 | 8,059 MioDM |
2002 | 8,797 MioDM |
Aus der vom Kläger weiter überreichten Anlage 6 zum Haushaltsplan 2002 ergibt sich beispielhaft, dass von den gesamten 8,797 MioDM rund 8,050 MioDM auf Festgeldkonten angelegt waren.
Jedoch hat der Beklagte - dies hat er auf ausdrückliche Nachfrage in der mündlichen Verhandlung erklärt, und dies ist vom Kläger auch nicht in Abrede gestellt worden - mit Einschränkung der sogenannten allgemeinen Haushaltsrücklage, die dazu verwendet wird, kontinuierlich eine einheitliche Beitragshöhe zu erhalten und zu sichern, in die gebildeten Rücklagen keinerlei Beiträge von den Mitgliedern einfließen lassen. Die Rücklagen sind aus Zahlungen gebildet worden, die der Beklagte von Dritten - insbesondere vom Bund - erhalten hat, um Verbandsaufgaben zu sichern, die den Mitgliedern finanziell nicht angelastet werden können: Durch die Staustufe Geesthacht, den Elbeseitenkanal und durch den Bau der B 404 ist der Zuschnitt der Gewässer im Gebiet des beklagten Verbandes geändert worden. Mehrlängen von Gewässern sind erforderlich geworden, und der Beklagte hat Anlagen übernommen, die er nicht übernommen hätte, wenn die Einrichtungen des Bundes nicht gebaut worden wären. Aufgrund der damaligen Planfeststellungsverfahren ist dem Verband vom Bund ein Geldbetrag zur Verfügung gestellt worden, um die beitragspflichtigen Mitglieder mit den Mehrkosten aufgrund der besonderen Bauwerke nicht zu belasten. Die Einrichtungen sind zwar vom Verband übernommen worden - sie sind damit Verbandeinrichtungen -, jedoch werden durch die Unterhaltung dieser Anlagen Aufgaben durchgeführt, die nicht aus Mitgliederinteressen erforderlich sind, sondern aufgrund von Interessen Dritter, nämlich des Bundes. Durch die Rücklagenbildung und die auflaufenden Zinsen aus Drittmitteln werden die aus Drittinteresse übernommenen Sondereinrichtungen unterhalten und erforderlichenfalls erneuert. Durch diese Haushaltsführung hält der Beklagte Kosten von den Mitgliedern fern, die die Mitglieder nicht zu verantworten haben. Aus dem Kapital, das der Verband vom Bund anlässlich des Elbeseitenkanalbaues und der übrigen Baumaßnahmen erhalten hat, wird allerdings auch die Maschinenrücklage finanziert, die dem Neukauf von Maschinen dient. Das hat zur Folge, dass die Mitglieder mit Maschinenkosten nicht belastet werden, sondern sogar subventioniert werden. Die Finanzkraft des Verbandes ist aufgrund der Zuwendungen Dritter so stark, dass die Mitglieder auf diese Weise von Maschinenkosten ganz und gar freigehalten werden. Der Kläger als Mitglied hat deswegen kein durchsetzbares Recht darauf, dass die Rücklagen abgeschmolzen und ihm und den anderen Beitragspflichtigen zugute gebracht werden. Der Kläger hat aufgrund der Vereinbarungen des Beklagten mit dem Bund - lediglich - ein subjektives Recht darauf, mit den Kosten, die für die Unterhaltung und ggf. Erneuerung der Anlagen entstehen, die der Beklagte vom Bund übernommen hat, nicht belastet zu werden. Dies ist aber durch die vom Beklagten gewählte haushaltsmäßige Rücklagenbildung gewährleistet. Der Kläger wird mit Kosten des Verbandes, die dieser im Drittinteresse wahrnimmt, nicht belastet, subjektive Rechte des Klägers werden durch die Haushaltsführung des Beklagten nicht verletzt. Die Rücklagenbildung lässt sich angesichts des weiten Entscheidungsspielraumes des Beklagten nicht beanstanden, und der Kläger hat keinen Anspruch auf Reduzierung seines Beitrages ganz oder teilweise aus den Rücklagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.