Landgericht Braunschweig
Beschl. v. 06.11.2015, Az.: 8 T 643/15
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 06.11.2015
- Aktenzeichen
- 8 T 643/15
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2015, 44879
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG - 12.10.2015 - AZ: 8 C 186/14
Tenor:
Die sofortige Beschwerde vom 27. Oktober 2015 vom 27.10.2015 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Goslar vom 12.10.2015 (8 C 186/14) wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Beschwerdewert wird auf 420,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Mit Urteil des Amtsgerichts Goslar vom 17.9.2014 (Aktenzeichen 8C186/14) ist der Beschwerdeführer im Verfahren gemäß § 495 a ZPO verurteilt worden, eine Summe von 494,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen. Die Berufung ist nicht zugelassen worden.
Die Ausfertigung dieses Urteils ist am 27.09.2014 ausweislich der Postzustellungsurkunde (Blatt 15 der Akte) in den Briefkasten der Wohnung des Beklagten und Beschwerdeführers eingelegt worden.
Auf den Kostenfestsetzungsantrag der obsiegenden Klägerin mit Schriftsatz vom 25.09.2014 erließ das Amtsgericht Goslar am 20.11.2014 einen Kostenfestsetzungsbeschluss. Dieser konnte dem Beklagten und jetzigen Beschwerdeführer nicht zugestellt werden. Der Zustellungsbeamte hatte die Sendung mit folgendem Vermerk zurückgegeben: „Empfänger unbekannt verzogen.“
Der Klägerin wurde daraufhin durch gerichtliche Verfügung vom 04.02.2015 aufgegeben, eine ladungs- und zustellungsfähige Anschrift des Beklagten mitzuteilen. Mit Schriftsatz vom 09.09.2015 teilte die Beklagte die ladungsfähige Anschrift des Beklagten mit.
Mit Schriftsatz vom 05.10.2015 legitimierte sich Rechtsanwalt pp. und erhob namens und in Vollmacht des Beklagten und jetzigen Beschwerdeführers „Einspruch gegen das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Goslar Aktenzeichen 8 C 186/14 vom 17.9.2014, dem Beklagten nie zugestellt“ und beantragte zugleich, „der Klägerin wegen Versäumung der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren“.
Gleichzeitig legte er namens und in Vollmacht seines Mandanten, des gegenwärtigen Beschwerdeführers, gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Goslar, Aktenzeichen 8 C 186/14 vom 20.11.2014, dem Beklagten und Beschwerdeführer zugestellt am 19. Oktober 2015 Beschwerde ein. Hilfsweise erhob er gegen das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts Goslar vom 17.9.2014 unter dem Aktenzeichen 8C 186/14 Nichtigkeitsklage und kündigte die folgenden Anträge an:
„1. das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts Goslar vom 17.9.2014, Aktenzeichen 8C 186/14 wird aufgehoben und die Klage des Klägers und jetzigen Nichtigkeitsbeklagten wird abgewiesen.
2. Die Klägerin und Nichtigkeitsbeklagte trägt die Kosten des gesamten Rechtsstreits.
3. Die Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Urteil wird einstweilen eingestellt.“
Schließlich beantragte er namens und in Vollmacht seines Mandanten, dem Beklagten und Nichtigkeitskläger, also dem gegenwärtigen Beschwerdeführer, für die 1. Instanz Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Person zu bewilligen.
Mit Beschluss vom 12.10.2015, welcher Gegenstand des hiesigen Beschwerdeverfahrens ist, wies das Amtsgericht Goslar die Anträge des Beklagten und jetzigen Beschwerdeführers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil vom 17.09.2014 zurück. In den Gründen des angegriffenen Beschlusses führt das Gericht aus, dass es bereits an der erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussicht der Rechtsbehelfe für die Gewährung von Prozesskostenhilfe fehle.
Mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2015 erhob der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers für diesen Prozesskostenhilfebeschwerde. Zur Begründung führte er aus, das Gericht sei in der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht gegeben sei. Eine wirksame Zustellung an den Beklagten habe es nie gegeben. Der Beklagte habe keinen Zugang zu dem Briefkasten des Hauses gehabt. Den einzigen Schlüssel habe die Zeugin pp. gehabt. Diese habe die Post entweder persönlich entgegengenommen oder den Briefkasten geleert und die Post an den Beklagten weitergegeben. Die Zustellung hätte den Beklagten nicht erreicht. Da der Beklagte keinen Zugriff auf den Briefkasten gehabt habe, sei die Zustellung auch nie in seinen Machtbereich gelangt.
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.
Von der Anhörung der Gegenseite vor Beschlussfassung ist abgesehen worden, da die eingelegte Beschwerde in der Sache erfolglos bleibt.
Die Voraussetzung für eine Bewilligung der Prozesskostenhilfe gemäß § 114 ZPO sind nicht gegeben. Das Amtsgericht hat zu Recht die Erfolgsaussichten der Rechtsbehelfe verneint.
Der erhobene Einspruch ist nicht statthaft, da es sich bei der Ursprungsentscheidung nicht um eine Säumnisentscheidung, sondern um ein Urteil im vereinfachten Verfahren nach § 495 a ZPO handelt. Dass dies bei Säumnis des Beklagten ergangen ist, ist jedoch, da zuvor auf diese Folge mit richterlicher Verfügung vom 18.7.2014 (Blatt 5 der Akte) hingewiesen worden war prozessual richtig (vgl. Herget-Zöller, § 495 a, Rn. 12).
Soweit der Beschwerdeführer Nichtigkeitsklage erhebt, hat auch diese keine Aussicht auf Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Nichtigkeitsklage gemäß § 579 ZPO sind nicht erfüllt. Die Nichtigkeitsklage findet statt, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht worden ist, wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war, wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war oder sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat. Das Vorliegen eines solchen Nichtigkeitsgrundes ist – selbst bei Unterstellung der Richtigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers – weder vorgetragen noch ersichtlich.
Auch bei Auslegung nach dem tatsächlichen Begehren als Gehörsrüge gemäß § 321 a ZPO bestehen keinerlei Erfolgsaussichten. Unabhängig davon, ob die Gehörsrüge gemäß § 321 a ZPO hier in der Sache Erfolg hätte, ist sie jedenfalls wegen Ablauf der Jahresfrist gemäß § 321 a Abs. 2 Satz 2 ZPO ausgeschlossen.
Ausweislich der Postzustellungsurkunde (Blatt 15 der Akte) ist die Ausfertigung des Urteils am 27.9.2014 in den Briefkasten des Beschwerdeführers eingelegt worden. Gemäß § 180 ZPO ist die Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten dann zulässig, wenn der Versuch, das Schriftstück der Person, der zugestellt werden soll, selbst auszuhändigen unter der auf dem verschlossenen Umschlag angegebenen Anschrift nicht möglich war und der Zustellungsadressat auch an einem anderen Ort für die Zustellung nach § 177 ZPO nicht angetroffen wurde. Nicht jedoch ist notwendig, dass der Zusteller eine Aufenthaltsermittlung durchführt. Auch darf eine Ersatzzustellung in der Wohnung gemäß § 178 Abs. 1 Nummer 1 ZPO nicht möglich gewesen sein.
Ausweislich der Postzustellungsurkunde war weder die persönliche Übergabe der Urteilsausfertigung nach § 177 ZPO direkt durch Übergabe an den Beschwerdeführer, noch die Ersatzzustellung in der Wohnung gemäß § 178 Abs. 1 Nummer 1 ZPO möglich. Damit war hier die Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten zulässig. Als zugestellt gilt das Schriftstück gemäß § 180 Satz 2 ZPO mit dem Einlegen in den Briefkasten oder die für den Postempfang sonst eingerichtete Vorrichtung.
Selbst bei Unterstellung der Richtigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers, ihm sei durch seine Lebensgefährtin, die alleine über den Zugang zum Briefkasten verfüge, das Urteil nie ausgehändigt worden, führt dies nicht dazu, dass die Zustellung nicht wirksam erfolgt wäre. Die Organisation seines Postzuganges obliegt einzig dem Beschwerdeführer. Unwägbarkeiten in diesem Bereich gehen zu seinen Lasten.
Damit ist als Tag der Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung gemäß § 321 a Abs. 2 Satz 2 ZPO der 27.9.2014 (vergleiche Postzustellungsurkunde, Blatt 15 der Akte) anzunehmen, da die Entscheidung dem Beschwerdeführer an diesem Tag wirksam zugestellt worden ist. Die Jahresfrist als Ausschlussfrist war mithin am 27. Oktober 2015 bereits abgelaufen. Damit konnte die Gehörsrüge nicht mehr zulässig erhoben werden.
Da hier mithin keinerlei Rechtsbehelfe gegen das Urteil vom 17.9.2014 gegeben sind, waren die Erfolgsaussichten in der Hauptsache für die Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch unerheblich und daher nicht zu prüfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. Nr. 1812 KostVerzGKG, 127 Abs. 4 ZPO.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 12 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.
Gegen diese Entscheidung ist kein weiteres Rechtsmittel gegeben.