Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 07.11.2016, Az.: 10 A 598/16
Aufwendungsersatz; Feuerwehrkosten; Geschäftsführung ohne Auftrag; GoA; öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag; öffentlich-rechtliche GoA
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 07.11.2016
- Aktenzeichen
- 10 A 598/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2016, 43372
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 677 BGB
- § 683 S 1 BGB
- § 29 Abs 1 S 2 BrandSchG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Der Verwaltungsrechtsweg ist bei Ansprüchen aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag eröffnet. Eine öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag ist anzunehmen, wenn eine Behörde originär öffentlich-rechtliche Pflichtaufgaben wahrnimmt.
2. Bei originär öffentlich-rechtlichen Pflichtaufgaben kann ein Fremdgeschäftsführungswille der zuständigen Behörde nicht vermutet werden. Es bedarf besonderer Anhaltspunkte, die erkennbar machen, warum die Behörde trotz eigener Verpflichtung ausnahmsweise "für einen anderen" handelt. Liegen solche Anhaltspunkte nicht vor, kann das Vorliegen eines Fremdgeschäftsführungswillens nicht angenommen werden.
3. Bei der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichtaufgaben wird eine Behörde regelmäßig nicht tätig, ohne im Sinne von § 677 BGB sonst dazu berechtigt zu sein.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt den Ersatz von Aufwendungen für einen Brandeinsatz ihrer Berufsfeuerwehr.
Der Beklagte ist Eigentümer und Halter eines PKW, der Anlass des Einsatzes war.
Am Nachmittag des 17. August 2013 wurde die Feuerwehr der Klägerin über Notruf zu einem Pkw-Brand an einer Schnellstraße im Zuständigkeitsgebiet der Klägerin gerufen. Die Feuerwehr rückte ausweislich ihres Brandberichts vom 22. September 2013 mit zwei Löschfahrzeugen, einer Drehleiter, einem Einsatzleiterwagen, einem A-Dienst-Fahrzeug und einem Löschgruppenfahrzeug sowie 22 Personen aus und löschte den Brand unter Einsatz von Schaum und Atemschutzgeräten. Anschließend reinigte sie die Fahrbahn. Für die Dauer der Lösch- und Bergungsmaßnahmen sperrte die Autobahnpolizei zeitweise die gesamte Fahrbahn ab.
In ihrem Brandbericht hielt die Klägerin weiter fest, dass bei Eintreffen an der Einsatzstelle der Pkw im Vollbrand gestanden habe. Der Fahrer und Halter habe das Fahrzeug jedoch selbstständig verlassen und die Feuerwehr alarmieren können. Da der Kraftstoff in den Grünstreifen gesickert sei, habe man die Umweltbehörde alarmiert, die jedoch keinen Handlungsbedarf gesehen habe. Nachdem der Pkw abgeschleppt worden sei, habe man die Fahrbahn grob gereinigt und die Einsatzstelle der Polizei übergeben.
Mit Rechnung vom 18. August 2014 stellte die Klägerin dem Beklagten für den Einsatz Kosten in Höhe von 1.023,00 Euro in Rechnung. Der Beklagte zahlte – auch nach Mahnung – nicht.
Die Klägerin erwirkte zunächst einen Mahnbescheid gegen den Beklagten. Auf dessen Widerspruch verwies das Amtsgericht A-Stadt, bei dem das streitige Verfahren sodann anhängig wurde, den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Hannover.
Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf § 29 Abs. 1 Satz 2 NBrandSchG in Verbindung mit § 677 ff. BGB in Verbindung mit § 7 StVG. Zwar sei der Einsatz der Feuerwehr bei Bränden grundsätzlich unentgeltlich. Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 NBrandSchG könne jedoch in Fällen der Gefährdungshaftung Aufwendungsersatz verlangt werden. Ein Fall der Gefährdungshaftung liege nach § 7 StVG vor, sodass der Feuerwehr gemäß § 677 ff. BGB ihre Aufwendungen zu erstatten seien. Schäden an einer „anderen Sache“ im Sinne des § 7 StVG seien durch Brandschäden am Grünstreifen und der Fahrbahn eingetreten. Insofern genüge bereits eine Beeinträchtigung der Benutzbarkeit. Eines Substanzschadens bedürfe es nicht. Hätte die Feuerwehr das Feuer nicht gelöscht, wäre durch den Vollbrand ein noch erheblich größerer Schaden an der Fahrbahnoberfläche und dem Grünstreifen entstanden. Der Anspruch richte sich hinsichtlich der Höhe nach den üblichen Gebühren, die sich aus der Satzung der Klägerin ergeben. Die Anzahl der eingesetzten Fahrzeuge und Einsatzkräfte richte sich nach der Alarm- und Ausrückanordnung. Abgerechnet worden seien nur die tatsächlich erforderlichen Einsatzkräfte. Mit der Entscheidung zur Heranziehung des Beklagten zum Aufwendungsersatz habe sie zugleich ein ggf. bestehendes Ermessen ausgeübt. Sie sei außerdem schon durch die Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung gehalten, Aufwendungsersatz geltend zu machen.
Sie beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.023,00 Euro nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz nach dem BGB ab dem 18. September 2014 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, es fehle bereits an einer Rechtsgrundlage für einen Anspruch. Es sei nicht dargetan, warum § 29 Abs. 1 Satz 2 NBrandSchG abweichend von § 29 Abs. 1 Satz 1 NBrandSchG anzuwenden sei. Nach Satz 2 könnten Kommunen zudem nur Kosten erheben, müssten es aber nicht. Er bestreitet einen Schaden an der Straße oder am Grünstreifen. Der Pkw habe vollständig auf dem Grünstreifen gestanden. Bereits einige Zeit nach dem Vorfall sei nichts mehr von dem Brand zu sehen und das Gras nachgewachsen gewesen. Entgegen des Brandberichts habe nicht er selbst die Feuerwehr verständigt, da sein Fahrzeug nicht mehr zu retten gewesen sei und eine Gefahr für andere nicht bestanden hätte. Da die Rechnung erst ein Jahr und einen Tag nach dem Vorfall gefertigt worden sei, sei der Anspruch verwirkt. Der Einsatz eines Löschfahrzeuges hätte genügt.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Der Inhalt sämtlicher Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
I. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet. Der Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 13. Januar 2016 bindet die Kammer gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG und ist im Übrigen materiell-rechtlich richtig. Nach Auffassung der Kammer ist der Verwaltungsrechtsweg aufgrund von § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art ist gegeben. Bei Ansprüchen aus Geschäftsführung ohne Auftrag bemisst sich die Natur des Rechtsstreits nach dem Charakter des besorgten Geschäfts (vgl. BGH, Beschluss vom 26.11.2015 – III ZB 62/14 –, juris). Diese ist vorliegend öffentlich-rechtlich (s. unten).
Die Klägerin kann zulässigerweise im Wege der allgemeinen Leistungsklage vorgehen. Sie ist klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog, da die Möglichkeit eines Anspruchs gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 NBrandSchG i. V. m. §§ 677 ff. BGB i. V. m. § 7 StVG besteht (vgl. VG Göttingen, Urteil vom 24.5.016 – 1 A 122/14 –, juris). Ein Rechtsschutzbedürfnis für ein Vorgehen im Klagewege ist gegeben, da die Klägerin in den Fällen des § 29 Abs. 1 Satz 2 NBrandSchG nicht ermächtigt ist, einen Leistungsbescheid zu erlassen (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 28.10.1998 – 13 L 4668/96 –, juris, Rn 12 ff.; VG Göttingen, Urteil vom 24.5.2016 – a. a. O. –).
II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat weder unmittelbar aus § 683 Satz 1, § 677 BGB noch aus entsprechender Anwendung dieser Vorschriften oder aufgrund anderer Vorschriften Anspruch auf den begehrten Aufwendungsersatz.
1. Ein Anspruch auf Aufwendungsersatz kann nicht unmittelbar auf § 683 Satz 1, § 677 BGB gestützt werden, weil diese Normen dem Zivilrecht zuzuordnen sind. Sie setzen eine privatrechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag voraus, während hier eine Geschäftsführung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts erfolgt ist.
Für die Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag kommt es nicht auf die Rechtsnatur der vom Geschäftsführer ergriffenen Maßnahmen, sondern darauf an, welchen Charakter das Geschäft gehabt hätte, wenn es vom Geschäftsherrn selbst ausgeführt worden wäre; nimmt der (hoheitliche) Geschäftsführer zugleich eine privatrechtliche Befugnis oder Verpflichtung für einen (privaten) Geschäftsherrn wahr, gelten die §§ 677 ff. BGB unmittelbar (vgl. zum Vorstehenden BGH, Beschluss vom 26.11.2015 – a. a. O. –). Anknüpfungspunkt für die Geschäftsführung ohne Auftrag ist also das für einen anderen geführte „Geschäft“. Es bildet das Kriterium, nach dem die öffentlich-rechtliche von der privatrechtlichen Geschäftsführung zu unterscheiden ist (BGH, Beschluss vom 26.11.2015 – a. a. O. –). Gemessen an diesen Maßstäben handelt es sich bei der eiligen Bekämpfung von (Pkw-)Bränden, die einen erheblichen Personalaufwand sowie den Einsatz spezieller Ausrüstung erfordert und von den Betroffenen nicht oder nicht rechtzeitig durchgeführt werden kann, um ein öffentlich-rechtliches Geschäft. Derartig eilige Einsätze sind eine originär öffentliche Aufgabe der Feuerwehr. Die Durchführung einer solchen Maßnahme verliert ihr öffentlich-rechtliches Gepräge nicht dadurch, dass sie auch im Interesse des (privaten) Geschäftsherrn erfolgt. Ein privater Geschäftsherr ist schon rein tatsächlich nicht in der Lage, für die Beseitigung eines derartigen, von ihm verursachten Schadens zu sorgen. Hierzu ist der Halter eines Kraftfahrzeuges u. U. schon deshalb nicht in der Lage, weil er nicht zwingend vor Ort ist. Darüber hinaus kann er die erforderlichen (Brandbekämpfungs-)Arbeiten ohne das notwendige Gerät oder die erforderliche Personalstärke kaum – ohne erhebliche Selbstgefährdung – ausführen. Stellt man schließlich auf die ihm allein mögliche Hinzuziehung Dritter ab, liegt es auf der Hand, dass der Halter für diese eilige Aufgabe die Feuerwehr und nicht etwa eine Privatfirma hinzuziehen würde. Dies folgt schon aus der Vorhaltung einer speziellen Notrufnummer sowie den straßenverkehrsrechtlichen Sonderrechten der öffentlichen Hand, deren Inanspruchnahme in eiligen Notsituationen wie der Bekämpfung eines Pkw-Brandes regelmäßig notwendig ist (zur Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs bei der zwingenden Inanspruchnahme von Sonderrechten vgl. Urteil der Kammer vom 7.11.2016 – 10 A 3539/16 –). Die Bekämpfung von (Pkw-) Bränden durch Private ist demgemäß schon gar nicht zu erwarten.
2. Auch auf eine entsprechende Anwendung der § 683 Satz 1, § 677 BGB lässt sich ein Anspruch der Klägerin nicht stützen. Ein solcher Anspruch ist zwar nicht per se ausgeschlossen (a.), es fehlt jedoch an den Voraussetzungen der (öffentlich-rechtlichen) Geschäftsführung ohne Auftrag (b.).
a. Die entsprechende Anwendung der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht ist hier nicht durch abschließende öffentlich-rechtliche (Eingriffs- und Kosten)Vorschriften ausgeschlossen. Denn nach § 29 Abs. 1 Satz 2 NBrandSchG können – abweichend von der in § 29 Abs. 1 Satz 1 NBrandSchG normierten Unentgeltlichkeit eines Einsatzes bei Bränden – gegen den Verursacher nach allgemeinen Vorschriften Ansprüche auf Ersatz der Aufwendungen für den Einsatz geltend gemacht werden, wenn eine Gefährdungshaftung besteht.
b. § 29 Abs. 1 Satz 2 NBrandSchG regelt indes keinen eigenen Anspruch, sondern beschränkt sich auf die vorstehend erörterte Funktion einer Öffnungsklausel für anderweitige Ansprüche, namentlich den Anspruch aus §§ 683, 670 BGB aus „Geschäftsführung ohne Auftrag“ (vgl. LT-Drs. 16/5023, S. 17) und dessen entsprechende Anwendung im öffentlichen Recht.
Die materielle Voraussetzungen dieser Anspruchsnorm sind hier nicht erfüllt, weil es an dem erforderlichen Willen der Klägerin fehlt, ein fremdes Geschäft zu führen (aa.) und die Klägerin das Geschäft nicht führte, ohne dem Beklagten gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein (bb.).
aa. Der Bundesgerichtshof hat in seiner (früheren) Rechtsprechung für Fälle wie diesen ein Geschäftsbesorgungsverhältnis im Sinne der §§ 677 ff. BGB und in diesem Zusammenhang auch einen Fremdgeschäftsführungswillen angenommen. Ein Geschäft des Privaten liege dann vor, wenn ihm aufgrund verschuldensunabhängiger Haftung an der Verringerung des Schadens gelegen sein müsse, er in erster Linie für die Beseitigung des von ihm verursachten Schadens zu sorgen habe bzw. wenn er durch die Fortdauer der Gefahr selbst Schaden erleiden könne, u. a. weil er für die Entstehung der Gefahr verantwortlich sei. Es handele sich, weil die Feuerwehr neben ihren gesetzlichen Aufgaben immer auch zur Hilfeleistung für Dritte tätig werde, um ein sogenanntes „auch-fremdes“ Geschäft. Der Fremdgeschäftsführungswille sei dabei zu vermuten. Das folge aus der besonderen Stellung der Feuerwehr und ihrer im Vordergrund stehenden Aufgabe, gerade in Notfällen jedem betroffenen Dritten Hilfe zu leisten, also auch seine privaten Interessen wahrzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 24.10.1974 – VII ZR 223/72 –, BGHZ 63, 167-176; Urteil vom 22.5.1970 – IV ZR 1008/68 –, BGHZ 54, 157-165; Urteil vom 20.6.1963 – VII ZR 263/61 -, BGHZ 40, 28-32; Anschluss VG Göttingen, Urteil vom 24.5.016 – a. a. O. –; offen gelassen von OVG Lüneburg, Urteil vom 28.10.1998 – a. a. O. –). Zuletzt (BGH, Urteil vom 13.11.2003 – III ZR 70/03 –, BGHZ 156, 394-400, Rn 9; BGH, Urteil vom 19.7.2007 – III ZR 20/07 –, juris) hat der Bundesgerichtshof angesichts erheblicher Kritik im Schrifttum offen gelassen, ob er an dieser Rechtsprechung weiterhin festhalten wird und ausgeführt:
„Gegen diese Rechtsprechung wird von einem erheblichen Teil des Schrifttums insbesondere eingewandt, soweit eine Behörde eine eigene gesetzlich zugewiesene Aufgabe (Pflicht zum Tätigwerden) nach öffentlichem Recht wahrnehme, bestimme sich ihre Handlungsweise ausschließlich nach diesem Recht und könne nicht zugleich privatrechtlicher Natur sein (vgl. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform [1984], 468 ff, 471 ff, 474; Scherer NJW 1989, 2724, 2728 f; Wolff/Bachof/Stober VerwR Bd. 2 § 55 Rn. 14), die Anwendung der privatrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag würde die geltenden Verwaltungsvollstreckungsgesetze und die bestehenden polizeilichen Eingriffs- und Kostenersatznormen als Spezialregelungen unterlaufen (vgl. Erichsen, in: Erichsen/Ehlers Allg. VerwR 12. Aufl. § 29 Rn. 14; Seiler aaO Rn. 31; Bamberger JuS 1998, 706, 709; weit. Nachw. bei Ossenbühl Staatshaftungsrecht 5. Aufl. S. 343), und jedenfalls bei einem Einschreiten der Polizei aufgrund ihrer Eilkompetenz zur Gefahrenabwehr sei sie dem Störer gegenüber zur Geschäftsbesorgung im Sinne des § 677 BGB in sonstiger Weise "berechtigt" und auch ein Fremdgeschäftsführungswille im Sinne einer Unterordnung unter den Willen des Störers komme nicht in Betracht (Erichsen aaO Rn. 17; Wolff/ Bachof/ Stober aaO). Der vorliegende Fall gibt keine Veranlassung, auf diese grundsätzlichen Einwände umfassend einzugehen. Der Streitfall nötigt auch nicht dazu, allgemein auf die - in BGHZ 63, 167, 170 ausdrücklich offengelassene - Frage einzugehen, inwieweit der für eine bürgerlich-rechtliche Geschäftsführung ausschlaggebende Wille, ein fremdes Geschäft zumindest mitzubesorgen, auch beim unmittelbaren Eingreifen der Polizei und anderer Ordnungsbehörden angenommen werden kann.“
Auch das Bundesverfassungsgericht hat auf die diesbezüglich im Schrifttum vorherrschenden Bedenken hingewiesen (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 30.6.2011 – 1 BvR 367/11 –, juris).
Nach der Auffassung der Kammer greifen vorliegend einige dieser Bedenken durch. Zwar kann angesichts von § 29 Abs. 1 Satz 2 NBrandSchG nicht von einer abschließenden Regelung im öffentlichen Recht bzw. einem Unterlaufen der bestehenden polizeilichen Eingriffs- und Kostenersatznormen ausgegangen werden. Denn der Gesetzgeber hat den Rückgriff auf die Regelungen des Privatrechts explizit mit dem Willen zugelassen, die bisherigen Ersatzmöglichkeiten in den Fällen der Gefährdungshaftung (auch gegen Versicherungen) zu erhalten (vgl. LT-Drs. 16/5023, S. 18).
Es fehlt jedoch an der materiellen Voraussetzung des Aufwendungsersatzanspruchs, dass die Geschäftsführung von einem Fremdgeschäftsführungswillen getragen ist. Dieser Wille kann weder aus dem Gedanken eines „auch-fremden Geschäfts“ hergeleitet werden, noch sind tatsächliche Anhaltspunkte dafür ersichtlich. Die Annahme, dass die Feuerwehr – im maßgeblichen ex-ante Zeitpunkt – mit Fremdgeschäftsführungswillen tätig geworden ist, liefe auf eine reine Fiktion hinaus.
Die Feuerwehr ist hier im abwehrenden Brandschutz tätig geworden; dabei handelt es sich um eine Pflichtaufgabe der Feuerwehren (vgl. Scholz/ Runge, Niedersächsisches Brandschutzgesetz, Erl. § 2, Nr. 2, S. 44). Die gesetzlichen Pflichtaufgaben und hierbei insbesondere die Brandbekämpfung, d. h. die Bekämpfung eines Schadenfeuers, sind von der Gemeinde mit Hilfe ihrer Feuerwehr uneingeschränkt unter Ausschöpfung aller ihr zu Gebote stehenden Mittel für das gesamte Gemeindegebiet zu erfüllen (Scholz/ Runge – a. a. O. –). Ein Entschließungsermessen der zuständigen Stellen besteht demgemäß nicht. Selbst wenn ein solches Ermessen eröffnet wäre, wäre es, bei der (eiligen) Bekämpfung von (Pkw-)Bränden auf „Null“ reduziert, weil die Brandbekämpfung einen erheblichen Personalaufwand sowie den Einsatz spezieller Ausrüstung erfordert und von dem Geschäftsherrn oder privaten Dritten ohnehin nicht – ohne erhebliche Selbstgefährdung – oder nicht rechtzeitig durchgeführt werden kann (vgl. auch Linke in: DVBl. 2006,148 ff.). Die Feuerwehr als Geschäftsführerin handelt insofern, um ihrer eigenen Verpflichtung gerecht zu werden (vgl. auch Thole – a. a. O. –). Für die Annahme eines Fremdgeschäftsführungswillens im Rahmen eines sogenannten „auch-fremden“ Geschäfts bleibt angesichts dessen kein Raum (vgl. auch Erichsen in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage, § 29, Rn 14-17).
Auch die Effektivität der Gefahrenabwehr als Leitmotiv jedweden behördlichen Handelns steht der Annahme eines Fremdgeschäftsführungswillens entgegen. Wenn die Feuerwehr mit ihren Löscharbeiten beginnt, kann der Brandverursacher die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Handlungspflicht nicht mit dem Hinweis auf seine eigene Brandbekämpfungspflicht verhindern, einschränken oder steuern. Dementsprechend war bei dem Einsatz der Einwand des Klägers, das Fahrzeug sei „nicht mehr zu retten“ und gefährde aus seiner Sicht keine Dritten, unbeachtlich. Eine Unterordnung des Geschäftsführers unter den (hypothetischen) Willen des Geschäftsherrn scheidet aus, sodass hier auch unter diesem Gesichtspunkt nicht von einem Tätigwerden der Feuerwehr (auch) für einen Kraftwagen-Halter als Geschäftsherrn ausgegangen werden kann (vgl. Erichsen – a. a. O. –, Rn 17; Thole – a. a. O. –).
Ferner gebietet der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Aufgabenerfüllung an der jeweiligen öffentlich-rechtlichen Rechtsgrundlage auszurichten und nicht an dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des jeweiligen Geschäftsherrn (vgl. Scherer, NJW 1989, 2724). Zwar steht das der Annahme einer Geschäftsführung ohne Auftrag nicht zwingend entgegen, weil auch im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag ein etwaiger entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn nach § 679 BGB hinsichtlich Übernahme und Ausführung der Geschäftsbesorgung unbeachtlich sein kann (vgl. Sprau in: Palandt, 74. Auflage, § 679, Rn 1). Dies setzt aber voraus, dass mit der Geschäftsführung eine (eigene) dringende Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, wahrgenommen wird. Insofern ist zweifelhaft, ob die (eilige) Bekämpfung von (Pkw-)Bränden, die der Gesetzgeber den Feuerwehren als Aufgabe zugewiesen hat und die durch den Geschäftsherrn tatsächlich nicht – ohne erhebliche Selbstgefährdung – durchgeführt werden kann, noch in dessen eigenen Pflichtenkreis fällt. Die Feuerwehr als Geschäftsführerin ist auch weder darauf eingerichtet noch dazu verpflichtet, bei der Brandbekämpfung, d. h. auf der Primärebene des behördlichen Einschreitens, dem Beklagten als (vermeintlichen) Geschäftsherrn Rechenschaft abzugeben, wie dies nach § 681 Satz 2 BGB, § 666 BGB erforderlich wäre (vgl. Thole – a. a. O. –). Auch eine Haftung wegen Ausführungsverschuldens bzw. eine Schadensersatzpflicht gegenüber dem Störer für den Fall, dass die gefahrenabwehrenden Maßnahmen grob fahrlässig nicht sachgerecht durchgeführt werden (§§ 677, 276, 280 BGB), wird die Feuerwehr regelmäßig nicht in Kauf nehmen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Beamten in dem Wissen und mit dem Willen der Subsidiarität der Amtshaftung (§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB) tätig werden (vgl. Seiler – a. a. O. –, Vorb. § 677, Rn 31, m. w. N.). Denn zum Tätigwerden sind sie – hier – in jedem Fall verpflichtet.
Des Weiteren kann ein Fremdgeschäftsführungswille der Feuerwehr nicht mit der Begründung konstruiert werden, sie wolle etwaige zivilrechtliche Ersatzansprüche gegen den Eigentümer der brennenden Sache verringern. Denn die Gefahrenabwehr richtet sich – wie dargelegt – auf Primärebene ausschließlich nach Effektivitätsgesichtspunkten. Bereits eigene Kostenerwägungen werden erst auf sekundärer Ebene relevant. Erst recht kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Behörde bei ihrem Tätigwerden auf etwaige zivilrechtliche Rückabwicklungen zwischen anderen Beteiligten Rücksicht nimmt, geschweige denn hiervon zu ihrem Handeln motiviert wird.
Schließlich ist die Annahme fernliegend, dass die Feuerwehr in dem Willen handelt, auch das Geschäft eines anderen zu besorgen, wenn die Tätigkeit tatsächlich nicht durch einen anderen als sie selbst (rechtzeitig) ausgeführt werden kann und die Tätigkeit darüber hinaus originär in ihren Zuständigkeitsbereich fällt. Aus diesen Gründen kann das Vorliegen eines Fremdgeschäftsführungswillen in diesen Fällen nicht vermutet werden. Es bedarf vielmehr besonderer Anhaltspunkte, die erkennbar machen, warum die Feuerwehr trotz eigener Verpflichtung ausnahmsweise „für einen anderen” handelt. Liegen solche Anhaltspunkte – wie hier – nicht vor, kann das Vorliegen eines Fremdgeschäftsführungswillens nicht angenommen werden (vgl. Thole – a. a. O. –).
bb. Dem Anspruch aus (öffentlich-rechtlicher) Geschäftsführung ohne Auftrag steht weiterhin entgegen, dass die Feuerwehr der Klägerin gegenüber dem Beklagten im Sinne des § 677 BGB berechtigt war, das Geschäft zu führen bzw. den Brand zu löschen (vgl. Erichsen – a. a. O. –, Rn 17, Scherer – a. a. O. –). Soweit ersichtlich, wurde dieses Merkmal in den vorgenannten Urteilen des Bundesgerichtshofs nicht explizit geprüft. Vielmehr verblieb es bei der Feststellung, dass die Befolgung einer eigenen öffentlich-rechtlichen Pflicht nicht die Annahme der Besorgung eines privatrechtlichen Geschäfts eines Dritten hindere. Die darin liegende Ausweitung des Anwendungsbereichs der privatrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag über den Gesetzeswortlaut des § 677 BGB hinaus kann jedenfalls dann nicht überzeugen, wenn die vermeintliche Geschäftsführung eine originär öffentlich-rechtliche Aufgabe bzw. deren Erfüllung zum Gegenstand hat. Der dagegen gerichtete Einwand, eine Berechtigung zum Handeln stehe der Geschäftsführung ohne Auftrag nur dann entgegen, wenn sie sich aus dem bürgerlichen Recht ergebe, vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Das dahinter stehende Argument, dass öffentlich-rechtliche Ermächtigungen auf der Tatbestandsseite der §§ 677 ff. BGB ebenso wenig eine Rolle spielen könnten wie die privatrechtliche Geschäftsführung die Behörde zu hoheitlichen Maßnahmen ermächtige (vgl. Linke – a. a. O. –), greift schon hinsichtlich der zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag nicht durch. . Das Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage für ein Handeln im Rahmen der Eingriffsverwaltung ist auf den Vorbehalt des Gesetzes zurückzuführen. Diese verfassungsrechtliche Anbindung kann nicht gleichsam im Umkehrschluss herangezogen werden, um die Irrelevanz der hierdurch begründeten öffentlich-rechtlichen Befugnisse im Privatrecht zu begründen (vgl. zum Vorstehenden auch Wolff u. a., Verwaltungsrecht Band 2, 6. Auflage, § 55, Rn 11-14). Erst recht gilt dies, wenn die Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag gar nicht im originär zivilrechtlichen Kontext, sondern im öffentlichen Recht entsprechend angewandt werden. Auch § 677 BGB ist dann nach den Maßstäben des öffentlichen Rechts (und insbesondere unter Wahrung von dessen fundamentalen Prinzipien) anzuwenden. Für die zivilrechtsdogmatisch begründete Annahme, öffentlich-rechtliche Befugnisnormen seien unbeachtlich und keine Berechtigung im Sinne des § 677 BGB, bleibt dann kein Raum. Nach öffentlich-rechtlichen Maßstäben ist jedenfalls dann eine Berechtigung entsprechend § 677 BGB gegeben, wenn ein Hoheitsträger Aufgaben erfüllt, die ihm kraft Gesetzes zugewiesen sind. Eine öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag ist danach im Bereich der gesetzlichen Pflichtaufgaben nachgerade ausgeschlossen. Ob eine fehlende Berechtigung entsprechend § 677 BGB angenommen werden kann, wenn der Hoheitsträger freiwillige Leistungen erbringt, bedarf hier keiner Entscheidung.
cc. Die Vorschrift des § 29 Abs. 1 Satz 2 NBrandSchG verbliebe auch nach dem Vorstehenden nicht ohne Anwendungsbereich. Anwendungsfälle können sich darin begründen, dass sich der Geschäftsführer im Zeitpunkt der Übernahme über das Bestehen oder die Reichweite der ihn bindenden Pflicht nicht im Klaren war oder es bereits zu den dem Geschäftsführer kraft dieser Pflicht auferlegten Aufgaben gehört, fremdgeschäftsführend tätig zu werden (vgl. Thole – a. a. O. – mit Beispiel). Zudem kann in den Fällen einer direkten Anwendbarkeit des § 7 StVG eine Haftung des Fahrzeughalters weiterhin angenommen werden (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 20.10.2009 – VI ZR 239/08 –, juris; OLG Celle, Urteil vom 13.8.2008 – 14 U 145/07 –, juris). Dieser enge Anwendungsbereich entspricht dem gesetzgeberischen Willen jedenfalls insoweit, als dieser die Anwendung der zivilrechtlichen Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag auf öffentlich-rechtlich geprägte Rechtsverhältnisse nur als eine „Notlösung“ vorgesehen hat (vgl. LT-Drs. 16/5023, S. 17). Da der Gesetzgeber mit dem § 29 Abs. 1 Satz 2 NBrandSchG gerade explizit keinen eigenen Anspruch geschaffen, sondern sich nur auf nach anderen Vorschriften bestehende Ansprüche bezogen hat, kann ein Ersatzanspruch aus entsprechender Anwendung von §§ 683, 670 BGB auch nur bei Vorliegen von dessen gesetzlichen Voraussetzungen – d. h. unter anderem des Fremdgeschäftsführungswillens und der fehlenden Berechtigung gegenüber dem Geschäftsherrn – bejaht werden. Sollte sich der Anwendungsbereich des § 29 Abs. 1 Satz 2 NBrandSchG damit als geringer erweisen, als es der Gesetzgeber intendiert hat – nach den gesetzgeberischen Erwägungen sollten den Gemeinden die bisherigen Ersatzmöglichkeiten in den Fällen der Gefährdungshaftung (auch gegen Versicherungen) erhalten bleiben –, ist er darauf zu verweisen, eine eigene Regelung zu schaffen; die richterliche Rechtsfortbildung findet hier eine Grenze.
c. Fehlt es nach alledem schon an den Voraussetzungen des Aufwendungsersatzanspruchs, kann hier dahinstehen, ob als weitere Voraussetzung des § 29 Abs. 1 Satz 2 NBrandSchG der haftungsbegründende Tatbestand einer Gefährdungshaftung nach § 7 StVG vorliegt.
d. Ein Anspruch gemäß anderen Rechtsgrundlagen ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.
IV. Die Berufung wird gem. § 124 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen. Die Kammer misst der Frage, ob bei der Erledigung originär öffentlich-rechtlicher, gesetzlicher Pflichtaufgaben einer Behörde ein Fremdgeschäftsführungswille des handelnden Hoheitsträgers sowie dessen fehlende Berechtigung zur Vornahme des Geschäfts angenommen werden können, grundsätzliche Bedeutung bei.