Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 17.01.1995, Az.: 5 U 122/94

Gewährleistungsansprüche aus einem Werklieferungsvertrag; Verjährungsfrist bezüglich der Mängelhaftung ; Folgen des Ablaufs einer Verjährungsfrist bei Erhebung der Klage; Zulässigkeit der Einordnung einer Endmontage als Abnahme einer gelieferten Maschine ; Verstoß gegen Pflicht zur Untersuchung und Rüge ; Folgen der Möglichkeit einer frühreren Ermittlung und Mitteilung der Mängel ; Anschließende Nachbesserungsbemühungen als Verzicht auf den Einwand der verspäteten Mängelrüge ; Rücktrittsrecht bei fehlender Rechtzeitigkeit der erhobenen Rüge ; Notwendigkeit einer Nachfristsetzung für das Rücktrittsrecht

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
17.01.1995
Aktenzeichen
5 U 122/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 29071
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1995:0117.5U122.94.0A

Amtlicher Leitsatz

Verspätete Mängelrüge 8 Wochen nach Endmontage einer Flaschenverschließmaschine, wenn die Mängel früher durch Probeläufe hätten abgeklärt wer den können.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Vertrag zwischen der GmbH und der Beklagten zutreffend als Werklieferungsvertrag qualifiziert, § 651 BGB. Über den Abtretungsvertrag vom 15.04.1993 leitet die Klägerin ihre Gewährleistungsansprüche aus diesem Vertragsverhältnis ab.

2

Für die Mängelhaftung gilt eine sechsmonatige Verjährungsfrist und zwar nach der gesetzlichen Regelung gemäß § 638 BGB wie auch nach den VDMA-Bedingungen gemäß VII Nr. 2. Diese Frist war bei Erhebung der Klage am 17.09.1993 (Eingang der Klageschrift beim Amtsgericht Vechta) auf jeden Fall abgelaufen. Der Geschehensablauf bezüglich der Mängelkontakte zwischen der Klägerin über die GmbH und der Beklagten ist zwischen den Parteien im Wesentlichen unstreitig. Feststeht, daß vom Zeitpunkt der zweiten Montagearbeiten am 20.08.1992 bis zur nächsten Mängelmeldung am 19.10.1992 nichts seitens der Klägerin bzw. GmbH über etwaige Mängel an die Beklagten verlautbart wurde und daß seit Januar 1993 jede Nachbesserungstätigkeit eingestellt worden ist bzw. die Klägerin sich weigerte, die Maschine zu behalten. Auf den in einzelnen Fragen streitigen Verlauf der Nachbesserungsverhandlungen und -bemühungen zwischen dem 19.10.1992 und Januar 1993 kommt es entgegen der Darstellung in der Berufungsbegründung nicht an. Eine etwaige Mängelhaftungsansprüche der Klägerin hindernde Abnahme der Maschine bzw. Unterlassung rechtzeitiger Untersuchung und Rüge liegen zeitlich vor dem genannten Zeitraum und der Zeitraum nach der Einstellung weiterer Nachbesserungsbemühungen bzw. Weigerung der Bestellerin, die Maschine zu behalten, bis zur Klageerhebung überschreitet die Sechsmonatsfrist.

3

Auch der erkennende Senat sieht in der Endmontage am 20.08.1992 eine Abnahme der gelieferten Maschine. Dabei muß sich die Vertragspartnerin der Beklagten - die GmbH - die Abnahmehandlung der Klägerin auch für ihr Vertragsverhältnis zur Beklagten zurechnen lassen. Laut Montagezettel hat der Monteur die Maschine unter Auswechslung einzelner Teile neu eingestellt, mit Erfolg getestet und den ordnungsgemäßen Lauf festgestellt. Das hat der Geschäftsführer mit seiner Unterschrift anerkannt. Der behauptete mentale Vorbehalt, lediglich die Anwesenheitsdauer des Monteurs bestätigen zu wollen, ist in Anbetracht der durch seine Unterschrift bestätigten Ergebnisdokumentation rechtlich bedeutungslos.

4

Damit ist die Maschine als der vertragsgemäße Gegenstand der vereinbarten Werklieferung anerkannt, mithin abgenommen worden, so daß die Beklagte trotz der späteren Nachbesserungsbemühungen wegen Ablaufs der Frist die Einrede der Verjährung erheben konnte.

5

Zu Recht hat das Landgericht der Klägerin aber auch angelastet, zwischen dem 20.08. und 19.10.1992 gegen ihre Pflicht zur Untersuchung und Rüge gemäß § 377 HGB verstoßen zu haben. Diese Bestimmung findet entgegen der Berufung gemäß § 381 Abs. 2 HGB auf das Vertragsverhältnis Anwendung. Die GmbH ist wie die Klägerin ein vollkaufmännisches Unternehmen, auf das die Vorschriften über den Handelskauf Anwendung finden. Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Recht verlangte stichprobenartige Prüfung bei gelieferten Maschinen (vgl. BGH NJW 1977, 1150) hätte die Klägerin - wie später auch geschehen - auf alle von ihr dann gerügten Mängel - unzureichende Sterilität, erhöhter Glasbruch, fehlende Befülleistung, Verschlußmißerfolge und ähnliches - genauso eher vornehmen können und müssen, wollte sie sich ihre Rechte sichern.

6

Die Annahme der Berufung, nach der Erstaufstellung am 10.08.1992 habe die Klägerin keine Untersuchungspflichten mehr gehabt, ist rechtlich nicht nachvollziehbar. Zunächst ist auch in dem zugehörigen Montagezettel festgehalten, daß die "Anlage" in Ordnung ist. Sie konnte aber noch nicht produktiv gefahren werden, wegen fehlender Übergänge zu der Verschlußmaschine. Diese hatte die Klägerin zu beschaffen und bis zur nächsten Montagetätigkeit auch erstellt. Es ist nicht ersichtlich, warum sie danach - also nach der Abnahme - nicht mehr verpflichtet oder in der Lage gewesen sein sollte, unverzüglich der von Vollkaufleuten zu fordernden zumindest stichprobenartigen Prüfung nachzukommen. Daß eine solche Prüfung keinen Erfolg hätte haben können aus Gründen, die nicht in ihrem Verantwortungsbereich lagen, hat nicht einmal die Klägerin behauptet oder gar unter Beweis gestellt.

7

Die nach mehr als acht Wochen mitgeteilten Mängel hätte die Klägerin weit früher ermitteln können und müssen. Das ergibt sich, worauf das Landgericht zu Recht abstellt, aus dem Protokoll vom 10.11.1992 und wird zusätzlich durch den zweiten Montagezettel belegt, der die Möglichkeit solcher Probeläufe bestätigt und zwar entgegen der Ansicht der Klägerin einschließlich maximaler Leistung von 18.000 Flaschen/Stunde. Die Klägerin brauchte also nicht auf die Fertigstellung von Zuführeinrichtungen oder den Beginn einer Serienproduktion zu warten, wodurch sich die Frist ggf. hätte verlängern können (vgl. BGH a.a.O.; Heymann/Emmerich, HGB, 4. Aufl., § 377 Rdn. 23). Nach der endgültigen Montage war sie zu den stichprobenartigen Untersuchungen auch im Hinblick auf die Frage der Sterilität verpflichtet und auch in der Lage. Das wird von ihr nicht ernsthaft in Frage gestellt. Ein Zeitraum von über acht Wochen bis zur Erhebung der Rüge kann aber auch bei einem solchen Vertragsgegenstand wie einer in eine automatisch arbeitende Befüllanlage einzubauenden Verschlußmaschine nicht mehr als unverzüglich qualifiziert werden.

8

In den anschließenden Nachbesserungsbemühungen ist - auch da ist dem Landgericht beizutreten - kein Verzicht auf den Einwand der verspäteten Mängelrüge zu sehen. Zwar ist ein solcher Verzicht auch stillschweigend rechtlich möglich (BGH BB 91, 1732 ff). Die Annahme eines solchen Verzichts scheidet aber immer dann aus, wenn sich - wie hier - keine sicheren Schlüsse auf einen Verzichtswillen ziehen lassen, sondern die Nachbesserungsverhandlungen und -bemühungen - wie durch den vorprozessualen Schriftwechsel belegt - auf ein aus Kulanzgründen erfolgtes Entgegenkommen der Werklieferantin hindeuten, die von Anfang an keine Zweifel daran gelassen hat, daß nach ihrer Ansicht die Ursachen für aufgetretene Probleme ausschließlich bei der Bestellerin bzw. deren Abnehmerin liegen.

9

Die fehlende Rechtzeitigkeit der erhobenen Rüge schlägt auch auf das von der Klägerin reklamierte Rücktrittsrecht nach den VDMA-Bedingungen durch, die in VII Nr. 1 die Mängelhaftung zu einer solchen Rüge in Beziehung setzt. Hinzu kommt, wie auch das Landgericht richtig ausführt, daß es an der gemäß IX Nr. 4 VDMA für ein Rücktrittsrecht vorausgesetzten Nachfristsetzung fehlt. Da die Klägerin ihrerseits an dem Vertrag nicht mehr festhalten wollte, die Beklagte aber weiterhin über die Möglichkeit von Nachbesserungen Verhandlungsbereitschaft zeigte (Lieferung nachgearbeiteter Verschlußköpfe zum Selbstkostenpreis), bedurfte es auch einer solchen Nachfrist, wollte die Klägerin diese Voraussetzungen für das Rücktrittsrecht begründen. Die von der Klägerin behauptete fehlende Nachbesserungsfähigkeit bedingt keine andere Beurteilung, da IX Nr. 4 VDMA-Bedingungen, ausdrücklich auch ein Recht des Lieferers zur Ersatzlieferung festschreibt. Ebensowenig entfällt die Notwendigkeit einer Nachfristsetzung, weil der Klägerin - wie die Berufung meint - infolge eines vertragswidrigen Verhaltens der Beklagten ein Festhalten an dem Vertrag nicht mehr zuzumuten war. Verhandlungsbereitschaft und Einsatz der Beklagten bei dem Bemühen, aufgetretene Probleme in den Griff zu bekommen, trotz viel zu spät erhobener Mängelrüge lassen im Gegenteil keine Zweifel, daß sich die Zumutbarkeitsfrage für einen ausnahmsweisen Fortfall einer Nachfristsetzung nicht stellt, jedenfalls aber der zugunsten der Beklagten zu beantworten ist.