Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 24.11.2004, Az.: 1 A 51/03
Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung; Berufssoldat; Bundeswehr; dienstliches Interesse; Dienstverhältnis; Ermessen; familiäre Zwangslage; personeller Engpass; Rückführung; Umwandlung; Umwandlung des Dienstverhältnisses; Verpflichtungsklage; Zeitsoldat; Zusicherung; öffentliches Interesse
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 24.11.2004
- Aktenzeichen
- 1 A 51/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50810
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 45a SG
- § 38 Abs 1 VwVfG
- § 40 VwVfG
- § 42 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Der Berufssoldat hat gemäß § 45a SG keinen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung bei der Umwandlung seines Dienstverhältnisses in das eines Soldaten auf Zeit.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten, sein Dienstverhältnis als Berufssoldat in das eines Soldaten auf Zeit umzuwandeln.
Er trat im Juli 1991 als Wehrpflichtiger in die Bundeswehr ein und wurde im September 1991 auf seinen Antrag zunächst für zwei Jahre in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Aufgrund mehrerer Weiterverpflichtungserklärungen wurde sein Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit letztlich auf 12 Jahre verlängert. Am 11. Juli 2000 wurde der Kläger schließlich auf seinen Antrag zum Berufssoldaten ernannt.
Der Kläger, der zunächst Wehrpflichtiger war, wurde im September 1992 für die Laufbahn der Unteroffiziere zugelassen. Auf seinen Antrag vom 27. April 2000 wurde er durch Personalverfügung vom 10. August 2001 mit Wirkung zum 1. Oktober 2001 als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes zugelassen. Verbunden war damit eine Versetzung von C. nach D..
Mit Schreiben vom 19. August 2002 beantragte der Kläger die Umwandlung seines Dienstverhältnisses als Berufssoldat in das eines Soldaten auf Zeit für 12 Jahre und seine Rückführung in die Laufbahn der Unteroffiziere. Er gab an, dass die Gründe hierfür persönlicher und familiärer Natur seien.
Unter dem 23. August 2002 teilte der Kommandeur der Fachschule der Luftwaffe in E. dem Personalamt der Bundeswehr mit, dass der Kläger von seinem Disziplinarvorgesetzten zu seinem Antrag vom 19. August 2002 befragt und über die Konsequenzen belehrt worden sei. Der Kläger sei sich der Konsequenzen voll bewusst und halte den Antrag aufrecht.
Unter dem 26. August 2002 unterschrieb der Kläger folgende Belehrung: „Der ... wurde belehrt, dass über seinen Antrag über Rückführung in die Laufbahn der Unteroffiziere das Personalamt der Bundeswehr, Dezernat I/6 entscheidet. Nach einer ggf. erfolgten Rückführung entscheidet die Stammdienststelle des Heeres unabhängig über die weitere Verwendung und die beantragte Festsetzung der Dienstzeit.“
Das Personalamt der Bundeswehr gab dem Antrag auf Rückführung in die Laufbahngruppe der Unteroffiziere mit Bescheid vom 2. September 2002 statt.
Den Antrag auf Umwandlung des Dienstverhältnisses eines Berufssoldaten in das eines Soldaten auf Zeit lehnte die Stammdienststelle des Heeres mit Bescheid vom 31. Oktober 2002 mit der Begründung ab, die Umwandlung des Dienstverhältnisses liege nicht im dienstlichen Interesse.
Der Kläger legte dagegen Beschwerde ein und führte zur Begründung im Wesentlichen an: Er habe einen einheitlichen Antrag auf Umwandlung und Rückführung gestellt, weil er davon ausgegangen sei, dass nur eine Kombination beider Anträge gestellt werden dürfe. Er habe beide Anträge auch nur in Kombination entschieden haben wollen, d.h. es hätte entweder beiden Anträgen stattgegeben oder es hätten beide Anträge abgelehnt werden sollen. Dies sei seinem Vorgesetzten auch bekannt gewesen. Durch die Genehmigung der Rückführung sei die Beklagte daher verpflichtet, auch die Umwandlung vorzunehmen. Die Aufspaltung und die unterschiedliche Entscheidung der beiden Anträge sei rechtswidrig, da sie seinem erkennbaren Willen im Antrag widerspreche. Die von ihm unterschriebene Belehrung habe er nur als Hinweis auf die unterschiedlichen Zuständigkeiten verstanden.
Die Beschwerde wies das Bundesministerium der Verteidigung mit Beschwerdebescheid vom 10. Februar 2003 zurück. Darin wurde dargelegt, dass der begehrten Umwandlung des Dienstverhältnisses des Klägers gemäß § 45 a SG nicht entsprochen werden könne, da diese nicht im öffentlichen Interesse liege. Vielmehr liege es im dienstlichen Interesse, dass der Kläger auch weiterhin in der Bundeswehr verbleibe. Dieses Interesse ergebe sich daraus, dass in seinem Geburtsjahrgang (1971) und seiner Ausbildungs- und Verwendungsreihe (25813 = Stabsdienst S 1) bei einem Soll/Ist-Verhältnis von 35 zu 30 gegenwärtig ein Fehl von 5 Berufssoldaten zu verzeichnen sei und dieser personelle Engpass auch auf absehbare Zeit nicht ausgeglichen werden könne. Aus dem Umstand, dass dem Antrag auf Rückführung in die Laufbahn der Unteroffiziere stattgegeben worden sei, könne ein Anspruch auf Umwandlung des Dienstverhältnisses nicht abgeleitet werden. Für die Umwandlung würden andere tatbestandliche Voraussetzungen gelten, nämlich die in § 45 a Abs. 1 SG normierten. Anhaltspunkte dafür, dass der Dienstherr dem Kläger die Umwandlung des Dienstverhältnisses im Sinne von § 38 Abs. 1 VwVfG rechtsverbindlich zugesichert habe, seien nicht erkennbar und vom Kläger auch nicht vorgetragen worden.
Am 21. Februar 2003 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Köln Klage erhoben, das den Rechtsstreit an das hiesige Gericht verwiesen hat. Zur Begründung der Klage wiederholt und vertiefte der Kläger sein Vorbringen aus dem Beschwerdeverfahren. Ergänzend führt er aus: Er habe aus einer familiären Zwangslage heraus - und nicht auf einer bloßen Sinnesänderung basierend - die Umwandlung des Dienstverhältnisses in das eines Soldaten auf Zeit verbunden mit der Rückführung die Laufbahn der Unteroffiziere beantragt. Er habe hierdurch sicherstellen wollen, dass er nach Ablauf eines festkalkulierbaren Zeitraumes von 12 Jahren seiner Familie wieder voll zur Verfügung stehen könne. Vor diesem Hintergrund sei es im Rahmen der durchzuführenden Abwägung der dienstlichen Belange gegenüber seinen Interessen und seinem Anliegen als willkürlich und fürsorgewidrig anzusehen, wenn die Beklagte zwar die Rückführung in die Laufbahn der Unteroffiziere positiv bescheide, aber seinen eigentlichen Hauptantrag ablehne.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Stammdienststelle des Heeres vom 30. Oktober 2002 in der Gestalt des Beschwerdebescheides des Bundesministeriums der Verteidigung vom 11. Februar 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sein Dienstverhältnis eines Berufssoldaten in das eines Soldaten auf Zeit mit einer Verpflichtungsdauer von 12 Jahren umzuwandeln,
hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, über seinen Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt sie im Wesentlichen an: Die hier maßgebende Vorschrift des § 45 a SG begründe bereits kein subjektiv-öffentliches Recht auf Umwandlung des Wehrdienstverhältnisses und möglicherweise nicht einmal ein Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Sie diene nur den Belangen der Bundeswehr. Im Übrigen sei die Umwandlung zu Recht abgelehnt worden, da hierfür ein dienstliches Interesse nicht bestehe. Vielmehr bestehe ein dienstliches Interesse daran, den Kläger als Berufssoldaten weiter zu beschäftigen. Aufgrund der dem Kläger erteilten Belehrung und des Umstandes, dass er personalsachbearbeitender Soldat sei, habe ihm auch klar sein müssen, dass die Umwandlung und die Rückführung zwei getrennte Antragsverfahren erforderten und darüber getrennt entschieden werden würde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Umwandlung seines Dienstverhältnisses als Berufssoldat in das eines Soldaten auf Zeit. Der angefochtene Bescheid der Stammdienststelle des Heeres vom 30. Oktober 2002 in der Gestalt des Beschwerdebescheides des Bundesministeriums der Verteidigung vom 11. Februar 2003 ist mithin rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Umwandlung ist § 45 a SG, der durch das Soldatenänderungsgesetz vom 19. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1815) in das Soldatengesetz eingefügt wurde. Nach § 45 a Abs. 1 Satz 1 SG kann dem Antrag eines Berufssoldaten auf Umwandlung seines Dienstverhältnisses in das eines Soldaten auf Zeit stattgegeben werden bei Vorliegen eines dienstlichen Interesses. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Die Vorschrift gewährt dem Berufssoldaten offenkundig keinen Anspruch auf Umwandlung seines Dienstverhältnisses. Vielmehr steht die Umwandlung in Ermessen der Behörde und setzt voraus, dass ein dienstliches Interesse an der Umwandlung besteht.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung. Ein solches Recht erwächst ihm nicht schon aus dem Umstand, dass die Entscheidung über Anträge auf Umwandlung eines Dienstverhältnisses im Ermessen der Behörde steht und diese ihr Ermessen dem Zweck der Ermächtigung entsprechend auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten hat (vgl. § 40 VwVfG). Vielmehr ist in Rechtsprechung und Lehre anerkannt, dass Rechtsvorschriften, die der Verwaltung ein Ermessen einräumen, dem einzelnen Betroffenen einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung nur gewähren, wenn und soweit sie zumindest auch einem individuellen Interesse dienen sollen; Regelungen dagegen, die ausschließlich dem öffentlichen Interesse zu dienen bestimmt sind, gewähren dem Einzelnen nicht nur keinen Anspruch auf ein bestimmtes Verwaltungshandeln, sondern auch keinen Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung (BVerwG, Urteil vom 7.1.1972, BVerwGE 39, 235/237 m.w.N.). Die Vorschrift des § 45 a SG dient nicht auch den individuellen Interessen der Berufssoldaten, die die Umwandlung ihres Dienstverhältnisses in das eines Soldaten auf Zeit beantragen. Sinn der Vorschrift ist vielmehr ausschließlich, eine Verminderung der Personalstärke der Streitkräfte zu erreichen. Denn die Einfügung des § 45 a in das Soldatengesetz durch das Soldatenänderungsgesetz vom 19. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1815) diente nach der Gesetzesbegründung lediglich der Übernahme der bisher in § 3 des Personalstärkegesetzes vom 20. Dezember 1991 (BGBl I S. 2376) enthaltenen Regelung in das Soldatengesetz (vgl. BT-Drucksache 14/4062 Begründung B zu Art. 1 zu Nr. 33). Diese früher in § 3 Personalstärkegesetz enthaltene Regelung diente, wie der Begründung zum Personalstärkegesetz zu entnehmen ist, ausschließlich der Verringerung des Personalbestandes der Streitkräfte, die nach den bisherigen Regelung im Soldatengesetz in dieser Form nicht zügig umzusetzen war (vgl. BT-Drucksache 12/1269). Aus diesem Grund wurde aus den entsprechenden Regelungen des Personalstärkegesetzes sowie den diesen Regelungen vorausgehenden Regelungen des Gesetzes zur Verbesserung der Personalstruktur in den Streitkräften vom 30. Juli 1985 (BGBl 1 S. 1621) von der Rechtsprechung kein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung hergeleitet (vgl. VG Freiburg, Beschluss vom 10.7.1986 - 4 K 71/86, DVBl 1986, 1861; OVG Münster, Beschluss vom 30.3.1987 - 1 B 351/87 -, NVwZ 1987, 723). Das Gleiche muss für § 45 a SG gelten. Die Frage, ob § 45 a SG dem Kläger zumindest einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung gibt, kann letztlich aber dahinstehen. Denn die Voraussetzungen für eine das Ermessen der Behörde eröffnende Entscheidung, nämlich das Vorliegen eines dienstlichen Interesses an der Umwandlung, liegen nicht vor.
In den angefochtenen Bescheiden ist hierzu dargelegt, dass gerade ein dienstliches Interesse daran besteht, den Kläger als Berufssoldaten in der Bundeswehr zu behalten und nicht daran, ihn vorzeitig zu verlieren. Denn in seinem Geburtsjahrgang und seiner Ausbildungs- und Verwendungsreihe ist ein Fehl von Berufssoldaten zu verzeichnen und dieser personelle Engpass kann auch auf absehbare Zeit nicht ausgeglichen werden. Liegt mithin bereits ein dienstliches Interesse an der Umwandlung nicht vor, ist eine durch die Behörde vorzunehmende Ermessensentscheidung gar nicht mehr möglich.
Eine andere rechtliche Bewertung ergibt sich nicht aus dem Einwand des Klägers, er habe seinen Antrag auf Umwandlung dergestalt mit seinem Antrag auf Rückführung in die Laufbahn der Unteroffiziere verbunden, dass beide Anträge vom Ergebnis her nur einheitlich hätten entschieden werden können. Denn entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich aus seinem Antrag vom 19. August 2002 eine derartige Verbindung beider Anträge im Sinne einer Bedingung nicht. Aus dem Antrag wird nicht deutlich, dass es ihm in erster Linie um die Umwandlung seines Dienstverhältnisses ging und die Rückführung nur als notwendige Folge dieses Umwandlungsbegehrens gesehen wurde. Bei objektiver Betrachtung enthält der Antrag des Klägers vom 19. August 2002 vielmehr zwei selbständige Begehren, die lediglich in einem Antrag zusammengefasst wurden. Selbst wenn der Kläger die von ihm dargelegte Bindung der beiden Anträge gewollt haben sollte, hätte er diese Bindung spätestens nach der von ihm unterzeichneten Belehrung vom 26. August 2002 deutlich herausstreichen müssen. Denn in der Belehrung ist unmissverständlich klar gestellt, dass die Stammdienststelle des Heeres erst nach einer erfolgten Rückführung und dann unabhängig davon über die weitere Verwendung des Klägers und die beantragte Festsetzung der Dienstzeit entscheiden werde. Dem Kläger als personalsachbearbeitenden Soldat mit entsprechenden Sachkenntnissen, hätte damit klar sein müssen, dass beide Anträge unabhängig voneinander entschieden werden würden und die von ihm gewollte Verbindung im Sinne einer Bedingung nicht beachtet werden würde bzw. nicht erkannt worden war. Es hätte daher dem Kläger oblegen, diese Bedingung deutlich zu benennen, sofern eine derartige Bedingung rechtlich überhaupt zulässig war, oder aber den Antrag zurückzunehmen. In der getrennten und im Ergebnis unterschiedlichen Entscheidung der beiden Anträge durch die Beklagte kann daher nicht ein willkürliches und fürsorgewidriges Verhalten gesehen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Gründe, die Berufung nach § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO zuzulassen, sind nicht gegeben.