Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 20.01.1995, Az.: 6 U 226/94

Erweiterter Schadensersatzanspruch für einen Beamten bei einem Dienstunfall

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
20.01.1995
Aktenzeichen
6 U 226/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 16744
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1995:0120.6U226.94.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 11.10.1994 - AZ: 7 O 1451/94

In dem Rechtsstreit
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom heutigen Tage
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Oehlers und
die Richter am Oberlandesgericht Finck und Gerken
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des beklagten Landes gegen das am 11. Oktober 1994 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer übersteigt nicht 60.000,00 DM.

Tatbestand

1

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung hat keinen Erfolg.

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Das Landgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger ein weiteres Schmerzensgeld von 5.000,00 DM beanspruchen kann.

4

Das beklagte Land hat den Anspruch dem Grunde nach anerkannt. Daher kann es auf sich beruhen, daß ein verletzter Beamter gemäß § 97 NBG in Verb. mit § 46 BeamtenversorgungsG Schmerzensgeld wegen eines Dienstunfalls von seinem Dienstherrn grundsätzlich nur bei einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beanspruchen kann. Eine Ausnahme besteht gemäß § 1 des Gesetzes über die erweiterte Zulassung von Schadensersatzansprüchen bei Dienst- und Arbeitsunfällen (RGBl I 1943, 674) nur dann, wenn sich der Dienstunfall bei einer Teilnahme am allgemeinen Verkehr ereignet hat. Ob diese Voraussetzung hier vorliegt, mag fraglich sein, kann aber offenbleiben.

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Weiterhin kann es dahinstehen, ob dem Land durch das Anerkenntnis der Einwand abgeschnitten ist, der Kläger müsse sich ein Mitverschulden entgegenhalten lassen. Dieser Einwand scheitert schon aus tatsächlichen Gründen. Einen Schuldvorwurf könnte man dem Kläger nur dann machen, wenn er vor dem Sprung hätte erkennen können, daß der Polizeibeamte ... in den abgesperrten Bereich hineinschwimmen würde. Es kann aber nicht festgestellt werden, daß dies der Fall war. Es ist unklar, wo sich der Polizeibeamte ... genau befand und in welche Richtung er sich bewegte, als der Kläger zum Sprung ansetzte. Der genaue Ablauf des Geschehens ist in diesem Punkt offen. Dies geht zu Lasten des beklagten Landes. Denn die Beweislast für ein Mitverschulden des Geschädigten und dessen Ursächlichkeit für den Unfall obliegt dem Geschädigten (BGHZ 91, 260 [BGH 22.05.1984 - III ZR 18/83]).

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Zur Höhe des Schmerzensgeldes ist das Landgericht von zutreffenden Erwägungen ausgegangen. Sie werden durch die Angriffe der Berufung nicht entkräftet.

7

Bei der Bemessung ist - wie dargelegt - von einem Alleinverschulden des Schädigers auszugehen. Sein Verschulden kann auch nicht als besonders geringfügig eingestuft werden. Es kann ihm nicht verborgen geblieben sein, daß der abgesperrte Bereich für den Schwimmunterricht bestimmt war. Demgemäß hatte er sich fernzuhalten, um andere nicht zu gefährden.

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Weiterhin ist davon auszugehen, daß das dauerhafte Ohrgeräusch (Tinnitus), das bei der Bemessung des Schmerzensgelds im Vordergrund steht, auf dem Unfall beruht. Der Kläger hat hierzu zwei ärztliche Bescheinigungen (Attest ... vom 07.06.1990 und Attest ... vom 21.10.1993) vorgelegt, in denen eine Ursächlichkeit angenommen wird. Diese Bescheinigungen hat das beklagte Land auch seinem Anerkenntnis zugrundegelegt. Wenn es jetzt der Auffassung ist, daß sie nicht richtig sind, hätte es darlegen müssen, welche konkreten Indizien jetzt Anlaß zu Zweifeln geben. Solche Indizien sind nicht vorgetragen worden. Demgemäß hat der Senat keinen Anlaß gesehen, hierzu eine Begutachtung anzuordnen. Es ist nicht anzunehmen, daß sie zu Erkenntnissen führt, die über die bereits vorliegenden Bescheinigungen hinausgehen.

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Das vom Landgericht zuerkannte Schmerzensgeld von insgesamt 10.000,00 DM übersteigt zwar das, was bislang von der Rechtssprechung in vergleichbaren Fällen festgesetzt worden ist (vgl. Hacks, Schmerzensgeldtabelle Nr. 387, 447, 521 = LG Braunschweig DAR 1992, 65 [LG Braunschweig 25.05.1991 - 1 O 490/90]). Die dort zuerkannten Beträge zwischen 4 - und 6.000,00 DM werden aber nach Ansicht des Senats nicht dem Umstand gerecht, daß es sich bei dem Tinnitusleiden um eine als besonders störend empfundene Beeinträchtigung handelt, die sich erheblich auf das körperliche und auch psychische Wohlbefinden auswirkt. Zudem hat sie beim Kläger zu einer nicht unerheblichen Einschränkung bei der Berufsausübung und in der Freizeitgestaltung geführt.

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Klarzustellen ist allerdings, daß mit dem zuerkannten Schmerzensgeld auch die zukünftigen, über den Zeitpunkt der Entscheidung hinaus andauernden Beeinträchtigungen abgegolten sind, soweit sie derzeit überschaubar sind. Dazu gehört auch der Umstand, daß es sich bei dem Tinnitusleiden um einen Dauerschaden handelt. Die vom Kläger in seinem Klagantrag vorgenommene zeitliche Beschränkung auf den 31. März 1994 war nicht zulässig. Zwar hat das Landgericht den Antrag insoweit berichtigend ausgelegt. Soweit es aber im angefochtenen Urteil zur Frage der zeitlichen Beschränkung heißt, "entscheidender Zeitpunkt ist deshalb die letzte mündliche Verhandlung", könnte dies zu Mißverständnissen Anlaß geben. Der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ist nur für die Frage von Bedeutung, welchen Erkenntnisstand das Gericht seiner Entscheidung zugrundezulegen hat, nicht aber für eine zeitliche Beschränkung. Der Antrag des Klägers kann daher nur dahin berichtigt werden, daß eine zeitliche Beschränkung ganz entfällt.

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Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97, 708 Nr. 10, 713 und 546 Abs. 2 S. 1 ZPO. Ohne Erfolg rügt das beklagte Land, bei der Kostenentscheidung hätte berücksichtigt werden müssen, daß der materielle Zukunftsschaden von Anfang an außer Streit war und insoweit ein sofortiges Anerkenntis vorliege. Insoweit handelt es sich um eine geringfügige Zuvielforderung, die keine besonderen Mehrkosten verursacht hat (§ 92 Abs. 2 ZPO).

Streitwertbeschluss:

Die Beschwer übersteigt nicht 60.000,00 DM.

Oehlers
Finck
Gerken