Landgericht Braunschweig
Urt. v. 04.08.2015, Az.: 9 O 1494/15

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
04.08.2015
Aktenzeichen
9 O 1494/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 44834
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

2. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert wird auf 1 Million  Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Verfügungsklägerin (im Folgenden Klägerin) nimmt die Verfügungsbeklagte (im Folgenden Beklagte) im Zusammenhang mit einem Schiedsverfahren im Wege der einstweiligen Verfügung in Anspruch.

Die Klägerin erzeugt und vertreibt Saatgut für Zuckerrüben. Sie verfügt dabei über einen eigenen sogenannten Keimplasmapool. Dabei handelt es sich um das Züchtungsmaterial, das verwendet wird um neue Pflanzensorten zu entwickeln. Es besteht aus Genen, Zellen, Pflanzen, Pflanzenteilen, Linien, Hybriden usw..

Die Beklagte vertreibt ebenfalls Zuckerrübensaatgut.

Bei der Erzeugung von Saatgut und der Züchtung neuer Sorten gibt es eine Jahrzehnte alte Zusammenarbeit der Parteien. Es wird insoweit auf den Kooperationsvertrag von 1957 (Anlage K1), den Kooperationsvertrag von 1977 (Anlage K2), den Kooperationsvertrag von 1997 (Anlage K3) und den Kooperationsvertrag von 2006 (Anlage K4) Bezug genommen.

Nachdem es bei der Zusammenarbeit zu Problemen gekommen war haben die Parteien am 09.10.2013 eine Schiedsvereinbarung unterzeichnet (Anlage K5). Das Schiedsverfahren wurde in Belgien in englischer Sprache geführt. Das Schiedsgericht hat am 11.06.2015 einen Schiedsspruch erlassen (Anlage K6, beglaubigte Übersetzung Anlage K7). Nach diesem Schiedsspruch ist die Beklagte unter anderem zur Zahlung eines Gesamtbetrages von über 100 Millionen Euro und zur Herausgabe von Pflanzen beziehungsweise Saatgut und Unterlagen verpflichtet. Wegen der Einzelheiten wird auf diesen Schiedsspruch Bezug genommen.

Wegen dieses Schiedsspruchs ist beim Oberlandesgericht Braunschweig ein sogenanntes Exequaturverfahren gemäß §§ 1062 ff. ZPO anhängig. Die Beklagte hat in diesem Verfahren eine Schutzschrift hinterlegt. Die vom zuständigen Senat gesetzte Stellungnahmefrist zu dem Antrag der Klägerin läuft noch.

Am 06.07.2015 gab es ein Gespräch an dem unter anderem der Geschäftsführer der Klägerin und die Geschäftsführung der Beklagten teilgenommen haben. Es wurde dort darüber gesprochen wie es nach dem Schiedsspruch weitergehen soll. Die Einzelheiten dieses Gespräches sind streitig.

Die Klägerin ist der Auffassung,

dass das Landgericht Braunschweig für den Erlass einer einstweiligen Verfügung zuständig sei.

Die Klägerin habe der Beklagten Keimplasma zur Verfügung gestellt. Die Beklagte habe für die Klägerin Züchtungsarbeiten durchgeführt. Es sei ihr gegen Lizenz gestattet worden das Saatgut unter eigenem Namen zu vermarkten. Es sei aber vereinbart worden, dass das Keimplasma, die Technologie und das Know-how weiter ausschließlich der Klägerin gehören würden. Alle Sorten sollten im Eigentum der Klägerin bleiben. Bei Beendigung der Zusammenarbeit sei alles herauszugeben. Wegen Vertragsverletzungen der Beklagten sei das Schiedsverfahren durchgeführt worden. Das Schiedsgericht habe allen Anträgen der Klägerin entsprochen.

Die Beklagte habe im Anschluss an den Schiedsspruch in dem Gespräch am 06.07.15 zu erkennen gegeben, dass sie nicht bereit sei den Schiedsspruch zu erfüllen. Sie habe vielmehr angedeutet, dass sie das der Klägerin gehörende und für diese zwingend notwendige Material veräußern würde. Es sei erforderlich sofort die Durchsetzung des Schiedsspruches zu sichern. Der Klägerin drohten ansonsten unwiederbringliche Verluste hinsichtlich des sogenannten Keimplasmapools. Die Einnahmen aus den Aussaaten für 2016 und für 2017 wären sonst massiv gefährdet.

Die Beklagte werde nicht beeinträchtigt, da es nur um die Sicherung gehe. Auch soweit eine Herausgabe verlangt werde sei dies hier im Wege der einstweiligen Verfügung ausnahmsweise zulässig, da die Hauptsache bereits durch das Schiedsgericht entschieden sei.

Die Klägerin beantragt:

I.

Der Antragsgegnerin wird bei Androhung von Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR für den Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren, die Ordnungshaft zu vollziehen an den Geschäftsführern der Antragsgegnerin,

v e r b o t e n,

1. das von ihr gemäß dem Schiedsspruch der Schiedsrichter xxx, xxx und xxx, vom 11.06.2015, CEPANI-Case No. 22762, (Anlage AST 6, Seiten 140-144, Randnummern 11-13), an die Antragstellerin herauszugebende gesamte Zuckerrübenzuchtmaterial ("sugar beet germplasm"),

welches umfasst:

das gesamte zugehörige Saatgut,

-   Pflanzen, einschließlich geklonter Pflanzen, in jeglicher Phase des Wachstums (einschließlich aber nicht beschränkt auf Aussaat, Keimlinge, eingepflanzte, blühende oder reife Pflanzen) und Pflanzenteile,

-  Gene und Zellen,

-   Linien, Hybride und/oder andere Formen der generativen Vermehrung

und das sich im Besitz der Antragsgegnerin (einschließlich deren Saatgut-Infrastrukturen, wie Treibhäusern, Tunneln, Zelten oder anderen Formen der Isolierung sowie auf offenen Feldern),

und/oder

im Besitz einer mit der Antragsgegnerin verbundenen Gesellschaft (einschließlich der h GmbH, der Strube International GmbH und anderer verbundener Gesellschaften, die in Anhang 2 zur Schiedsvereinbarung aufgeführt sind)

und/oder

im Besitz Dritter/Unterauftragnehmer, die im Auftrag der Antragsgegnerin mit den vorgenannten Materialien gemäß dem ASBP Züchtungen durchgeführt hat oder aus anderen Gründen Besitz an dem vorbezeichneten Zuckerrübenzuchtmaterial für die Antragsgegnerin ausüben, befinden,

zu veräußern, körperlich wegzuschaffen, zu vermischen, zu verändern, zu beschädigen und/oder zu zerstören, oder Dritte die sich bestimmungsgemäß im Besitz der vorgenannten Gegenstände befinden zur Vornahme derartiger Handlungen zu veranlassen oder die Vornahme derartiger Handlungen durch Dritte zu dulden

2. Der Antragsgegnerin wird unter Androhung der in vorstehender Ziff. 1. bezeichneten Ordnungsmittel weiter

v e r b o t e n,

schriftliche Informationen, die sich auf das in vorstehender Ziff. 1 genannte Pflanzen- und Saatgutmaterial beziehen und welche insbesondere umfassen:

- Excel-Listen, die die Namen des Saatguts, die Menge des Saatguts, die tatsächlich verfügbar ist und den vollen Stammbaum enthält, damit die Elternstämme der Hybriden und fruchtbaren Linien zurückverfolgt werden können;

- Daten zu Feldversuchen einschließlich Erntedaten und Krankheitsbeobachtungsdaten für alle Gene, die zwischen 2012 und 2015 getestet wurden;

- Markerdaten bezüglich des Saatguts und/oder aller Elternlinien des Saatguts;

- Die Registrierungsnummern, unter denen das Saatgut für offizielle Tests angeboten wurde;

- Die Zertifizierungsnummern, unter denen Saatgut für offizielle Zertifizierungen produziert wurde und/oder derzeit noch produziert wird;

- Sämtliche Informationen zu Verunreinigungen, Abweichungen und Eigenschaften bezüglich Saatgutpartien, die als Pre-Basis-Saatgut und Basis-Saatgut produziert wurden;

- Basis-Saatgut und kommerzielles Saatgut nebst den zugehörigen Zertifikaten, die attestieren, dass die Voraussetzung der Richtlinie 2002/54/EG erfüllt werden;

- Referenznummern der Gärtnereien (Gärtnerei- oder Feldnummern) bezüglich solchen Pflanzenmaterials gemäß vorstehender Ziff. 1., welches sich im Auftrag der Antragsgegnerin bei Gärtnereien und auf Feldern befindet, einschließlich des Saatgutnamens, von dem die Gärtnerei- oder Feldnummer abgeleitet wird, dem Stammbaum des Saatgutnamens und der Angabe der Anzahl der Pflanzen pro Gärtnerei- und Feldnummer, sowie der Aussaatdaten, der Erntedaten und der Anzahl der geernteten Stecklinge pro Gärtnerei- und Feldnummer;

- Auflistungen der Daten zur genetischen Zusammensetzung der Sorten, die von der Antragsgegnerin seit 2012 zur Registrierung angemeldet wurden nebst den jeweiligen Referenznummern;

zu veräußern, körperlich wegzuschaffen, inhaltlich zu verändern, zu beschädigen, unleserlich zu machen und/oder zu zerstören oder Dritte die sich bestimmungsgemäß im Besitz der vorgenannten Informationen befinden zur Vornahme derartiger Handlungen zu veranlassen oder die Vornahme derartiger Handlungen durch Dritte zu dulden

3. Der Antragsgegnerin wird bei Meidung von Zwangsgeld, im Falle der Uneinbringlichkeit von Zwangshaft, oder Zwangshaft bis zu 6 Monaten, die Zwangshaft zu vollziehen an den Geschäftsführern der Antragsgegnerin,

g e b o t e n,

- sicherzustellen, dass jegliches in Gärtnereien oder auf Feldern befindliche Pflanzenmaterial gemäß Antrag 1. on den verantwortlichen Mitarbeitern in gutem Zustand gehalten wird bis die Antragstellerin entschieden hat, ob dieses verpflanzt, geerntet oder zerstört werden soll.

- sicherzustellen, dass für den Fall, dass sich die Antragstellerin für das Ernten von Pflanzen gemäß antrag 1 entscheidet, die zuständigen Mitarbeiter diese Pflanzen gemäß den "Best-Practice"-Richtlinien behandeln, um ein Ernten des Saatguts zum optimalen Zeitpunkt des Züchtungszyklus zu ermöglichen;

 - alle geklonten Pflanzen und Stecklinge gemäß Antrag 1.so identifizierbar zu halten, dass der Bezug zur Originalpflanze auf Grundlage der Informationen der Antragsgegnerin hergestellt werden kann.

4. Der Antragsgegnerin wird bei Meidung von Zwangsgeld, im Falle der Uneinbringlichkeit von Zwangshaft, oder Zwangshaft bis zu 6 Monaten, die Zwangshaft zu vollziehen an den Geschäftsführern der Antragsgegnerin,

g e b o t e n,

4.1 diejenigen Registrierungen / beantragten Registrierungen für Zuckerrübensorten in die nationalen und internationalen Sortenlisten sowie in in die auf der Grundlage der vorgenannten Listen erstellten Empfehlungs- und Industrielisten der Verbände der Zuckerrübenindustrie auf die Antragstellerin zu übertragen bzw. auf diese umschreiben zu lassen die sich auf Zuckerrübensorten beziehen, die gemäß Art. 4 des Vertrages von 2006 der Antragstellerin zugeordnet sind oder die auf der Grundlage von Keimplasma der Antragstellerin entwickelt wurden;

4.2 dasjenige Saatgut, das für die kommerzielle Vermarktung der von der Antragsgegnerin nach dem Schiedsspruch vom 11.06.2015 auf die Antragstellerin zu übertragenden bzw. umzuschreibenden Zuckerrübensorten im Jahr 2015 oder zuvor produziert worden ist, unverzüglich und vollständig an die Antragstellerin zu übergeben;

und

 4.3 das Saatgut der Eltern-Linien der kommerziellen Zuckerrübensorten, sog. "Basis-Saatgut", das für die Herstellung des kommerziellen Saatguts im Jahr 2016 benötigt wird, unverzüglich und vollständig an die Antragstellerin zu übergeben, damit die Antragstellerin in der Lage ist, dieses Basissaatgut spätestens Ende Juli/Anfang August 2015 auszusähen, um die Stecklinge (Jungpflanzen, aus denen ab Januar 2016 das kommerzielle Saatgut für das Jahr 2017 gewonnen werden kann) erzeugen zu können;

hilfsweise zu Ziff. 4.3 (falls die Antragsgegnerin das Basis-Saatgut für die Stecklinge bereits ausgebracht haben sollte):

diese Stecklinge unter Beachtung der "Best-Practice"-Richtlinien zu behandeln und zu pflegen, um ein Ernten der Saatgutpflanzen zum optimalen Zeitpunkt des Züchtungszyklus zu ermöglichen und diese Stecklinge sodann spätestens im November 2015 an die Antragstellerin vollständig herauszugeben;

hilfsweise zu Ziff. 4.1 bis 4.3:

Die Vollziehung der an die Antragsgegnerin gerichteten Gebote zu Ziff.  4.1 und 4.2 wird von der Leistung einer Sicherheit durch die Antragstellerin, deren Höhe vom Gericht zu bestimmen ist und die von der Antragstellerin auch durch Bankbürgschaft erbracht werden darf, abhängig gemacht;

hilfsweise zu Ziff. 4.2 und 4.3:

Die Herausgabe der in Ziff. 4.2 und 4.3 bezeichneten Gegenstände hat  an einen vom Gericht zu bestimmenden Sequester zu erfolgen, der die Gegenstände für die Antragstellerin verwahrt, vor Verderb bewahrt und nach Vorgabe der Antragstellerin weiter verarbeitet bzw. verarbeiten lässt, damit die vorgegebenen Verarbeitungszyklen eingehalten werden können.

höchsthilfsweise:

II.

Im Wege des dinglichen Arrests

wird die Beschlagnahme der in den vorstehenden Anträgen Ziff. 1. – 4. bezeichneten Gegenstände, Materialien und Unterlagen zugunsten der Antragstellerin angeordnet.

Die Beklagte beantragt:

Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Beklagte rügt die Zuständigkeit des Landgerichts Braunschweig. Zuständig sei das Oberlandesgericht. Es komme nur ein Verfahren nach § 1063 ZPO in Betracht.

Die Anträge seien auch im Übrigen unzulässig, da zu unbestimmt. Es handele sich teilweise um eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache.

Es würde auch an einem Verfügungsgrund fehlen. Es sei in dem Gespräch am 06.07. nicht erklärt worden, dass man das Saatgut usw. anderweitig veräußern wolle. Es sei lediglich auf die bestehende deutsche Rechtslage hingewiesen worden. Danach sei bei Durchsetzung des Schiedsspruchs durch die Beklagte zu prüfen ob sie den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen müsse.

Es fehle auch an einem Verfügungsanspruch.

Der Schiedsspruch sei nicht rechtmäßig, da der Vertrag kartellrechtswidrig sei. Da sich die Klägerin geweigert habe, einen rechtmäßigen Vertrag abzuschließen, habe man die Zahlungen eingestellt. Der Schiedsspruch werde vom Oberlandesgericht nicht für vollstreckbar erklärt werden.

Die Beklagte verfüge auch über einen eigenen Keimplasmapool. Dies ergebe sich auch aus Ziff. 13 des Tenors des Schiedsspruches. Der Umfang sei erst noch in dem Sachverständigenverfahren gem. Ziff. 16 des Schiedsspruches zu klären.

Die Beklagte könne der beantragten Verfügung auch gar nicht nachkommen, da sie nur Saatgut vertreibe. Züchtung und Vermehrung würden durch die Strube Research GmbH & Co KG erfolgen. Die Beklagte habe keinen Besitz an Zuckerrübenzuchtmaterial und den dazugehörigen Informationen.

Bei einem Vollzug der beantragten einstweiligen Verfügung würden der Beklagten irreparable Schäden drohen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Es wird weiter Bezug genommen auf den Hinweis vom 24.07.15 (Bl. 30 d. A.).

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist nicht statthaft beziehungsweise das Landgericht Braunschweig ist sachlich nicht zuständig. Der Antrag war daher zurückzuweisen.

1. Das einstweilige Verfügungsverfahren vor dem Landgericht ist nicht statthaft. Es fehlt dem Landgericht an der funktionalen Zuständigkeit. Die Klägerin muss den Schiedsspruch gem. § 1063 Abs. 3 ZPO durchsetzen.

Grundsätzlich kann nach § 1033 ZPO trotz einer Schiedsvereinbarung eine vorläufige oder sichernde Maßnahme bei einem staatlichen Gericht beantragt werden. Dabei ist bereits streitig, welches staatliche Gericht insoweit zuständig ist. Es wird vertreten, dass dies das nach allgemeinen Regeln zuständige Gericht sei (vgl. Münchner Kommentar zur ZPO/Drescher 4. A, § 919, Rn. 5; Musielak/Voit ZPO, 12. A. § 943, Rn. 2; Landbrecht, SchiedsVZ 2013, Rn. 241). Teilweise wird die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts angenommen (vgl. u. 2.). Eine weitere Ansicht stellt auf das für den Schiedsort (hier Brüssel) zuständige Gericht ab (Zöller, ZPO 30. A. § 919, Rn. 3; Thomas/Putzo, ZPO 36. A., § 1033, Rn. 2).

Dies bedarf hier keiner Entscheidung. Der Wortlaut des § 1033 ZPO beschränkt nach der Auffassung des Gerichts seinen Anwendungsbereich grundsätzlich auf den Zeitraum „vor oder nach Beginn“ des schiedsrichterlichen Verfahrens“. Dieses Verfahren ist gem. § 1056 ZPO mit dem Schiedsspruch beendet. Damit fehlt es jedenfalls jetzt an einer Zuständigkeit des Landgerichts (so auch LG Frankfurt a.M. 2-02 O 108/13 Beschluss vom 10.06.2013; a.M. OLG FaM v. 13.06.13, 26 SchH 6/13).

Die Klägerin geht aus dem Schiedsspruch vor. Nach S. 15 und S. 22 der Antragsschrift will sie der Gefahr begegnen, dass bis zur Durchführung des sog. Exequaturverfahrens gem. §§ 1061 ff. ZPO die festgestellten Ansprüche beeinträchtigt werden. Es geht ihr ausdrücklich um Sicherung der Ansprüche bis zur Erklärung der Vollstreckbarkeit.

Ein solches Exequaturverfahren ist beim OLG Braunschweig anhängig (7 Sch 3/15).

§ 1063 Abs. 3 ZPO regelt dazu in S. 1:

(3) Der Vorsitzende des Zivilsenats kann ohne vorherige Anhörung des Gegners anordnen, dass der Antragsteller bis zur Entscheidung über den Antrag die Zwangsvollstreckung aus dem Schiedsspruch betreiben oder die vorläufige oder sichernde Maßnahme des Schiedsgerichts nach § 1041 vollziehen darf.

Diese Vorschrift ermöglicht grundsätzlich die von der Antragstellerin angestrebten Maßnahmen der Sicherungsvollstreckung (vgl. Zöller a.a.O., § 1063, Rn. 4; Laukemann ZZP 2013, 175 (187 f.)). Die Norm soll „gegen unlautere Beeinträchtigungen und Machenschaften des Spruchschuldners schützen“ (so Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. A, Rn. 529). Damit soll sichergestellt werden, dass der Schuldner  die Durchsetzung des Titels nicht verhindert (Wieczorek/Schütze, ZPO 4. A. § 1063, Rn. 18). Die Vorschrift des § 1063 Abs. 3 ZPO regelt somit das von der Antragstellerin angestrebte Rechtsschutzziel.

Dabei enthält § 1063 Abs. 3 ZPO 2 Alternativen (Sessler/Schreiber, SchiedsVZ 2006,119 (120). Einmal geht es um die Vollziehung von vorläufigen oder sichernden Maßnahmen des Schiedsgerichts. Solche Maßnahmen wurden von der Klägerin nicht beantragt und liegen auch nicht vor.

Zum anderen geht es um die Vollstreckung aus dem Schiedsspruch bis zur Entscheidung über das Exequaturverfahren.

§ 1063 Abs 3 ZPO ist grundsätzlich lex specialis gegenüber §§ 916 ff ZPO (BeckOK ZPO § 1063, Rn. 11; Stein-Jonas, ZPO, 22 A § 1063 Rn. 13 „Sondervorschrift“).

Das Oberlandesgericht kann dabei die Vorschriften über das zivilprozessuale Verfahren entsprechend anwenden (Wieczorek/Schütze a.a.O. Rn. 23).

Durch dieses Verständnis des § 1063 ZPO wird auch sichergestellt, dass - nachdem bereits ein Schiedsspruch vorliegt – die Fragen der Vollstreckung und Durchsetzung „in einer Hand liegen“.

Soweit über den Erlass vorläufiger Maßnahmen mit sicherndem Charakter entschieden wird, gehört dazu auch inzident eine Prüfung ob der Schiedsspruch Bestand haben wird und in Deutschland für vollstreckbar erklärt werden wird (vgl. Wieczorek/Schütze a.a.O., § 1063 Rn 25; Sessler/Schreiber, SchiedsVZ 2006,119 (122)). Soweit daran begründete Zweifel bestehen, kann keine Verfügung ergehen. Diese Prüfung ist aber gerade dem OLG zugewiesen. Ein inzidentes Exequaturverfahren durch das Landgericht darf es nicht geben.

Auch die Gesetzesbegründung (BTDS 13/5274) sieht eine umfassende Eingangszuständigkeit des OLG vor. So heißt es in der Begründung zu § 1062 ZPO (a.a.O. S. 63):

„Die Vorschrift regelt die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte. … Für alle gerichtlichen Aufgaben … sollen in Zukunft die Oberlandesgerichte zuständig sein … Es ist daher gerechtfertigt, von einer Aufspaltung der erstinstanzlichen Zuständigkeiten in solche der Oberlandesgerichte und der Landgerichte abzusehen und das Oberlandesgericht auch über Angelegenheiten außerhalb das Aufhebungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahrens entscheiden zu lassen“ (a.a.O. S. 64).

So stellt auch das OLGBrandenburg (NJW-RR 2001, 645 f. [OLG Brandenburg 05.01.2000 - 8 Sch 6/99]) fest:

Jedenfalls nach dem neuen, seit 1.1.1998 geltenden Schiedsverfahrensrecht ist die Zuständigkeit des OLG für die im Rahmen eines Schiedsverfahrens vom staatlichen Gericht zu treffenden Entscheidungen eine funktionale. Lediglich die örtliche Zuständigkeit ist besonders geregelt. Das - örtlich zuständige - OLG hat ohne jede Ausnahme alle Handlungen des staatlichen Gerichts vorzunehmen, ohne dass dafür (weitere) Abgrenzungskriterien nach „sachlichen” Gesichtspunkten (Gegenstand des Schiedsverfahrens und/oder Wert des Streitgegenstandes) aufgestellt wären. Solche Entscheidungen hat einzig und allein das OLG - in erster und (von den Ausnahmefällen des § 1065 ZPO abgesehen) letzter Instanz - zu treffen.

Die Klägerin kann auch nicht – wie erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragen – mit dem Argument gehört werden, dass das Schiedsverfahren noch gar nicht beendet sei, da die Klärung durch den Sachverständigen noch ausstehe.

Die Klägerin geht selbst ausschließlich aus dem nach ihrer Auffassung bestandskräftigen Schiedsspruch vor. Die Herausgabe- und Handlungspflichten der Beklagten stünden „aufgrund des umfassend begründeten Schiedsurteils bereits endgültig fest“ (S. 34 d. Antragsschrift). Zu anderen Anspruchsgrundlagen fehlt jeder Vortrag.

Wäre im Übrigen noch unklar, welches Material und welche Informationen von dem Schiedsspruch überhaupt erfasst sind, wäre einem Antrag nach § 1063 Abs. 3 ZPO bzw. auf Erlass einer einstweiligen Verfügung von vornherein der Boden entzogen.

2. Auch soweit man – was vielfach angenommen wird - neben dem Verfahren nach § 1063 Abs. 3 ZPO ein einstweiliges Verfügungsverfahren für möglich hält, wäre jedenfalls nach dem Erlass des Schiedsspruches nicht mehr das Landgericht, sondern das Oberlandesgericht das zuständige Gericht der Hauptsache (LG Frankfurt a.M. a.a.O.; BeckOK, a.a.O., § 919, Rn. 10; OLG Hamburg NJW 1997, 749 [OLG Hamburg 06.05.1996 - 6 W 32/96]; Stein-Jonas a.a.O., § 1059, Rn. 14; Staudinger/Rainer Hausmann (2011) Internationale Zuständigkeit für Vertragsklagen; Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen, Rn. 362 (zit. n. juris); a.A. MK ZPO/Drescher § 919, Rn. 5).

Dies ist offensichtlich auch die Auffassung des OLG Frankfurt a.M. (23 SchH 1/04 = OLGR Frankfurt 2005, 458 mit Zustimmung im MK ZPO a.a.O., § 1033 Rn. 14, Fn 23). Das OLG hat nach einem Schiedsspruch unproblematisch seine Zuständigkeit gem. §§ 937, 1033, 1062 ZPO. angenommen (Abs. 23).

Für die Zuständigkeit des OLG sprechen wie oben ausgeführt die gesetzliche Konzentration der Entscheidungen bei dem OLG und der Umstand, das zu verhindern ist, dass inzident das Landgericht über allein dem OLG obliegende Fragen zu entscheiden hat.

Dies würde entsprechend für den höchst hilfsweise beantragten Arrest gelten.

3. Es kann offen bleiben, ob im Übrigen ein Verfügungsgrund und ein Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht worden sind.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

5. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 6 in Verbindung mit § 711 ZPO.

6. Der Streit für das einstweilige Verfügungsverfahren war gemäß § 53 GKG entsprechend den übereinstimmenden Angaben der Parteien festzusetzen.