Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 03.11.2016, Az.: 6 A 6114/13

Doktortitel; Entziehung des Doktorgrades; Ermessen; Plagiat; Rückforderung der Doktorurkunde; Täuschung; Verwirkung; Promotionsordnung; Vorsatz

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
03.11.2016
Aktenzeichen
6 A 6114/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43422
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Eine Zitierweise, die Fehlvorstellungen über Art und Umfang der jeweiligen Übernahme eines fremden Textes hervorruft, stellt eine Täuschungshandlung dar.
2. Soll eine Universität aufgrund ihres eigenen früheren Verhaltens an der Entziehung des Doktorgrades gehindert sein, muss die für die Titelentziehung zuständige Stelle eindeutig zu erkennen gegeben haben, dass sie den Doktorgrad nicht entziehen wird.
3. Bloße Untätigkeit, auch über einen längeren Zeitraum, schließt eine Entziehung des Doktorgrades nicht aus.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung des akademischen Grades „Dr. jur.“.

Der in Griechenland geborene Kläger studierte Rechtswissenschaft in Athen und wurde 1993 nach seinem Referendariat in Athen zur dortigen Rechtsanwaltschaft zugelassen. An der Leibniz Universität B-Stadt erhielt er 1992 nach Abschluss eines Aufbaustudiengangs den Grad eines MLE. 1993 begann er mit der Arbeit an seiner Dissertation mit dem Titel "Charakterisierungen und Qualifikation im Internationalen Privatrecht - Zur Lehre einer parteispezifischen Qualifikation im Kollisionsrecht der privaten Wirtschaft".

Der Kläger stellte unter dem 13. Mai 1998 den Antrag auf Einleitung des Promotionsverfahrens. Hierbei versicherte er, sich bei der Anfertigung der Dissertation keiner anderen als der angegebenen Hilfsmittel bedient zu haben und alle dem Schrifttum wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen kenntlich gemacht zu haben. Die Beklagte verlieh dem Kläger am 21. Juli 1998 auf Grund seiner Dissertation und einer mündlichen Prüfung den Grad eines Doktors der Rechtswissenschaften mit der Note "summa cum laude". Nach seiner Promotion nahm der Kläger eine Tätigkeit an der C. auf. Dort ist er inzwischen Professor für Transnational Commercial Law and Arbitration.

Im September 2001 wandte sich Herr Prof. Dr. D., der mit einer Arbeit mit dem Titel „Die Theorie der Qualifikation“ promoviert worden war, an Herrn Prof. Dr. E., den damaligen Dekan des Fachbereichs Rechtswissenschaften der Beklagten. Er erklärte, er habe festgestellt, dass sich ungefähr die ersten hundert Seiten der Dissertation des Klägers mit seiner Arbeit thematisch und inhaltlich decken würden. Er habe darüber hinaus zahlreiche Sätze und Absätze gefunden, die wörtlich ohne Verwendung von Anführungszeichen oder geringfügig paraphrasiert übernommen worden seien, teils ohne Angabe der Quelle, teils mit Fußnotenangaben der Art „ferner siehe D.“ oder „vgl. D.“.

Prof. E. bat den Kläger um Stellungnahme, woraufhin der Kläger im November 2001 erklärte, die Arbeit D. s sei eine wichtige Quelle gewesen, dies habe er an zahlreichen Stellen belegt. Die rechtsgeschichtlichen Kapitel, in denen die Arbeit von Prof. D. zitiert werde, habe er in der Zeit von Mai 1993 bis Dezember 1996 in mehreren Fassungen erstellt. Es treffe nicht zu, dass er Passagen ohne eine angemessene Referenz in den Fußnoten übernommen habe. Gewisse Ähnlichkeiten seien nicht beabsichtigt, etwaige fehlende Referenzen seien versehentlich vergessen worden. Prof. E. dankte dem Kläger für dessen Antwort mit Schreiben vom 5. Dezember 2001, welches bis zum Jahr 2012 die letzte schriftliche Mitteilung blieb, die der Kläger in dieser Angelegenheit erhielt. Sodann übersandte Prof. E. im Januar 2002 die Stellungnahme des Klägers an Prof. D. und teilte Prof. D. zugleich mit, dass die Angelegenheit zwischenzeitlich „kurz und diskret“ im Professorium besprochen worden sei, wo festzustellen gewesen sei, dass die Kollegenschaft wenig geneigt zu sein scheine, ein formelles Verfahren zu eröffnen.

Prof. D. bekräftigte im Februar 2002 seine Vorwürfe gegen die Arbeit des Klägers und erklärte unter Anführung verschiedener Beispiele, der Kläger habe in einer größeren Zahl von Fällen längere wörtliche oder fast wörtliche Zitate nicht als solche ausgewiesen, insbesondere keine Anführungszeichen gesetzt, sondern nur irreführende Fußnoten verwendet. Einzelne wörtliche oder fast wörtliche Zitate habe der Kläger ganz ohne Nachweis verwendet. Zugleich äußerte Prof. D. anhand einiger „Stichproben“ von Werken anderer Autoren den Verdacht, dass die Arbeit des Klägers in nicht unwesentlichem Umfang eine „Collage aus Versatzstücken schon vorhanden gewesener Schriften“ sei.

Im März 2002 bat Prof. E. die Kommission zur Überprüfung der guten wissenschaftlichen Praxis der Beklagten (Ethik-Kommission) um Prüfung der Angelegenheit und fügte dazu Kopien aus den Dissertationen D. und des Klägers sowie den dazu vorliegenden Schriftverkehr bei. Die Kommission erklärte im April 2002, sie halte den Vorwurf von Prof. D., dass der Kläger „ganze Sätze und Absätze wörtlich oder geringfügig paraphrasiert ohne Quellenangabe aus seiner Dissertation übernommen habe und dass er sie auch nicht durch Anführungszeichen kenntlich gemacht habe“, für gerechtfertigt. Sie würde es begrüßen, wenn der Kläger sich bei Prof. D. entschuldige und der Dekan gegenüber Prof. D. zum Ausdruck bringe, dass der Fachbereich die Position der Kommission teile. Die Kommission könne sich vorstellen, dass die Angelegenheit damit erledigt sei. In der Stellungnahme wies die Kommission ausdrücklich darauf hin, dass sie der Frage, ob auch Schriften anderer Autoren in ähnlicher Weise verwertet worden seien, nicht nachgegangen sei.

Prof. F., Nachfolger von Prof. E. als Dekan der Juristischen Fakultät, informierte im Mai 2002 Prof. D., dass die Ethik-Kommission die Vorwürfe für im Wesentlichen berechtigt halte. Auch er selbst habe sich davon überzeugt, dass der Kläger „in gravierender Weise gegen allgemein anerkannte Regeln wissenschaftlichen Arbeitens verstoßen“ habe. Er schlage vor, dass Prof. G., ein Mitglied des Fachbereichs Rechtswissenschaften der Beklagten, die Arbeit des Klägers rezensiere und bei dieser Gelegenheit auf das wissenschaftliche Fehlverhalten des Klägers in gehöriger Form und mit ausgewählten Beispielen hinweise. Gegenüber dem Rechtsdezernat der Beklagten wies Prof. F. im Juli 2002 darauf hin, dass der Fachbereich Rechtswissenschaften von einem gravierenden Fehlverhalten des Klägers ausgehe, aber eine Rezension der Dissertation durch Prof. G. verabredet worden sei und er damit die Angelegenheit als erledigt betrachte.

Eine schriftliche Unterrichtung des Klägers durch die Beklagte über die Einschaltung der Kommission, deren Ergebnisse und das beabsichtigte weitere Vorgehen erfolgte nicht. Nach den Angaben des Klägers habe Prof. E. ihm in einem Telefonat im Januar 2002 empfohlen, sich bei Prof. D. zu entschuldigen. Prof. G. habe ihm in einem Gespräch kurz vor Ostern 2002 mitgeteilt, dass er mit einer Rezension der Arbeit beauftragt worden sei. In einem Gespräch im Jahr 2008 habe Prof. G. dann gegenüber dem Kläger angedeutet, die Rezension nicht mehr schreiben zu wollen. Die Rezension der Dissertation ist nie erschienen.

Im März 2012 wurden im Hinblick auf die Dissertation des Klägers öffentlich und gegenüber der Beklagten Plagiatsvorwürfe von Seiten der Internetplattform „VroniPlag Wiki“ geäußert. Nach dem VroniPlag Wiki Bericht seien auf 118 von 260 Textseiten Plagiatsstellen aus insgesamt 34 verschiedenen Quellen nachgewiesen worden; insgesamt bestünden 39 Seiten zu mehr als 50% aus Plagiatstext. Daraufhin fasste die Untersuchungskommission für die Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis der Beklagten im Mai 2012 den Beschluss, ein förmliches Untersuchungsverfahren einzuleiten und den Verdacht eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens zu überprüfen.

In ihrem Abschlussbericht vom Dezember 2012 stellte die Kommission nach Anhörung des Klägers einstimmig ein wissenschaftliches Fehlverhalten in der Form einer vorsätzlichen Urheberrechtsverletzung im Sinne eines Plagiats fest. Die Kommission sei nach eingehender Prüfung der Dissertation zu der Überzeugung gelangt, dass die Arbeit zahlreiche erhebliche Urheberrechtsverletzungen enthalte. Umfang und Schwere der nicht gekennzeichneten Textübernahmen aus Werken anderer Autoren zwängen die Kommission zu dem Schluss, dass der Kläger auch vorsätzlich gehandelt habe. Im Einzelnen führte die Kommission insgesamt 90 nicht gekennzeichnete Übernahmen von Textstellen auf, wobei sich 30 Textstellen auf die Dissertationsschrift von Prof. D. beziehen und 60 Textstellen auf die Werke anderer Autoren. Hierbei sei ein großzügiger Maßstab angelegt worden; so seien zum Beispiel kurze Textübernahmen ohne charakteristische Formulierungen und deutlich abgewandelte Textstellen nicht einbezogen worden. Die Nichteinbeziehung möglicher weiterer Verstöße sei vor dem Hintergrund erfolgt, dass die eindeutigen Verstöße für die Schlussfolgerungen des Berichts bereits eine ausreichende Tatsachenbasis geboten hätten. Dies gelte auch für die Frage von sog. Strukturplagiaten, also Übereinstimmungen im Aufbau, der Abfolge der Argumentation und der Übereinstimmung der verwendeten Quellen.

In seiner Sitzung vom 9. Januar 2013 beschloss der Fakultätsrat der Juristischen Fakultät auf Grundlage des Abschlussberichts der Kommission, ein Verwaltungsverfahren einzuleiten und durchzuführen zwecks Prüfung, ob dem Kläger der ihm verliehene Doktorgrad entzogen werden solle.

Der Kläger äußerte sich unter dem 21. Mai 2013 dahingehend, dass die Verleihung des Doktorgrades nicht rechtswidrig gewesen sei. Eine Rücknahme scheide aus, da die von der Kommission festgestellten Übernahmen seine Arbeit nicht derart entwerten würden, dass diese nicht mehr als Nachweis der Befähigung zu selbständiger wissenschaftlicher Arbeit angesehen werden könne. Die Übernahmen seien nicht als Plagiate einzuordnen, sondern nur als Zitierfehler in Form der „Verschleierung“ und des „Bauernopfers“. Nur an 12 Stellen akzeptiere er „Probleme“, soweit ihm dort 8 Plagiate in Form eines „verschärften Bauernopfers“ sowie 4 Komplettplagiate unterlaufen seien. Im Übrigen habe er zwar unsauber zitiert, aber nicht vorsätzlich getäuscht. Er habe das von ihm oft benutzte „cf.“ als Verweis im Sinne von „siehe weiter bei …“ verstanden und nicht im zutreffenden Sinne des „vgl.“ verwendet, jedoch keinesfalls, um zu täuschen. Eine Rücknahme der Verleihung des Doktorgrades komme ferner nach der Ausschlussfrist gemäß § 48 Abs. 4 VwVfG nicht in Betracht, da der Beklagten bereits im Jahr 2002 Tatsachen bekannt waren, die ihrer Ansicht nach die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrades gerechtfertigt hätten. Der Kläger habe die Dissertation in zwei Teilen geschrieben, nämlich von 1993 bis 1994 und von 1997 bis 1998. Die Anfertigung des ersten Teils der Arbeit habe zum maßgeblichen Zeitpunkt der Einreichung der Dissertation bereits so lange zurückgelegen, dass dem Kläger schon allein aufgrund des Zeitablaufs kein Täuschungsvorsatz zu diesem Zeitpunkt unterstellt werden könne. Da keine Täuschung vorgelegen habe, könne sich der Kläger auch auf die Ausschlussfrist berufen. Die Rücknahme sei aufgrund des Verhaltens der Beklagten im Jahr 2002 zudem jedenfalls nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ermessensfehlerhaft.

In seiner Sitzung am 24. Juli 2013 beschloss der Fakultätsrat der Juristischen Fakultät, dem Kläger den Doktorgrad zu entziehen. Mit Bescheid vom 25. Juli 2013 gab die Beklagte dem Kläger die Entscheidung des Fakultätsrats bekannt und forderte in einem weiteren Bescheid gleichen Datums die Doktorurkunde vom Kläger zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Kläger habe eine Täuschung begangen, indem er eine Dissertation eingereicht habe, die in einem erheblichen Umfang Übernahmen aus nicht oder nicht hinreichend gekennzeichneten Quellen enthalte; diesbezüglich werde auf den als Anlage beigefügten Bericht der Kommission verwiesen. Der Fakultätsrat habe im Rahmen seiner Ermessensentscheidung das öffentliche Interesse an der Einhaltung wissenschaftlicher Standards bei Promotionen sowie an der Entziehung des Doktorgrades bei Dissertationen, die diese Standards verfehlen, abgewogen mit den Gesichtspunkten, die gegen eine Entziehung sprächen. Insbesondere habe der Fakultätsrat berücksichtigt, dass seit dem Einreichen der Dissertation rund eineinhalb Jahrzehnte vergangen seien und die Fakultät beim erstmaligen Aufkommen von Plagiatsvorwürfen in den Jahren 2001 und 2002 nicht beschlossen habe, den Doktorgrad zu entziehen. Hierbei sei auch zu beachten, dass die Zahl der Textstellen, an denen eine Übernahme von nicht oder nicht hinreichend gekennzeichneten Quellen feststellbar sei, bei Weitem noch nicht bekannt gewesen sei. Dass keine weitergehenden Ermittlungen durchgeführt worden seien, führe nicht zu einer Verkleinerung des Ermessensspielraums. Weder aus dem Nichtentzug des Titels noch aus dem Versuch einer informellen Bereinigung der Angelegenheit durch Veranlassung einer Rezension noch durch den Zeitablauf ergebe sich ein Vertrauensschutz. Eine verfahrensabschließende Entscheidung über den Nichtentzug des Titels sei zudem nicht erlassen worden. Ferner habe der Kläger gewusst, dass die Fakultät während dieser Zeit von einem erheblichen Teil der Plagiate noch keine Kenntnis gehabt habe. Auch die möglicherweise erheblichen beruflichen, persönlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen für den Kläger müssten hinter dem öffentlichen Interesse zurückstehen.

Der Kläger hat am 19. August 2013 Klage erhoben. Er bezieht sich zur Begründung auf seine Stellungnahme vom 21. Mai 2013 und führt ergänzend aus: Er habe keine Täuschung begangen, da ihm zwar Zitierfehler unterlaufen seien, dies aber nicht vorsätzlich, sondern nur fahrlässig erfolgt sei. Dies belege exemplarisch die Tatsache, dass seine Arbeit von Prof. H., einem der „Plagiatsopfer“, in die Schriftenreihe „Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht“ aufgenommen worden sei. Der Kläger hätte die Arbeit wohl kaum in der Schriftenreihe von Prof. H. veröffentlicht, wenn er bewusst dessen Texte ohne Kennzeichnung übernommen hätte. Zudem hätten in der Fachwelt unterschiedliche Vorstellungen in Bezug auf die korrekte Zitierweise bestanden, weshalb eine Verletzung von Zitierregeln nicht den Schluss auf eine vorsätzliche Täuschung zulasse. Somit könne auch die schlichte Zahl der vorgehaltenen Urheberrechtsverletzungen kein Indiz für eine bewusste Täuschung sein. Dies gelte insbesondere, da maßgeblicher Zeitpunkt der Antrag auf Einleitung des Promotionsverfahrens sei, da dann die Versicherung abgegeben werde, alle Quellen und Übernahmen kenntlich gemacht zu haben. Der Kläger könne sich mangels arglistiger Täuschung zudem auf die Ausschlussfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG berufen. Die Beklagte habe im Frühjahr 2002 von den Zitierfehlern des Klägers Kenntnis erlangt, und zwar sowohl in Bezug auf die Dissertation von Prof. D. als auch in Bezug auf andere Autoren. Bereits hier habe nach der Rechtsauffassung der Beklagten Entscheidungsreife bestanden, da ihrer Ansicht nach eine weitere Sachaufklärung überflüssig gewesen sei. Dennoch habe sich die Beklagte bewusst gegen ein Rücknahmeverfahren entschieden. Selbst wenn die Ausschlussfrist nicht anwendbar sein sollte, habe die Beklagte das Recht zur Entziehung des Doktorgrades jedenfalls verwirkt. Der Kläger habe zehn Jahre nach der ersten Befassung der Beklagten mit den Plagiatsvorwürfen nicht mehr mit weiteren rechtlichen Schritten rechnen müssen; die Entziehung sei deshalb ermessens- und rechtsfehlerhaft. Die Entscheidung sei auch deshalb ermessensfehlerhaft, weil die Beklagte dem Kläger den Doktorgrad allein deshalb entzogen habe, um in der Öffentlichkeit den Eindruck entstehen zu lassen, dass sie wissenschaftliches Fehlverhalten konsequent ahnde. So seien schon in der Kommission Bedenken geäußert worden, die Beklagte auf Kosten des Klägers „reinwaschen“ zu wollen.

In der mündlichen Verhandlung am 3. November 2016 hat die Beklagte den Bescheid über die Rückforderung der Doktorurkunde dahingehend abgeändert, dass die Urkunde vom Kläger binnen zwei Wochen nach Unanfechtbarkeit des Bescheides über die Entziehung des Doktorgrades zurückzugeben ist.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2013 über die Entziehung des Doktorgrades sowie den Bescheid vom 25. Juli 2013 über die Rückforderung der Promotionsurkunde in der Fassung durch die Änderungserklärung vom 3. November 2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt sie ihren bisherigen Vortrag und verweist auf ihren angefochtenen Bescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (6 Bände) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Entscheidung des Fakultätsrats der Juristischen Fakultät, dem Kläger den Doktorgrad zu entziehen, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Es kann offen bleiben, ob Rechtsgrundlage für diese Entscheidung § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG i.V.m. §§ 1, 2 Abs. 3 Nr. 2 Nds. VwVfG oder § 19 Abs. 3 Satz 1, 1. Var., Satz 4 der Promotionsordnung der Juristischen Fakultät der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover zur Erlangung des Grades eines Doktors des Rechts (Dr. jur.) vom 14. Mai 2013 (Verkündungsblatt der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover 5/2013, Seite 6; im Folgenden: Promotionsordnung) ist. Denn sowohl die Voraussetzungen des § 19 Abs. 3 Satz 1 der Promotionsordnung als auch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG sind vorliegend erfüllt.

Nach § 19 Abs. 3 Satz 1, 1. Var. der Promotionsordnung kann der Fakultätsrat nach Anhörung des Promovierten nachträglich den Doktorgrad entziehen, wenn sich nach Vollzug der Promotion herausstellt, dass der Promovierte bei einer Promotionsleistung eine Täuschung begangen hat. Die formellen und materiellen Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor.

Die Entziehung ist formell ordnungsgemäß erfolgt. Der Fakultätsrat war nach § 19 Abs. 3 Satz 1 der Promotionsordnung für die Entziehung des Doktorgrades zuständig, und der Kläger ist im Rahmen des Verwaltungsverfahrens auch angehört worden.

In materieller Hinsicht liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Entziehung des Doktorgrades nach § 19 Abs. 3 Satz 1, 1. Var. der Promotionsordnung vor. Es hat sich nach Vollzug der Promotion herausgestellt, dass der Kläger bei einer Promotionsleistung - nämlich seiner Dissertation - eine Täuschung begangen hat. Nach § 19 Abs. 3 Satz 2 der Promotionsordnung gilt dies insbesondere bei Täuschungen über die in § 8 Abs. 2 lit. h der Promotionsordnung genannten Umstände, nämlich bei einer unwahren Erklärung des Doktoranden, dass er bei der inhaltlichen Ausarbeitung der Dissertation keine Textabschnitte von Dritten ohne Kennzeichnung übernommen und alle benutzten Hilfsmittel und Quellen in seiner Arbeit angegeben hat.

Eine Täuschung im Sinne dieser Vorschrift ist das Vorspiegeln falscher Tatsachen oder das Entstellen oder Unterdrücken wahrer Tatsachen. Täuschungshandlung kann mithin jede Handlung sein, die einen Erklärungswert hinsichtlich einer Tatsache besitzt und durch Einwirken auf die Vorstellung einer anderen Person bei dieser zu einem Irrtum hierüber führen kann (vgl. Fischer, Strafgesetzbuch, 62. Auflage 2015, § 263 Rn. 14, 18). Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts ist die Feststellung, ob eine Täuschung im vorgenannten Sinne vorliegt, jedenfalls in denjenigen Fällen voll gerichtlich überprüfbar, in denen es um den Vorwurf der im Wesentlichen unveränderten Übernahme fremder Texte ohne entsprechende Kennzeichnung geht. Je stärker fremde Texte bei ihrer Übernahme abgewandelt werden - bis hin zur Übernahme bloßer Ideen -, desto eher sei allerdings ein Beurteilungsspielraum der Prüfer anzunehmen. Dieser sei ihnen auch in Bezug auf die Frage einzuräumen, ob eine Täuschung als Marginalie hingenommen werden könne oder über eine für jede Fallgestaltung besonders zu bestimmende Erheblichkeitsschwelle hinausgehe (Nds. OVG, Urteil vom 15. Juli 2015 – 2 LB 363/13 –, juris Rn. 105).

Das Gericht kann offenlassen, welcher Maßstab bei der Überprüfung, ob eine Täuschung des Klägers hinsichtlich der Übernahme fremder Texte vorliegt, anzuwenden ist. Denn die Annahme einer Täuschung ist nicht nur bei Annahme eines Beurteilungsspielraums des Fakultätsrats schlüssig und nachvollziehbar dargelegt und lässt keine Beurteilungsfehler erkennen, sondern erweist sich auch nach voller gerichtlicher Überprüfung der beanstandeten Textstellen als zutreffend.

Der Kläger hat eine Täuschung begangen, indem er zahlreiche Stellen aus fremden Werken übernommen hat, ohne dies kenntlich zu machen. Insoweit wird auf die zutreffenden und vom Kläger nicht bestrittenen Feststellungen der Untersuchungskommission verwiesen (Bl. 15-101 BA A), die 90 nicht gekennzeichnete Übernahmen fremder Texte in der Dissertation des Klägers identifiziert hat. Der Kläger hat dadurch darüber getäuscht, dass er keine Textabschnitte von Dritten ohne Kennzeichnung übernommen und alle benutzten Hilfsmittel und Quellen in seiner Arbeit angegeben hat (vgl. § 8 Abs. 2 lit. h der Promotionsordnung).

Dem Kläger ist nicht darin zu folgen, dass man die „Verschleierung“, das „Bauernopfer“ und das „verschärfte Bauernopfer“ (Begriffe eingeführt von VroniPlag Wiki) lediglich als Zitierfehler, nicht aber als Täuschungen ansehen könne. Während der Begriff der „Verschleierung“ Textstellen meint, die sich mit Abweichungen sinngemäß und/oder teilweise wörtlich in einer anderen (früher datierten) Quelle finden, ohne dass dies kenntlich gemacht ist, betreffen sogenannte „Bauernopfer“ einen unzureichenden Quellennachweis. Hierbei erfolgt ein im Zusammenhang mit Textparallelen erfolgter Quellenverweis, z.B. in Form einer Fußnote, wobei jedoch der Gesamtumfang des übernommenen Inhalts nicht oder nicht eindeutig kenntlich gemacht ist und/oder wörtlich übernommene Anteile daraus nicht oder nicht vollständig als solche hervorgehen. Ein sogenanntes „verschärftes Bauernopfer“ soll dabei vorliegen, wenn der unzureichende Verweis auf die Quelle zudem einen anderen Inhalt suggeriert und in Widerspruch zu der erfolgten Übernahme steht, z.B. durch Formulierungen wie „ferner“, „siehe dazu auch“ oder „so auch“. Auch solche Zitierweisen stellen jedoch Täuschungshandlungen dar, weil sie den Umfang der eigenen geistigen Leistung des Autors nicht erkennen lassen. Hierzu hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 15. Juli 2015 (2 LB 363/13 –, juris Rn. 109-110) ausgeführt:

„Ein Zitat darf bei dem Leser keine Fehlvorstellungen darüber hervorrufen, welchen Textumfang in der vorgelegten Arbeit es „abdeckt“. Durch entsprechende Anordnung der Zitatstelle und/oder der Einleitung des Zitats kann in der Regel ohne Weiteres verdeutlicht werden, ob sie sich auf eine Idee, ein Wort, einen Satz oder einen Absatz bezieht. Zitate für größeren Textumfang werden regelmäßig nicht verwendet, anderenfalls aber jedenfalls üblicherweise mit einer entsprechenden Bemerkung eingeleitet („Zum Ganzen:“ o.ä.). Zu unterscheiden hiervon ist, wie die Zitatstelle die zitierte Quelle ihrerseits in Bezug nimmt. Das kann ebenfalls „punktgenau“ geschehen, etwa durch Angabe einer Seitenzahl oder einer Randziffer, oder großräumiger etwa durch Angabe eines Seitenbereichs oder eines Gliederungspunktes. Wird in letzterem Sinne ein größerer Textbereich in Bezug genommen, lässt dies jedoch nicht den Rückschluss darauf zu, dass mit diesem Zitat eine vergleichbare Textmenge in der vorgelegten Arbeit „abgedeckt“ werden soll; das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

Vor diesem Hintergrund ist der Abschluss größerer Textmengen mit einem Zitat, das selbst keinen Aufschluss darüber gibt, auf welchen Textabschnitte der vorgelegten Arbeit es sich beziehen soll (sog. Bauernopferreferenz, vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014 - 15 K 2271/13 -, juris Rdnr. 112 f.), kein für wissenschaftliche Arbeiten geeignetes Instrument, weil diese Handhabung dem Leser nicht ermöglicht, die eigene geistige Leistung des Autors von derjenigen des Zitierten ohne eigene Zusatzaufwände zuverlässig abzugrenzen.“

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an und kommt unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall zu dem Schluss, dass die von der Beklagten beanstandeten Textstellen den Schluss zulassen, dass der Kläger über die Urheberschaft der betreffenden Textstellen getäuscht hat. So kann der Kläger die Beanstandung einzelner Textstellen nicht mit dem Hinweis entkräften, dass eine Quelle an anderer Stelle zitiert worden sei oder zitiert worden sei und lediglich nicht deutlich werde, in welchem Umfang der Text übernommen worden sei. Denn die beanstandeten Zitate haben es nicht ermöglicht, die eigene geistige Leistung des Klägers von derjenigen des Zitierten zuverlässig abzugrenzen, und haben Fehlvorstellungen über Art und Umfang der jeweiligen Übernahme des fremden Textes hervorgerufen. Aus diesem Grund hat der Kläger bei seiner Promotionsleistung eine Täuschung begangen.

Aufgrund der Täuschung sind die Gutachter sowie der Promotionsausschuss darüber in die Irre geführt worden, dass die beanstandeten Textstellen insoweit nicht auf einer eigenen geistigen Leistung des Klägers beruhen, und sind einem entsprechenden Irrtum erlegen. Der Entziehung des Doktorgrades kann der Kläger dabei nicht mit dem Einwand begegnen, dass die Übernahmen seine Arbeit nicht derart entwerten würden, dass sie nicht mehr als Nachweis der Befähigung zu selbständiger wissenschaftlicher Arbeit angesehen werden könne. Insbesondere ließe dieses Vorbringen - seine Richtigkeit unterstellt - die Kausalität der Täuschung für die Verleihung des Doktorgrades nicht entfallen. Denn es kommt nicht darauf an, ob dem Kläger für eine Dissertationsschrift ohne die beanstandeten Übernahmen oder bei jeweils wörtlicher Zitierung der Doktorgrad noch verliehen worden wäre. Derartig hypothetische Erwägungen im Sinne einer Art geltungserhaltender Reduktion finden nicht statt. Es ist für die Ursächlichkeit der vom Kläger begangenen Täuschung nicht von Bedeutung, ob ihm für eine andere Dissertationsschrift, als er sie tatsächlich eingereicht hat, der Doktorgrad verliehen worden wäre (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. Oktober 2008 – 9 S 494/08 –, juris Rn. 8; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. April 2000 – 9 S 2435/99 –, juris Rn. 25-26; VG Freiburg, Urteil vom 23. Mai 2012 – 1 K 58/12 –, juris Rn. 44).

Der Kläger handelte hinsichtlich der Täuschung und der Irrtumserregung auch vorsätzlich. Dabei setzt der Begriff der Täuschung ein vorsätzliches Handeln voraus, wobei auch Eventualvorsatz ausreicht (Nds. OVG, Urteil vom 15. Juli 2015 – 2 LB 363/13 –, juris Rn. 114; Hessischer VGH, Beschluss vom 20. Juni 1989 – 6 UE 2779/88 –, juris Rn. 5). Die Zitierpraxis des Klägers lässt den Schluss zu, dass der Kläger die Entlehnungen aus fremden Texten bewusst verschleiern wollte, die Irreführung also zumindest für möglich hielt und billigend in Kauf nahm und damit vorsätzlich handelte. Das Gericht folgt nicht dem Vorbringen des Klägers, er habe zwar fahrlässig unsauber zitiert, aber nicht vorsätzlich getäuscht. Art, Umfang und Schwere der nicht gekennzeichneten Übernahmen der Textstellen belegen nach Auffassung der Kammer, dass der Kläger die übernommenen Textstellen bewusst nicht hinreichend kenntlich gemacht und damit vorsätzlich darüber getäuscht hat, dass er keine Textabschnitte von Dritten ohne Kennzeichnung übernommen und alle benutzten Hilfsmittel und Quellen in seiner Arbeit angegeben hat. Dafür sprechen insbesondere die im zweiten Teil des Abschlussberichts der Untersuchungskommission dokumentierten zahlreichen Beispiele von wörtlichen oder nahezu wörtlichen Übernahmen. Die aufgeführten Übernahmen betreffen dabei nicht nur einzelne Sätze, sondern in vielen Fällen sogar ganze Absätze. Angesichts der hohen Zahl von nicht kenntlich gemachten Übernahmen kann dabei keinesfalls von einem bloßen Versehen oder einer lediglich „unsauberen“ Zitierweise ausgegangen werden. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen und Beurteilungen der Untersuchungskommission verwiesen, auf deren Bericht das Gericht zur Vermeidung von Wiederholungen auch an dieser Stelle verweist (Bl. 15-101 BA A). Der Bericht nennt zahlreiche Übernahmen, bei denen es keinerlei Hinweis auf den Autor gibt oder die Fußnoten Art und Umfang der Übernahme nicht erkennen lassen. Dabei ist hervorzuheben, dass der Kläger oft auch besonders charakteristische Formulierungen der Autoren wörtlich übernommen hat, ohne den Urheber kenntlich zu machen (vgl. beispielhaft schon auf den ersten Seiten des Textabgleichs, Bl. 16-19 BA A: „Die hier und jetzt positiv geltende heimische Rechtsordnung“, „Wunderwelt der Qualifikation“, „Das Grundschema Poppers läßt sich nämlich mutatis mutandis auch in der Jurisprudenz verwenden“, „die quaestio famosissima der Bestimmung und Abgrenzung der für die Tatbestände des internationalen Privatrechts besonders typischen Sammel- oder Systembegriffe“). Ferner sprechen auch besonders diejenigen Stellen für eine bewusste Verschleierung, bei denen der Kläger den Autor, dessen Text er wörtlich übernommen hat, zwar in der Fußnote nennt, aber nicht an erster Stelle und ohne Kenntlichmachung der Übernahme (z.B. Seite 25 Fn. 5, Seite 30 Fn. 29, Seite 31 Fn. 32, Seite 42 Fn. 45, Seite 48 Fn. 72, Seite 68 Fn. 20, Seite 85 Fn. 17, Seite 203 Fn. 99, S. 206 Fn. 117, 118, S. 227 Fn. 16). Dass die Zitierweise des Klägers zu einer Irreführung des Lesers führt, ist im Ergebnis offensichtlich, so dass es nicht glaubhaft ist, dass der Kläger insoweit ein vorsätzliches Handeln bestreitet.

Auch der Einwand des Klägers, in der Fachwelt hätten unterschiedliche Vorstellungen in Bezug auf die korrekte Zitierweise bestanden, was zeige, dass eine Verletzung von Zitierregeln auch bei einer Vielzahl von Befundstellen nicht den Schluss auf eine vorsätzliche Täuschung zulasse, greift nicht durch. Der Kläger hat seine entsprechende Behauptung, dass unterschiedliche Zitiervorstellungen bestanden hätten, schon nicht hinreichend substantiiert. Er hat hierzu lediglich Zeitungsartikel vorgelegt, die sich mit der Zitierweise in den 1970er Jahren in den Fächern Erziehungswissenschaften und Sozialwissenschaften (anlässlich der Diskussion um die Dissertationen von Annette Schavan und Norbert Lammert) beschäftigen und generell davon sprechen, dass eine „früher oft übliche Zitierweise“ heute als Plagiat gelte. Eine Aussage zu den Zitiervorstellungen im Fach Rechtswissenschaften im Jahr 1998 enthalten die Ausführungen des Klägers sowie die von ihm vorgelegten Artikel jedoch nicht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass wörtliche oder nahezu wörtliche Übernahmen von Texten ohne jede Quellenangabe in den 1990er Jahren im Fach Rechtswissenschaften für zulässig gehalten worden sind. Schon im Jahr 2002, also nur wenige Jahre nach dem Einreichen der Dissertation, wurde durch die Ethik-Kommission der Beklagten ein wissenschaftliches Fehlverhalten des Klägers festgestellt. Dass sich schon in diesem kurzen Zeitraum die Vorstellungen über die Zitierweise maßgeblich geändert hätten, hat der Kläger nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich.

Die von dem Kläger in seiner Dissertation an zahlreichen Stellen verwendete „Zitierpraxis“ ist überdies unter Berücksichtigung der sich allein aus dem Gebot der wissenschaftlichen Redlichkeit ergebenden Anforderungen an den Nachweis der Eigenständigkeit wissenschaftlichen Arbeitens rechtswidrig, so dass es nicht darauf ankommt, ob sie in gewissen Kreisen üblich war (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 20. März 2014 – 15 K 2271/13 –, juris Rn. 111). Die angebliche Üblichkeit einer solchen Vorgehensweise würde - wenn sie zuträfe - auch nicht den Vorwurf des Täuschungsvorsatzes entkräften. Denn die nicht hinreichende Kennzeichnung der Quellen führt für jedermann erkennbar dazu, dass nicht festgestellt werden kann, welche Ausführungen von dem Autor selbst stammen und welche Ausführungen er lediglich von Dritten übernommen hat. Gerade bezüglich dieser Tatsache, dass die Übernahme fremder Ausführungen nicht erkennbar ist, handelte der Kläger vorsätzlich. Es kann für den Täuschungsvorsatz demnach nicht relevant sein, dass andere diese rechtswidrige Zitierweise ebenfalls angewandt oder gebilligt haben sollen.

Soweit der Kläger behauptet, die Zitierregeln nicht gekannt zu haben, da von der Beklagten keine Kurse über richtiges Zitieren angeboten worden seien, schließt dies den bedingten Vorsatz nicht aus. Ein Doktorand, der sich nicht über die Grundregeln wissenschaftlichen Arbeitens informiert, hält es zumindest für möglich und nimmt es billigend in Kauf, nicht korrekt zu zitieren und damit über den Umfang der eigenen geistigen Leistung zu täuschen. Im Übrigen hält die Kammer es für nicht glaubhaft, dass der Kläger nicht wusste, dass und wie er Übernahmen kenntlich zu machen hat. So hat der Kläger in seiner Arbeit an den nicht beanstandeten Stellen fremde Texte korrekt zitiert und wusste auch angesichts der von ihm abgegebenen Erklärung, dass er wörtlich oder sinngemäß übernommene Stellen kenntlich zu machen hat. Dies spricht dafür, dass ihm das Erfordernis der eindeutigen Kenntlichmachung von Übernahmen fremder Texte bekannt war und er dieses Erfordernis bewusst missachtet hat.

Das Gericht hat auch keinen Anlass, am Vorsatz des Klägers zu zweifeln, weil die Anfertigung des ersten Teils der Arbeit zum Zeitpunkt der Einreichung der Dissertation schon länger zurücklag. Die Behauptung des Klägers, dass er aufgrund des Zeitablaufs die nicht gekennzeichneten Übernahmen im Zeitpunkt des Einreichens der Dissertation vergessen habe und deshalb zu diesem Zeitpunkt keinen Täuschungsvorsatz gehabt habe, ist nicht glaubhaft. Die bereits dargelegte erhebliche Anzahl der nicht gekennzeichneten Übernahmen führt zu dem Schluss, dass es sich gerade nicht um „Flüchtigkeitsfehler“ handelte, die der Kläger im Laufe der Jahre vergessen haben könnte. Sie spricht vielmehr dafür, dass der Kläger bewusst und planmäßig Quellen nicht oder nur unzureichend zitiert hat. Er muss sich daher im Zeitpunkt der Einreichung der Dissertation zumindest noch an diese Vorgehensweise erinnert haben. Der Kläger hat auch nicht dargelegt, weshalb er an so vielen Stellen fremde Texte in seine Dissertationsschrift übernommen hat, ohne dies kenntlich zu machen. Aus diesem Grund ist die Behauptung des Klägers, dass er im Zeitpunkt der Abgabe der Dissertation vergessen habe, wie er die entsprechenden Teile seiner Dissertation angefertigt hat, nämlich in zahlreichen Fällen ohne die Kenntlichmachung von Übernahmen fremder Texte, nicht überzeugend. Überdies stammen die von der Beklagten beanstandeten Textstellen aus verschiedenen Abschnitten der Dissertation und sind nicht auf einen bestimmten Bereich begrenzt (Seiten 1, 2, 7, 13, 14, 20, 21, 25, 26, 30, 31, 39, 40, 41, 51, 68, 93, 94, 99, 100, 114, 117, 118, 131, 133, 138, 139, 145, 146, 160, 161, 162, 163, 164, 166, 168, 169, 170, 185, 186, 187, 192, 195, 203, 204, 206, 208, 212, 215, 217, 225, 226, 227, 228, 229, 230, 231, 232, 247, 251 hinsichtlich der Übernahmen von Werken anderer Autoren; lediglich hinsichtlich der Übernahmen von D. beschränken sich die beanstandeten Textstellen weitgehend auf die Seiten 27-86; im Detail: Seiten 27, 28, 37, 38, 42, 43, 44, 45, 46, 48, 50, 51, 54, 57, 60, 62, 66, 75, 76, 80, 81, 85, 86, 184-185, 210).

Der Täuschungsvorsatz wird auch durch die Tatsache, dass die Quellen im Literaturverzeichnis genannt und an anderen Stellen im Text zitiert werden, nicht in Frage gestellt. Die bloße Nennung von Werken ohne die ganz konkrete Bezeichnung des zitierten Nachweises an der Stelle, an der sich die übernommene Textpassage befindet, lässt eine Täuschung nicht entfallen (OVG NRW, Beschluss vom 12. August 2010 – 14 A 847/09 –, juris Rn. 18; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. April 2000 – 9 S 2435/99 –, juris Rn. 24; Hessischer VGH, Beschluss vom 20. Juni 1989 – 6 UE 2779/88 –, juris; VG Münster, Urteil vom 20. Februar 2009 – 10 K 1212/07 –, juris Rn. 25; VG Düsseldorf, Urteil vom 31. Mai 2016 – 2 K 2280/15 –, juris Rn. 22; VG Düsseldorf, Urteil vom 20. März 2014 – 15 K 2271/13 –, juris Rn. 106). Dass Werke an anderer Stelle zitiert worden sind, ist auch kein Indiz gegen einen Täuschungsvorsatz des Klägers hinsichtlich der beanstandeten Stellen.

Schließlich steht der Annahme des Täuschungsvorsatzes auch nicht entgegen, dass der Kläger seine Arbeit in der Schriftenreihe „Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht“ von Prof. H., einem der „Plagiatsopfer“, veröffentlicht hat. Ein solcher Einwand ist von vornherein ungeeignet, den Täuschungsvorsatz zu widerlegen, weil sich keineswegs ausschließen lässt, dass der Kläger trotz der Veröffentlichung seiner Arbeit in der Schriftenreihe Textstellen von Prof. H. bewusst übernommen hat, ohne dies kenntlich zu machen. Dass Prof. H. die Arbeit (vollständig) lesen könnte, macht Übernahmen aus seinen Werken zwar risikoreicher, ist aber kein klares Indiz gegen einen Vorsatz des Klägers. Ebenso gut könnte der Kläger davon ausgegangen sein, dass die Übernahmen nicht auffallen würden oder aber jedenfalls keine Konsequenzen haben würden. Tatsächlich sind nämlich die Übernahmen auch zunächst nicht aufgefallen bzw. haben zumindest keine erkennbaren Konsequenzen gehabt. Auch in Bezug auf den Doktorvater des Klägers, Prof. I., ist ein Täuschungsvorsatz nicht deshalb ausgeschlossen, weil Prof. I. die Arbeit schon vor Abgabe gelesen habe und „einverstanden“ gewesen sei. Auch insoweit war keineswegs sicher, dass Prof. I. einzelne Übernahmen auffallen würden.

Soweit der Kläger andeutet, dass Prof. H. und Prof. I. die Übernahmen bezüglich ihrer Schriften als unproblematisch empfunden haben („H. selbst findet das nicht problematisch“, „I. […] war einverstanden“, Bl. 84-85 GA), ist auch dies unerheblich. Für die Frage, ob eine vorsätzliche Täuschung vorliegt, ist nicht relevant, dass einzelne Autoren sich durch das Nichtzitieren ihrer Werke in der Dissertation des Klägers nicht nachteilig betroffen fühlen (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 20. März 2014 – 15 K 2271/13 –, juris Rn. 127). Es bleibt dabei, dass die Zitierweise des Klägers zu einer Irreführung der Mitglieder des Promotionsausschusses geführt hat und der Kläger dies jedenfalls für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, also Täuschungsvorsatz hatte.

Auch die Voraussetzungen einer Rücknahme der Verleihung des Doktorgrades gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 19 Abs. 3 Satz 4 der Promotionsordnung sind gegeben. Die Verleihung des Doktorgrades war ein rechtswidriger Verwaltungsakt im Sinne dieser Vorschrift. Nach § 5 Abs. 1 der Promotionsordnung des Fachbereichs Rechtswissenschaften der Universität B-Stadt vom 7. November 1997 (Nds. MBl. 1/1998, S. 61), auf deren Grundlage dem Kläger der Doktorgrad verliehen worden ist, muss die Dissertation wissenschaftlichen Ansprüchen genügen. Dies ist bei einer Dissertation, in der sich in erheblichem Umfang Übernahmen aus nicht oder nicht hinreichend gekennzeichneten Quellen befinden, nicht der Fall (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. Oktober 2008 – 9 S 494/08 –, juris Rn. 4-5). Die Verleihung des Doktorgrades an den Kläger war damit rechtswidrig.

Einer Rücknahme der Verleihung des Doktorgrades steht ferner nicht die Ausschlussfrist gemäß § 19 Abs. 3 Satz 4 der Promotionsordnung i.V.m. § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG entgegen, obgleich der Beklagten bereits im Jahr 2002 Plagiatsvorwürfe in Bezug auf die Dissertation des Klägers bekannt waren. Der Kläger kann sich bereits deshalb nicht auf die Ausschlussfrist berufen, weil er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung erwirkt hat, § 48 Abs. 4 Satz 2, Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, 1. Var. VwVfG. Arglist liegt vor, wenn die vorsätzliche Irreführung darauf gerichtet ist, auf den Erklärungswillen der Behörde einzuwirken (Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, § 48 Rn. 152). Nach den obigen Ausführungen hat der Kläger die Verleihung des Doktorgrades durch Täuschung erwirkt und damit zugleich arglistig gehandelt (vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Dezember 2015 – 19 A 254/13 –, juris Rn. 99-105; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. Oktober 2008 – 9 S 494/08 –, juris Rn. 11; VG Düsseldorf, Urteil vom 20. März 2014 – 15 K 2271/13 –, juris Rn. 228-232; VG Karlsruhe, Urteil vom 4. März 2013 – 7 K 3335/11 –, juris Rn. 90; VG Frankfurt, Urteil vom 23. Mai 2007 – 12 E 2262/05 –, juris Rn. 20). Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob die Ausschlussfrist überhaupt bereits im Jahr 2002 zu laufen begann.

Die Rücknahme ist auch nicht ermessensfehlerhaft. Ermessensfehler der Beklagten sind trotz der erheblichen Konsequenzen, die die Entziehung des Doktorgrades für den Kläger hat, nicht ersichtlich. Der Fakultätsrat hat bei seiner Entscheidung insbesondere berücksichtigt, dass seit dem Einreichen der Dissertation rund eineinhalb Jahrzehnte vergangen sind und die Fakultät bei dem erstmaligen Aufkommen der Plagiatsvorwürfe in den Jahren 2001 und 2002 nicht beschlossen hat, dem Kläger den Doktorgrad zu entziehen. Dabei durfte der Fakultätsrat in seine Erwägungen auch einbeziehen, dass dem Fakultätsrat in den Jahren 2001 und 2002 das Ausmaß der Plagiate noch nicht bekannt war und dies wiederum dem Kläger bekannt war. Ebenso durfte er bedenken, dass gegenüber dem Kläger keine verfahrensabschließende Entscheidung ergangen ist, den Doktorgrad nicht zu entziehen, sondern lediglich der Versuch einer informellen Bereinigung erfolgte, deren informeller Charakter für den Kläger auch erkennbar war. Ebenfalls hat der Fakultätsrat die erheblichen beruflichen, persönlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen der Entziehung für den Kläger in seine Ermessenserwägungen eingestellt. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Fakultätsrat bei seiner Abwägung das öffentliche Interesse an der Einhaltung wissenschaftlicher Standards bei Promotionen höher bewertet hat als die beruflichen und sozialen Folgen für den Kläger (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.10.2006 - 6 B 67/06 -, juris Rn. 6).

Soweit der Kläger einen Ermessensfehler der Beklagten darin sieht, dass die Beklagte dem Kläger den Doktorgrad allein deshalb entzogen habe, um in der Öffentlichkeit den Eindruck entstehen zu lassen, dass sie wissenschaftliches Fehlverhalten konsequent ahnde, und um sich auf Kosten des Klägers „reinzuwaschen“, ist dem nicht zu folgen. Ein Ermessensfehlgebrauch ist insoweit nicht gegeben; die Beklagte hat ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt, § 40 VwVfG. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass eine Erwägung des „Sich-Reinwaschens in der Öffentlichkeit auf Kosten des Klägers“ der Entscheidung des Fakultätsrats zur Entziehung des Doktorgrades tatsächlich zugrunde lag. Der Kläger zitiert diese Aussage aus einem Schreiben des Vorsitzenden der Untersuchungskommission für die Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis an den Präsidenten der Beklagten. Konkret heißt es dort, dass nach Ansicht der Untersuchungskommission für die Erstellung eines Abschlussberichts mit der Feststellung eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens und dem dann möglicherweise folgenden Titelentzug durch die Juristische Fakultät spreche, dass die Beklagte damit deutlich mache, dass sie wissenschaftliches Fehlverhalten konsequent ahnde. Es seien aber in der Kommission Bedenken dagegen geäußert worden, die Beklagte auf Kosten des Klägers „reinwaschen zu wollen“. Diese Erwägungen betrafen mithin die Frage, ob überhaupt ein Abschlussbericht erstellt werden solle, und noch gar nicht unmittelbar den späteren Schritt des Titelentzugs. Die Erwägungen wurden überdies nicht von dem für den Titelentzug zuständigen Fakultätsrat der Juristischen Fakultät angestellt, sondern von der Untersuchungskommission. Es handelte sich überdies auch nur um eine Meinung, die von Mitgliedern innerhalb dieses Gremiums geäußert wurde. Aus diesen Gründen kann nicht festgestellt werden, dass diese Erwägungen für den Fakultätsrat bei seiner Entscheidung über die Titelentziehung eine Rolle gespielt haben. Überdies ist die Frage, ob eine Universität wissenschaftliches Fehlverhalten konsequent ahndet und damit gerade auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Wissenschaftsbetrieb stärkt, bei der Rücknahme eines Doktorgrades keine sachfremde Erwägung, die einen Ermessensfehlgebrauch begründet. Vielmehr darf eine Universität den Schutz der wissenschaftlichen Lauterkeit und die Wahrung des wissenschaftlichen Renommees der Fakultät bei ihrer Ermessensentscheidung berücksichtigen (BVerwG, Beschluss vom 20. Oktober 2006 – 6 B 67/06 –, juris Rn. 6; Bayerischer VGH, Urteil vom 4. April 2006 – 7 BV 05.388 –, juris Rn. 13; VG Würzburg, Urteil vom 25. März 2015 – W 2 K 13.954 –, juris Rn. 51; VG Düsseldorf, Urteil vom 20. März 2014 – 15 K 2271/13 –, juris Rn. 167-169; VG Frankfurt, Urteil vom 23. Mai 2007 – 12 E 2262/05 –, juris Rn. 21).

Die Rücknahme ist auch nicht unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ermessensfehlerhaft, weil die Beklagte die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht eingehalten hätte. Insbesondere hat die Beklagte das Recht zur Entziehung des Doktorgrades nicht verwirkt. Die Verwirkung als Hauptanwendungsfall des Verbots widersprüchlichen Verhaltens bedeutet, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Februar 1974, BVerwGE 39, 339, 343 [BVerwG 24.02.1972 - BVerwG II C 4/70]).

Soweit der Kläger meint, er habe zehn Jahre nach der ersten Befassung der Beklagten mit den Plagiatsvorwürfen nicht mehr mit weiteren rechtlichen Schritten rechnen müssen, ist dem nicht zu folgen. Gemessen an den oben dargelegten Grundsätzen fehlt es bereits an einem schutzwürdigen Vertrauen des Klägers, da er die Verleihung des Doktorgrades durch arglistige Täuschung erwirkt hat und damit nicht schutzwürdig ist.

Unabhängig von der Schutzwürdigkeit eines etwaigen Vertrauens kann der Kläger aus dem Nichteinschreiten im Jahr 2002 aber auch keinen Vertrauensschutz dergestalt herleiten, dass eine Entziehung des Doktorgrads dadurch ausgeschlossen wäre. Denn die Art und Weise, wie die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt mit den Plagiatsvorwürfen umgegangen ist, ist nicht geeignet gewesen, einen solchen Vertrauensschutz zu begründen.

Soll die Behörde aufgrund ihres eigenen Verhaltens an der Beseitigung rechtswidriger Zustände gehindert sein, muss den entsprechenden Erklärungen der Behörde mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sein, dass sie gegen den rechtswidrigen Zustand nicht einschreiten wird (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2016 – 7 B 960/16 –, juris Rn. 3-7). Ein Vertrauensschutz wäre demnach allenfalls dann in Betracht gekommen, wenn die Beklagte gegenüber dem Kläger eindeutig und vorbehaltlos zu erkennen gegeben hätte, dass sie ihm den Doktortitel nicht entziehen werde. Eine solche Erklärung lässt sich dem Verhalten der Beklagten in den Jahren 2001 und 2002 indes nicht entnehmen.

Zum einen war ein förmliches Titelentziehungsverfahren überhaupt nicht eingeleitet und damit auch keine sachliche Entscheidung über die Entziehung von dem dafür zuständigen Gremium, dem Fachbereichsrat (§ 15 der damals geltenden Promotionsordnung des Fachbereichs Rechtswissenschaften; Nds. MBI. Nr. 1/1998, S. 61), getroffen worden. Handelte es sich mithin um eine bloße „Vorprüfung“ der Ethik-Kommission und des Dekans des Fachbereichs Rechtswissenschaften, die der Befassung des für die Titelentziehung zuständigen Fachbereichsrats vorausging (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 20. März 2014 – 15 K 2271/13 –, juris Rn. 46), ist auch der Vertrauensschutz, der sich aus einer solchen Vorprüfung ergeben konnte, begrenzt. Ein Vertrauensschutz dahingehend, dass der Doktorgrad nicht entzogen wird, kann sich jedenfalls nicht allein aus dem Verhalten von Personen ergeben, die für die Entscheidung über eine Titelentziehung nicht (allein) zuständig waren (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. April 2000 – 9 S 2435/99 –, juris Rn. 29).

Des Weiteren hat der Kläger zum damaligen Zeitpunkt bewusst nicht „nachgehakt“, hat also bewusst nicht auf eine formelle Entscheidung des Fachbereichsrats in der Sache gedrängt. Er hat es damals offensichtlich vorgezogen, dass möglichst keine genaueren Untersuchungen in der Sache stattfinden und die Vorwürfe nicht umfassend aufgeklärt werden. Auf eine formelle Bescheidung oder zumindest eine schriftliche Unterrichtung in der Angelegenheit hat er keinen Wert gelegt; anders ist seine diesbezügliche Untätigkeit nicht zu erklären. In Schriftform hat der Kläger zuletzt im Dezember 2001 die Mitteilung des Dekans erhalten, dass ihm die Antwort des Klägers in der Sache einleuchte. Der Kläger hat nach seinem eigenen Vortrag zuletzt anlässlich eines Telefonats mit dem Dekan im Januar 2002 „offiziell“ Informationen über den Stand des Verfahrens erhalten, also zu einem Zeitpunkt, als sich noch nicht einmal die Ethik-Kommission mit der Angelegenheit befasst hatte. In dem Telefonat habe der Dekan ihm empfohlen, sich bei Prof. D. zu entschuldigen. Kurz vor Ostern 2002 hat der Kläger dann nach eigenen Angaben von Prof. G. die Auskunft erhalten, dass dieser mit einer Rezension der Dissertation des Klägers beauftragt worden sei.

Ein Vertrauensschutz hätte sich folglich allenfalls aus erkennbar informellen Äußerungen und Handlungen ergeben können. Denn eine förmliche schriftliche Unterrichtung des Klägers über die Ergebnisse der Untersuchung in den Jahren 2001 und 2002 ist nicht erfolgt. Der informelle Charakter der versuchten „Erledigung“ der Angelegenheit durch eine Rezension war dem Kläger auch ohne Weiteres erkennbar. Dass der Kläger aufgrund der genannten Äußerungen darauf hätte vertrauen dürfen, dass ihm der Doktorgrad nicht entzogen wird, ist nicht ersichtlich. Soweit sich der Kläger auf internen Schriftverkehr der Beklagten beruft, wie z.B. die Aussage von Prof. F. gegenüber dem Rechtsdezernat, dass er die Angelegenheit als erledigt betrachte, begründen die entsprechenden Aussagen schon deshalb keinen Vertrauensschutz des Klägers, weil es sich nur um Interna handelte und er zudem von diesen Aussagen damals keine Kenntnis hatte. Sie konnten ein schutzwürdiges Vertrauen daher nicht begründen.

Zum anderen hätte der Kläger aus der Entscheidung des Dekans, eine Rezension zu veranlassen, allenfalls darauf vertrauen dürfen, dass derzeit nicht gegen ihn eingeschritten werde, nicht aber darauf, dass dies auch in Zukunft nicht erfolgen werde (vgl. VG Köln, Urteil vom 6. Dezember 2012 – 6 K 2684/12 –, juris Rn. 38). Denn der Fakultät war zum damaligen Zeitpunkt das Ausmaß der nicht bzw. nicht hinreichend gekennzeichneten Quellen noch nicht bekannt, da die Plagiatsvorwürfe ausschließlich in Bezug auf die Arbeit von Prof. D. überprüft worden waren. Der Kläger war auch lediglich in Bezug auf die Arbeit von Prof. D. um Stellungnahme gebeten worden, so dass ihm die unvollständige Aufklärung des Sachverhalts durch die Beklagte erkennbar war. Im Übrigen ist die Rezension der Arbeit des Klägers, die zur „Erledigung“ der Angelegenheit in Betracht gezogen worden war, nie erschienen. Das Verfahren im Jahr 2002 ist deshalb noch nicht einmal auf Grundlage der verabredeten Form der „Erledigung“ abgeschlossen worden. Auch diese beiden Aspekte sprechen dagegen, dass der Kläger darauf vertrauen durfte, dass ihm der Doktorgrad nicht entzogen wird.

Verwirkung ist auch nicht deshalb eingetreten, weil zwischen dem erstmaligen Aufkommen der Täuschungsvorwürfe und der erneuten Befassung der Beklagten hiermit fast zehn Jahre vergangen sind. Insoweit hat der Kläger nicht auf Grundlage eines aktiven Tuns darauf vertraut, dass ihm der Doktorgrad nicht entzogen werde, sondern beansprucht diesen Vertrauensschutz allein aufgrund der Tatsache der längeren Untätigkeit der Beklagten. Untätigkeit allein, auch über einen längeren Zeitraum, begründet jedoch keinen hinreichenden Vertrauenstatbestand des Betroffenen. Insoweit kann eine Behörde auch dann noch gegen rechtswidrige Zustände einschreiten, wenn sie diese längere Zeit geduldet hat (Bayerischer VGH, Urteil vom 28. Oktober 2008 – 2 B 05.3342 –, juris Rn. 25-26; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 4. September 2013 – 3 L 108/11 –, juris Rn. 71-76; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 7. März 2006 – 2 L 76/04 –, juris Rn. 11).

Die Rückforderung der Doktorurkunde, die als selbständiger Verwaltungsakt anzusehen ist (Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 16. Auflage 2015, § 52 Rn. 9; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, § 52 Rn. 26), ist gleichfalls rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Auch insoweit muss nicht entschieden werden, ob § 52 VwVfG oder § 19 Abs. 3 Satz 3 der Promotionsordnung als zutreffende Rechtsgrundlage anzusehen ist. Die Rückforderung der Doktorurkunde erweist sich jedenfalls in der Fassung, die die Beklagte ihr in der mündlichen Verhandlung gegeben hat, nach beiden Vorschriften als rechtmäßig.

Die Voraussetzungen des § 19 Abs. 3 Satz 3 der Promotionsordnung sind gegeben. Hiernach setzt die Rückforderung der Doktorurkunde den Entzug des Doktorgrades voraus. Die Beklagte hat dem Kläger den Doktorgrad nach den obigen Ausführungen zu Recht entzogen, so dass auch die Rückforderung der Doktorurkunde nach dieser Vorschrift rechtmäßig ist.

Die Voraussetzungen des § 52 Satz 1 VwVfG sind ebenfalls erfüllt. Nach dieser Bestimmung kann die Behörde die auf Grund eines Verwaltungsaktes erteilten Urkunden oder Sachen, die zum Nachweis der Rechte aus dem Verwaltungsakt oder zu deren Ausübung bestimmt sind, zurückzufordern, wenn der Verwaltungsakt unanfechtbar widerrufen oder zurückgenommen oder seine Wirksamkeit aus einem anderen Grund nicht oder nicht mehr gegeben ist. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte die Rückforderung der Promotionsurkunde - einer Urkunde im Sinne der Vorschrift - vom Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entziehung des Doktorgrades abhängig gemacht, so dass auch die Voraussetzungen des § 52 VwVfG erfüllt sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.