Landgericht Braunschweig
Beschl. v. 02.12.2015, Az.: 9 O 2267/14

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
02.12.2015
Aktenzeichen
9 O 2267/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 44881
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Gründe

I.

Es wird auf folgendes hingewiesen:

1. Die Darlegungs- und Beweislast für eine Patentverletzung trägt grundsätzlich die Klägerin (Benkard, PatentG, 11. A., § 139 Rn. 114 m.w.Nachw.). Es gibt keinen Rechtssatz des Inhalts, dass eine Prozesspartei, die "näher zur Wahrheit" ist, verpflichtet wäre, dem behauptungs- und beweisbelasteten Gegner die zur Schlüssigkeit seines Vorbringens erforderlichen Tatsachen beizusteuern (BGH GRUR 1976, 579, 581 [BGH 03.06.1976 - X ZR 57/73] – Tylosin).

Etwas anderes folgt auch nicht aus der Entscheidung „Blasenfreie Gummibahn II“ (BGH GRUR 2004, 268 [BGH 30.09.2003 - X ZR 114/00]). Dort ging es um ein Verfahrenspatent bei dem unstreitig die im Patentanspruch vorgesehenen Maßnahmen durchgeführt wurden und auch das Verfahrenserzeugnis „blasenfreie Gummibahn“ erreicht wurde. Die Beklagte hat dort eingewandt, dass sie zusätzliche Maßnahmen verwende, die für die Blasenfreiheit ursächlich seien, diese aber nicht konkretisiert. Für diesen Fall hat der BGH festgestellt, dass die Beklagte zu ihren „Zusatzmaßnahmen“ weiter vortragen müsse. Dies ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Hier geht es um ein Vorrichtungspatent und es ist streitig, ob die Beklagte alle Merkmale verwirklicht hat.

Im Übrigen hat der BGH darauf abgestellt, dass es der mit der Darlegung und Beweisführung belasteten Partei nicht oder nur unter unverhältnismäßigen Erschwerung möglich sein muss konkret vorzutragen. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erkennbar. Nach dem Vortrag der Klägerin sind streitverletzende Vorrichtungen bei dem Unternehmen ... im Einsatz. Sowohl nach deutschem wie auch nach niederländischem Recht dürften Möglichkeiten bestehen sich weitere Informationen zu beschaffen oder Beweisantritte zu vorzunehmen.

Inwieweit sich die nicht beweisbelastete Partei aber auf einfaches Bestreiten beschränken kann, hängt auch vom Grad der Substantiierung des von der Gegenseite gehaltenen Sachvortrages ab. Pauschaler Vortrag darf pauschal bestritten werden. Qualifizierter Vortrag muss mit gleicher Substantiierung bestritten werden (Benkard a.a.O. Rn. 116).

Ihrer Darlegungslast kommt die Klägerin grundsätzlich dadurch nach, dass sie die konkrete Behauptung aufstellt, die angegriffenen Ausführungsformen machten von jedem Merkmal des Klagepatentanspruchs Gebrauch. Irgendeines Nachweises hierzu bedarf es dazu zunächst nicht. Die Notwendigkeit eines ergänzenden, weiter substantiierten Vortrages ergibt sich für die Klägerin erst dann, wenn die Beklagte die Verwirklichung eines oder mehrerer Merkmale bestritten hat. Nur wenn die Beklagte sich im genannten Sinne konkret geäußert hat, ist der betreffende Sachvortrag streitig, so dass der Kläger seine Verletzungsbehauptung weiter ausführen, das heißt mitteilen muss, aufgrund welcher Untersuchungen er zu welchen die Patentverletzung bestätigenden Ergebnissen gelangt (LG Düsseldorf, 4 a 184/10, Urteil v. 23-3-12).

Dies folgt aus § 138 ZPO. Nach § 138 Abs. 1 ZPO haben sich die Parteien über die tatsächlichen Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß zu erklären. Nach Abs. 2 hat sich jede Partei über die vom Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Im Grundsatz darf jede Partei Tatsachen behaupten, die sie nicht kennt und auch nicht kennen kann. Allerdings darf eine Partei nicht wider besseren Wissens vortragen. Eine Partei darf auch nicht ins Blaue hinein vortragen. Daran fehlt es aber, wenn eine Partei mangels Kenntnis von Einzeltatsachen nicht umhin kann, von ihr zunächst nur vermutete Tatsachen als Behauptung in einen Rechtsstreit einzuführen (BGH 1995, 1160 (1161); BGH NJW 1995 1826 (1827) [BGH 16.03.1995 - III ZR 166/93]; Mes GRUR 2000, 934, 937). Bei der Annahme einer solchen Behauptung „ins Blaue“ ist Zurückhaltung geboten (BGH NJW 1995, 2111 (2112); Mes, a.a.O. S. 942).

2. Unter Beachtung dieser Grundsätze gilt im vorliegenden Fall folgendes:

a) Die Klägerin hat zunächst in der Klage vorgetragen, die Beklagte hätten zwei Maschinen für ... gebaut, wobei die erfindungsgemäße Schneidvorrichtung eingesetzt worden sei. Sie hat sich dabei auf das Zeugnis NN berufen (S. 10 der Klage = Bl. 10 d.A.). Dies hat die Beklagte auf s. 2 der Erwiderung (Bl. 29. d.a.) ebenso pauschal zurückgewiesen. Das Klagepatent werde nicht verletzt. Der sei Vortrag nicht einlassungsfähig.

Nach dem Hinweis des Gerichts vom 13.01.15 (Bl. 30 d.A.) erklärte die Klägerin (S. 3 des SS v. 25.02.15 = Bl. 38 d.A.), dass die Beklagte ein Schneidwerk (Schneidtrommel) hergestellt habe und eine Erntemaschine umgebaut habe, so dass sie Anspruch 6 entspreche.

Auf S. 5 dieses SS (Bl. 40 d.A.) wird auf das Foto K 8 Bezug genommen und erklärt, dass dieses das Schneidteil der Vorrichtung zum Schneiden zeige. Auf S. 7 des SS (Bl. 42 d.A.) erklärt die Klägerin: „Zum Beweis, dass die erfindungsgemäße Schneidvorrichtung durch die Bekl. eingesetzt worden ist, beziehen wir uns auf Zeugnis Stevens“. Der Zeuge habe während des Baues von Maschinen für ... gesehen, dass zwei erfindungsgemäße Schneidtrommeln bei der Beklagten eingebaut worden seien. Es werde bekunden, das drehbare Schneidteil und das ortsfeste Gegenmesser gesehen zu haben (Bl. 43 d.A.).

Die Beklagte hat erwidert (SS v. 24.04.15 = Bl. 47 d.A.) es fehle an der schlüssigen Darlegung. Auf dem Foto sei keine Schneidvorrichtung erkennbar, nur Bauteile eines Schneidteils. Es fehle jedenfalls das Gegenmesser. Das Patent schütze nur die Vorrichtung, nicht das Schneidteil als Komponente.

Nach einem weiteren Hinweis der Kammer vom 04.05.15 (Bl. 50 d.A.) hat die Klägerin im SS v. 02.06.15 (Bl. 56 d.A.) erklärt, das Foto K 8 stamme von 2009 und zeige ein im Auftrag der Klägerin von der Bekl. gefertigtes Schneidteil. Ein Schneidteil mit gleichem Aussehen sei von dem Zeugen ... im Juli 2014 auf dem Gelände der Bekl. identifiziert worden. Der Zeuge habe auch erfahren, dass dieses Schneidteil bzw. die Schneidvorrichtung für ... bestimmt seien und zwei Erntemaschinen umgebaut werden sollten (S. 5 des SS = Bl. 59 d.A.). Bei den von der Beklagten umgebauten Maschinen werde das Zerkleinern der Hanfstengel durch die erfindungsgemäße Schneidvorrichtung durchgeführt (S. 6 des SS = Bl. 60 d.A.).

Die Beklagte erwidert, dass das Foto keine Vorrichtung, sondern nur Bauteile zeige. Es sei auch keine Maschine (Antrag 2) erkennbar. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass der Zeuge ... ein Schneidteil entsprechend K 8 bei der Bekl. identifiziert habe. Der Zeuge habe kein Gegenmesser gesehen.

Die Beklagte habe für die ... keine „Maschinen gebaut“ oder „neue Schneidtrommeln eingebaut“ (SS v. 10.07.15 Bl. 83 d.A.).

In der mündlichen Verhandlung hat der Klägervertreter auf Nachfrage erklärt, dass der Zeuge ... das komplette Schneidteil mit dem ortsfesten Messer an Ort und Stelle gesehen habe.

Der Beklagtenvertreter hat erklärt, dass die Beklagte eine Vorrichtung wie sie im Klagantrag genannt sei, weder besessen noch hergestellt habe.

b) Die Kammer verkennt nicht, dass der Vortrag der Klägerin und der Beweisantritt teilweise wechseln und auch in der Wortwahl nicht immer präzise sind. So werden in unterschiedlichen Zusammenhang die Begriffe Erntemaschine, Maschine, Vorrichtung, Schneidevorrichtung, Schneidteil, Schneideteil, Schneidwerk und Schneidtrommel verwendet.

Entscheidend ist aber, ob im Ergebnis eine Patentverletzung schlüssig behauptet, wirksam bestritten und dann ein Beweis angeboten wurde, dem nachzugehen ist.

Anspruch 1 lautet:

Vorrichtung zum Schneiden von faserigem Material, wobei die genannte Vorrichtung mit einem drehbaren Schneidteil (1 ) versehen ist, welches ein Schneidmesser (11 ) aufweist, dessen Schneidkante (2 ) sich bei einer Drehung im wesentlichen in einer zylindrischen Ebene bewegt, die sich koaxial in bezug auf die Drehachse erstreckt, und mit einem ortsfesten Gegenmesser (13 ), dessen Schneidkante (22 ) sich im wesentlichen in der genannten zylindrischen Ebene erstreckt, wobei das Schneidteil (1 ) mit zwei im wesentlichen scheibenförmigen Flanschen (7 ) versehen ist, die sich senkrecht zu der Drehachse auf beiden Seiten des Schneidmessers (11 ) erstrecken und die einen Durchmesser aufweisen, der größer ist als der Durchmesser der genannten zylindrischen Ebene, dadurch gekennzeichnet, daß zumindest ein Teil der Seite eines jeden Flanschs, der zu dem Schneidmesser (11 ) weist, wobei dieser Teil sich außerhalb der genannten zylindrischen Ebene erstreckt, eine im wesentlichen konische Oberfläche (10 ) aufweist.

In der in der mündlichen Verhandlung überreichten Merkmalsanalyse wird das „ortsfeste Gegenmesser“ als Teil der des „Schneidteils“ behandelt. Dies dürfte nicht das sich aus dem Patent ergebende zutreffende Verständnis des Fachmannes sein. Das Schneidteil ist nach dem Patent drehbar, das Gegenmesser dabei (notwendigerweise) ortsfest (vgl. a. DE 696 36 528 T2 Abs. 13, Abs. 27, Abs. 28). Bei diesem Verständnis besteht die Vorrichtung aus dem drehbaren Schneidteil mit weiteren Merkmalen und dem (an einem Rahmen befestigten) ortsfesten Gegenmesser.

Der Beweisantritt geht dann dahin, dass der Zeuge alle Teile der Vorrichtung bei der Beklagten gesehen habe. Die Beklagte hat dann wirksam bestritten, dass der Zeuge diese gesehen habe und dass sie eine solche Vorrichtung besessen oder hergestellt habe.

Der angebotene Beweis wird daher voraussichtlich zu erheben sein.

3. Für eine mittelbare Patentverletzung (§ 10 PatG) fehlt jeder Vortrag. Es dürfte auch am erforderlichen „doppelten Inlandsbezug“ fehlen (vgl. dazu Kühnen, HdB der Patentverletzung, 7. A.. Rn. 300).

II.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen.

Neuer Termin von Amts wegen.