Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 04.11.2004, Az.: 2 A 107/03

Abwägung; Ausgleich; Auslegung; Ausschlusswirkung; Außenbereich; Baudenkmal; Bauvoranfrage; Bauvorbescheid; Beeinträchtigung; Beteiligungsverfahren; Biogasanlage; Denkmalschutz; Einvernehmen; Flächennutzungsplan; Genehmigung; Landschaftsschutz; raumbedeutsames Vorhaben; Raumbedeutsamkeit; Sichtschutz; Sonderbaufläche; unbeplante Fläche; Verunstaltungsgebot; Vorbelastung; Vorrangstandort; weißer Fleck; Windenergieanlagen; Windkraftanlage; öffentlicher Belang

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
04.11.2004
Aktenzeichen
2 A 107/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50795
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten, ihr einen Bauvorbescheid für zwei Windkraftanlagen in F. -H. zu erteilen.

2

Am 15. April 2002 stellte die Klägerin beim Beklagten eine Bauvoranfrage für die Errichtung und den Betrieb von 2 Windkraftanlagen des Typs AN Bonus mit einer Leistung von 1,3 MW und einer Gesamthöhe von 99 m, die östlich unmittelbar angrenzend an die Kompostierungsanlage G. errichtet werden sollte. Dazu legte sie ein avifaunistisches Gutachten der „Planungsgruppe Grün“ vor und teilte mit, die Stadt Soltau habe mündlich ihr Einverständnis erklärt.

3

Mit Schreiben vom 14. Juni 2002 teilte die Beigeladene dem Beklagten mit, dass sie ihr Einvernehmen nicht erteile. Es handele sich um raumbedeutsame Vorhaben, da die Lage und die Höhe der Windkraftanlagen eine Tageskennzeichnung erfordere. Die Standorte seien im Regionalen Raumordnungsprogramm des Beklagten als Vorsorgegebiete für Erholung bzw. Landwirtschaft festgelegt, während das Vorhaben zu einer erstmaligen und schwerwiegenden Beeinträchtigung des Landschaftsbildes führe. Ferner würden zwei Wohnstandorte im Außenbereich erheblich belastet und der Mindestabstand zu Baudenkmalen unterschritten. Die Standorte lägen auch nicht in den Konzentrationszonen des noch in der Aufstellung befindlichen Flächennutzungsplanes.

4

Mit Bescheid vom 30. September 2002 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin ab.

5

Zur Begründung führte er u.a. aus: Das Vorhaben widerspreche dem öffentlichen Baurecht. Es handele sich um ein raumbedeutsames Vorhaben, für das das Regionale Raumordnungsprogramm 2000 Vorrangstandorte mit Ausschlusswirkung festgelegt habe.

6

Der geplante Standort für die Windkraftanlagen befinde sich außerhalb dieser Vorrangstandorte.

7

Am 18. Oktober 2002 legte die Klägerin Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie ausführte, das Genehmigungsverfahren des Regionalen Raumordnungsprogramms sei noch nicht abgeschlossen; für das Gebiet der Beigeladenen existierten keine rechtsgültig ausgewiesenen Vorrangflächen. Der vorgesehene Standort am G. sei durch die dortige Biogasanlage bereits erheblich vorbelastet und nicht schutzwürdig.

8

Mit Bescheid vom 28. März 2003, zugestellt am 29. April 2003, wies die Bezirksregierung Lüneburg den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie aus, entgegen der Ansicht des Beklagten handele es sich zwar nicht um raumbedeutsame Vorhaben. Den Vorhaben stünden jedoch Belange des Denkmalschutzes (§ 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB) entgegen, denn es würden ein Hofensemble in H. (Abstand zwischen 525 und 700 m) und der G. (Abstand zwischen 350 und 600 m) beeinträchtigt.

9

Der Rat der Beigeladene hat am 3. Juli 2003 die 28. Änderung des Flächennutzungsplanes mit elf Sonderbauflächen für Windenergie beschlossen.

10

Mit Bescheid vom 7. Oktober 2003 hat die Bezirksregierung Lüneburg die 28. Änderung des Flächennutzungsplans Soltau (Windenergie) genehmigt und die Sonderbauflächen Nr. 1 L. Nord, Nr. 2 und Nr. 8 L. Ost, Nr. 5 M., Nr. 7 N., Nr. 9 O., und Nr. 4 P. von der Genehmigung ausgenommen.

11

Der Rat der Beigeladenen hat daraufhin zunächst die Bekanntmachung der vier genehmigten Flächen beschlossen, die Anfang 2004 erfolgt ist. Zugleich hat die Beigeladene Klage gegen die Bezirksregierung Lüneburg erhoben. Die Kammer hat im Verfahren 2 A 221/03 mit Urteil vom 29. Juni 2004 die Bezirksregierung Lüneburg verpflichtet, die 28. Änderung des Flächennutzungsplanes der Beigeladenen vollständig zu genehmigen. Hinsichtlich des Änderungsbereiches 4 P. hat die Bezirksregierung Lüneburg einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, über den noch nicht entschieden ist.

12

Mit Verfügung vom 17. August 2004 hat die Bezirksregierung Lüneburg weitere 6 Sonderbauflächen genehmigt.

13

In seiner Sitzung vom 26. August 2004 hat der Rat der Beigeladenen beschlossen, die Verwaltung zu beauftragen, „die 28. Änderung des Flächennutzungsplanes mit den nunmehr zehn genehmigten Sonderbauflächen für Windenergie insgesamt schlussbekannt zu machen.“ Eine Bekanntmachung dieses Beschlusses und der zehn Flächen ist in der Böhme-Zeitung vom 28. August 2004 erfolgt.

14

Am 22. Mai 2003 hat die Klägerin Klage erhoben.

15

Sie trägt vor, zwischen dem Gehöft in H. und den geplanten Anlagen sei unter keinen Umständen eine Sichtbeziehung herzustellen; der dazwischen befindliche Wald biete einen vollständigen Sichtschutz. Der G. habe in der Vergangenheit erhebliche Veränderungen erfahren und weise 4 Faultürme mit je 12 m Höhe, drei Biogasfermenter, zwei Nachlager, ein Endlager mit 14 m Durchmesser, eine Entpackungshalle, ein Blockheizkraftwerk-Modul und einen Bürocontainer auf. Die neue Erschließungsstraße habe eine genehmigte Durchsatzleistung von 6 LKW mit 30 t Last täglich.

16

Angesichts dieser vorbelasteten Umgebung sei das Vorhaben nicht als raumbedeutsam anzusehen.

17

Die Flächennutzungsplanung der Beigeladenen stelle eine rechtswidrige Verhinderungsplanung dar und sei deshalb unwirksam. Insoweit habe sie schon im Aufstellungsverfahren ausführlich Stellung genommen. Das Konzept gehe fehlerhaft davon aus, dass Windkraftanlagen eine „Scheuchwirkung“ für Touristen hätten. Auch der Denkmalschutz sei überzogen, wie sich am Beispiel des G. zeige.

18

Der Flächennutzungsplan der Beigeladenen sehe im Übrigen einen Standort für Windkraftanlagen vor, der lediglich durch einen schmalen Waldsaum vom Gehöft R. optisch separiert werde.

19

Die Bezirksregierung habe hier anstelle der Beigeladenen eine Abwägungsentscheidung getroffen, indem sie Teile des von der Beigeladenen beschlossenen Gesamtkonzepts genehmigt habe. Dies sei rechtlich nicht zulässig, da die Abwägung allein von der Beigeladenen vorgenommen werden könne. Im Übrigen hätte die Beigeladene bei der erneuten Beschlussfassung auch erneut in die Abwägung eintreten müssen; es sei der Beigeladenen nach dem Eingriff der Bezirksregierung gar nicht mehr möglich gewesen, das Gesamtergebnis einer Abwägungsentscheidung zu unterziehen.

20

Die Klägerin beantragt,

21

1. den Beklagten zu verpflichten, ihr unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 30. September 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Lüneburg vom 28. März 2003 den beantragten Vorbescheid für die Errichtung von zwei Windkraftanlagen mit zwei Trafostationen in F. -G., Gemarkung H., Flur I., Flurstück J. und Flur I. Flurstück K. zu erteilen,

22

2. hilfsweise festzustellen, dass der beantragte Bauvorbescheid vor Wirksamkeit der 28. Änderung des Flächennutzungsplanes der Beigeladenen hätte erteilt werden müssen.

23

Der Beklagte beantragt,

24

die Klage abzuweisen.

25

Er nimmt auf die angefochtenen Bescheide Bezug.

26

Die Beigeladene beantragt,

27

die Klage abzuweisen.

28

Sie trägt vor, der von ihr zwischenzeitlich aufgestellte neue Flächennutzungsplan habe nur hinsichtlich eines sehr kleinen Teils Bedenken hinsichtlich naturschutzrechtlicher Belange erbracht, sei im Übrigen aber genehmigt worden. Er habe daher Ausschlusswirkung für andere Standorte nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB.

29

Durch den Beschluss vom 26. August 2004 habe ihr Rat seinen Willen und seine Entscheidung zum Ausdruck bringen wollen, dass der genehmigte Teil der 28. Änderung des Flächennutzungsplanes ein Gesamtkonzept für die Steuerung von Windenergieanlagen enthalte, das seiner Willensbildung entspreche.

30

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Verfahren 2 A 237/02 und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Beigeladenen verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat Erfolg.

32

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf den mit der Klage begehrten Bauvorbescheid für die Errichtung von 2 Windkraftanlagen in F. -H..

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Nach § 74 Abs. 1 NBauO ist auf Antrag (Bauvoranfrage) über einzelne Fragen, über die im Baugenehmigungsverfahren zu entscheiden wäre und die selbstständig beurteilt werden können, durch Bauvorbescheid zu entscheiden. Die Klägerin hat eine Entscheidung über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit ihres Vorhabens beantragt.

34

Das von der Klägerin geplante Vorhaben ist an dem vorgesehenen Standort im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB zulässig, da öffentliche Belange nicht entgegenstehen.

35

1. Das Vorhaben der Klägerin - zwei Windkraftanlage mit einer Gesamthöhe von jeweils 99 m - ist nicht als raumbedeutsam einzustufen. Die Kammer geht nach ihrem grundlegenden Urteil vom 8. Juli 2003 (2 A 62/02, Berufungsverfahren noch nicht abgeschlossen) in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Schwelle der Raumbedeutsamkeit für einzelne Windenergieanlagen im Flachland in der Regel bei einer Gesamthöhe von 100 m erreicht wird.

36

2. Nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB stehen öffentliche Belange einem Vorhaben nach Absatz 1 Nr. 6 BauGB in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Dem demnach nicht als raumbedeutsam einzustufenden Vorhaben der Klägerin - zwei Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von jeweils 99 m - steht die Darstellung von Sonderbauflächen für die Windenergienutzung in der 28. Änderung des Flächennutzungsplanes der Beigeladenen nicht entgegen.

37

a) Dem Flächennutzungsplan der Beigeladenen in der Fassung des Ratsbeschlusses vom 26. August 2004 kommt noch nicht die in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB vorgesehene Ausschlusswirkung zu.

38

aa) Die Kammer hat zur Auslegung dieses Ratsbeschlusses zuletzt in ihrem (rechtskräftigen) Urteil vom 16. September 2004 (2 A 80/04), das einen Bauvorbescheid für zwei Windkraftanlagen in der (nicht genehmigten) Sonderbaufläche 4 betraf, ausgeführt:

39

„Die Beigeladene hat zwar mit der 28. Änderung ihres Flächennutzungsplanes Konzentrationszonen für Windkraftanlagen ausgewiesen; diese Flächen sind auch - bis auf den hier streitigen Änderungsbereich 4 - mittlerweile von der Bezirksregierung Lüneburg genehmigt und zuletzt am 28. August 2004 bekannt gemacht worden. Dieser Planung kommt aber für den Änderungsbereich 4, um dessen Genehmigung die Beigeladene noch einen Rechtsstreit führt, keine Ausschlusswirkung zu.

40

Es ergibt sich bereits aus dem Text des Beschlusses des Rates der Beigeladenen vom 28. August 2004, dass dieser keineswegs beabsichtigte, nunmehr auf der letzten streitigen Sonderbaufläche die Nutzung durch Windkraftanlagen auszuschließen. Vielmehr äußert sich der Ratsbeschluss nicht zu der letzten streitigen Sonderbaufläche; dem Umstand, dass die Beigeladene nach wie vor ein gerichtliches Verfahren um die Genehmigung dieser Fläche führt, ist aber ihr Wille zu entnehmen, auch dort Windkraftanlagen zuzulassen. Da die Beigeladene selbst ihrer Planung insoweit keine Ausschlusswirkung beimessen wollte, kommt es auf die Frage, ob die Planung der Beigeladenen Ausschlusswirkung außerhalb der Vorrangflächen hat oder die Beigeladene den (verbliebenen) Planentwurf neu hätte auslegen müssen (vgl. dazu OVG Lüneburg, Beschl. v. 24.11.2003 - 1 LA 310/02 -), in diesem Verfahren nicht an.“

41

Die Kammer hält an dieser Bewertung, dass der Rat der Beigeladenen sich mit seinem Beschluss vom 26. August 2004 nicht dazu geäußert hat, ob Windkraftanlagen in der Sonderbaufläche 4 zulässig sein sollen, fest; die Behauptung der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung, der Rat habe nach sorgfältiger Prüfung die Frage bejaht, ob dieser Teil das Gesamtkonzept in einem Umfang umsetzte, wie dies für die Steuerungsplanung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erforderlich war, lässt sich durch den Wortlaut des Ratsbeschlusses nicht belegen. Vielmehr lässt der erste Absatz des Ratsbeschlusses (S.115) „ ...damit wurde das Gesamtkonzept des Rates für die Ausweisung von Sonderbauflächen für Windenergie bestätigt“ darauf schließen, dass der Rat an dem ursprünglichen Konzept auch festhalten und jedenfalls die noch streitige Sonderbaufläche 4 nicht aufgeben wollte. Damit aber weist die Planung der Beigeladenen jedenfalls bei der Sonderbaufläche 4 einen „weißen Fleck“ auf, der derzeit faktisch unbeplant ist.

42

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 13. März 2003 - BVerwG 4 C 4.02 - , NVwZ 2003, 738) ist zur Erreichung der Ausschlusswirkung jedoch ein „schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept“ erforderlich, das sich auf alle Teile des Gemeindegebietes erstrecken muss; bei Vorliegen unbeplanter Flächen fehlt es an einem solchen Gesamtkonzept (so ausdrücklich OVG Lüneburg, Beschl. v. 24.11.2003 - 1 LA 310/02- ).

43

bb) Für den Fall, dass eine Änderung der Planung dahingehend beabsichtigt war, dass die Sonderbaufläche 4 aus dem Flächennutzungsplan verbindlich hätte herausgenommen werden sollen, wäre auch zumindest ein vereinfachtes Beteiligungsverfahren nach § 3 Abs. 3 Satz 3 BauGB erforderlich gewesen, das aber von der Beigeladenen nicht durchgeführt worden ist.

44

Zur Reduzierung von 4 auf 2 Sonderbauflächen hat das OVG Lüneburg im Beschluss vom 24.11.2003 (1 LA 310/02) ausgeführt:

45

„Die Beigeladene hat bei der 1. Änderung ihres Flächennutzungsplanes die Vorschrift über die Beteiligung der Bürger gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 BauGB verletzt. Dieser Verfahrensfehler führt zur Gesamtunwirksamkeit der Änderungsplanung. Von einer erneuten Auslegung des Planentwurfes gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 BauGB kann die Gemeinde nur absehen, wenn die Grundzüge der Planung durch die Änderung nicht berührt werden. In einem solchen Fall reicht das vereinfachte Verfahren der Anhörung der betroffenen Bürger gemäß § 3 Abs. 3 Satz 3 iVm § 13 Nr. 2 BauGB aus. Die Grundzüge der Planung sind die planerische Grundkonzeption des Bauleitplanentwurfes. Dazu gehören beim Flächennutzungsplan insbesondere Darstellungen über die Art der Nutzung des Gebietes (Gaentzsch, in: Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, Loseblattsammlung 3. Aufl. 2002, § 3 Rdnr. 29). Darüber hinaus gilt der Grundsatz: Je mehr die Darstellungen Bedeutung für das ganze Gemeindegebiet haben, umso eher gehören sie zu den Grundzügen der Planung oder berühren ihre Änderungen die Grundzüge. Daran gemessen war die Beigeladene verpflichtet, nach Ergehen des Bescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 6. Februar 1998, mit dem der Änderungsbereich „I.“ räumlich reduziert genehmigt und für die weiteren Standorte „K.“ und „L.“ die Genehmigung versagt wurde, den Planentwurf gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 BauGB erneut auszulegen. Denn die Grundkonzeption der 1. Änderung des Flächennutzungsplanes, im Norden des Stadtgebietes insgesamt vier Sonderbauflächen für Windenergieanlagen darzustellen, stand in Frage.“

46

Ferner muss die Gemeinde, wenn sie die dargestellten Flächen für Windenergie reduzieren will, erneut in die Abwägung der beachtlichen Belange eintreten (vgl. OVG Lüneburg, Urteil v. 24. März 2003 -1 LB 3571/01 - BauR 2003, 1546). Auch diesen Anforderungen genügt der Ratsbeschluss der Beigeladenen vom 26. August 2004 ersichtlich nicht, denn eine Abwägung hinsichtlich der Sonderbaufläche 4 hat erkennbar nicht stattgefunden. Gründe für eine Ausschlusswirkung auf der Sonderbaufläche 4 sind vom Rat der Beigeladenen nicht erwogen worden.

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3. Auch die in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB genannten öffentlichen Belange stehen dem Vorhaben nicht entgegen.

48

Hinsichtlich der weiterhin vom Beklagten aufgeführten öffentlichen Belange - insbes. der in § 35 Abs. 3 Satz 1 Ziffern 1,4 und 5 BauGB aufgeführten - ist zunächst noch einmal darauf hinzuweisen, dass sie nicht nur „beeinträchtigt“ werden dürfen, sondern „entgegenstehen“ müssen. Die Privilegierung wirkt sich in einem stärkeren Durchsetzungsvermögen gegenüber den berührten öffentlichen Belangen aus (OVG Lüneburg, Beschluss v. 20. 12. 2001 - 1 MA 3579/01 -, BauR 2002, S. 592). Die unter § 35 Abs. 1 BauGB fallenden Vorhaben sind im Außenbereich bevorzugt zulässig. Diese Bevorzugung ist allerdings nicht von quantitativer Art in dem Sinne, dass in einem Verstoß gegen entgegenstehende öffentliche Belange (Abs. 1) ein im Vergleich zur Beeinträchtigung öffentlicher Belange (Abs. 2) höherer Grad der Verletzung zu sehen wäre. Kennzeichnend sind vielmehr Unterschiede im erforderlichen Abwägungsvorgang. Für die Anwendung des ersten und zweiten Absatzes von § 35 BauGB gilt übereinstimmend, dass es jeweils einer Abwägung zwischen dem beabsichtigten Vorhaben und den von ihm etwa berührten öffentlichen Belangen bedarf. Bei dieser Abwägung muss jedoch - darin unterscheiden sich die beiden Absätze - zugunsten der von § 35 Abs. 1 BauGB erfassten Vorhaben die ihnen vom Gesetz zuerkannte Privilegierung gebührend in Rechnung gestellt werden. Das hat zwar nicht immer, aber doch im Regelfall zur Folge, dass sich ein privilegiertes Vorhaben zu Lasten von öffentlichen Belangen und insofern zu Lasten der Allgemeinheit auch dann noch durchsetzen kann, wenn unter gleichen Voraussetzungen ein sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB wegen dieser von ihm beeinträchtigten öffentlichen Belange (schon) unzulässig ist (BVerwG, Urteil vom 14. März 1975 - 4 C 41.73 -, BauR 1975, 261; seitdem st. Rspr. )

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a) Das Vorhaben widerspricht nicht den Darstellungen eines Flächennutzungsplanes (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB), denn die 28. Änderung des Flächennutzungsplanes der Beigeladenen ist bislang nicht wirksam, wie oben dargestellt.

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Zudem folgt die Kammer der vom Verwaltungsgericht Göttingen vertretenen Ansicht, dass Entwürfe von Flächennutzungsplänen noch keinen öffentlichen Belang im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB darstellen können. Zur Begründung dieser Ansicht hat das Verwaltungsgericht Göttingen in seinem Beschluss vom 28. Oktober 2003 (2 B 341/03 , juris NR MWRE119610300) ausgeführt:

51

„Nach § 245 b Abs. 1 Satz 1 BauGB hatte die Baugenehmigungsbehörde auf Antrag der Gemeinde die Entscheidung über die Zulässigkeit von Windenergieanlagen im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB bis längstens zum 31. Dezember 1998 auszusetzen, wenn die Gemeinde beschlossen hatte, einen Flächennutzungsplan aufzustellen, zu ändern oder zu ergänzen und beabsichtigt hatte zu prüfen, ob Darstellungen zu Windenergieanlagen im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 3 in Betracht kommen. Sinn und Zweck der Übergangsregelung ist es (gewesen), den Gemeinden im Anschluss an die Privilegierung von Windkraftanlagen im Außenbereich, die der Gesetzgeber in dem Änderungsgesetz zum BauGB vom 30. Juli 1996 (Bundesgesetzblatt I, 1189) eingeführt hatte, hinreichend Zeit einzuräumen, die Frage von Standortzuweisungen für Windkraftanlagen im Flächennutzungsplan im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB zur Steuerung der Zulassung von solchen Anlagen zu klären. Der Gesetzgeber ist allerdings davon ausgegangen, dass die Überlegungen der Gemeinden längstens bis zum 31. Dezember 1998 in eine entsprechende Planung eingeflossen sein mussten. Dem Zweck dieser Übergangsregelung würde nicht Rechnung getragen, sofern einem Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB auch über den 31. Dezember 1998 hinaus Standortzuweisungen für Windkraftanlagen entgegengehalten werden könnten, die in einem noch nicht rechtsverbindlichen oder - wie hier - noch gar nicht genehmigten Flächennutzungsplan getroffen werden sollen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss v. 12.9.2003 - 1 ME 212/03). Der Gesetzgeber hat somit in § 245 b Abs. 1 Satz 1 BauGB eine Sonderregelung für solche Flächennutzungspläne getroffen, die die Ausweisung von Sondergebieten für Windenergie betreffen. Diese Sonderregelung hat der Gesetzgeber bewusst bis zum 31. Dezember 1998 befristet und damit den planbetroffenen Gemeinden ausreichend Zeit für entsprechende Planungen gegeben. Diese Vorschrift wäre überflüssig und gegenstandslos, wenn man Entwürfen von Flächennutzungsplänen die Bedeutung eines öffentlichen Belanges im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB zumessen würde. Denn es hätte ihrer dann nicht bedurft. Die Kammer gelangt folglich zu dem Ergebnis, dass Entwürfe von Flächennutzungsplänen im Rahmen des § 35 BauGB die Bedeutung eines zu beachtenden öffentlichen Belangs nicht zukommt.“

52

b) Es kann vorliegend offen bleiben, ob durch die Windkraftanlage die in § 35 Abs. 3 Satz 1 Ziffer 5 BauGB aufgeführten öffentlichen Belange beeinträchtigt werden, soweit sie den Schutz von Natur und Landschaft auch für ihren Erholungswert und ihr Erscheinungsbild bezwecken, weil diese öffentlichen Belange dem Vorhaben jedenfalls nicht entgegenstehen. Dabei soll nicht in Abrede gestellt werden, dass Windkraftanlagen durch ihre Höhe und die Bewegung der Rotoren das Landschaftsbild deutlich verändern. Diese Beeinträchtigungen können auch durch Ausgleichsmaßnahmen nicht ungeschehen gemacht werden, weil die Dimensionen der Anlagen es ausschließen, sie beispielsweise so einzugrünen, dass sie nicht mehr zu sehen sind. Die Privilegierung von Windkraftanlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB schließt aber ein, dass Windkraftanlagen nicht nur an Standorten zugelassen werden müssen, an denen die Landschaft "unwiederbringlich verschandelt" ist. Das Gewicht der Privilegierung äußert sich vielmehr darin, dass Windkraftanlagen wegen ihrer Auswirkungen auf das Landschaftsbild nur dort unzulässig sind, wo dem Landschaftsbild ein besonderer Wert zukommt. Von einer Verunstaltung des Landschaftsbildes kann in diesem Zusammenhang nur dann die Rede sein, wenn es sich um eine wegen ihrer Schönheit oder Funktion besonders schutzwürdige Umgebung oder um einen besonders groben Eingriff in das Landschaftsbild handelt. Bloße nachteilige Veränderungen oder Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes können ein solches Vorhaben nicht unzulässig machen (OVG Lüneburg: Urteil vom 30. 10. 1997 - 6 L 6400/95 -, zitiert nach juris; Beschluss vom 20. Dezember 2001, a.a.O.; ).

53

Die geplanten Anlagen stellen sicherlich einen Blickfang dar, weil sie den Landschaftsraum an dieser Stelle wegen ihrer Höhe von 99 m beeinflussen, mit den Drehbewegungen der Rotoren optische Unruhe erzeugen und auf das Erscheinungsbild einer ruhigen, weithin unberührten Landschaft einwirken. Das allein macht jedoch nicht die Verunstaltung aus. Ein „grober Eingriff“ kann nicht allein daraus abgeleitet werden, dass Windkraftanlagen angesichts ihrer Größe markant in Erscheinung treten. Wenn der Gesetzgeber die Windenergieanlagen dem Außenbereich als privilegierte Anlagen zugewiesen hat, hat er auch ihr typisches Erscheinungsbild mit den hohen Masten und den sich drehenden Rotoren mitbedacht. Dasselbe gilt für die Tatsache, dass die Windkraftanlage an vergleichsweise exponierter Stelle und nicht etwa in einem Tal oder an sonst verdeckten Orten errichtet werden sollen. Auf einen solchen Standort sind sie im Hinblick auf eine wirtschaftlich sinnvolle Windausbeute angewiesen. Damit setzen sich die im Streit befindliche Anlagen vorliegend auch gegenüber einem Vorsorgegebiet für Landwirtschaft und dem angrenzenden Vorsorgegebiet für Erholung durch, zumal in der überwiegend landwirtschaftlich genutzten Umgebung für Erholung wenig Raum bleibt und sie auch keine besonderen landschaftlichen Reize aufweist. Vielmehr ist das Landschaftsbild insbesondere durch die vorhandene Biogasanlage auf dem W-hof bereits erheblich vorbelastet.

54

c) Denkmalpflegerische Belange stehen dem Vorhaben ebenfalls nicht entgegen. Gemäß dem hier zur Beurteilung heranzuziehenden § 8 NdSchG darf die jeweilige besondere Wirkung eines Baudenkmals, die es als Kunstwerk, Zeugnis der Geschichte oder als bestimmendes städtebauliches Element hat, durch eine hinzutretende Bebauung nicht beeinträchtigt werden (Schmaltz/Wiechert, NdSchG, Komm. 1998, § 8 Rdn. 6). In der Rechtsprechung ist dabei regelmäßig auf die Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes abgestellt worden. Die Vorschrift geht damit über das allgemeine Verunstaltungsgebot des § 53 NBauO hinaus. Es genügt nicht, dass nur ein hässlicher, Unlust erregender Kontrast zwischen der benachbarten Anlage und dem Denkmal vermieden wird. Vielmehr darf die jeweilige besondere Wirkung eines Baudenkmals, die es als Kunstwerk, als Zeuge der Geschichte oder als bestimmendes städtebauliches Element auf den Beschauer ausübt, nicht geschmälert werden. So können beispielsweise hohe Richtfunktürme und Windkraftanlagen in unmittelbarer Nähe historischer Altstädte eine Beeinträchtigung von herausragenden Kirchen und einer Stadtsilhouette darstellen. Entscheidend ist mithin, inwieweit der Schauwert des Denkmals beeinträchtigt wird, was wiederum von den jeweiligen Größen und Entfernungen und damit den Blickbeziehungen zwischen geschützter Anlage und hinzutretender Bebauung abhängt (Schmaltz/ Wiechert, a.a.O., § 8 Rdn. 7; OVG Schleswig, Urteil v. 20. 7. 1995 - 1 L 38/94 - NuR 1996, 364 [Meldorfer Dom]).

55

Nach Überzeugung der Kammer ist nicht von einer wesentlichen Beeinträchtigung der geschützten Baudenkmäler durch die beiden Windkraftanlagen auszugehen. Die Abstände liegen nach dem Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg von dem Hofensemble in H. (Zentrum) zur näheren Anlage 1 bei 525 m, während das Wohnwirtschaftsgebäude des W-hofes von der Anlage 2 ca. 350 m entfernt ist.

56

Das Hofensemble in H. wird durch die noch zu errichtenden Windkraftanlagen schon deshalb nicht berührt, weil der Blick auf die Windkraftanlagen durch den dazwischen befindlichen Wald verdeckt wird und keinerlei Sichtbeziehung besteht. Dies ergibt sich nicht nur aus dem insoweit unwidersprochenen Vortrag der Klägerin, sondern auch sowohl aus der von ihr in der mündlichen Verhandlung überreichten topografischen Karte als auch aus den vorgelegten Lichtbildern. Das Lichtbild, dass den Blick von H. Richtung Windkraftanlagen zeigt, bestätigt den vollständigen Sichtschutz durch den Wald nördlich von H.. Angesichts der Art der Hofanlage ist ihre Wirkung auf die nähere Umgebung beschränkt; ein Schauwert noch im Umkreis mehrerer Kilometer, wie ihn das schleswig-holsteinische Oberverwaltungsgericht dem Dom und dem Stadtbild von Meldorf beigemessen hat, ist bei der von der Bedeutung her deutlich geringer einzustufenden Gutsanlage nicht gegeben. Die Kammer teilt auch nach den Erfahrungen von Ortsterminen in ähnlich gelagerten Verfahren nicht die Einschätzung der Bezirksregierung Lüneburg (S. 3 des Widerspruchsbescheides) , für die Authentizität denkmalwerter Hofanlagen seien landwirtschaftliche/naturnahe Flächen in so weitem Umkreis erforderlich. Gleiches gilt für das immerhin noch 350 m von der nächsten Windkraftanlage entfernte Wohnwirtschaftsgebäude des G., dessen Wirkung angesichts der ohnehin geringeren denkmalschutzrechtlichen Bedeutung wie auch seiner Art nach auf die unmittelbare Umgebung beschränkt ist. Hinzu kommt, dass selbst die Bezirksregierung Lüneburg für den G. „infolge der industrieähnlichen Nutzung im südlichen Hofteil teilweise Überformungen bzw. Störungen des historischen Baubestandes“ konstatiert (S. 4 des Widerspruchsbescheides). Angesichts der von der Klägerin vorgelegten Lichtbilder von den vier etwa 12 m hohen Faultürmen (BL. 51) sowie der weiteren Teile der dort vorhandenen Biogasanlage (drei Biogasfermenter, zwei Nachlager, ein Endlager mit 14m Durchmesser, ein Blockheizkraftwerkmodul etc.) kann nach Überzeugung der Kammer der Schauwert des W-hofes durch die von der Klägerin in immerhin noch einiger Entfernung geplanten Windkraftanlagen nicht mehr beeinträchtigt werden.

57

Über den Hilfsantrag der Klägerin war nicht mehr zu entscheiden.

58

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

59

Die Berufung ist durch das Verwaltungsgericht zuzulassen, da die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, welche Auswirkungen eine Teilgenehmigung auf die Ausschlusswirkung eines Flächennutzungsplans hat (§ 124a Abs. 1 iVm § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).