Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 13.01.1995, Az.: 5 W 181/94

Begriff der Zurückweisung nach der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAGO) im Fall der Zurückweisung einer Berufung gegen ein Grundurteil; Historische Auslegung des § 15 BRAGO

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
13.01.1995
Aktenzeichen
5 W 181/94
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1995, 29043
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1995:0113.5W181.94.0A

Fundstelle

  • JurBüro 1996, 305-306 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

In der Zurückweisung der Berufung gegen ein Grundurteil liegt keine Zurückverweisung i.S.d. § 15 BRAGO.

Gründe

1

Der Kläger hat von der Beklagten Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall gefordert. Das Landgericht hat die Klage im ersten Rechtszug durch Grund- und Teilurteil zu 3/4 für begründet erachtet und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die dagegen von der Beklagten eingelegte Berufung ist als unbegründet zurückgewiesen worden. Nach Abschluss des Betragsverfahrens in erster und zweiter Instanz begehrt die Beklagte Festsetzung ihrer Kosten erster Instanz unter Berücksichtigung je einer Verhandlungs- und einer Beweisgebühr für das Grundverfahren und das Betragsverfahren. Der Rechtspfleger hat die Gebühren für das Betragsverfahren unter Hinweis darauf, dass es sich nicht um einen Fall der Zurückverweisung gemäß § 15 BRAGO handele, abgesetzt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer befristeten Erinnerung, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.

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Die gemäß §§ 104 Abs. 3 ZPO, 11 Abs. 2 RpflG als sofortige Beschwerde geltende befristete Erinnerung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

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Die Frage, ob ein Fall der Zurückverweisung im Sinne des § 15 BRAGO vorliegt, wenn das Berufungsgericht auf die Berufung des Beklagten ein Grundurteil der ersten Instanz bestätigt und dort über die Höhe des Anspruchs weiterverhandelt wird, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Die Kommentarliteratur (Hartmann, KostG, 23. Aufl., § 15 BRAGO Anm. 2B; Gerold/Schmidt/Madert, 11.

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Aufl., § 15 Rn. 2; Göttlich/Mümmler, BRAGO, 18. Aufl., Zurückverweisung Anm. 1.2; Riedel/Sußbauer/Fraunholz, BRAGO, 6. Aufl., § 15Rn. 3; Schuhmann/Geißinger, BRAGO, 2. Aufl., § 15 Rn. 3; Swolana/Hansen, BRAGO, 7. Aufl., § 15 Rn. 3) sowie ein Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Zweibrücken JurBüro 90, 479; Rpfl90, 225; OLG Düsseldorf - 10. Senat - MDR 93, 1021 jeweils m.w.N. aus der Rechtssprechung) gehen von einer Zurückverweisung aus. Begründet wird dies zum einen mit der Entstehungsgeschichte des § 15 BRAGO, zum anderen damit, dass der Rechtsanwalt sich auch im Falle der Bestätigung eines Grundurteils mit diesem auseinander setzen und es seinem Vortrag im Betragsverfahren zu Grunde legen müsse.

5

Dieser Auffassung vermag sich der Senat in Übereinstimmung mit der im Vordringen befindlichen obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Celle NdsRpfl 83, 26; NdsRpfl 91,231; OLG München JurBüro 84,1177; OLG Schleswig JurBüro 87, 1039; OLG Saarbrücken JurBüro 90,338; OLG Düsseldorf - 24. Senat - JurBüro 93, 672) nicht anzuschließen. Weder der Wortlaut des § 15 BRAGO, noch dessen Entstehungsgeschichte und dessen Sinn und Zweck lassen eine solche Auslegung als richtig erscheinen. Bei der Zurückweisung der Berufung gegen ein Grundurteil handelt es sich nicht um eine Zurückverweisung im Sinne des Zivilprozessrechts. Denn zurückverwiesen werden kann nur eine Sache, die in erster Instanz nicht mehr anhängig ist. Das Gegenteil ist aber hinsichtlich des Betragsverfahrens nach einem Grundurteil der Fall, wie sich aus § 304 Abs. 2 2.

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Halbsatz ZPO ergibt, denn danach kann das erstinstanzliche Gericht- unabhängig von einer Berufung gegen das Grundurteil - anordnen, dass über den Betrag weiterzuverhandeln sei (vgl. auch Zöller/Gummer, ZPO, 19. Aufl., § 540 Rn. 4). Das Berufungsgericht hingegen darf über den Betrag nur verhandeln und entscheiden, wenn es die Sache unter den Voraussetzungen des § 540 ZPO insoweit an sich zieht. § 538 ZPO enthält mithin neben Fällen echter - mit einer Aufhebung verbundener - Zurückverweisungen auch solche, in denen es - wie hier - einer Zurückverweisung nicht bedarf.

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Die Entstehungsgeschichte des § 15 BRAGO spricht zudem dafür, dass dieser Vorschrift nicht ein anderer Zurückverweisungsbegriff zu Grunde liegt. Einigkeit besteht zwar darüber, dass durch § 15 BRAGO der frühere Anwendungsbereich des § 27 RAGebO nicht eingeschränkt werden sollte. Jedoch kann nicht angenommen werden, dass die frühere Vorschrift auch Fälle der vorliegenden Art erfassen sollte.

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Denn sie ist mit der Begründung eingeführt worden, dass dann, wenn "ein Urteil von der oberen Instanz aufgehoben und die Sache an die untere Instanz zurückverwiesen (werde), dies für den Anwalt eine neue umfangreiche Tätigkeit im Verhandlungs- und Beweisverfahren(verursache). ... Es sei unbillig, diese ganz neue Tätigkeit dem Anwalt nicht zu honorieren." (vgl. OLG Düsseldorf JurBüro 93, 672;KG JW 35, 795). Dem in § 27 RAGebO enthaltenen Klammerzusatz mit Hinweis u.a. auf § 538 ZPO kommt demnach historisch lediglich die Bedeutung zu, dass auf mit einer Aufhebung verbundene Zurückverweisungen Bezug genommen werden sollte. Der Rechtsanwalt sollte die Mehrarbeit vergütet erhalten, die das Berufungsgericht ihm durch die Aufhebung gemacht hat.

9

Zwar mag es richtig sein, dass in einer Anzahl von Fällen dem Anwalt auch bei einer Bestätigung des Grundurteils Mehrarbeit dadurch erwächst, dass das Berufungsgericht den Anspruch dem Grunde nach auf eine andere Anspruchsgrundlage stützt, der eine andere Berechnung der Anspruchshöhe erforderlich macht. Dies allein rechtfertigt aber die Zuerkennung weiterer Gebühren nicht. Zum einen richten sich die Gebühren des Rechtsanwalts nicht nach dem konkreten Arbeitsumfang, sondern nach dem Streitwert und den Gebührentatbeständen der BRAGO. Zum anderen werden die Fälle echter Mehrarbeit in diesem Sinne eher die Ausnahme sein. Im Normalfall wird das Grundurteil, wenn es bestätigt wird, einschließlich seiner tragenden Begründung aufrechterhalten. In diesen Fällen besteht die Mehrarbeit des Anwalts lediglich darin, das Urteil zur Kenntnis zu nehmen. Im Betragsverfahren hingegen ist nur darüber zu verhandeln, worüber ohnehin, also unabhängig von der Berufungsentscheidung, hätte verhandelt und Beweis erhoben werden müssen.

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Schließlich widersprechen Sinn und Zweck des Grundurteils einem Anfall weiterer Gebühren. Das Zwischenurteil gemäß § 304 ZPO dient der Prozessökonomie, d.h., es sollen u.U. schwierige und kostspielige Verhandlungen und Beweisaufnahmen zur Betragshöhe vermieden werden, solange der Anspruchsgrund aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen zweifelhaft ist. Diesem Anliegen wird eine Auslegung des § 15 BRAGO i.S.d. früher h.M. jedenfalls hinsichtlich der entstehenden Kosten nicht gerecht. Denn selbst ein teures Sachverständigengutachten und umfangreiche Zeugenvernehmungen sind bei höheren Streitwerten, bei denen der Erlass eines Grundurteils gerade sinnvoll sein kann, weniger kostenträchtig als vier Anwaltsgebühren.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.