Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.12.2021, Az.: 1 KN 30/19

Antragsbefugnis; Lärmschutz; Mischgebiet, Festsetzung eines; Normenkontrolle, Antragsbefugnis

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
09.12.2021
Aktenzeichen
1 KN 30/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 71097
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Bei der Neuausweisung eines Mischgebietes sind Lärmschutzbelange eines Plannachbarn, dessen Grundstück selbst in einem (faktischen) Mischgebiet liegt, grundsätzlich nicht abwägungserheblich.

Tenor:

Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Normenkontrollverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin bzw. die Beigeladene vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Antragsteller wendet sich als unmittelbarer Plannachbar gegen den Bebauungsplan Nr. 8 „Landgut Stemmen“ der Antragsgegnerin, der den bislang unbeplanten Standort des Betriebs der Beigeladenen und angrenzende Außenbereichsflächen als Mischgebiet ausweist. Der Antragsteller rügt vorrangig, dass die Planung die zwischen ihm und dem Unternehmen der Beigeladenen bestehenden Immissionskonflikte nicht löse, sondern noch verfestige und verstärke.

Bei dem Betrieb der Beigeladenen handelt es sich um ein seit langem am südlichen Ortsrand der Antragsgegnerin ansässiges Familienunternehmen, das maßgeblich aus einem Hotel, einem Restaurant, Räumlichkeiten für Seminare und Tagungen, einem Festsaal sowie einem Hochzeitsgarten besteht. Der Festsaal wird für gemeindeinterne Zwecke genutzt, kann aber auch für überörtliche Veranstaltungen wie z.B. Hochzeiten oder „Abibälle“ gebucht werden. Die wesentlichen baulichen Anlagen des Betriebs befinden sich im nördlichen, im Flächennutzungsplan der Samtgemeinde Fintel schon bisher als gemischte Baufläche dargestellten Bereich der im Familieneigentum stehenden, zusammen ca. 2,49 ha großen Grundstücke A-Straße (Gemarkung A-Stadt Flur 5 Flurstück 86/8) und S...weg 1 (Flurstück 88/5). Das auf dem Grundstück A-Straße gelegene Hauptbetriebsgebäude ist mit Hotel, Restaurant mit Außenterrasse und Tagungsräumen zur Straße hin ausgerichtet; der Festsaal ist allerdings im rückwärtigen Gebäudeteil untergebracht und verfügt dort über einen separaten Eingang. Östlich des Hauptbetriebsgebäudes zu dem Grundstück Große Straße 14 hin befinden sich Nebenanlagen. In diesem Bereich und direkt an der Großen Straße liegen die für die Hotel- und die Restaurantgäste vorgesehenen Kfz-Stellplätze. Das westlich an das Grundstück A-Straße angrenzende und südlich von ihm umrahmte Grundstück S...weg 1 ist mit einem ebenfalls für den Hotelbetrieb genutzten Gebäude sowie weiteren Nebenanlagen bestanden. Dort befinden sich auch die Mitarbeiterstellplätze. Der südlich dieser baulichen Anlagen gelegene Grundstücksbereich war seit der 1992 vorgenommenen Änderung des Flächennutzungsplans als Fläche für Landwirtschaft und zuvor als Fläche für Sportplatz bzw. hinsichtlich einer kleinen Teilfläche direkt an der östlichen Grenze des Grundstücks A-Straße auf Höhe des heutigen Grundstücks C-Straße als Schießübungsplatz dargestellt. Der dort errichtete Schießstand wird auch derzeit noch durch den gemeindlichen Schützenverein genutzt. Westlich des Schießstandes befindet sich die Stellplatzfläche für die Gäste des Festsaales, die über den S...weg an der südlichen Grenze des Grundstücks A-Straße angefahren wird. Südöstlich des Schießstandes liegt in einem Obstgarten der Hochzeitsgarten. Noch weiter südlich waren zwei - mittlerweile entfernte - Container aufgestellt. Der südliche Bereich des Grundstücks S...weg 1 wurde bislang ausschließlich landwirtschaftlich genutzt. Nach den Angaben der Antragsgegnerin sind - mit Ausnahme der beiden Container - sämtliche baulichen Anlagen, die den Betrieb der Beigeladenen ausmachen, ebenso wie der Schießstand baurechtlich genehmigt. Seine gegenteilige Ansicht substantiierte der Antragsteller auch nach Einsichtnahme in die beim Landkreis Rotenburg (Wümme) geführten Bauakten nicht.

Der Antragsteller ist sowohl Eigentümer des an die Straße grenzenden Grundstücks Große Straße 14 (Gemarkung A-Stadt Flur 5 Flurstück 83/2) als auch Eigentümer des davon südlich, direkt östlich des Schießstandes gelegenen, vom Grundstück A-Straße nur durch die private Erschließungsstraße getrennten Grundstücks C-Straße (Flurstück 81/5). Das letztgenannte Grundstück, für das Festsetzungen eines Bebauungsplans nicht bestehen, ist mit einem im Jahr 2003 genehmigten Einfamilienhaus bebaut, das der Antragsteller selbst bewohnt. Wegen der Nähe zu dem Schießstand und zu dem Betrieb der Beigeladenen war vor Erteilung der Baugenehmigung eine Überprüfung der schalltechnischen Situation verlangt worden. Das im Auftrag des Antragstellers erstellte Schalltechnische Gutachten vom 7. Mai 2003 war zu dem Ergebnis gekommen, dass für den Regelschießbetrieb der Immissionsrichtwert - angesetzt wurde für das Grundstück des Antragstellers der für Misch- und Dorfgebiete geltende Immissionsrichtwert von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts - mit gutem Abstand eingehalten werde. Bei den Sonderveranstaltungen mit Großkaliberschießen würden die für seltene Ereignisse vorgesehenen Immissionsrichtwerte voll ausgeschöpft. Für die Nachtzeit sei der Parkplatz des Betriebes der Beigeladenen - gemeint war die Stellplatzfläche für die Gäste des Festsaales - die Hauptschallquelle. Bei einer Abfahrt von 200 Kfz in der lautesten Stunde der Nacht werde der Immissionsrichtwert nicht überschritten. Empfohlen werde, die dem Parkplatz und Schießstand zugewandten Seiten des Hauses gemäß DIN 4109, Lärmpegelbereich IV zu planen.

Im April 2016 beantragte die Beigeladene gegenüber der Samtgemeinde Fintel bzw. der Antragsgegnerin die Änderung des Flächennutzungsplans im südlichen Bereich der Grundstücke A-Straße und S...weg 1 und die Aufstellung eines Bebauungsplans für die gesamte Fläche mit dem Ziel der Ausweisung als Mischgebiet. Angestrebt werde, das Familienunternehmen, in dem ein Generationswechsel anstehe, wirtschaftlich an dem Standort zu sichern und durch die Ermöglichung baulicher Erweiterung zukunftsfähig aufzustellen. Als konkrete Planungen wurden im Weiteren die Errichtung eines (Betriebsleiter)Wohnhauses im bislang unbebauten Teil des Grundstücks S...weg 1 in etwa auf Höhe des Schießstandes und die Integration der bisher im Unternehmen von der Familie selbst genutzten Wohnräume in den Hotelbetrieb genannt.

Nach Fassung eines Planaufstellungsbeschlusses für das Gebiet der Grundstücke A-Straße und S...weg 1 am 10. Mai 2016 und anschließender ordnungsgemäßer Durchführung des Planaufstellungsverfahrens im Normalverfahren beschloss der Rat der Antragsgegnerin in seiner Sitzung vom 18. April 2018 den Bebauungsplan Nr. 8 „Landgut Stemmen“ (mit - hier nicht streitgegenständlichen - örtlichen Bauvorschriften), bestehend aus der Planzeichnung und der Planbegründung sowie den textlichen Festsetzungen (TF), als Satzung. Die 45. Änderung des Flächennutzungsplans der Samtgemeinde Fintel, mit der der bislang als Fläche für Landwirtschaft ausgewiesene südliche Bereich der beiden Grundstücke ebenfalls als gemischte Baufläche (mit Eingrünung zur freien Landschaft) dargestellt wurde, wurde am 31. Oktober 2018 wirksam. Am 15. November 2018 trat der Bebauungsplan Nr. 8 „Landgut Stemmen“ durch Veröffentlichung im Amtsblatt für den Landkreis Rotenburg (Wümme) in Kraft.

Der Bebauungsplan setzt für den nordwestlichen Teil des Plangebiets, in dem sich die wesentlichen baulichen Anlagen des Betriebs der Beigeladenen befinden, hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung Mischgebiet fest. Das Maß der baulichen Nutzung ist durch eine Grundflächenzahl von 0,4 und eine Anzahl der Vollgeschosse von höchstens zwei bestimmt. Die Bauweise ist als abweichend festgelegt. Nach TF 1 sind in der abweichenden Bauweise gemäß § 22 Abs. 4 BauNVO Gebäude mit einer Länge von mehr als 50 m mit seitlichem Grenzabstand gemäß Landesrecht zulässig. Auch der südöstlich anschließende Planbereich ist weitestgehend als Mischgebiet mit einer Grundflächenzahl von 0,4 und einer abweichenden Bauweise ausgewiesen; allerdings beträgt hier das Höchstmaß der Vollgeschosse nur eines. Zudem wird dieser Bereich durch eine Baugrenze geteilt, die auf Höhe der Südostseite des Schießstandes verläuft. Eine Baugrenze ist - im Abstand von 3 m - auch zur nördlichen und östlichen Grenze des Planbereichs festgesetzt. Südlich der querenden Baugrenze liegt ein mit A gekennzeichneter Bereich, in dem nach TF 2.1 außerhalb der überbaubaren Flächen - eine kleine Bauzone befindet sich noch im südöstlichen Bereich am früheren Standort der beiden Container - nur Nebenanlagen gemäß § 14 Abs. 1 BauNVO sowie Stellplätze gemäß § 12 BauNVO zulässig sind. Ganz im südwestlichen Bereich ist eine Fläche B ausgewiesen, in der gemäß § 12 Abs. 6 BauNVO allein Stellplätze in wasserdurchlässigem Material zulässig sind. An der südöstlichen Grenze des Plangebiets ist eine 5 m breite L-förmige Fläche nach § 9 Abs. 1 Nr. 25 a BauGB zum Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen festgesetzt. Nach TF 3 ist dort eine 3-reihige Baum-Strauchhecke zu pflanzen, wobei eine Auswahl der zu verwendenden Arten und Regelungen zum Pflanzverband, zur Einzäunung und zur Umsetzung festgelegt sind. Festgesetzt sind zudem zu erhaltende Bäume mit näherer Regelung in TF 4. TF 5 bestimmt, dass die außerhalb des Plangebietes auf dem Flurstück 182/67 der Flur 8 Gemarkung A-Stadt-Vahlde durchzuführenden Ausgleichsmaßnahmen dem Plangebiet zugeordnet sind.

Wegen der mit der Ausweisung als Mischgebiet verbundenen zusätzlichen Versiegelung war im Planaufstellungsverfahren ein Ausgleichsbedarf Schutzgut Boden von ca. 2.180 m² und wegen des möglichen Verlustes von Einzelbäumen ein Ausgleichsbedarf Schutzgut Pflanzen von 805 m² errechnet worden. Die Kompensation wird außerhalb des Plangebiets auf dem genannten Flurstück 182/67 in Form einer Aufforstung von ca. 3.000 m² erbracht. Zu dem externen Ausgleich hatte einer der beiden Geschäftsführer der Beigeladenen als Eigentümer des Flurstücks 182/67 mit der Antragsgegnerin am 18. Januar 2018 einen Städtebaulichen Vertrag geschlossen, in dem er sich verpflichtete, die Ausgleichsmaßnahmen durchzuführen und einen etwaigen Rechtsnachfolger entsprechend zu verpflichten. Festgelegt wurde zudem ein Recht der Antragsgegnerin auf Ersatzvornahme auf Kosten des (jeweiligen) Eigentümers.

In die auf der Urkunde des Bebauungsplans Nr. 8 „Landgut Stemmen“ befindlichen Hinweise wurden unter Nr. 4 auch solche zum Immissionsschutz aufgenommen:

„Bei Veranstaltungen innerhalb des Festsaales sind folgende Schallschutzmaßnahmen einzuhalten:

1. Der Innenschalldruckpegel im Festsaal ist auf ein Höchstmaß von 95 dB(A) zu begrenzen. Tieffrequente Geräuschanteile (z.B. bei basslastiger Technomusik) sind auszuschließen. Als Orientierung gilt das im Rahmen der Prognose angesetzte Frequenzspektrum. Die Maßnahme ist ggf. durch einen Schallpegelbegrenzer sicher zu stellen.

2. Fenster und Türen sind während der Nachtzeit durchgehend geschlossen zu halten. Der Eingangsbereich ist, sofern noch nicht erfolgt, als Schleuse herzustellen.

3. Im Zugangsbereich zum Festsaal sowie auf dem angrenzenden Parkplatz ist durch geeignete Maßnahmen (z.B. Aufsichtspersonal) ein angemessenes Verhalten der Gäste sicherzustellen (kein Grölen, kein Schreien).

4. Die Stellplätze des Hotelbetriebes sind durch eine geeignete Maßnahme (z.B. Kette) von den Stellplätzen für den Saalbetrieb in der Zeit von 22.00 bis 06.00 Uhr zu trennen. Mit der Maßnahme muss sichergestellt sein, dass die Gäste der Veranstaltungen das Gelände ausschließlich über die südliche Zu- bzw. Abfahrt verlassen.“

Die aufgeführten Schallschutzmaßnahmen sind einem Schalltechnischen Gutachten entnommen, dass aufgrund einer entsprechenden Forderung des Landkreises Rotenburg (Wümme) von der Beigeladenen im Planaufstellungsverfahren in Auftrag gegeben worden war. Die „Schalltechnische Untersuchung für die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 8 ‚Landgut Stemmen‘ der Gemeinde Stemmen“ der T&H Ingenieure GmbH vom 19. Mai 2017 war zu dem Ergebnis gekommen, dass die Ausweisung des Plangebiets als Mischgebiet aus schalltechnischer Sicht möglich sei. Die Berechnungen hätten ergeben, dass die Anforderungen der TA Lärm in der Umgebung des Plangebietes durch den Betrieb des Hotels mit Gaststätte und Festsaal sowie durch den Betrieb des Schießstandes unter Berücksichtigung der Angaben der Beigeladenen zu den immissionsrelevanten Betriebsvorgängen und Geräuschquellen tags und nachts eingehalten werden könnten. Bei Veranstaltungen innerhalb des Festsaales seien dabei verschiedene Schallschutzmaßnahmen vorzunehmen; textliche Festsetzungen im Bebauungsplan seien insofern allerdings nicht erforderlich.

Die Grundlagen der Schalltechnischen Untersuchung waren von dem Antragsteller im Rahmen seiner im Planaufstellungsverfahren erhobenen Einwendungen angegriffen worden; insbesondere hatte er die Annahmen zum Betrieb des Festsaales als nicht belastbar moniert. Er wolle sichergestellt wissen, dass sein Wohngrundstück C-Straße zukünftig von erheblichen Lärmbeeinträchtigungen verschont bleibe. Deswegen seien bauliche Lärmschutzmaßnahmen erforderlich, die unabhängig davon eingriffen, ob die Beigeladene organisatorische Maßgaben beachte oder nicht. Technisch-bauliche Maßnahmen könnten z.B. der Einbau nicht zu öffnender Fenster, die Einhausung von Eingangsbereichen und Stellplätzen oder eine ausreichend hohe Lärmschutzwand sein.

Eine Änderung der Planung hatte der Rat der Antragsgegnerin, der in seiner Sitzung vom 18. April 2018 vor dem Satzungsbeschluss über die in den Beteiligungsverfahren eingegangenen Stellungnahmen gemäß den Vorschlägen in der Abwägungstabelle entschieden hatte, allerdings nicht als erforderlich angesehen. Zur Begründung war maßgeblich darauf verwiesen worden, dass es sich um eine Angebotsplanung handele, bei der eine Festsetzung immissionsschutzrechtlicher Art nicht zielführend sei. Die Erstellung des Schalltechnischen Gutachtens sei zur Prüfung und Sicherstellung erfolgt, dass die bestehenden Nutzungen der Festsetzungen eines Mischgebietes nicht grundsätzlich entgegenstünden, so dass die Durchführbarkeit des Bebauungsplans gegeben sei. Die Untersuchung zeige, dass die vorhandenen gewerblichen Nutzungen mit der Umgebung vereinbar seien bzw. bei störintensiveren Veranstaltungen der Gewerbetreibende entsprechende Schutzmaßnahmen zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte ergreifen könne, um an den umliegenden schutzbedürftigen Wohnnutzungen die Grenzwerte einzuhalten. Mit dem Hinweis auf einen Lösungsweg zur Einhaltung der Grenzwerte sei der Immissionsschutz auf Bebauungsplanebene ausreichend berücksichtigt worden. Die weitere Zulässigkeit und Intensität der angesprochenen „Veranstaltungen“ sei auf bauordnungsrechtlicher Ebene zu prüfen. Zudem hätten sowohl der Betrieb der Beigeladenen als auch der Schießstand Bestandsschutz. Mit seinem erst 2003 auf dem Grundstück C-Straße genehmigten Wohnhaus sei der Antragsteller bewusst an eine konfliktträchtige Nutzung herangerückt. Das damals im Genehmigungsverfahren eingeholte Gutachten habe den bereits seinerzeit bestehenden Saalbetrieb unberücksichtigt gelassen und sei deshalb als Grundlage der Genehmigung nicht geeignet gewesen. Die Zahl der Gäste bei den nur selten stattfindenden größeren Veranstaltungen im Festsaal sei in der Schalltechnischen Untersuchung wohl zu gering angesetzt worden. Die Ansätze für die Anzahl der Pkw-Bewegungen und der vor dem Gebäude kommunizierenden Personen seien jedoch, wie die Beigeladene bestätigt habe, korrekt.

Das am 13. Februar 2019 gegen den Bebauungsplan Nr. 8 „Landgut Stemmen“ eingeleitete Normenkontrollverfahren hat der Antragsteller nach Scheitern sowohl einer mit der Beigeladenen zunächst versuchten außergerichtlichen Beilegung des Rechtsstreits als auch eines anschließend durchgeführten gerichtlichen Mediationsverfahrens fortgeführt. Zur Begründung seiner Antragsbefugnis macht er in der Antragsschrift geltend, dass sein Belang, als unmittelbar im Einwirkungsbereich des Betriebes der Beigeladenen liegender Nachbar vor planinduzierten Lärmbeeinträchtigungen geschützt zu werden, nicht ordnungsgemäß ermittelt, gewichtet und abgewogen worden sei. Insbesondere der Umstand, dass zu seinem Grundstück kein technisch-baulicher Lärmschutz vorgesehen sei, stütze seine Auffassung in der Sache, dass die Planung die zwischen dem Betrieb der Beigeladenen und ihm bestehenden Immissionskonflikte nicht löse, sondern noch verfestige und verstärke. Der Satzungsbeschluss sei insoweit in mehrfacher Hinsicht abwägungsfehlerhaft. Darüber hinaus lägen auch Mängel im Hinblick auf Natur- und Artenschutz vor. Insbesondere genüge der zwischen einem der Geschäftsführer der Beigeladenen und der Antragsgegnerin am 18. Januar 2018 geschlossene Städtebauliche Vertrag nicht den Anforderungen, die § 1a Abs. 3 Satz 4 BauGB an die Sicherstellung der Durchführung externer Ausgleichsmaßnahmen auf nicht im gemeindlichen Eigentum stehender Flächen stelle. Zusätzlich zu dem vereinbarten Recht auf Ersatzvornahme auf Kosten des Eigentümers der Ausgleichsfläche hätte es der Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit zugunsten der Antragsgegnerin bedurft.

Der Antragsteller beantragt,

den vom Rat der Antragsgegnerin am 18. April 2018 als Satzung beschlossenen Bebauungsplan Nr. 8 „Landgut Stemmen“ für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die Antragsgegnerin verteidigt den angegriffenen Bebauungsplan und tritt den Rügen des Antragstellers im Einzelnen entgegen. Sie schließt sich zudem der zuerst von der Beigeladenen vertretenen Ansicht an, dass der Normenkontrollantrag bereits unzulässig sei, weil es dem Antragsteller an einer Antragsbefugnis fehle.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag, legt aber dar, dass der Normenkontrollantrag nach ihrer Auffassung sowohl unzulässig als auch unbegründet sei. Der Annahme einer Antragsbefugnis stehe entgegen, dass ein abwägungserheblicher Belang nicht plausibel dargelegt sei. Ein nur geringfügiger Lärmzuwachs sei nicht abwägungserheblich. Aus dem im Planaufstellungsverfahren erstellten Schalltechnischen Gutachten werde deutlich, dass die Immissionssituation des Antragstellers durch den streitgegenständlichen Bebauungsplan nicht negativ berührt werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und den Planaufstellungsvorgang verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Der Normenkontrollantrag ist unzulässig. Der Antragsteller ist nicht antragsbefugt.

Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren nur eine Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Ist ein Antragsteller Eigentümer von Grundstücken außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans, kann die Antragsbefugnis insbesondere aus dem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung der eigenen Belange aus § 1 Abs. 7 BauGB folgen. Das dort normierte bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot gewährt ein subjektives Recht. Der Betroffene kann verlangen, dass seine eigenen Belange in der Abwägung entsprechend ihrem Gewicht „abgearbeitet“ werden. Ein Antragsteller kann sich daher im Normenkontrollverfahren darauf berufen, dass seine abwägungserheblichen privaten Belange möglicherweise fehlerhaft abgewogen wurden (stdRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschl. v. 28.10.2020 - 4 BN 44.20 -, BBB 2021 Nr. 3, 53 = juris Rn. 7 m.w.N.). Darlegungspflichtig ist der Antragsteller. Er muss hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die die Verletzung in eigenen Rechten - hier des Rechts auf gerechte Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) - als möglich erscheinen lassen. Die Prüfung, ob das der Fall ist, ist nicht unter Auswertung des gesamten Prozessstoffs vorzunehmen und darf nicht in einem Umfang und einer Intensität erfolgen, die einer Begründetheitsprüfung gleichkommt. Das Normenkontrollgericht ist daher insbesondere nicht befugt, für die Entscheidung über die Antragsbefugnis den Sachverhalt von sich aus weiter aufzuklären. Es ist allerdings verpflichtet, den Tatsachenvortrag auf seine Schlüssigkeit und voraussichtliche Belastbarkeit zu prüfen. Widerstreitendes Vorbringen des Antragsgegners, auf dessen Grundlage sich die maßgeblichen Tatsachenbehauptungen in der Antragsschrift als offensichtlich unrichtig erweisen, muss es nicht ausblenden, sondern kann auf der Grundlage des wechselseitigen Schriftverkehrs darüber befinden, ob es einen abwägungserheblichen Belang des Antragstellers geben kann (stdRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschl. v. 14.10.2021 - 4 BN 3.21 = juris Rn. 4 m.w.N.). Nicht abwägungsbeachtlich sind insbesondere geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (stdRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschl. v. 28.10.2020 - 4 BN 44.20 -, BBB 2021 Nr. 3, 53 = juris Rn. 7 m.w.N.). Geklärt ist zudem, dass in dem Fall, dass für die durch den Bebauungsplan überplante Fläche zuvor keine ortsrechtlichen Festsetzungen bestanden, auch kein schutzwürdiges Vertrauen in ihren Fortbestand entstehen kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.10.2020 - 4 BN 44.20 -, BBB 2021 Nr. 3, 53 = juris Rn. 8 ff., insb. Rn. 10).

Nach diesen Maßgaben hat der Antragsteller einen eigenen abwägungsbeachtlichen Belang, den die Antragsgegnerin verletzt haben könnte, nicht in hinreichender Weise dargetan:

Zwar kann dem Antragsteller der von ihm in der Antragsschrift benannte Belang, als unmittelbarer, im Einwirkungsbereich des Betriebes der Beigeladenen liegender Nachbar vor planinduzierten Lärmbeeinträchtigungen geschützt zu werden, nicht von vornherein abgesprochen werden. Abwägungserheblich kann auch das Interesse des Eigentümers eines dem Plangebiet benachbarten Grundstücks sein, von belastenden Einwirkungen der durch den Plan ermöglichten Nutzungen verschont zu bleiben; dies gilt allerdings nur, soweit die planbedingten Beeinträchtigungen (Nachteile, Gefahren) in einem adäquat-kausalen Zusammenhang mit der Planung stehen und nicht von geringfügiger Art sind (vgl. Senatsurt. v. 27.2.2019 - 1 KN 140/17 -, juris Rn. 20 mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 21.3.2002 - 4 CN 14.00 -, BVerwGE 116, 144 = juris Rn. 14; siehe auch nachgehend BVerwG, Beschl. v. 16.6.2020 - 4 BN 39.19 -, ZfBR 2020, 778 = juris). Diese einschränkenden Voraussetzungen liegen indes nicht vor. Insbesondere sind bei der Neuausweisung eines Mischgebietes Lärmschutzbelange eines Plannachbarn, dessen Grundstück selbst in einem (faktischen) Mischgebiet liegt, grundsätzlich nicht abwägungserheblich. Inwieweit Abweichendes gilt, wenn die Planung darauf abzielt, gerade die störungsintensiveren der in einem solchen Baugebiet zulässigen Nutzungen näher als bisher möglich an das Grundstück des Plannachbarn heranzuführen, kann dahinstehen, denn dies ist hier nicht der Fall:

Soweit der Bebauungsplan Nr. 8 „Landgut Stemmen“ durch die im südlichen Drittel des Plangebiets vorgenommene Festsetzung der Bereiche A und B, in denen nur Nebenanlagen und Stellplätze bzw. ausschließlich Stellplätze zulässig sind, Kfz-Lärm in den bisher landwirtschaftlich bzw. als Obst- und Hochzeitsgarten genutzten Außenbereich bringt, wirkt sich dies angesichts der Entfernung und der allein möglichen verkehrlichen Erschließung der Stellplatzflächen vom S...weg aus nur unwesentlich auf das Grundstück des Antragstellers aus (vgl. zum Fall unwesentlicher Auswirkungen BVerwG, Beschl. v. 10.7.2020 - 4 BN 50.19 -, BauR 2020, 1767 = juris Rn. 13). Vielmehr könnte der Antragsteller von der Ausweisung der Bereiche A und B unter dem Aspekt des Immissionsschutzes sogar profitieren. Denn es liegt nahe, dass die neuen von seinem Grundstück aus weiter südlich gelegenen Stellplatzflächen die direkt westlich des Schießstandes vorhandene Stellplatzfläche, die für die Gäste des Festsaales vorgesehen ist, ersetzen werden.

Die Beplanung der bisherigen Flächen des Betriebes der Beigeladenen und des südlich angrenzenden Außenbereichs als Mischgebiet stellt sich für die Wohnnutzung auf dem Grundstück des Antragstellers nicht als Beeinträchtigung dar. Nach § 6 Abs. 1 BauNVO dienen Mischgebiete dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Ein Mischgebiet ist demgemäß gekennzeichnet durch eine wechselseitige Verträglichkeit von Wohnen und Gewerbe. Dabei ist im Ausgangspunkt auf eine - eingeschränkte - typisierende Betrachtung abzustellen. Ein konkreter Betrieb ist unzulässig, wenn Betriebe seines Typs bei funktionsgerechter Nutzung üblicherweise für die Umgebung unzumutbare Störungen hervorrufen können. Die bauplanerische Ausweisung eines Mischgebietes gestattet damit nur die Ansiedlung solcher Gewerbebetriebe, die das Wohnen selbst innerhalb des festgesetzten Gebietes nicht wesentlich stören (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.6.2020 - 4 BN 39/19 -, ZfBR 2020, 778 = juris Rn. 6). Hiernach ist nicht zu erkennen, wie die im Bereich des Bebauungsplans Nr. 8 „Landgut Stemmen“ zulässigen Gewerbebetriebe die Nutzung des an das Plangebiet angrenzenden Wohngrundstücks des Antragstellers wesentlich stören könnten. Dass seinem Grundstück immissionsschutzrechtlich mittlerweile ein höherer Schutzanspruch als dem eines für (faktische) Misch- und Dorfgebiete geltenden, von dem das im Verfahren zur Genehmigung des Wohnhauses erstellte Schalltechnische Gutachten vom 7. Mai 2003 ausgegangen ist, zustehen könnte, hat der Antragsteller selbst nicht behauptet; dies läge auch fern. Die Festsetzung eines Mischgebietes neben einem anderem Mischgebiet aber begründet für sich betrachtet keine abwägungserheblichen nachbarlichen Lärmschutzbelange.

Die Befürchtungen des Antragstellers beziehen sich maßgeblich auch nicht auf zukünftig im Gebiet des Bebauungsplans Nr. 8 „Landgut Stemmen“ entstehende bauliche Nutzungen, zumal sich die Erweiterungspläne der Beigeladenen (jedenfalls bislang) konkret nur auf die Errichtung eines (Betriebsleiter)Wohnhauses und die Integration des bisher im Betrieb selbst genutzten Wohnraums in den Hotelbetrieb richten. Der von dem Antragsteller als bereits mit dem Betrieb der Beigeladenen bestehend geltend gemachte Lärmkonflikt, der vorrangig die Nutzung des Festsaales betrifft, ist jedoch gerade nicht planinduziert. Für eine von dem Antragsteller anscheinend angenommene Verpflichtung der Antragsgegnerin, die aus den Betriebsvorgängen der Beigeladenen für ihn entstehende Immissionsbelastung durch bauplanerische Festsetzungen gegenüber dem bestandsgeschützten Unternehmen zu verhindern, fehlt es an einer rechtlichen Grundlage. Der Antragsteller lässt zudem außer Acht, dass in der von der Beigeladenen selbst initiierten Ausweisung ihres Betriebsstandortes als Mischgebiet gegenüber dem bisherigen unbeplanten Zustand auch eine Begrenzung der unternehmerischen Tätigkeit liegen könnte.

Der Kostenentscheidung liegen die Vorschriften der §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO zugrunde. Es entspricht der Billigkeit i.S. von § 162 Abs. 3 VwGO, dem unterlegenen Antragsteller auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, wenngleich diese auf die Stellung eines eigenen Antrags verzichtet hat. Denn die Beigeladene hat mit ihren Stellungnahmen das Verfahren inhaltlich vorangetrieben.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 analog, 709 Satz 2, 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert für das Normenkontrollverfahren wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).